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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 4. Dezember 2020 um 8:08 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Selbstbedienung für Steuertrickser
  2. Gesetzliche Rente in der Krise ausbauen
  3. Horrende Kosten bei Riester-Verträgen: Anbieter kassieren bis zu 38 Prozent des eingezahlten Geldes
  4. AfD-Rentenkonzept: Der Berg kreißte und gebar eine vergiftete Maus.
  5. Bezahlbares Wohnen: Eine Aufgabe für Europa
  6. Julian Assange in den Fängen der National Security Community der USA
  7. Immer länger, immer schärfer: Lockdown durch die Hintertür?
  8. Streeck kritisiert Zahlenspielereien von Politikern: “Söder redet an der Realität vorbei”
  9. “Diskussionen sind unerwünscht”
  10. Pflege im Corona-Hotspot Görlitz: Den Schuss nicht gehört
  11. Mit den Milliardenhilfen für Tui macht der Staat so ziemlich alles falsch
  12. BND-Gesetz: Ausspähen unter Freunden wird legalisiert und ausgeweitet
  13. Trotz Online-Petition: WDR-Programmchef lehnt Corona-kritische Talkshow ab

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Selbstbedienung für Steuertrickser
    Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds verteilt Coronahilfen in Milliardenhöhe an Unternehmen mit fragwürdigen Geschäftsmodellen. Es ist Zeit für einen Transformationsfonds (…)
    Erstens ist das Geschäftsmodell der geförderten Unternehmen nicht zukunftsfähig. Die Perspektive der ohnehin margenschwachen Luftfahrt ist wohl noch düsterer geworden, seit Unternehmen Videokonferenzen für sich entdecken. Deutschlands größter (TUI) und drittgrößter (FTI) Anbieter von Pauschalreisen ringen seit Jahren ums Überleben. Menschen buchen immer weniger Pauschalreisen, sondern stellen sich ihren Urlaub auf Online-Portalen individuell zusammen. Der Kreuzfahrschiffbauer MV-Werften hat es in dem übersubventionierten Sektor mit prognostizierten Überkapazitäten nicht leichter. Die Bundesregierung rettet also Unternehmen von gestern und bindet dort Ressourcen, die in Zukunftsbranchen fehlen. Die deutsche Wirtschaft wird nicht durch die Erbringung von Pauschaltourismus das 21. Jahrhundert meistern, sondern durch technologischen Fortschritt. (…)
    Zweitens haben alle geförderten Unternehmen Verbindungen zu Schattenfinanzzentren. Das ist ein Indiz dafür, dass die Unternehmen Steuersparmodelle nutzen. Es besteht keine Transparenz darüber. Die Lufthansa verschiebt laut einer Studie im Auftrag von Finanzwende sehr wahrscheinlich Gewinne in Schattenfinanzzentren. TUI lässt u.a. seine Kreuzfahrtschiffe unter maltesischer Flagge fahren. Die Eigentümer von FTI und MV-Werften schleusen ihren Gewinn überwiegend über Zwischengesellschaften in Luxemburg, Schweiz und Bermuda. Die Bundesregierung teilt Steuergelder an Unternehmen aus, die selbst wenig Steuern zahlen. Finanzwende hat dagegen die Kampagne Steuertrickser angestoßen.
    Quelle: Gerhard Schick in der Freitag

    dazu: EU-Richtlinie: Bundesregierung verschleppt Kampf gegen Steuertrickser
    Deutschland hat eine EU-Richtlinie, die Steuertricksereien von Unternehmen erschweren soll, noch immer nicht umgesetzt. Union und SPD geben sich gegenseitig die Schuld.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Peinlich, aber natürlich auch wieder typisch für die Union, die die Unternehmen vor “Bürokratie” (in diesem Fall: Steuern zahlen) schützen will, und peinlich auch für die SPD. Aber im Grunde genommen geht es doch um ganz andere Summen als die hier genannten vergleichsweise läppischen 235 Millionen Euro im Jahr. Soweit ich weiß, wird doch die Steuerhinterziehung in Deutschland auf ca. 50 bis 100 Milliarden Euro im Jahr geschätzt (und das ist nur der illegale Anteil). Wenn die Große Koalition nicht einmal die Millionen haben will, dann sollen die Unternehmen wahrscheinlich mit der Hinterziehung in Milliardenhöhe weiter unbehelligt durchkommen.

  2. Gesetzliche Rente in der Krise ausbauen
    Angesichts der heute veröffentlichen Prognosen der Rentenversicherung fordert DIE LINKE ein klares Bekenntnis von Arbeitsminister Hubertus Heil, das Rentenjahr 2021 für einen Ausbau der gesetzlichen Rente zu einer Erwerbstätigenversicherung zu nutzen, in die Selbständige und Beamtinnen und Beamte einbezogen werden. Statt einer Nullrunde im kommenden Jahr fordere ich, das Rentenniveau schrittweise auf 53 Prozent anzuheben“, erklärt Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Birkwald weiter:
    „Die heute vorgestellten Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zeigen, dass die gesetzliche Rente stabil aus der Krise kommen kann. Die Beitragseinnahmen werden in diesem Jahr zwar deutlich langsamer, aber trotz des Wirtschaftseinbruchs immer noch um einen halben Prozentpunkt wachsen. Das zu erwartende Defizit von 4,7 Milliarden Euro wird die gut gefüllte Rentenkasse – die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage – nur minimal belasten.
    Hubertus Heil hat sich erneut dazu bekannt, Selbständige in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen zu wollen. Dem müssen nun endlich Taten und vor Allem ein Gesetzentwurf folgen. DIE LINKE fordert zudem, dass Bundestagsabgeordnete von Beginn der kommenden Legislaturperiode an ebenfalls Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung zahlen sollen.
    Das Rentenjahr 2021 muss außerdem dazu genutzt werden, auf das Scheitern der Riesterrente endlich mit einer Anhebung des Rentenniveaus der gesetzlichen Rente zu reagieren. Die ebenfalls heute veröffentlichte Studie der ‚Bürgerbewegung Finanzwende‘ hat gezeigt, dass die Kosten eines Riestervertrags nicht bei zehn Prozent, sondern oft bei 25 Prozent und mehr für Sparerinnen und Sparer ohne Kinder liegen und die effektive Rendite mit durchschnittlich 1,6 Prozent unterhalb der Inflationsrate der vergangenen 30 Jahre.
    Die schrittweise Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent kann mit einer vorgezogenen Beitragssatzanhebung auf 20 bis 22 Prozent und einem Verzicht auf die milliardenschwere Riesterförderung aus Steuermitteln seriös finanziert werden.
    Die gesetzliche Rente muss nun als Stabilitätsanker in der Krise ausgebaut werden, statt Geld in das Milliardengrab Riesterrente zu schaufeln. Die Zeit dafür ist gekommen, auch wenn die CDU die zunächst erkannten Zeichen leider wieder ausblendet.”
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag
  3. Horrende Kosten bei Riester-Verträgen: Anbieter kassieren bis zu 38 Prozent des eingezahlten Geldes
    Riester-Sparerinnen und -Sparer werden vom Staat unterstützt. Eine neue Studie zeigt jedoch: Die Kosten vieler Versicherungsprodukte fressen die Zulagen schnell auf.
    Dass es ein Problem gibt, ist schon länger klar: Die Riester-Rente sei zu intransparent, zu bürokratisch und zu teuer, beklagen Experten immer wieder. Wie teuer, das hat jetzt die Bürgerbewegung Finanzwende ausgerechnet, die sich für gerechtere Finanzmärkte einsetzt. Die Experten haben sich 65 Riester-Rentenversicherungen vorgenommen und gemeinsam mit einem Versicherungsmathematiker die Kosten für einen 37-jährigen Musterkunden ohne Kinder ausgerechnet, der – inklusive staatlicher Zulagen – pro Jahr 1200 Euro auf seinen Vertrag einzahlt, und das über 30 Jahre.
    Die Ergebnisse sind ernüchternd: Bei einem durchschnittlichen Vertrag gingen demnach nahezu ein Viertel der Einzahlungen für die Gebühren drauf. Jede dritte Police, die untersucht wurde, habe sogar 30 Prozent oder mehr des Geldes an Kosten vereinnahmt. »Das heißt: Von 100 eingezahlten Euro gehen 30 Euro an den Versicherer und den Vermittler«, sagt Britta Langenberg, Vorsorgeexpertin bei Finanzwende. Bei einem Produkt des Anbieters Alte Leipziger waren es den Berechnungen zufolge sogar maximal 38 Euro.
    Genaugenommen müssen die Kunden bei vielen Riester-Angeboten, etwa bei fondsgebundenen Rentenversicherungen, bis zu drei Dienstleister bezahlen: den Vermittler, den Versicherer und die Fondsgesellschaft. Besonders teuer sind laut Finanzwende vor allem jene Riester-Verträge, die höhere Ertragschancen in Aussicht stellen.
    Quelle: DER SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Mit anderen Worten, die Riester-Rente war und ist ein voller Erfolg. Natürlich für die Anbieter von solchen Produkten und allen anderen genannten Dienstleistern, die sich auf Staatskosten eine goldene Nase erwirtschaften, was von Anfang an das Ziel der Aktion war. Die sogenannte “Bürgerbewegung Finanzwende”, die die Studie in Auftrag gegeben hat, kann ich aber nicht verstehen. Der Vorsitzende Gerhard Schick ist doch ein verständiger Mann, und dann fordert die “Bürgerbewegung” anstelle der Riesterrente die staatlich geförderte und garantierte Riesterrente, nur billiger. “Automatisch, staatlich verwaltet, niedrige Kosten, sicher, gute Rendite”, das liest sich wie der Steckbrief für die gesetzliche Umlagerente, die es schon gibt und die nicht erfunden werden muss. Was soll das, und wie vernagelt muss man sein, um gezielt an der offensichtlichen, weil existierenden und funktionierenden, Lösung vorbeizuschauen?

  4. AfD-Rentenkonzept: Der Berg kreißte und gebar eine vergiftete Maus.
    Nach etlichen Jahren Streit zwischen dem völkischen und dem neoliberalen Flügel der AfD beschloss der Parteitag am letzten Wochenende ein Rentenkonzept. Ergebnis: ideologischer Sieg für Höcke und Co.; rentenpolitischer Punktsieg für Meuthen und Mitstreiter.
    Das auf gerade einmal zwei Seiten beschriebene Rentenkonzept wird auf satten zwölf Seiten eingeleitet. Die enthalten durchgängig deutsch-nationalistische und chauvinistische Aussagen und führen gesellschaftspolitisch in die Zeiten von vor 50 bis 90 Jahre zurück.
    Der Sozialstaat sei nicht mehr finanzierbar. „Erhebliche Einschnitte stehen uns bevor und je länger sie (die AfD-Reformen) hinausgezögert werden, desto tiefer und schmerzhafter werden sie uns treffen“. Schuld sei die Politik, die es vor 50 Jahren unterlassen hätte, gegen den Geburtenrückgang „mit einer aktivierenden Familienpolitik und großen staatlichen Kapitalansammlungen“ zu reagieren. Dieser Satz bildet die Grundlage des Höcke/Meuthen-Deals – das wird im nachfolgenden erläutert.
    Quelle: Seniorenaufstand
  5. Bezahlbares Wohnen: Eine Aufgabe für Europa
    Vor anderthalb Jahren startete die Bürgerinitiative „Housing for All“ um die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für bezahlbares Wohnen in Europa zu verbessern. Ihr ist es zu verdanken, dass die Wohnungspolitik nun auf der Tagesordnung in Brüssel steht. Jetzt braucht es Reformen, damit die öffentliche Hand mehr Geld in bezahlbaren Wohnraum investiert. […]
    Leider muss davon ausgegangen werden, dass sich die Situation durch die COVID-19-Pandemie noch weiter verschärft. Denn während viele Menschen mit Einkommenseinbußen, Kurzarbeit oder Jobverlust zu kämpfen haben, steigen die Mieten und Immobilienpreise ungebrochen stark an. In Deutschland verteuerten sich die Preise für Wohnimmobilien im Vergleich zum Vorjahr um 7,1 Prozent, die Neuvertragsmieten um 3,4 Prozent.
    Eine Kernforderung bleibt, dass die öffentliche Hand selbst mehr in bezahlbaren Wohnraum investieren muss. Ein weiterer Grund dafür, dass auf Corona kein staatlicher Sparkurs folgen darf. Im Gegenteil: Öffentliche Investitionen sind weiter nötig und bezahlbar – in Deutschland und im Rest der EU.
    Quelle: DGB klartext
  6. Julian Assange in den Fängen der National Security Community der USA
    Nach einer möglichen Auslieferung an die USA würde WikiLeaks-Gründer Julian Assange die Grand Jury im Eastern District Court of Virginia in der US-Stadt Alexandria wohl zum Verhängnis werden. Vor dieses Gericht soll der australische Journalist nach einer möglichen Auslieferung in die USA gestellt werden. […]
    Es ist diese national und international herrschende loyale Ergebenheit gegenüber den USA, die das Leben eines mutigen Aufklärers und seiner Mitstreiter fahrlässig oder vorsätzlich zerstört. Für die Vertreter der “westlichen Wertegemeinschaft” ist offenbar jeder Tag Loyality Day.
    Der UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer hat daher vollkommen recht, wenn er zusammenfassend zum Fall Assange darlegt: “Meiner Ansicht nach ging es in diesem Fall nie um die Schuld oder Unschuld von Herrn Assange, sondern darum, ihn den Preis dafür zahlen zu lassen, dass er schwere Regierungsvergehen aufgedeckt hat, einschließlich mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Korruption.”
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung Moritz Müller: Einmal mehr bedrückender Lesestoff im Assange Skandal. Wer hier Stellung beziehen möchte ist am Sonntag in Stuttgart am richtigen Platz.

  7. Immer länger, immer schärfer: Lockdown durch die Hintertür?
    Vor einer Woche haben die Bundeskanzlerin und die 16 Ministerpräsidenten neue Corona-Regeln aufgestellt: eine Mischung aus einer Verlängerung der geltenden Regeln, einzelnen Verschärfungen und einem befristeten Lockern, damit Weihnachten ein Familienfest werden kann. Aber: Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Berlin, Sachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und und und – ein Land nach dem anderen ist in nur acht Tagen von den gemeinschaftlichen Beschlüssen weggerudert, die allermeisten hin zu spürbar schärferen Regeln.
    Mal im Ernst: Was soll das? […]
    Die Länder verspielen ohne Not das Maß an Geschlossenheit, das man von ihnen erwarten darf. Sie laufen durcheinander wie ein Hühnerhaufen bei Regen – und treffen sich am Ende doch alle unter demselben Dach. Man wird den Eindruck nicht los: Da wird länderweise ein Zustand hergestellt, den man gemeinsam mit der Kanzlerin nicht beschließen wollte, weil er ehrlicherweise “Dauer-Lockdown” hätte heißen müsste. Gestern wurde beschlossen, dass die Einschränkungen mindestens bis Mitte Januar gelten werden. Auch das hätte man vor acht Tagen schon wissen können.
    Quelle: n-tv

    Anmerkung JK: Man muss den ehemaligen stellvertretenden Chefredakteur der Bild-Zeitung nicht mögen, aber Blome moniert hier zu Recht, das gegenüber den Bürgern eigentlich nur als verächtlich zu bezeichnende Handeln der politischen Elite. Weshalb schenkt man Menschen in diesem Land bezüglich des geplanten harten Lockdowns nicht einfach reinen Wein ein? Zuerst wurde dieser bis Ende November terminiert, wobei bereits jeder ahnte, dass es dabei nicht bleiben würde, dann war von Ende Dezember die Rede nur um kurz darauf bis 10. Januar zu verlängern. Erinnert man sich an die Statements des Kanzleramtsministers Helge Braun und des Wirtschaftsministers Altmaier, dann ist jetzt schon klar, dass der sogenannte “Lockdown light”, der ganz nebenbei immer weiter verschärft wird, mindestens bis März weitergeht.
    Einmal ganz abgesehen davon, dass die Beschlüsse darüber weiter in der verfassungsrechtlich nicht legitimierten Ministerpräsidentenkonferenz zusammen mit der Bundeskanzlerin getroffen werden. Zwar wurde immer wieder ein stärkere Beteiligung des Parlaments eingefordert, aber nachdem der Bundestag die gewollten Verschärfungen des Infektionsschutzgesetzes abgenickt hatte, ist er in dieser Hinsicht wieder von der Bildfläche verschwunden. Nun hört man, dass den Mitarbeitern von Bundestagsabgeordneten ein Corona-Bonus als Anerkennung ihrer zusätzlichen Arbeitsbelastung ausgezahlt werden soll. Da fragt man sich schon, für welche “zusätzlichen Arbeitsbelastung”, wenn der Bundestag seiner Aufgabe als oberste Kontrollinstanz der Exekutive überhaupt nicht wahrnimmt?

  8. Streeck kritisiert Zahlenspielereien von Politikern: “Söder redet an der Realität vorbei”
    Auch hält Streeck es für “sehr hoch gegriffen”, dass die Impfbereitschaft in der Bevölkerung angeblich bei 50 Prozent liege. Man wisse außerdem nicht, wie lange der Impfschutz anhält, da man nur von der natürlichen Immunität darauf schließen kann. Es gebe, so Streeck, aber auch Fälle von Reinfektionen.
    “Die schlechteste Situation wäre, dass der Impfstoff nur sechs Monate wirksam ist und wir kommendes Jahr im Herbst wieder dasselbe Problem wie heute haben.”
    Außerdem sei beim Impfstoff der Firma Moderna beispielsweise noch ungeklärt, ob dieser vor einer Infektion oder nur vor einem schweren Verlauf schütze. Auch die geplanten Massenimpfungen sieht der Virologe kritisch: Mit den geplanten Impfzentren wird dies nach Auffassung Streecks nicht zu lösen sein. Man müsse die Hausärzte einbinden:
    “Ohne die Hausärzte wird es nicht funktionieren – oder wir müssen die Armee aufstocken.”
    Neben dem Virologen kritisierte dies ebenso Leonhard Stärk, der Geschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes, denn zuerst sei von “hundert zu Impfenden pro Tag die Rede gewesen, mittlerweile sind es 300”. Da der Impfstoff der Firmen BioNTech und Pfizer nur drei Tage haltbar sei, könne man sich schwer vorstellen, wie dies funktionieren soll, wenn man auch noch fünf Minuten mit jedem Patienten reden soll.
    Als sich Streeck zur Corona-Sterblichkeit äußerte, verurteilte er auch die Zahlenspielereien der Politiker scharf. Dabei bezog er sich vor allem auf eine Äußerung von Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), dass “die Todeszahlen so hoch seien, als ob jeden Tag ein Flugzeug abstürzt”. Nach Aussage Streecks sterben in Deutschland jeden Tag etwa 2.600 Menschen. Oft gebe es eine saisonal erhöhte Sterblichkeit, beispielsweise durch grippale Effekte. Durch die Schutzmaßnahmen liege die Sterblichkeit im Moment jedoch sogar unter dem Wert der letzten fünf Jahre.
    “Wenn Herr Söder sagt, die Todeszahlen sind aktuell so hoch, als würde jeden Tag ein Flugzeug abstürzen, dann redet er an der Realität vorbei.”
    Streeck räumt ein, dass jeder einzelne Tod tragisch ist, doch es herrsche im Moment keine “enorme Katastrophe”:
    “Aber wenn man sich die Zahlen anschaut, dann ist es nicht die enorme Katastrophe, als die sie gerade dargestellt wird.”
    Quelle: RT Deutsch

    Anmerkung Christian Reimann: Im Zusammenhang mit den aktuell diskutierten Impfstoffen ist dieses Interview mit Professor Stefan Hockertz interessant. Bezüglich der Zahlen sei auf die aktualisierten Berechnungen von John Ioannidis hingewiesen.

  9. “Diskussionen sind unerwünscht”
    Das sagt Prof. Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), und zwar – man höre und staune – in einem Interview mit zeit.de am 2.12. Die Journalistin (Spezialgebiet: Pharmaforschung, Medikamentenentwicklung und neue Therapien) hat es ziemlich schwer:
    Quelle: Corona Doks

    Anmerkung Jens Berger: Sehr lesenswert, auf die meisten Kritikpunkte sind die NachDenkSeiten in der Vergangenheit bereits eingegangen. Wirklich neu ist das also nicht, dennoch ist es natürlich schön, dass diese Kritik nun auch Lesern der ZEIT näher gebracht wird.

  10. Pflege im Corona-Hotspot Görlitz: Den Schuss nicht gehört
    In Görlitz hat sich die Corona-Situation so verschärft, dass positiv getestetes Pflegepersonal arbeiten muss. Verantwortlich ist das Land Sachsen.
    Es ist eine riesengroße Farce: Im sächsischen Görlitz, einer der Corona-Hotspots der Stunde, wird Pflegepersonal eingesetzt, das positiv auf das Virus getestet wurde. In der ostsächsischen Stadt ist der Pflegenotstand inzwischen so gravierend und die Corona-Lage so dramatisch, dass es ohne die Hilfe der positiv Getesteten, Symptomfreien in ihren speziellen Schutzanzügen nicht mehr zu schaffen ist. An sich ist das legal und sowohl vom Robert-Koch-Institut als auch von Gesundheitsminister Jens Spahn abgesegnet – „in Ausnahmefällen“, wie es in einer Regelung heißt. Auch das Landrats­amt Görlitz garantiert offiziell, dass infizierte Pflegekräfte auch nur mit infizierten Patient:innen in Kontakt kommen.
    Doch die Pflegekräfte selbst können darüber nur den Kopf schütteln: Angesichts der Notlage kann gar nicht garantiert werden, dass es keinen Kontakt mit Nichtinfizierten gibt – oder aber, dass bei allen das Virus überhaupt entdeckt wird. Und: Dieses Risiko muss eingegangen werden – sonst liegen die Pflegebedürftigen am Ende alleine in ihren Betten. Im Klartext heißt das: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine positiv getestete Pflegekraft eine nicht infizierte Person ansteckt.
    Wenn in Deutschland auch zehn Monate nach Ausbruch der Pandemie noch immer ein derart eklatanter Pflegenotstand herrscht, dann hat man den Schuss nicht gehört. Das Klatschen und die Schokolade, die Bonuszahlungen und das öffentliche Lob: All das kann den Notstand nicht lösen. Der Personalschlüssel muss aufgestockt, die Gehälter müssen erhöht werden, die gesellschaftliche Notwendigkeit der Pflegearbeit muss endlich entsprechende Anerkennung bekommen.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Es ist unmöglich, dass Kranke zur Arbeiten mehr oder minder gezwungen werden – für sie selbst und in diesem Fall zusätzlich für die Menschen, die von diesen Kranken infiziert werden können. “[E]in Armutszeugnis der sächsischen Gesundheitspolitik”, aber das gilt eigentlich bundesweit.

    dazu: Positiv getestete Pflegekräfte: Die Not in den Heimen
    Corona zeigt die Grenzen der Belastbarkeit des Gesundheitswesens auf. Anders ist es nicht zu verstehen, wenn ein Landkreis in Mittelhessen dem Betreiber eines Altenheims den Einsatz positiv getesteter Pflegekräfte ermöglicht.
    Quelle: FAZ

  11. Mit den Milliardenhilfen für Tui macht der Staat so ziemlich alles falsch
    4,3 Milliarden Euro hält der Bund an Steuergeld bereit, um den Reisekonzern zu retten. Dabei vergrößert die Regierung den entstandenen Schaden noch. […]
    Allein die Summe schon macht sprachlos. Wem sie angesichts der vielen Nullen zu abstrakt erscheint, dem könnten Relationen wie diese weiterhelfen: Rund 10.000 Mitarbeiter beschäftigt der Reisekonzern in Deutschland, sodass auf jeden Kopf eine Rettungssumme von 430.000 Euro entfällt. Eine andere Vergleichszahl gefällig? Nahezu exakt dieselbe Summe investierte der Bund seit 2008 in insgesamt vier Kita-Programme, um Betreuungsplätze für eine halbe Million Kinder unter drei Jahren zu schaffen.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung unseres Leser J.A.: Das macht einen wirklich sprachlos, zumal für die Konkurrenten, kleinere und mittelgroße Reiseunternehmen, eben kein Staatsgeld bereitsteht. Und die TUI ist “[übrigens] ein Unternehmen […], das sich mehrheitlich im Besitz ausländischer Investoren befindet”, also nicht einmal das “Argument” kann gelten.

  12. BND-Gesetz: Ausspähen unter Freunden wird legalisiert und ausgeweitet
    Der Bundesnachrichtendienst soll in seiner Vorratsdatenspeicherung auch die Verbindungsdaten von Deutschen speichern dürfen, wenn er einige Daten unkenntlich macht. Das steht im neuen Entwurf zum BND-Gesetz, den wir veröffentlichen. Um diese Daten zu sammeln, soll der Geheimdienst auch Mobilfunk- und Internetanbieter hacken.
    Quelle: netzpolitik.org
  13. Trotz Online-Petition: WDR-Programmchef lehnt Corona-kritische Talkshow ab
    Einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland zufolge schloss WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn eine von Kritikern der Corona-Berichterstattung geforderte Talkshow im Fernsehen aus. Am Mittwoch erklärte Schönenborn in München: “Es wird nicht dazu kommen, dass wir eine Sendung machen, wie sie gefordert ist.”
    Er persönlich sei der Meinung, dass eine Talkshow nicht der richtige Ort sei, um über wissenschaftliche Fakten zu diskutieren:
    “Unsere Botschaft ist klar: Wir sind eng in Fakten, aber breit in Meinungen und Perspektiven.”. (…)
    Die Absage von Schönenborn überrascht. Denn wie das Redaktionsnetzwerk weiter berichtet, soll der WDR-Programmchef selbst vor einigen Wochen beim WDR intern eine Diskussion darüber angestoßen haben, ob bestimmte Standpunkte renommierter Wissenschaftler in der Corona-Berichterstattung totgeschwiegen würden. Derartige Vorwürfe hätten Bekannte von ihm geäußert, bei denen es sich nicht um Menschen handele, “die Corona leugnen oder andere Fakten ignorieren”, sondern um solche, die Maßnahmen und Einschränkungen für unangemessen und übertrieben hielten. Viele Redakteurinnen und Redakteure hätten ihm von ähnlichen Begegnungen berichtet.
    Quelle: RT Deutsch

    dazu: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und sein Umgang mit Kritikern
    Henry Mattheß. Der Programmdirektor des Westdeutschen Rundfunks, Jörg Schönenborn, versteht die Welt nicht mehr. Enge Bekannte bekunden ihm ihren Unmut über den Umgang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit den Kritikern der Corona-Politik. Schönenborn beginnt nachzudenken. Leider nicht weit genug.
    Boris Rosenkranz von übermedien.de präsentierte kürzlich in einem lesenswerten Beitrag Denk- und Handlungsweisen von Mitarbeitern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Schönenborn hatte ihm offen und bereitwillig Einsicht in seine Kommunikation mit den Redaktionen gewährt. Beim Lesen des Beitrages drängten sich mir grundsätzliche Fragen auf. […]
    Die mittlerweile gängige Praxis, Mindermeinungen nur indirekt, insbesondere durch sogenannte „Faktenchecks“ zu behandeln, und sie selbst gar nicht oder nur marginal zu Wort kommen zu lassen, führt zu einer indirekten Zensur. Inzwischen wird eine Diskussionsverweigerung oder gar Maßregelung mit dem lapidaren Hinweis begründet, die Aussagen der Betreffenden seien bereits ausreichend in „Faktenchecks“ widerlegt.
    Faktenchecks werden schleichend zum letztinstanzliches Urteil hochstilisiert. Bei Gericht heißt dies: Das Urteil ist unanfechtbar. Doch wer prüft eigentlich die „Faktenprüfer“?
    Quelle: Norbert Häring


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