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Titel: Werden Trolle gezielt aktiviert? Wie sind sie organisiert?

Datum: 21. Dezember 2020 um 15:52 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Strategien der Meinungsmache
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Vor einer Woche erschien auf den NachDenkSeiten um 8:42 Uhr dieser Artikel Lockdown ab Mittwoch -zwei Wünsche: Ohne Amazon und mit Trinkgeld für Paketboten von Anette Sorg und um 9:20 dieser Artikel Beschäftigen sich die NachDenkSeiten zu viel mit Corona? von Albrecht Müller. Auf der Facebook-Seite der NachDenkSeiten konnte man dann beobachten, wie verschieden die Artikel von den Kommentatoren behandelt werden. Vieles spricht dafür, dass auf den verschiedenen Seiten mit Kommentarfunktion Trolle unterwegs sind. Und vieles spricht auch dafür, dass diese in bestimmten Fällen gezielt eingesetzt werden und dass es Sprachregelungen bzw. Sprachempfehlungen für ihre Kommentierungen geben könnte. Wie genau das organisiert ist, würden wir gerne wissen. Unsere Leserinnen und Leser wahrscheinlich auch. Wer definitiv mehr darüber weiß, sollte sich melden. Wir geben das dann weiter an unsere Leserinnen und Leser. Albrecht Müller

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hier nun einige Informationen zu den Kommentierungen vom vergangenen Montag, dem 14.12.2020:

Anette Sorg hatte eigentlich nichts besonders Radikales geschrieben. Sie warb dafür, den Paketboten ein gutes Trinkgeld zu geben; allerdings riet sie zugleich davon ab, bei Amazon zu kaufen. Wahrscheinlich hat dieser Ratschlag den Proteststurm ausgelöst, den wir hier teilweise mit Hilfe von Screenshots dokumentieren. Zunächst der Hinweis auf den Artikel auf der NachDenkSeiten-Facebook-Seite:

Und hier also jetzt eine Auswahl der Kommentierungen; überfliegen reicht:

Stand heute, 21. Dezember um 9:16 Uhr, hat der Beitrag über Amazon als Bezugsquelle und die Empfehlung, den Paketboten ein Trinkgeld zu geben, ein ungewöhnlich großes und teilweise aggressives Kommentar-Echo ausgelöst. 402 Kommentare wurden abgegeben und diese eben häufig in der zuvor demonstrierten, teilweise aggressiven und zugleich Amazon-freundlichen Art.

Der 38 Minuten später erschienene Artikel „Beschäftigen sich die NachDenkSeiten zu viel mit Corona?“ löste – Stand heute früh – 115 Kommentare und davon meist positive Reaktionen aus. Wir geben ein Beispiel als Screenshot wieder:

Ein anderer Kommentar, ein kritischer Kommentar eines sogenannten Lars Hansen, führt uns ein bisschen weiter. Hier ist der Kommentar:

Ebenfalls mit diesem Namen, vermutlich ein Kunstname, hat am 10.12.2020 ein Lars Hansen den Beitrag vom 10. Dezember 2020 „Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten – dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit“ kommentiert. Hansen macht sich über meinen Versuch lustig, den – Hansen wörtlich – „manipulierten Bürgern“ zu zeigen, was wirklich gespielt wird. Weiter meint Lars Hansen:

„Aber was für ein elendiges Leben muss man haben, wenn man nichts und niemandem trauen kann und alle Politiker, Juristen, Fachleute, Wissenschaftler und Journalisten nichtsnutzige und korrupte Versager sind. Mir ist schleierhaft, wie man mit dieser Denke ein einigermaßen sinnvolles und zusammenhängendes Weltbild organisiert.“

Das Profil von Lars Hansen ist übrigens ansonsten vollkommen leer – keine Freunde, kein Profilbild, keine Einträge.

Es gibt also wirklich noch Mitbürger, an denen die Erkenntnisse von Orwell, Chomsky usw. und die Praxis von Goebbels z.B. einfach vorbeigegangen sind. Oder, was realistischer ist, diese wahrscheinlichen Kunstfiguren nach dem Zuschnitt von Lars Hansen sind ja vielleicht im Auftrag von Agenturen unterwegs.

Im konkreten Fall geht es thematisch ja um das Grundanliegen der NachDenkSeiten, nämlich Manipulationen sichtbar zu machen, und damit Menschen das Werkzeug in die Hand zu geben, sich vor Manipulationen zu schützen.

Fazit:

Nach diesen aktuellen Beobachtungen und nach nunmehr schon seit langer Zeit angestellten Beobachtungen der Kommentare auf unserer Facebook-Seite bin ich davon überzeugt, dass es Agenturen gibt, bei denen interessierte Unternehmen und Personen Kommentare bestellen können.

Diese Agenturen formulieren zusätzlich in Kombination mit den Auftraggebern die Richtung der Kommentare. Zum Beispiel:

  • Im Falle der Kommentare zu dem Beitrag von Anette Sorg war die Vorgabe ziemlich einfach: positive Kommentare zu Amazon und seiner Leistung.
  • Im Falle der Kommentare von Lars Hansen wird sichtbar, dass sowohl die Leistung als auch das Grundanliegen der NachDenkSeiten infrage gestellt werden soll.
  • In anderen Kommentaren ist häufig zu beobachten, dass im Interesse der Glaubwürdigkeit der Kommentierenden die Parole verwendet wird, „die NachDenkSeiten seien ja mal gut gewesen, aber jetzt seien sie ein hoffnungsloser Fall“.

Das PR-Geschäft jener, die die Trolle losschicken, wird vermutlich sehr davon gefördert, dass es massenweise junge Leute ohne gute berufliche Perspektive gibt. Diese bedauernswerte Reservearmee steht bereit, die Drecksarbeit von Trollen zu erledigen – auch wenn sie persönlich möglicherweise ganz anders denken.

Anmerkung Jens Berger: Zumindest im Falle des kritischen Artikels von Anette Sorg zu Amazon könnte auch der Facebook-Algorithmus eine Erklärung für die sonderbare Häufung amazonfreundlicher Kommentare sein. Dieser Algorithmus neigt dazu, Nutzern Einträge anzuzeigen, die vergleichbare Nutzer kommentiert haben. Wenn Nutzer A und Nutzer B beispielsweise oft auf Amazon-Anzeigen positiv angesprungen sind und in der Vergangenheit amazonkritische Artikel kommentiert haben und Nutzer A nun seinen Kommentar bei den NachDenkSeiten abgegeben hat, „denkt“ der Algorithmus, dies könnte Nutzer B auch interessieren und zeigt ihm diesen Eintrag, auf den er dann natürlich auch anspringt. Facebooks Geschäftsmodell ist es, die Leute zu „triggern“ und dazu zu bringen, möglichst viel Zeit auf Facebook zu verbringen und zu interagieren. Je mehr die Nutzer auf Facebook unterwegs sind, desto mehr Werbeanzeigen können ihnen eingeblendet werden. Wer sich für das Thema interessiert, dem sei die Netflix-Dokumentation „Das Dilemma mit den sozialen Medien“, in der unter anderem ehemalige Programmierer von Facebook, Google und Twitter zu Worte kommen, wärmstens empfohlen. Dies sagt natürlich nicht, dass es keine PR-Kampagne mit gesteuerten „Sockenpuppen“ geben könnte.


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