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Titel: Glenn Greenwald verlässt ‚The Intercept‘: „CIA und Deep State sind die Helden der ‚liberalen Linken’“

Datum: 2. November 2020 um 11:31 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
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Wegen Zensur zugunsten Joe Bidens verlässt US-Journalist Greenwald das „eigene“ Medium. Seine Begründung ist beunruhigend und sie sollte auch in Deutschland Gehör finden: Wenn es nur gegen den richtigen Gegner geht, dann werden auch von „Linken“ sehr fragwürdige Allianzen eingegangen. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Glenn Greenwald verlässt das von ihm selber mitbegründete Online-Medium „The Intercept“ – wegen Zensur zugunsten des US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden: Auf seinem neuen Online-Medium „substack.com” erklärt Greenwald den letzten von vielen Gründen für seinen Abschied:

„Der letzte, dringende Grund ist, dass die Herausgeber von The Intercept unter Verletzung meines vertraglichen Rechts auf redaktionelle Freiheit einen Artikel zensiert haben, den ich diese Woche geschrieben hatte, und sich weigerten, ihn zu veröffentlichen, wenn ich nicht alle kritischen Abschnitte über den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden entferne, der von allen in New York ansässigen Intercept-Redakteuren, die an diesem Unterdrückungsversuch beteiligt waren, vehement unterstützt wird.“

„US-Linke“, Joe Biden und die „russische Desinformation“

Greenwald kritisiert zudem, dass ‚The Intercept‘ die aktuelle Geheimdienst-Behauptung übernähme, die aktuellen Enthüllungen über Joe Biden seien „russische Desinformation“. Der laut Greenwald von Zensur bedrohte Artikel findet sich hier, die E-Mail-Korrespondenz, die die Zensur belegen soll, findet sich hier. Den aktuellen Vorgang der medialen Unterdrückung von kritischen Berichten über Joe Biden haben die NachDenkSeiten kürzlich in diesem Artikel thematisiert.

Greenwald ist US-amerikanischer Journalist. Internationale Bekanntheit erlangte der ehemalige Rechtsanwalt dadurch, dass er 2013 als erster Journalist über die Geheimdienst-Enthüllungen durch Edward Snowden berichtete. Ein Grund, „The Intercept“ im Jahr 2014 zu gründen, waren die Geheimdienst-Reaktionen auf diese Snowden-Berichte Greenwalds. Im aktuellen Fall Biden würden sich nun aber Mitarbeiter bei „The Intercept“ selber auf Behauptungen von Geheimdiensten stützen. Das betont Greenwald in einem aktuellen Interview mit Fox-News:

„Ein Grund, ‚The Intercept‘ zu gründen, war die höchste Skepsis gegenüber Behauptungen von Geheimdiensten. Schließlich wurden wir von Beginn der Snowden-Berichte an von der NSA, der CIA und dem tiefen Staat angegriffen. Wir wussten, sie lügen permanent und versuchten, sehr mächtige Propaganda zu nutzen. Wir sagten also: Wir werden diese Geheimdienste untersuchen.
Darum ist es mir sehr peinlich und ich bin wütend darüber, dass sogar mein Medium die aktuellen Vorwürfe gegen Joe Biden als ‚russische Desinformation‘ bezeichnet – auf Basis eines Briefes von Geheimdienstmitarbeitern!“

Die Sehnsucht der „Linken“ nach Zugehörigkeit

Das Phänomen, dass sich als „links“ einordnende Journalisten gemeinsam mit dubiosen Geheimdienst-Mitarbeitern Enthüllungen über Biden sabotieren, erklärt Greenwald in dem Interview folgendermaßen, und er weist dabei auf die Gefahren dieser Koalition hin:

„Die CIA hat sich vom ersten Tag an dem Ziel verschrieben, die Trump-Regierung zu sabotieren. Aus diesem Grund wurden die CIA und die Akteure des Deep State zu Helden der „liberalen Linken“. Die Unterstützer der Demokratischen Partei sind nun in einer starken Verbindung mit Neocons, Bush-Cheney-Mitarbeitern, der CIA, dem Silicon Valley und der Wall Street. Diese starke Machtgruppe – gemeinsam mit den Medien des Mainstreams – wird bei einem Wahlsieg mindestens einen Teil der Macht erringen, wenn nicht die ganze Macht.“

Greenwald sieht im „linken“ Lager „eine tiefe Furcht“ davor, den „hegemonialen kulturellen Liberalismus und die Twitter-Koryphäen des Mitte-Links-Bereichs zu beleidigen“. Zusätzlich beobachtet er „das übergreifende Bedürfnis, die Zustimmung und Bewunderung der Mainstream-Medien zu gewinnen, gegen die wir ‚The Intercept‘ geschaffen haben, um sie zu bekämpfen, zu kritisieren und zu untergraben“. In der Begründung seines Abschieds bezieht Greenwald diese Beobachtung auf weitere Bereiche:

„Aber die Pathologien, der Illiberalismus und die repressive Mentalität, die zu dem bizarren Spektakel geführt haben, dass ich von meinem eigenen Medium zensiert wurde, sind keineswegs nur bei The Intercept anzutreffen. Dies sind die Viren, die praktisch jede politische Mitte-Links-Organisation, jede akademische Einrichtung und jede Nachrichtenredaktion des Mainstreams verseucht haben.
(…) Unser Diskurs wird zunehmend intoleranter gegenüber abweichenden Ansichten, und unsere Kultur verlangt mehr und mehr die Unterwerfung unter die vorherrschenden Orthodoxien, die von selbsternannten Monopolisten der Wahrheit und Gerechtigkeit auferlegt und von Armeen von Online-Durchsetzungs-Mobs unterstützt werden. “

„Die Geheimdienste haben die Wege der Kommunikation infiltriert“

Da fast alle großen Medieninstitutionen von dieser Dynamik erfasst worden seien, bestünde ein tiefes Bedürfnis nach Medien, die ungebunden und frei darin seien, die Grenzen dieses polarisierten Kulturkampfes zu überschreiten, so Greenwald. Das sei um so wichtiger, um so dreister sich die Geheimdienste in die mediale Kommunikation einmischen würden:

„CIA-Agenten sind trainierte Desinformations-Agenten. Aber schauen Sie in irgendeinen Kabel-Sender oder irgendeine Zeitung – alles was Sie sehen, sind Ex-Mitarbeiter der CIA, des FBI, der NSA, die Amerikanern sagen, was sie zu glauben haben. Die Geheimdienste haben die Wege der Kommunikation infiltriert. Sie indoktrinieren die Menschen in einer Weise, die brandgefährlich ist – wo auch immer man politisch steht.“

Titelbild: jgolby / Shutterstock


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