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- Schicksalstag für Julian Assange
Britisches Gericht entscheidet heute über die Auslieferung des WikiLeaks-Gründers in die USA. Die Bundesregierung ging zuletzt etwas ehrlicher mit dem Fall um
Kurz vor der gerichtlichen Entscheidung über einen Auslieferungsantrag der USA gegen den australischen Journalisten und Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks, Julian Assange, hat sich die Bundesregierung erstmals kritisch zu dem Verfahren in London geäußert. Sie verfolge mit Sorge den Prozess in Großbritannien und die im November schriftlich eingereichten Schlussplädoyers von Anklage und Verteidigung, so die SPD-Bundestagsabgeordnete und Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, am Mittwoch. Obwohl die Erklärung zurückhaltend formuliert ist, deutet sie auf ein Ende der Doppelzüngigkeit Berlins gegenüber einer der skandalträchtigsten Politprozesse in Europa hin.
[…]Zu erwarten ist allerdings, dass die jeweils unterlegene Seite nach dem heutigen Richterspruch binnen 28 Tagen in Berufung gehen wird. Der Rechtsstreit über eine Auslieferung von Assange in die USA könnte sich jahrelang hinziehen und am Ende vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausgefochten werden. Der kritische Punkt ist daher nicht unbedingt die Auslieferung an sich, sondern die Haftbedingungen, die klar gegen menschenrechtliche Standards verstoßen.
[….] Man könnte sagen, Vertreter des Außenamtes haben zur Causa Assange anhaltend die Unwahrheit gesagt, um sich nicht einem Fall von Politjustiz und Folter in den eigenen europäischen Reihen stellen zu müssen.
[….]Wenn Richterin Baraitser heute das Urteil verliest, wird Assange all das nur mittelbar helfen. Nicht nur, dass die Kritik aus Berlin zu vage ist und zu spät kommt. Vor Ort wird sie auch nicht wahrnehmbar sein. Die Regeln zur Eindämmung der Corona-Krise in Großbritannien verhindern eine adäquate Prozessbeobachtung.”
Quelle: Telepolis
Anmerkung Moritz Müller: Wieder einmal deutliche Worte, die leider im derzeitigen Hintergrundrauschen aus Brexit, Pandemie und Hysterie unterzugehen drohen. Ich für meinen Teil werde, bis und während das Gericht um 11:00 MEZ zusammentritt mit ganzem Herzen an Julian Assange und seine Familie denken und positive Schwingungen nach London senden. Man kann es auch beten nennen. Bei der geballten Übermacht und Brutalität der Kräfte, die ihn in ihrer Gewalt haben scheint genau in diesem Moment nichts anderes möglich. Danach wird leider weiterhin über dieses und anderes Unrecht zu berichten sein. Dies scheint die Phase der menschlichen Entwicklung zu sein, in der wir uns gerade befinden.”
Ergänzung 12:33 Uhr: Richterin Baraitser hat sich wegen Suizidgefahr gegen die Auslieferung von Julian Assange an die USA ausgesprochen. Leider ist sie im Großen und Ganzen den Ausführungen der US-Anklage gefolgt. Live Bericht hier.
dazu: Pressefreiheit vor Gericht
Julian Assange droht eine 175-jährige Freiheitsstrafe. Die erste Instanz im Auslieferungsersuchen der Vereinigten Staaten geht in wenigen Tagen in ihr Finale, und es wird um nichts weniger als um die Pressefreiheit gekämpft. Im Assange-Verfahren wird eklatant gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen, kommentiert Wolfgang Kaleck.
Am 4. Januar 2021 wird der Westminster Magistrates‘ Court in London in der Sache Government of the United States of America vs. Julian Assange darüber entscheiden, ob die britische Justiz, jedenfalls in erster Instanz, dem Auslieferungsbegehren der USA stattgibt. Wie die Verteidigung von Assange in ihrem Schlussplädoyer vortrug, wäre die Fortsetzung der Strafverfolgung eine krasse Verletzung des Rechts auf Meinungsfreiheit und eine fundamentale Bedrohung der Pressefreiheit in der ganzen Welt. (…)
Im Grunde genommen bietet das nunmehr über mehrere Jahre andauernde Assange-Verfahren genügend Stoff für Dutzende juristischer Seminare. Das jahrelange Abhören seiner Kommunikation durch Sicherheitsfirmen und das Zurverfügungstellen der Ergebnisse an US-Behörden stellt etwa einen so drastischen Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien dar, dass es eigentlich ein Strafverfolgungshindernis darstellt.
Selbst bei optimistischer Grundhaltung kann aber nicht erwartet werden, dass sich das Gericht in erster Instanz gegen das Auslieferungsersuchen der USA stellt. Das bedeutet erst einmal natürlich eine Verlängerung der äußerst schwierigen Situation für Assange, aber er hat natürlich noch mehrere Chancen innerhalb der folgenden Instanzen, seine Argumente vorzutragen. Vor allem aber kann die neu gewählte US-Regierung unter Joe Biden das Auslieferungsbegehren schlicht und einfach zurückziehen und damit dieses unwürdige Spektakel, das jedenfalls kontinentaleuropäischen Vorstellungen von fairen Verfahren widerspricht, mit einem Federstrich beenden. Man darf Julian Assange und allen, die mit der Pressefreiheit streiten, nur wünschen, dass die Bedingungen auch für öffentliche Kampagnen in diesem Sinne und weltweit nun günstiger sind und die Menschen ein Ohr für diese für demokratische Gesellschaften unabdingbare Grundfreiheit haben.
Quelle: Wolfgang Kaleck in Netzpolitik.org
Dazu: “Was bleibt?”: Assange vor Gericht
Das Gerichtsverfahren um die Auslieferung von WikiLeaks-Gründer Julian Assange an die USA dauert an. Weltweit fürchten Investigativjournalisten um eine negative Signalwirkung. Ein Kommentar von Jörg Brunsmann.
Quelle: WDR
Anmerkung unseres Lesers R.G.: So etwas gibt es tatsächlich noch im WDR, leider nur an einem Samstagvormittag und leider nur als 3 Minutenbeitrag.
Anmerkung Christian Reimann: Die NachDenkSeiten haben mehrfach auf das Gerichtsverfahren gegen Julian Assange und seine schreckliche Situation hingewiesen – u.a. hier:
- Nils Melzer bittet Trump um Begnadigung von Assange
- Happy Birthday, Chelsea Manning! Freiheit für Assange!
- Julian Assange – Das schreiende Schweigen der EU
Von Gastautorin Herta Däubler-Gmelin
Der Skandal um Julian Assange wird im Januar weitergehen. Falls Corona es zulässt, holt ihn die ach so hochgelobte britische Justiz wieder aus Belmarsh, dem Hochsicherheitsgefängnis für Schwerstverbrecher. Und entscheidet über seine Auslieferung in die USA. Dort drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft.
Quelle: Kontext
Anmerkung Albrecht Müller: In Kontext wie öfter mal ein wirklich guter Beitrag und auch eine schlimme Hetze …
“Querdenker” – Trouble im verquerten Ashram
Von Elena Wolf
Seit im Sommer 2020 in den Schützengräben der Demokratie auf dem Cannstatter Wasen das Freiheitsvirus ausgebrochen ist, befinden sich die “Querdenker” im aktiven Widerstand gegen die Diktatur Angela Hitlers und dominieren neben dem ganz normalen Corona-Wahnsinn die täglichen Nachrichten.
Quelle: Kontext
Nachbemerkung Albrecht Müller: Die Kritik an Ballwegs Schenkungspraxis ist berechtigt. Aber die folgende Einschätzung der Menschen, die zum Beispiel am 1. August oder am 29. August 2020 auf die Straße gegangen sind, verleumdet. Hier der Auszug aus dem Text:
„Denn um Demokratie und Grundrechte ging es den meisten “QuerdenkerInnen” nie. Auch jetzt nicht. Im Grunde ist der “Querdenker” an sich ein tiefreligiöses Subjekt, das mangels Ambiguitätstoleranz nicht in der Lage ist, ungewisse Zustände, Unsicherheiten, Widersprüchliches emotional auszuhalten, und sich deshalb einer höheren Wahrheit verschreibt. Am besten kollektiv. So funktioniert Kirche. So funktioniert Verschwörungstheorie. So funktionieren Sekten.“
- Die Krise der Linken
Covid-19 Das Corona-Narrativ bringt viele Linke auf Regierungskurs – weil sie insgeheim auf ein Ende des neoliberalen Zeitalters hoffen. Aber ist das realistisch? […]
Der zweite Paradigmenwechsel der Corona-Erzählung ist nicht weniger wichtig: Es ist, nach all der Zeit harter Konkurrenz, das Versprechen auf Solidarität. Das heißt in diesen Tagen vor allem: Social Distancing. Sei solidarisch – halte Abstand! Dass aber auch zu viel Abstand krank machen kann und dass sich das Verständnis von Solidarität womöglich von einer emanzipatorisch-kritischen zu einer konformistischen Tugend wandelt, das bleibt derzeit im Diskurs ebenso unsichtbar wie die Frage nach den Folgen der vermeintlich neuen Solidarität: Zielt sie wie auch die staatlichen Maßnahmen einseitig auf das Private, während der großkapitalistische Alltag beinahe ungehindert weiterläuft? Kann man wirklich von Solidarität sprechen, wenn die Profiteure der Krise nicht auch für diese zahlen müssen? Und kann es tatsächlich das Ziel eines linken Verständnisses von Solidarität sein, dass nun mitunter sogar Denunziation als solidarisch gilt? […]
Und wenn auf den Demos Kapitalismuskritik geäußert wird, dann oft auf eine verkürzte Art: so, als ob ein böser Geheimzirkel den eigentlich guten Kapitalismus missbraucht und eine Pandemie vortäuscht, um Kontrolle über die Menschen zu erlangen. Doch statt dem eine differenzierte, regierungskritische Kapitalismuskritik gegenüberzustellen, scheint die (nötige) Abgrenzung gegen Rechts viele Linke geradezu in die Arme einer unsozialen und teils autoritär agierenden Regierung zu treiben. Doch wo bleibt dann eine echte Opposition?
Quelle: der Freitag
- Joe Biden should end the US pretence over Israel’s ‘secret’ nuclear weapons
The cover-up has to stop – and with it, the huge sums in aid for a country with oppressive policies towards Palestinians.
Every recent US administration has performed a perverse ritual as it has come into office. All have agreed to undermine US law by signing secret letters stipulating they will not acknowledge something everyone knows: that Israel has a nuclear weapons arsenal.
Part of the reason for this is to stop people focusing on Israel’s capacity to turn dozens of cities to dust. This failure to face up to the threat posed by Israel’s horrific arsenal gives its prime minister, Benjamin Netanyahu, a sense of power and impunity, allowing Israel to dictate terms to others.
But one other effect of the US administration’s ostrich approach is that it avoids invoking the US’s own laws, which call for an end to taxpayer largesse for nuclear weapons proliferators.
Israel in fact is a multiple nuclear weapons proliferator. There is overwhelming evidence that it offered to sell the apartheid regime in South Africa nuclear weapons in the 1970s and even conducted a joint nuclear test. The US government tried to cover up these facts. Additionally, it has never signed the nuclear non-proliferation treaty.
Yet the US and Israeli governments pushed for the invasion of Iraq based on lies about coming mushroom clouds. As Israeli nuclear whistleblower Mordechai Vanunu said: the nuclear weapons were not in Iraq – they are in Israel.
Amendments by former Senators Stuart Symington and John Glenn to the Foreign Assistance Act ban US economic and military assistance to nuclear proliferators and countries that acquire nuclear weapons. While president, Jimmy Carter invoked such provisions against India and Pakistan.
Quelle: Desmond Tutu im Guardian
Anmerkung Albrecht Müller: Endlich sagt das einer.
- Lockdown der Menschlichkeit in Europa
Nachts schlafen die Ratten nicht. Weihnachten im Flüchtlingslager in der Ägäis: Wo Babys gebissen und infiziert werden. […]
Es könnte Hilfe geben, aber es soll sie nicht geben, weil Europa das nicht will. Die Lager sollen Orte der Abschreckung bleiben. Die EU nennt sich Raum des Rechts, der Sicherheit und der Freiheit. Freiheit? In den Flüchtlingslagern sind Unrecht und Unsicherheit so groß, dass man von einer schandbaren europäischen Frechheit reden muss. Es gibt in der Flüchtlingspolitik einen Lockdown der Menschlichkeit.
Quelle: Süddeutsche
dazu: Schlimmere Zustände als in Moria: So prekär ist die Lage in dem Flüchtlingslager Kara Tepe
In Kara Tepe befinden sich zurzeit rund 7500 Menschen. Die Lage auf Lesbos steht besonders im Fokus, doch rund 7700 Menschen leben derzeit in anderen Ankunftszentren auf den Inseln Chios, Kos, Samos und Leros.
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) geht davon aus, dass sich insgesamt rund 19.500 Asylsuchende auf den griechischen Inseln aufhalten. Die beiden größten Gruppen machen Menschen aus Afghanistan (46 Prozent) und Syrien (18 Prozent) aus. Laut UNHCR sind 48 Prozent der Geflüchteten dort Frauen und Kinder.
“Man hat bei Moria immer gesagt: Schlimmer geht es eigentlich nicht. Kara Tepe ist ganz klar die Steigerung”, sagte die Journalistin Isabel Schayani im WDR. Auf Twitter veröffentlichte sie zudem aktuelle Videoaufnahmen aus Kara Tepe, wo Menschen in unter Wasser stehenden Zelten hausen müssen.
Quelle: Web.de
- Intensivpflege: „Der Beruf wird immer unattraktiver“
Die Pandemie zeigt: Personal auf Intensivstationen ist knapp, was vor allem an den Arbeitsbedingungen liegt. Pflegewissenschaftler schlagen seit Jahren Lösungen vor.
Die Sorge begleitet viele Menschen dieser Tage: Bekomme ich doch noch irgendwann Covid-19 und muss womöglich ins Krankenhaus und gar auf die Intensivstation? Angst machen vor allem Berichte, die Stationen und vor allem die Pflegenden seien am Limit. „Die Krise offenbart das, was schon seit Jahren ein Problem ist“, sagt Lothar Ullrich, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege. „Wir haben nicht genügend Personal, und der Beruf wird immer unattraktiver. Wir weisen schon seit Jahren auf diesen desolaten Zustand hin, aber bisher hat die Politik das ignoriert.“
Quelle: FAZ
- Die Alten sind in ihrem Leben bedroht – die gesellschaftlichen Folgen tragen vor allem die Jungen
Während die Älteren ein stark erhöhtes Risiko haben, an Covid-19 zu sterben, leiden die Jüngeren zunehmend unter den Einschränkungen. Ideen zum Schutz der Alten gab es, doch sie wurden kaum umgesetzt.
«Zu Hause bleiben, Leben retten.» Mit solchen Slogans wurde im Frühjahr die gesellschaftliche Solidarität zwischen den Altersgruppen beschworen. Mittlerweile hat sie deutliche Lücken bekommen. Gemäss einer Umfrage der Forschungsstelle Sotomo nehmen nur noch 38 Prozent den zwischenmenschlichen Umgang als solidarisch wahr gegenüber 62 Prozent im April. Gleichzeitig sind Misstrauen und Egoismus deutlich gewachsen. Neben der allgemeinen Pandemiemüdigkeit merken viele Jüngere, dass sie besonders von den zahlreichen Einschränkungen betroffen sind.
Quelle: NZZ
dazu passend: Covid-19 und die Generationen: Ungleich verteilte Risiken müssen ausgeglichen werden
Die ältere, von Corona besonders gefährdete Generation sollte sich selber sorgfältig schützen und ihre Kontakte begrenzen. Wer Risiken eingehen will, darf die Verantwortung dafür nicht den Jungen aufbürden.
Quelle: NZZ
- Klinikmitarbeiter geben Scheuers Weihnachtsplätzchen zurück
Mit Weihnachtsplätzchen hat der Bundesverkehrsminister und Passauer Stadtrat Andreas Scheuer den Mitarbeitern am Klinikum Passau eine Freude machen wollen. Der Personalrat schickte das Geschenk zurück. Er sagt: Mit Plätzchen ist uns nicht geholfen. […]
“Plätzchen helfen den überlasteten Pflegekräften nicht. Alle klatschen, im Bundestag wird gelobhudelt, aber bei den letzten Tarifverhandlungen ist uns keiner entgegengekommen, niemand hat die Pflege aufgewertet”, sagt Rüdiger Kindermann, selbst gelernter Pfleger und Vorsitzender des Personalrats am Klinikum. Pflegekräfte hätten ohnehin keine Zeit, Plätzchen während der Schicht zu essen, ärgert er sich.
Quelle: BR 24
- Allianz-Chef warnt vor Pleiten von Lebensversicherern
Der Vorstandschef des Allianz-Konzerns, Oliver Bäte, hat angesichts der anhaltenden Niedrigzinspolitik vor Pleiten deutscher Lebensversicherer gewarnt. “Ich rechne gerade angesichts der massiven Verwerfungen damit, dass ein paar Wettbewerber, die nicht gut gewirtschaftet haben, ausscheiden”, sagte Bäte dem “Handelsblatt”.
Zur Marktwirtschaft gehöre das Ausscheiden von Unternehmen, die den Markt nicht schafften – das müsse es auch bei Finanzdienstleistern geben. Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) belastet die Branche seit Jahren massiv. Auf ihrer Sitzung Mitte Dezember hat die Notenbank wegen der Coronakrise gerade erst eine Ausweitung ihre geldpolitischen Maßnahmen beschlossen. Bäte geht mit der Niedrigzinspolitik der EZB in ungewöhnlich scharfen Worten ins Gericht: “Wir bereiten bereits der nächsten großen Krise den Boden”, warnte der Topmanager.
Auch in Teilen des Aktienmarktes gebe es inzwischen “völlig abstruse Bewertungen”. Durch die verfehlte Geldmarktpolitik mangele es an Innovationen, Investitionen in Infrastruktur, am Ausbau von Wettbewerbsfähigkeit bei Energie, Technologie oder Klimawandel. “Unsere Fähigkeit zu investieren geht systematisch nach unten”, mahnte Bäte. Deutschland brauche jedoch mehr Fiskalpolitik, mehr Innovationen, mehr Reformen und müsse mehr in Bildung investieren, “damit wir langfristiges Wachstum erzeugen, statt permanent Geld zu verteilen, das wir von unseren Kindern stehlen”.
Quelle: Finanznachrichten
Anmerkung unseres Lesers S.N.: Surprise, surprise. Unsere Bundesregierungen sind dieser Problematik spätestens seit der Finanzkrise 2008/2009 mit offenem Visier entgegen gefahren. Aber die Branche ist munter weiter mit Steuergeld (Riesterförderung, Rürupförderung, Entgeltumwandlung, …) gefördert worden oder ist mit dem Sozialpartnermodell bewusst aus der Beitragsgarantie entlassen worden. Alles angeblich billiger, generationengerechter und “irgendwie besser” als die umlagefinanzierte Rente. Wer die Anleihen im Deckungsstock der Versicherung am Tag der Verrentung tilgt, hat die Branche bewusst nie erklärt.
Schuld an der Insolvenzwelle der Lebensversicherer ist angeblich nur die EZB-Geldpolitik. Kein Wort davon, dass die Unternehmen zu Nettosparern geworden sind, dass die Binnennachfrage nach wie vor lahmt oder dass weite Teile der Mittelschicht sich wegen der Immobilienpreisexplosion keinen Hauskredit mehr leisten kann.
- Staatsverschuldung in der Coronakrise: Deutschland braucht eine Abgabe für Superreiche
Ein Prozent der deutschen Bevölkerung verfügt über ein Drittel aller Vermögen. Das muss für die Schuldentilgung nach der Krise Folgen haben. […]
Sobald die Wirtschaft wieder brummt, können sie bei steigenden Steuereinnahmen die Kreditaufnahme herunterfahren, und mit dem Wachstum sinkt die Schuldenquote. Das klingt plausibel, zumal die niedrigen Zinsen es leicht machen. Die zusätzlichen Kredite kosten fast nichts, der deutsche Fiskus verdient sogar daran.
Und doch hat das Konzept eine große Schwäche: Es beruht auf der Annahme, dass alsbald alles wieder so wird, wie es vor der Pandemie war. Das ist aber höchst unwahrscheinlich. Denn die Coronakrise hat aufgedeckt, dass zentrale Aufgaben wie das Bildungs- und das Gesundheitswesen dramatisch unterfinanziert sind. Zudem fahren viele europäische Staaten auf Verschleiß.
Marode Brücken, fehlende Schienen, baufällige öffentliche Gebäude und eine technisch völlig veraltete Verwaltung sind der Ausweis solch falscher Politik. Folglich dürfen die staatlichen Investitionen keinesfalls wieder auf das Vorkrisenniveau sinken, sondern müssen dauerhaft steigen. Und die Jahrhundertaufgabe Klimaschutz kommt da noch oben drauf.
Quelle: Harald Schumann im Tagesspiegel
- Pandemiekosten: Wer soll das bezahlen?
Merkel will keine Vermögenssteuer, also drohen angesichts von erheblichen Steuerausfällen erneute Einschnitte bei Bildung, Kultur und Sozialem (…)
Für das neue Jahr rechnet das Finanzministerium, wie das ZDF unter Berufung auf die gleiche, oben genannte Anfrage berichtet, mit zusätzlichen Belastungen in Höhe von 184 Milliarden Euro. Die Krise werde “historisch teuer” wird der Fraktionschef der Linken dazu zitiert. Es stelle sich die Frage, wer diese bezahlen soll.
Für Angela Merkel ist vor allem klar, wer es nicht soll. Während deutsche Unternehmen sich weiter in Steuervermeidung üben, lehnt sie eine Vermögensabgabe strikt ab. Sie setze stattdessen darauf, über Wirtschaftswachstum Mehreinnahmen zu generieren. (…)
Andere Länder wie etwa Argentinien haben dagegen weniger Probleme, die Reichen zur Kasse zu bitten. Auch die OECD, die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in der sich die westlichen Industriestaaten zusammengeschlossen haben, macht Werbung für entsprechende Steuern.
Neben einer Vermögenssteuer schlägt sie für Deutschland “eine höhere Besteuerung von Grund und Boden“ vor. Auch über “eine höhere Erbschaftssteuer, auch für Familienunternehmen” müsse nachgedacht werden. Das werde nebenbei angesichts der ungleichen Vermögensverteilung zu verbesserter Verteilungsgerechtigkeit führen.
Mit der ging es im Corona Jahr in Deutschland, in Chile und im Rest der Welt weiter bergab. Die 2.200 Milliardäre aus aller Welt, die das Magazin Forbes auflistet, haben 2020 ihre Vermögen um 20 Prozent oder 1,9 Billionen US-Dollar steigern können. Das ist etwas mehr als die Hälfte des deutschen Bruttoinlandprodukts.
Quelle: Telepolis
Anmerkung Christian Reimann: In diesem Artikel ist der Focus sehr eng auf die amtierende Bundeskanzlerin gelegt. Von ihren potentiellen Nachfolgern im Kanzleramt ist eine Kehrtwende ebenfalls kaum zu erwarten. Reiche und Vermögende dürften daher weiterhin verschont bleiben.
- Drei Prozent Nettorendite. Nicht auf Aktien. Sondern in der Gesetzlichen Rentenversicherung
Immer wieder hört man die frustriert-aggressive Kommentierung, dass man mit dem, was an Beiträgen in die Gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt werden muss, weil es sich um eine Zwangsversicherung für abhängig Beschäftigte handelt, privat viel besser selbst vorsorgen und weitaus mehr herausbekommen könnte. Niklas Hoyer hat diese durchaus weit verbreitete Meinung in seinem Artikel So viel Rendite bringt die gesetzliche Rente mit drastischen Beispielworten auf den Punkt gebracht: »Dem IT-Berater aus Thüringen platzte der Kragen. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ließ er Mitte November seinem Ärger freien Lauf: „Die beschissene Rentenversicherung wird mich in meinem Erwerbsleben über eine Million Euro in Gebühren und entgangener Rendite kosten. Das ist absurd.“ Er würde doch gerne selbst entscheiden, welche Versicherung er abschließt, schrieb der Mann.« Es geht um hunderte Euro Monat für Monat. Im nun neuen Jahr 2021 beträgt der monatliche Höchstbetrag beim Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze 660 Euro im Monat – und der Arbeitgeber legt noch einmal den gleichen Betrag dazu, mithin also 1.320,60 Euro pro Monat. (…)
»Die Jahresrenditen auf die Beiträge fallen dabei mit 2,9 bis 3,6 Prozent pro Jahr durchaus bemerkenswert hoch aus. Besonders gut schneidet ein Beispielfall mit Kindern ab, weil für diese zusätzliche Rentenpunkte gutgeschrieben werden. Für viele dürfte das eine Überraschung sein«, bilanziert Niklas Hoyer.
Und es ist keineswegs so, dass die Verfasser der Studie möglichst hohe Renditen für die GRV auszuweisen versuchen und deshalb gegenläufige Effekte unter den Teppich kehren. Bereits angesprochen wurde ihr Hinweis auf den „Nettorenditenabsturz“, der durch die Einführung der nachgelagerten Besteuerung ausgelöst wurde. Hinzu kommt: In der Studie wird ausgeführt, dass die Renditen der 40-Jährigen bereits deutlich niedriger als die der 50-Jährigen ausfallen, trotz einer im Laufe der Zeit weiter steigenden Lebenserwartung. Der Grund dafür sind die angenommenen steigenden Beitragssätze in der Rentenkasse ab Mitte der 2020er Jahre. Sie sind die Folge des Renteneintritts besonders geburtenstarker Jahrgänge, der sogenannten Babyboomer.
Fazit von Hoyer auf der Basis der Befunde aus der Studie von Buslei et al. (2020): »Insgesamt ist die gesetzliche Rente aus heutiger Sicht daher ganz und gar nicht unattraktiv. In Zeiten nullverzinster Sparkonten dürften einige sogar über freiwillige Zusatzbeiträge nachdenken … Die Rentenkasse wird für manche derzeit zur Geldanlage. Wer hätte das gedacht!«
Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
- Epidemiologe nennt Corona-Strategie illusorisch
“Es wird vermutlich noch mehrere Wochen dauern, bis die Fallzahlen zurückgehen”, sagt RKI-Chef Lothar Wieler. Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz liegt aktuell bei fast 200 registrierten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern. Ziel des Lockdowns ist, sie mindestens auf 50 zu senken. Selbst wenn die Maßnahmen mit der erwarteten Verzögerung Wirkung zeigen, wird das sehr schwierig und kein Experte erwartet ernsthaft, dass der Wert vor Februar in greifbare Nähe rücken könnte. Was aber soll geschehen, wenn dies nicht gelingt? Epidemiologe Klaus Stöhr erwartet im Gespräch mit ntv.de genau das, er hält das Ziel einer Inzidenz von 50 oder sogar niedriger schlicht für “illusorisch” und mahnt eine veränderte Strategie zur Bewältigung der Pandemie an. […]
In unserer Klimazone sei das Ziel einer 50er-Inzidenz nicht machbar, sagt er. Bei einer so hohen Infektiosität und weil noch mehr als 90 Prozent der Bevölkerung keine Immunität gegen das Virus entwickelt hätten, “können selbst drastische Einschränkungen die dauernde Viruszirkulation nur in einem begrenzten Umfang und dann nur über einen kurzen Zeitraum reduzieren”. Ein Inzidenzwert von unter 50 im Winter sei “illusorisch”, so Stöhr.
Quelle: n-tv
dazu: Kanzleramtschef erwartet Verlängerung des Shutdowns
Die Corona-Infektionszahlen bleiben hoch, die Feiertage könnten die Ausbreitung sogar beschleunigt haben. Nun bezweifeln Kanzleramtsminister Braun und einige Länderchefs, dass der Shutdown im Januar gelockert werden kann.
Quelle: DER SPIEGEL
Anmerkung JK: Eine 7-Tage-Inzidenz von 50 am 10. Januar zu erwarten ist völlig utopisch. Aber das wussten Merkel, Söder, Spahn & Co schon vorher.
dazu auch: Virologin fordert europaweiten Lockdown
Wie mit der neuen Virusvariante fertigwerden? Die Schweizer Virologin Eckerle rät: Europa soll sich an dem Land orientieren, in dem die Lage am schlechtesten ist.
Eckerle ist auch Unterzeichnerin eines zuerst in der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“ publizierten Aufrufs europäischer Wissenschaftler. Diese hatten geschrieben: „Um einen Pingpong-Effekt von importierten und reimportierten Corona-Infektionen zu vermeiden, sollten die Bemühungen um niedrige Fallzahlen in allen europäischen Ländern synchronisiert sein und so schnell wie möglich beginnen.“ Weiter heißt es: „Wir fordern daher eine starke, koordinierte europäische Antwort und klar definierte Ziele für die mittlere und lange Zukunft.
Quelle: Tagesspiegel
- Was für Impfprivilegien spricht – und was dagegen
Kaum sind die Ersten geimpft, tobt eine Debatte über mögliche Privilegien für Immunisierte. Die Union ist dagegen, die SPD prüft gar ein gesetzliches Verbot. Aber geht das überhaupt? Der Überblick.
Quelle: DER SPIEGEL
dazu: Gleiche Unfreiheit?
Eine ganz große Koalition ist sich darüber einig, dass es „unsolidarisch“ und eine „Spaltung der Gesellschaft“ wäre, wenn die bereits gegen das Coronavirus Geimpften die im Übrigen geltenden Beschränkungen nicht mehr auf sich nehmen müssten. Jetzt soll sogar privaten Dritten über das Antidiskriminierungsrecht verboten werden, Rechtsfolgen an den Impfstatus zu knüpfen.
Das ist alles schon auf den ersten Blick schräg: Die Beschränkungen, die mit der Ansteckungsgefahr begründet wurden, sollen auch gegenüber denjenigen, von denen diese Gefahr gar nicht mehr ausgeht, aufrecht erhalten werden, damit die anderen, noch nicht Geimpften das nicht „unsolidarisch“ finden und sich „benachteiligt“ fühlen? Vernünftig explizieren lässt sich das kaum, und so weicht man gerne auf Nebenkriegsschauplätze aus: Selbstverständlich macht die ganze Diskussion erst Sinn, wenn wir wissen, dass der Impfstoff nicht nur die Geimpften schützt, sondern auch die Übertragung des Virus verhindert.
Quelle: Verfassungsblog
Anmerkung André Tautenhahn: Natürlich darf es für Geimpfte keine Einschränkungen der Grundrechte mehr geben. Sie darf es aber auch nicht pauschal und vor allem dauerhaft für alle anderen geben, nur weil man sich inzwischen daran gewöhnt hat. Was ist denn, wenn Menschen eine natürliche Immunität durch Infektion bereits entwickelt haben? Seltsam ist diese Diskussion aber auch deshalb, weil sich diese Frage angesichts des Impfstoffbeschaffungsdesasters, das die Bundesregierung zu verantworten hat, gar nicht stellt.
Dazu auch: Muss man sich die Grundrechte durch Impfen verdienen?
Die Verfassung muss pandemiefest sein und pandemiefest bleiben. Das Coronavirus ist keine archaische Gottheit, die man durch symbolhafte Opfergaben befriedigen muss.
Zu Weihnachten bekam ich, wunderbar eingepackt, ein Grundgesetz geschenkt. Das klingt nun nicht besonders originell. Und es ist ja auch so, dass ich schon ganz viele Grundgesetze habe – in allen denkbaren Ausgaben: großformatige und kleinformatige, bebilderte und unbebilderte, kommentierte und unkommentierte, schön gebundene und billig zusammengeklebte. Da gibt es Exemplare, die, es ist ein schöner Gag, kaum größer sind als eine Briefmarke. Und da gibt es Exemplare, die haben, und das ist kein Gag, sage und schreibe 16 000 Seiten. Bei letzterem Grundgesetz handelt es sich um den respektheischenden Großkommentar von Maunz/Dürig, der bei C.H. Beck in sieben Leinenordnern als Loseblattsammlung derzeit in der 92. Auflage erscheint und in dem renommierte Staatsrechtler die einzelnen Grundgesetzartikel kommentieren und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dazu analysieren.
Quelle: Heribert Prantl in der Süddeutschen
- US-Kriegsetat bringt jedes Jahr ungezählten Menschen den Tod
“Streit über Verteidigungsetat: Repräsentantenhaus überstimmt Trump”, meldet die Tagesschau. Richtig muss es heißen: “Streit über Kriegsetat, Rüstungsindustrie setzt sich gegen Trump durch.”
Es gibt keinen US-Verteidigungsetat. Die USA müssen sich gegen kein Land verteidigen. Nur ein Wahnsinniger würde die mit Abstand stärkste Militärmacht der Welt angreifen und die totale Vernichtung des eigenen Landes riskieren.
Es gibt jedes Jahr einen Kriegsetat – jetzt sind es schon 740 Milliarden Dollar -, der das Todesurteil für ungezählte Menschen bedeutet. Dabei ist das indirekte Morden durch die Verweigerung von Hilfen bei Hunger und Krankheiten und durch Sanktionen und Handelskriege nicht mitgezählt.
Die “westliche Wertegemeinschaft” und die Medien sind Opfer der US-Propaganda. George Orwell wird Jahr für Jahr bestätigt: Wenn eine Lüge nur oft genug wiederholt wird, wird sie zur Wahrheit.
Dass die US-Rüstungswirtschaft Kongress und Senat an der Leine führt, ist bekannt. Da hatte auch Trump, der im übrigen selbst von der US-Rüstungsindustrie gesponsert wurde, keine Chance und musste sich beugen.
Es gibt viele Mörderbanden auf der Welt. Aber die Verbrecherclique in Washington ist, zählt man die Opfer, die schlimmste.
Wir sind es nicht mehr gewohnt, Mord Mord und Regierungen, die Länder überfallen und mit Krieg überziehen, Mörderbanden zu nennen. Aber auch hierzu sagt Orwell: “In Zeiten, da Täuschung und Lüge allgegenwärtig sind, ist das Aussprechen der Wahrheit ein revolutionärer Akt.” Wenn uns das tägliche Morden nicht mehr bewusst ist, wird die Welt niemals den Frieden finden.
Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook
- Das sind die wahren Gründe im Streit um bewaffnete Drohnen
Bei der Aufrüstung autonomer Flugzeuge geht es nicht um den Schutz von Soldaten. Bericht enthüllt: Es geht um das größte und gefährlichste Rüstungsvorhaben der Europäischen Geschichte
Die Aufregung und Empörung war groß, als die SPD-Spitze um Norbert Walter-Borjans unlängst ihr Veto gegen einen Haushaltsbeschluss einlegte (Drohnenkrieg erschüttert die SPD), der den Weg für die Bewaffnung von Bundeswehrdrohnen geebnet hätte. Unterstützt wurde Walter-Borjans von einigen Sozialdemokraten, deren Haltung man angesichts der einseitigen Meinungslage in Bundestag und Regierung durchaus als mutig bezeichnen kann.
Aus der CDU war die Haltung der Gegner bewaffneter Drohnen zuvor gar als “unmoralisch” bezeichnet worden, weil sie “Mensch und Leben” schützten. Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel stimmte in die Kampagne gegen die aufrüstungskritischen Genossen ebenso ein wie Außenminister Heiko Maas. Die Argumentationslinie in Deutschland erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass bewaffnete Drohnen defensiv ausgerichtet und zum Schutz der eigenen Soldaten notwendig seien.
Quelle: Telepolis
- Was heißt hier grün?
Kriege, Hartz IV, Autobahnbau, Buhlen für die Autoindustrie. Wieso sollte man noch Grüne wählen?
Was ist an den Grünen eigentlich noch grün, das heißt, ökologisch, gewaltfrei und basisdemokratisch? Nun, die Frage kann man sich natürlich seit 1998, sei ihrem Eintritt in die Koalition mit der SPD, stellen.
Doch der Kosovo-Krieg 1999 und die mit ihm verbundenen Verbrechen und schamlosen Lügen, der faule Kompromiss von 2001 mit mehr als 20 weiteren Jahren Atomkraft und der Bau neuer Kohlekraftwerke, die nur am Widerstand der Bevölkerung und mangelnder Wirtschaftlichkeit scheiterten, sind längst aus dem Gedächtnis vieler Menschen verschwunden.
Die Jüngeren wissen davon meist ebenso wenig wie darüber, wer eigentlich dem Verelendungsschub der letzten Jahre 2005 mit der Einführung von Hartz IV und ähnlichem den Weg ebnete.
In jüngster Zeit haben sich allerdings die hessischen Grünen sehr verdient darum gemacht, diese Erinnerungen wieder ans Tageslicht zu zerren. Mit ihrer Treue zum Koalitionspartner und dem mit ihm vereinbarten Autobahnbau, demonstrierten sie aller Welt, wo ihre Partei heute steht.
Quelle: Telepolis
- Ein deutsches Fox News droht
Schon immer wollte der Medienkonzern Springer die Öffentlich-Rechtlichen schlagen. Mit Flankenschutz der CDU und Hilfe von ProSieben/Sat1 könnte es bald soweit sein
Axel Cäsar Springer wollte zeitlebens ins Fernseh-Geschäft. Für einen einzigen Sender, sagte Europas mächtigster Verleger 1961, würde er alle seine Blätter verkaufen. Die Presse habe ein Anrecht auf das Fernsehen, doch der öffentlich-rechtliche Rundfunk torpediere das. Springers Chefredakteure wurden angewiesen, Material über die Machenschaften des Rundfunks zu sammeln, eine eigens eingerichtete Stabsabteilung hatte die Aufgabe, Munition für Kampagnen zu liefern, mit denen man die Volkswut auf die „Staatssender“ entfachen könne. Springer war nie zimperlich, wenn es um seine Interessen ging. Als der Spiegel das Bubenstück 1967 aufdeckte, war’s erst mal vorbei mit dem Verlegerfernsehen. […]
Im Januar 2006 stoppte das Bundeskartellamt Springers Pläne, sich ProSieben/Sat1 einzuverleiben. Zu viel Marktmacht für einen, hieß es. Statt Springer kauften sich die US-Beteiligungsgesellschaften KKR und Permira bei Pro Sieben/Sat1 ein. Als dann auch noch das teure Engagement Springers beim Postdienstleister PIN Group in einem ökonomischen Desaster endete, musste man sich – wie es im Managementdeutsch heißt – „neu aufstellen“. Döpfner, ein begnadeter Schönredner vor dem Herrn, postulierte unter dem Eindruck des Erfolgs der Digitalkonzerne aus dem Silicon Valley einen „radikalen Wandel“. Er legte seine Manager-Krawatte ab und spielte nun den Game Changer, den Transformationsprediger, der das überlebte Traditionshaus Springer zum „führenden digitalen Medienunternehmen“ machen wollte, am besten gleich zum „Weltmarktführer für digitalen Journalismus“. […]
Anfangs lieferte Springer die Nachrichten für Sat1, später für ProSieben/Sat1. Heute erledigt das die Welt-Gruppe, die den Sender N24 von ProSieben/Sat1 übernommen hat. Claus Strunz, Lieferant des Sat1-Frühstücksfernsehens, wechselt im Januar in die Bild-Chefredaktion und ist dort für Bewegtbildinhalte zuständig. Zwar wollen beide Konzerne ihre „Newsrooms“ stärken, doch dieser „Wettlauf“ könnte auch eine Fusion anbahnen. Gemeinsames Vorbild dürfte Rupert Murdochs Fox Corporation sein, die neben Sport und lokaler Berichterstattung jenen berüchtigten News Channel betreibt, der als Tea-Party-Sender, Irak-Kriegstreiber, Trump-Lautsprecher und Covid-Verharmloser Furore machte und mit parteiischer Krawallstrategie zum meistgesehenen Nachrichtenkanal in den USA wurde. Aber kann man sich – nach Trumps Abwahl! – einen Kampfsender vom Format der Bild-Zeitung, moderiert von Chefredakteur Julian Reichelt, beim Unterhaltungssender ProSieben/Sat1 vorstellen? Sicher ist, dass beide Konzerne unter gewaltigem Zugzwang stehen, seit sich der deutsche und europäische Konzentrationsprozess angesichts der digitalen US-Übermacht beschleunigt.
Quelle: Wolfgang Michal in “der Freitag”
Anmerkung Lutz Hausstein: Bei aller berechtigten (inhaltlichen) Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen. Vor dem Hintergrund eines solchen Szenarios des Horrors kann sich jeder vernünftige Mensch nur dafür einsetzen, dass die öffentlichen-rechtlichen Sender nicht nur erhalten, sondern auch gestärkt werden. Allerdings, wie auf den NachDenkSeiten schon von Beginn an gefordert wurde, mit einer weniger tendenziösen und dafür deutlich ausgewogeneren Berichterstattung, wie sie auch Tobias Riegel in seinem Artikel “Rettet den Rundfunk” angemahnt hatte, sowie mit erheblich mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung an den Öffentlich-Rechtlichen, wie sie der Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen in seinem aktuellen Interview mit den NDS fordert. Vor dem Hintergrund von Wolfgang Michals Artikel bekommen beide NDS-Beiträge noch einmal besonderes Gewicht. Ich möchte in keiner Gesellschaft leben, in der das Predigen von Hass und Gewalt zum täglichen Geschäft gehören, wie jetzt schon durch Fox News in den USA. Wer immer noch pauschal die Öffentlich-Rechtlichen abschaffen möchte, sollte zuvor auch die entsprechenden Folgen, nämlich die alleinige Marktmacht von privaten Medien, durchdenken.
- Ein Lenk für Zuhause
Seit zwei Monaten steht Peter Lenks S-21-Denkmal vor dem Stuttgarter Stadtpalais. Und weil sich täglich Neugierige davor versammeln, gibt es die “Chronik einer grotesken Entgleisung” auch in Pappe. Und mit Lupe. Der Bausatz geht weg wie warme Semmeln.
Für Torben Giese ist der Lenk vor der Tür ein Glücksfall. Sein Stadtpalais muss wegen Corona geschlossen bleiben, doch das Denkmal davor lockt zuverlässig Neugierige an. In Gruppen streifen sie um die Skulptur herum, erkennen den einen (Kretschmann) schnell, die andere (Merkel) zeitverzögert, den dritten (Teufel) nur ganz schwer. “Wo kriegt man die Broschüre?”, fragt eine Frau im Livestream mit Giese, der daraus schließt, dass die Leute genau wissen wollen, “wer da wo zu sehen ist”. Warum also nicht zu Hause weiterrätseln?
Und so entwarf das Stadtpalais-Team ein Denkmal to go, mit Lupe, zum genauen Gucken und mit der Broschüre des Künstlers zum Objekt. Nach nicht mal zwei Tagen war der Bausatz aus Papier vergriffen. Sie haben nochmal 500 Exemplare geordert und das Denkmal draußen beleuchtet.
Der Stuttgarter Lenk ist beliebt. Und er bleibt umstritten. “Großartig”, findet Giese die Auseinandersetzung mit der Denkmalkultur vor seinem Haus. Die Kulturschickeria, die noch nie viel von Lenks gegenständlichen Possen gehalten hat, ist auch jetzt wieder aufmarschiert. Keine Kunst sei das, ins Museum würde es ein Lenk nie schaffen, aktuell überschätzt, wenig geistreich, so die Kritik an dem Provokateur vom Bodensee. Weg damit. So liest man es in den “Stuttgarter Zeitungsnachrichten” und in “Art”.
Und was sagt der neue OB Frank Nopper dazu, der die Eröffnung des Bahnhofs zu einem großen Versöhnungsfest machen will? Wie gefällt ihm die Skulptur gewordene Karikatur auf Stuttgart 21? Soll sie bleiben? Leider gibt es darauf vorerst keine Antwort: “Ich bitte um Verständnis, dass ich mich zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen erst nach meinem Amtsantritt in Stuttgart äußern werde”, schreibt der Backnanger Noch-OB auf die Kontext-Anfrage. Wir bleiben dran.
Vorerst steht die fast zehn Meter hohe Skulptur bis Ende März 2021. Vorübergehend, wie alle Lenkschen Schelmenstücke. Womöglich für immer? Darüber wird schon jetzt gerätselt.
Quelle: Kontext: Wochenzeitung
- Deshalb werden die nächsten Jahre gefährlicher
Die Zeichen stehen auf Sturm. Nichts deutet darauf hin, dass 2021 wieder mehr Frieden einkehren könnte. Es ist Vorsicht angesagt.
Die Zeiten ändern sich, zurzeit schneller als je zuvor. Aus der Geschichte zu lernen ist deshalb nicht immer der richtige Weg, ein Problem zu lösen. Aber es gibt Konstanten, die seit 2000 Jahren immer wieder auftreten. Eine der klarsten und wichtigsten ist die: Wo in einem Land, einem Volk, in einer grösseren Gemeinschaft interne Probleme auftreten, insbesondere wenn die Gesellschaft gespalten ist, «hilft» eine äussere Bedrohung – die Existenz eines äusseren Feindes – die Menschen intern, im eigenen Land, wieder zusammenzuschweissen.
Quelle: Infosperber
Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen/sehen Sie dazu z.B. auch:
- Frieden in Europa ist Frieden mit Russland
- Russland trägt die Schuld an den Kriegen des Westens
- Willy Wimmer im Gespräch mit Albrecht Müller: Konfrontation und Feindbildaufbau gegen Russland statt gemeinsamer Sicherheit mit Russland?