Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Herdentrieb
- Söder für bundesweit strikte Maskenpflicht bei hohen Zahlen
- Gesundheitsamt-Chef zerreißt Söders Corona-Strategie
- Wissenschaftler zweifeln an Corona-Maßnahmen: “Besorgniserregende Fehlentwicklungen”
- Zurück zu Augenmaß und Fakten: Der Corona-Diskussion droht eine gefährliche Schieflage
- Wem gehört Deutschland?
- »Oeconomia«: Im Maschinenraum des Kapitalismus
- Ein Tumor, der seinen Wirt tötet
- Immer mehr Rentner haben einen Job
- Washingtons Top-Denkfabriken erhalten mehr als eine Milliarde Dollar von Pentagon und Rüstungsfirmen
- Europäische Agrarförderung Bloß nicht weiter so!
- Kommt die überwachte Gesellschaft?
- Der Krieg um Berg-Karabach – oder: Warum “Neutralität” Parteinahme ist
- 50 Jahre nach Allende: Aufbruch in ein neues Chile?
- Fakten gecheckt – Diskussion vertagt
- Mehrheit will Spahn als CDU-Chef und Söder als Kanzlerkandidat
- Baerbock und Habeck mobilisieren für Schwarz-Grün
- Wenn schon die Fakten nicht stimmen
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Herdentrieb
Mich beunruhigen seit Monaten die vielen Trompeter im Corona-Panikorchester. Sie verbreiten Angst und Schrecken. Als Medienforscher beobachte ich mit großer Sorge den Overkill, mit dem Leitmedien, insbesondere das öffentlich-rechtliche Fernsehen, aber auch Zeitungen wie SZ oder FAZ, über die Pandemie berichten. Meine These: Nicht die Regierenden haben die Medien vor sich hergetrieben, wie das Verschwörungstheoretiker so gerne behaupten. Vielmehr haben die Medien mit ihrem grotesken Übersoll an Berichterstattung Handlungsdruck in Richtung Lockdown erzeugt, dem sich die Regierungen in Demokratien kaum entziehen konnten.
Im März und April schnellte der Anteil der Corona-News in den Hauptnachrichtensendungen von ARD und ZDF, “Tagesschau” und “Heute”, hoch und bewegte sich zwischen 60 und 75 Prozent, so das Institut für Medienforschung in Köln. Selten sei “ein Thema so stark präsent” gewesen wie die Pandemie, ergänzt Mark Eisenegger von der Universität Zürich im Blick auf das Nachbarland Schweiz. Auch hier habe sich im ersten Halbjahr 2020 an manchen Tagen bis zu 70 Prozent der gesamten Berichterstattung um dieses Thema gedreht […]
Quelle: SZ
- Söder für bundesweit strikte Maskenpflicht bei hohen Zahlen
Unter dem Eindruck rasant gestiegener Corona-Zahlen hat CSU-Chef Markus Söder eine bundesweit einheitliche Maskenpflicht für Regionen mit vielen Neuinfektionen verlangt – in Schulen, auf öffentlichen Plätzen und auch am Arbeitsplatz.
Zudem rief der bayerische Ministerpräsident dazu auf, dem Bund mehr Rechte im Kampf gegen das Virus zu übertragen – derzeit geht ihm vieles nicht schnell und effektiv genug. «Ich bin ein überzeugter Föderalist, aber ich glaube, dass der Föderalismus zunehmend an seine Grenze stößt», sagte er vor einer Schaltkonferenz des CSU-Vorstands in Nürnberg. Der Bund müsse, bevor es vielleicht ein neues Infektionsschutzgesetz gebe, die Möglichkeit haben, mit «Bundesverordnungen» zu agieren.
Die Regeln für eine bundesweite «allgemeine Maskenpflicht» sollten nach Vorstellung Söders so aussehen: Bei mehr als 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen soll eine Maskenpflicht auf stark frequentierten öffentlichen Plätzen und in Schulen gelten, in Grundschulen und Horten ab der Marke 50. Und: Söder forderte bei einem Warnwert von 35 eine bundesweite Maskenpflicht auch am Arbeitsplatz, wenn Mindestabstände nicht eingehalten werden können. Zudem solle der Rest der Länder dem bayerischen Beispiel folgen und etwa auch die Sperrstunde für Lokale schon um 22.00 Uhr verhängen, wenn der 7-Tage-Warnwert 50 erreicht hat, sagte er. Er sei auch bereit, über nationale Sperrstunden-Regelungen zu reden.
Quelle: FAZ
Anmerkung JK: Jens Berger hat in seinem Artikel (Covid-19-Daten – Wie viele Infektionen gab es im Frühjahr?) erläutert, dass die absoluten Infektionszahlen allein wenig Aussagekraft zur Bewertung der Entwicklung der Corona-Epidemie besitzen. Dennoch verbreitet der bayerische Ministerpräsident Markus Söder allein auf Basis von absoluten Zahlen weiter geradezu skrupellos Panik („Dann wird es ein einsames Weihnachten.“), um weitere autoritäre Maßnahmen durchzusetzen.
- Gesundheitsamt-Chef zerreißt Söders Corona-Strategie: „Auch wenn ich meine Beamten-Kariere auf Spiel setze …“
Seit Corona die Welt beschäftigt, hat Dr. Friedrich Pürner (53) mehr als 500 Überstunden angehäuft. Der Facharzt und Epidemiologe leitet das Gesundheitsamt Aichach-Friedberg. Die Fragen und Sorgen der Bürger werden immer mehr. Der bayerische Beamte sieht viele Maßnahmen der Staatsregierung kritisch und versucht, Ängsten entgegenzusteuern.
Mit steigenden Fallzahlen steigt doch auch der Druck zum Handeln?
Pürner: Ja, die Zahlen steigen. Aber wir rechnen nur mit der Summe der positiv Getesteten, über die Erkrankten wissen wir nichts. Würde die Zahl der Schwerkranken signifikant steigen, müssten wir etwas unternehmen. Aber gehandelt wird derzeit nur, weil wir lediglich positive Befunde haben. Entscheidend für uns Epidemiologen ist: Wie krankmachend ist eine Erkrankung? Covid-19* ist eine Infektion. Es wird immer Menschen geben, die daran sterben oder krank werden. Auch Folgeschäden sind derzeit nicht ausgeschlossen. Vor allem Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen sind Risikogruppen. Allgemein ist das Risiko, an Corona schwer zu erkranken, relativ gering, daran zu sterben auch. Das ist nicht Ebola.
Die Politik versucht, mit einem Ampelsystem* die Lage in den Griff zu kriegen. Wie beurteilen Sie die Inzidenzwert-Strategie?
Pürner: Diese Strategie ist nicht richtig. Die Inzidenzen 35 und 50 pro 100.000 Einwohner sind willkürlich gewählt, außerdem besteht der Inzidenzwert nur aus allen Positiv-Getesteten. Man weiß nicht, wie viele Personen Symptome haben und damit krank sind. Es wäre klug, auf diejenigen zu schauen, die das Gesundheitssystem belasten.
Quelle: Merkur
Dazu: Drastische Corona-Einschränkungen im Berchtesgadener Land
Wegen extrem gestiegener Corona-Zahlen gelten im Berchtesgadener Land ab Dienstag, 14 Uhr, für zwei Wochen Ausgangsbeschränkungen. Schulen und Kitas müssen schließen, Veranstaltungen werden verboten, auch Restaurants dürfen nicht öffnen.
Quelle: BR
Anmerkung Jens Berger: Der Kreis Berchtesgadener Land gehört übrigens zu den Kreisen, in denen kein einziger Covid-19-Patient intensivmedizinisch behandelt wird.
Quelle: DIVI
- Wissenschaftler zweifeln an Corona-Maßnahmen: “Besorgniserregende Fehlentwicklungen”
Eine Gruppe von Wissenschaftlern, Kassenmanagern und Medizinern um den renommierten Gesundheitsökonomen Gerd Glaeske hat Bund und Ländern vorgeworfen, mit falschen Konzepten auf die steigende Zahl von Corona-Infizierten zu reagieren. Es gebe eine Reihe von “besorgniserregenden Fehlentwicklungen”, heißt es in einem Thesenpapier, das dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. „Es überwiegt der Eindruck, dass die Verantwortlichen auf den immergleichen Vorgehensweisen beharren und Maßnahmen sogar noch verstärken, an deren Wirksamkeit und Akzeptanz es aus wissenschaftlicher Sicht größte Zweifel geben muss“, kritisieren die Autoren.
Sie warnen Bund und Länder nachdrücklich davor, die Bevölkerung mit immer neuen Drohungen vor einem erneuten Lockdown zur Disziplin bewegen zu wollen. Dieser anhaltende und als alternativlos bezeichnete Bezug allein auf die Verantwortlichkeit des Einzelnen führe „zu Ermüdung, Abwendung und Flucht in falsche Heilslehren, aber nicht zu einer Verbesserung der Wirksamkeit der vorgeschlagenen beziehungsweise angeordneten Maßnahmen“, wird argumentiert.
„Dies gilt vor allen Dingen im Zusammenhang mit einer Drohkulisse, die aus den impliziten Versatzstücken ‚langdauernder Winter‘, ‚Weihnachten im Lockdown‘ und ‚es könnte für Sie kein Intensivbett mehr frei sein’ zusammengesetzt ist“, so die Autoren, zu denen unter anderem der Chef des Verbandes der Betriebskrankenkassen, Franz Knieps, gehört.
Quelle: RedaktionsNetzwerk Deutschland
- Zurück zu Augenmaß und Fakten: Der Corona-Diskussion droht eine gefährliche Schieflage
Ich habe lange gezögert, diesen Beitrag zu schreiben. Als Arzt bin ich verpflichtet, Menschenleben zu retten. Das ist das oberste Gebot für Mediziner und Teil des hippokratischen Eides.
Ich fürchte aber derzeit, dass die Diskussion über die Corona-Situation in Deutschland in eine gefährliche Schieflage geraten könnte, die zwar den gesundheitlichen Schutz vor dem Virus in hohem Maße berücksichtigt, aber andere, ebenfalls essenzielle Dinge aus den Augen verliert und dabei auch gerne einmal Fakten übersieht.
Wer in diesen Tagen generell (nicht punktuell) nach „Zügel anziehen“ und „Verschärfungen“ ruft, missversteht aus meiner Sicht den notwendigen Schutz vor Covid-19. Wir können der Eindämmung der Pandemie nicht alles unterordnen. Überspitzt formuliert: Wir hätten dann in Deutschland möglicherweise die wenigsten Corona-Opfer, dafür aber Kollateralschäden in unerträglicher Dimension.
Ich meine damit nicht nur die wirtschaftlichen Kosten, Existenzgefährdungen, Staatsschulden und die Vernichtung von Teilen des Kunst- und Kulturbetriebs. Psychologen warnen vor Traumen bei Kindern und Jugendlichen, der Vereinsamung alter Menschen.
Wir dürfen nicht nochmals zulassen, dass Patienten wie zu Zeiten des Lockdowns nicht mehr zum Arzt gehen, es einen Rückstau von Operationen gibt oder Herzinfarkte nicht behandeln werden, weil Menschen fürchten, sich in Kliniken anzustecken. Solche Ängste vor einer Infektion sind schlicht überzogen.
Gesundheitspolitik in Pandemiezeiten heißt auch, Augenmaß zu bewahren und zu Besonnenheit in der Bewertung aufzurufen. Wer die Maßstäbe verrückt, und sei es aus gut gemeintem Schutz der Bevölkerung, trägt zu einer Spaltung und Radikalisierung der Gesellschaft bei.
Quelle: Handelsblatt
- Wem gehört Deutschland?
Ein wichtiger Vermögensfaktor neben Grund und Boden ist das vor allem in Unternehmen gespeicherte Kapital. Dazu gehören Maschinen, Wissen über Produktionsmethoden oder geschützte Patente auf nützliche Erfindungen. Einen Anhaltspunkt für die Besitzverhältnisse in der Unternehmenswelt bietet ein Blick auf die Börse. Dabei werden allerdings große Unternehmen wie Aldi oder Bosch ausgeblendet, deren Anteile nicht an Börsen gehandelt werden. Die im Leitindex Dax versammelten 30 größten börsennotierten Unternehmen befinden sich vorwiegend in der Hand amerikanischer Vermögensverwalter.
Es führt der Finanzriese Blackrock, der mehr als 10 Prozent des Dax-Kapitals kontrolliert. Aber auch der Staat war 2019 bei Dax-Unternehmen mit an Bord. Rechnerisch 16 Prozent der Dax-Aktien gehören unmittelbar Privatanlegern. Teile des von institutionellen Dax-Investoren verwalteten Vermögens gehören allerdings mittelbar auch Privatpersonen, die etwa von Blackrock emittierte Indexfonds gekauft haben.
Große Vermögensverwalter sind trotz ihres großen Einflusses (nicht nur) auf die deutsche Unternehmenswelt rechtlich betrachtet nur Treuhänder, die fremdes Geld anlegen, das Anleger aus aller Welt ihnen anvertraut haben. So ist Blackrock zwar die weltgrößte Vermögensverwaltung, doch die Dividenden aus den gehaltenen Dax-Aktien leitet der Finanzriese an seine Kunden weiter. Ebenso übt er in ihrem Namen auch die mit den Aktienpaketen verbundenen Stimmrechte aus.
Reichtum in Deutschland ist fast durchweg mit dem Eigentum an großen Unternehmen verbunden, wie ein Blick auf die Liste der reichsten Deutschen zeigt. Die Entscheidungsmacht befindet sich in den Händen weniger großer Eigentümer, was zu einer stark ungleichen Verteilung des deutschen Gesamtvermögens führt.
Quelle: FAZ
- »Oeconomia«: Im Maschinenraum des Kapitalismus
Der Dokumentarfilm zeichnet also nicht einfach auf, sondern kann zum politischen Instrument werden, weil er das sinnlich Bestehende neu aufzuteilen vermag. Er kann sichtbar machen, was zuvor an den Rand gedrängt werden sollte, er kann einem herrschenden Narrativ ein Korrektiv entgegensetzen.
Die Filmemacherin Carmen Losmann hat dieses agitatorische Potenzial des Dokumentarfilms bereits in Work Hard Play Hard aus dem Jahr 2012 unter Beweis gestellt. Ein Film, der nicht einmal im Verdacht klassischer Agitation stehen würde und dennoch politisch ist, weil er von einem klaren Standpunkt aus etwas sichtbar macht, was über die bloße Dokumentation hinausgeht. Auf den ersten Blick handelt es sich um einen Dokumentarfilm über unsere schöne neue Arbeitswelt. Der Film könnte in dieser Hinsicht das sein, was Siegfried Kracauers Studie Die Angestellten für das frühe 20. Jahrhundert war – eine freudig getätigte Selbstauskunft über die Neustrukturierung von Arbeit, die das Humankapital der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Ressource erschließen soll. Der Film zeigt lichtdurchflutete Büros, vitale Arbeitsatmosphären und zwangloses Miteinander. Das alles wird so verblüffend transparent dargelegt, als hätte Losmann in den Vorgesprächen einen Marketingfilm versprochen. …
Mit Oeconomia erscheint nun Carmen Losmanns neuer Film in den Kinos (Filmstart: 15. Oktober), und dem Gegenstand entsprechend – dieser ist, einfach gesagt: unser liebes Geld – hat sich Losmanns dokumentarischer Modus verändert. Im Unterschied zu Work Hard Play Hard legt Losmann keine pseudo-ethnographische Studie vor, sondern ein dokumentarisches Essay, das zum Ende hin zur Aktion aufruft. Losmann observiert nicht mehr nur, sondern greift auch ein, wahrt darin aber immer noch eine Distanz zum Gegenstand. Denn Losmann selbst ist nie zu sehen. Sie zeigt sich lediglich als Stimme aus dem Off oder in gestischer Form am Interface ihres Computerbildschirms, auf dem wir ihrer Präsentation um drei vermeintlich naive Fragen zur Makroökonomie folgen können: Erstens, wie kommt Geld in die Welt, zweitens wie entsteht das Geld für die Gewinne und drittens, wer nimmt die Schulden auf? Oder anders ausgedrückt: Wie hängen Kreditvergabe, Wirtschaftswachstum und Schuldenzunahme zusammen?
Das Fazit nach 90 Minuten ist desaströs und doch erwartbar: Wenn Geld nur dann entsteht, wenn Menschen wirtschaftlich aktiv werden und wiederum nur Kredite erhalten, wenn es Aussicht auf Gewinne gibt, die die Schulden zurückbezahlen, dann wird ein systemimmanenter Wachstumszwang geschaffen, der nach neuen Absätzen verlangt, um Kredite zu generieren, die den Geldfluss aufrechterhalten. Dieser Teufelskreis wird auch problemlos vom Staat bedient, der genauso vom Wirtschaftswachstum abhängig ist. Bei steigender Geldmenge und steigender Verschuldung wächst zwar die Wirtschaft, doch dieses Wachstum auf Pump generiert lediglich Profite in höheren Einkommensschichten. Dies wiederum lässt die Vermögensungleichheit steigen, während der mit Schulden belastete Staat seinen demokratischen Gestaltungsspielraum einschränkt, um seine Schulden zu mindern.
Quelle: Jacobin
- Ein Tumor, der seinen Wirt tötet
Die Mehrheit der Menschen muss erkennen, dass die soziale Misere, vor allem die seit Jahren anhaltende kontinuierliche Senkung ihres Lebensstandards, aber auch der kulturelle Verfall und die zunehmende Unterwerfung der Gesellschaft unter autoritäre politische Strukturen ihre Ursachen im gegenwärtigen Finanzsystem hat.
Die Fassade der parlamentarischen Demokratie hat es dem Finanzsektor ermöglicht, sich über Jahrhunderte hinweg weitgehend unkontrolliert zu entwickeln. Es sind aber noch zwei weitere Faktoren hinzugekommen, die ihm geholfen haben, beständig an Macht und Einfluss zu gewinnen: Zum einen hat die Bankenwelt im Laufe der Zeit eine eigene Fachsprache entwickelt, die Außenstehenden den Zugang erschwert und das Verständnis von Hintergründen und Zusammenhängen fast unmöglich macht. Zum anderen sind den meisten Menschen die Auswirkungen der Vorgänge im Finanzwesen auf das eigene Leben nicht bewusst.
Aus diesen Gründen nimmt das Finanzwesen in der Wahrnehmung der meisten Menschen bis heute einen eher untergeordneten Platz ein. Oft steht es auf einer Stufe mit anderen Teilbereichen der Gesellschaft wie dem Gesundheits- oder dem Ausbildungswesen, und in vielen Fällen erfährt es sogar noch weniger Aufmerksamkeit.
Diese Mischung aus Desinteresse und Unverständnis ist vom Finanzsektor im vergangenen halben Jahrhundert in historisch einmaliger Weise ausgenutzt worden und hat ihm dazu verholfen, von der internationalen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt zur stärksten Macht zu werden, die es jemals auf unserem Planeten gegeben hat – mit der Folge, dass unser gesamtes Leben heute bis ins kleinste Detail von den Vorgängen an den Finanzmärkten geprägt und beeinflusst wird.
Quelle: Hinter den Schlagzeilen
- Immer mehr Rentner haben einen Job
Die Zahl der Rentner, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, steigt weiter. 2019 waren laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit rund 1,29 Millionen Menschen, die die Regelaltersgrenze erreicht hatten, weiter erwerbstätig. Das waren rund 400.000 oder 45 Prozent mehr als 2010, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD hervorgeht. Gegenüber 2005 seien es sogar 547.000 oder 73 Prozent mehr Rentner gewesen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen.
Die Gesamtzahl der Altersrentner ist diesen Angaben zufolge von 2010 bis 2019 um 3,9 Prozent auf rund 17,11 Millionen gestiegen.
Acht von zehn erwerbstätigen Rentnern – 1,02 Millionen oder 79,2 Prozent – waren im vergangenen Jahr nach Berechnungen des AfD-Arbeitsmarktpolitikers René Springer ausschließlich geringfügig beschäftigt. Jeder fünfte erwerbstätige Rentner – 268.000 Menschen oder 20,8 Prozent – sei sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Diese Zahl sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, von 11,9 Prozent in 2005 auf 20,8 Prozent in 2019. …
Die Bundesregierung argumentiert in ihrer Antwort: “Erwerbsarbeit im Rentenalter ist, anders als oftmals angenommen, kein Indiz für Altersarmut.” Sie verweist auf eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung: “Als Hauptgründe für eine Erwerbsarbeit nach Erreichen der Regelaltersgrenze werden von der Mehrheit der Befragten immaterielle Aspekte genannt. Dazu gehören beispielsweise Spaß an der Arbeit, der Kontakt zu anderen Menschen oder das Gefühl, gebraucht zu werden.”
Springer wollte das so nicht stehen lassen: “Ich befürchte eher, dass viele Rentner einen Job annehmen müssen, um Altersarmut und Sozialleistungsbezug abzuwenden.”
Quelle: ZEIT
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Dass die Bundesregierung die von ihr herbeigeführte viel zu hohe und weiter steigende Altersarmut – dafür sind Lohn- und Rentenkürzungen nun einmal designt – leugnet, ist schlimm; die alten Menschen können sich nicht mehr wehren (außer durch Abwahl der Regierungsparteien). Dass man in der rapide gestiegenen Erwerbsarbeit von Rentnern (definitionsgemäß Menschen, die *nicht* arbeiten) nicht einmal ein *Indiz* (also ein mögliches Anzeichen) für Altersarmut erkennen mag, klingt ziemlich hohl: man könnte ja mal (z. B. mit einer Studie) nachmessen, wie viele alte Menschen durch ihre Armut zwingend auf einen Job angewiesen sind. Dass ein Sozialpolitiker der AfD (auch noch vom hart neoliberalen Flügel) die SPD und die angeblich so soziale Union in dieser Frage vorführen kann, ist ein Armutszeugnis für diese Regierungskoalition.
- Washingtons Top-Denkfabriken erhalten mehr als eine Milliarde Dollar von Pentagon und Rüstungsfirmen
Angebliche Einflussnahme Russlands gilt als Schreckgespenst der US-Demokratie. Tatsächlich einflussreiche Denkfabriken in den USA werden weniger hinterfragt. Diese lenken die US-Politik mit und erhalten enorme Summen von Rüstungsfirmen und dem Pentagon, wie eine Analyse zeigt. (…)
Ein aktueller Bericht des Center for International Policy (CIP) geht der Finanzierung der Top-50-US-Thinktanks in Höhe von mehr als einer Milliarde US-Dollar durch Regierung und Verteidigungssektor nach. Das CIP beschreibt sich als unabhängiges, gemeinnütziges Zentrum für Forschung, öffentliche Bildung und Lobbyarbeit zur US-Außenpolitik und wurde während des Vietnamkrieges ins Leben gerufen. Einleitend zur Beschreibung der im Jahr 2016 gegründeten “Transparenzinitiative über ausländischen Einfluss” des CIP heißt es:
Während Untersuchungen über den russischen Einfluss bei den Wahlen 2016 regelmäßig Schlagzeilen auf den Titelseiten machen, gibt es die eine halbe Milliarde Dollar schwere Industrie mit ausländischem Einfluss, die jeden Tag an der Gestaltung der US-Außenpolitik arbeitet und der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt bleibt.
Die Foreign Influence Transparency Initiative (FIT) arbeite daran, diese Anonymität durch Förderung von Transparenz und investigative Forschung sowie öffentliche Information zu ändern. Denn die in den USA stark ausgeprägte Thinktank-Landschaft agiere mit großem Einfluss, jedoch weitestgehend außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung.
Dabei beeinflussen Denkfabriken Entscheidungen über mitunter nicht nur teure, sondern auch folgenreiche Politikziele der US-Regierung. Während sich Thinktanks hinsichtlich ihrer Ziele und Organisation stark unterscheiden, sei vielen der in Washington ansässigen eines gemeinsam: Sie erhalten erhebliche finanzielle Unterstützung von der US-Regierung und privaten Unternehmen, die für die US-Regierung arbeiten, insbesondere von Rüstungsunternehmen.
Dabei seien Denkfabriken trotz ihres teils enormen Einflusses nicht gesetzlich verpflichtet, der Öffentlichkeit Auskunft über all ihre genauen Einnahmen oder daraus resultierenden Interessenkonflikte zu geben. Die Bereitschaft zu öffentlicher Transparenz ist demnach bei den Denkfabriken sehr unterschiedlich und reicht von der vollständigen Offenlegung aller Geldgeber und genauer Spendenbeträge bis hin zu Thinktanks, die gar keine Informationen über Geldgeber preisgeben. Das versuche die Transparenzinitiative zu ändern.
Das CIP orientierte sich für den Bericht an einer von der University of Pennsylvania erarbeiteten Liste der Top-50-Thinktanks und analysierte deren Finanzmittel in den Jahren 2014 bis 2019, die sie von der US-Regierung und von Rüstungsfirmen erhalten hatte. Zugrunde gelegt wurden der Analyse sowohl Zahlen aus öffentlich zugänglichen Quellen wie Berichten der Thinktanks und Medienberichten als auch Antworten auf Anfragen des CIP.
Daraus geht hervor, dass die 50 führenden Thinktanks in den USA in 600 Spenden mit einer Gesamtsumme von mehr als 1,078 Milliarden US-Dollar aus 68 verschiedenen Quellen in der US-Regierung und Auftragnehmern im Rüstungsbereich erhielten. Hauptempfänger dieser Mittel waren demnach insbesondere die RAND Corporation, gefolgt – mit großem Abstand – vom Center for a New American Security und der New America Foundation.
Quelle: RT Deutsch
- Europäische Agrarförderung Bloß nicht weiter so!
In dieser Woche wollen die Agrarminister der EU-Staaten und das Europaparlament die Weichen für die europäische Agrarreform bis zum Jahr 2027 stellen. Es geht um eine Menge Geld. Die Agrarförderung ist der größte Posten im EU-Haushalt. Knapp 60 Milliarden Euro fließen jedes Jahr von Brüssel an die europäischen Landwirte, allein die deutschen Bauern bekommen rund sechs Milliarden Euro.
Ein Großteil des Geldes geht als Direktzahlung an die Betriebe, viele Landwirte sind von der Finanzspritze aus Brüssel abhängig. Zwar werden auch Umweltanstrengungen belohnt, doch bislang kassieren vor allem die Großen: Je mehr Fläche ein Hof hat, desto mehr Subventionen bekommt er. Das muss sich ändern. Bauern müssen mehr Geld dafür bekommen, dass sie ihr Land klimaschonend bewirtschaften. Für Landwirte muss es sich lohnen, wenn sie ihre Tiere besser halten und Flächen für den Insekten- und Naturschutz zur Verfügung stellen. Die Reformvorschläge, die jetzt diskutiert werden, nehmen diesen Gedanken auf, gehen aber nicht weit genug. Es gibt noch immer zahlreiche Schlupflöcher, zudem wollen viele EU-Staaten keine verbindlichen Öko-Vorgaben aus Brüssel. Das ist kurzsichtig, auch im Interesse ihrer Klientel: Denn wenn es dem Land schlecht geht, leiden alle – auch die Bauern.
Quelle: Tagesspiegel
- Kommt die überwachte Gesellschaft?
Mangel an effizienter Identitätskontrolle koste die Welt dreistellige Milliardenbeträge jährlich. Das will ID2020 ändern. Eine Allianz von Hightech-Konzernen wie Microsoft und Accenture, der Rockefeller-Stiftung, großer Hilfsorganisationen wie Mercy Corps, CARE und der von Bill Gates finanzierten Impfallianz GAVI. Enger Kooperationspartner sei auch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, berichtet Dakota Gruener. …
Wie die US-Regierung zeigt sich auch die EU-Kommission angetan vom Projekt einer digitalen Identität, die allen Menschen offensteht; von einem Projekt, das Schluss mache mit den zahllosen virtuellen Identitäten im Netz, mit Onlinebetrug und -Kinderschändung. Ihre weitreichenden Vorstellungen von digitaler Identität umriss die EU 2019 in einem Bericht ihres EU-Blockchain Observatory. …
Das Projekt ID2020 startet zunächst als Vision und Rahmenkonzept. In diesem Rahmen sollen Regierungen, Organisationen und Unternehmen eigene Projekte entwickeln, die später zusammenwachsen sollen. …
Der Impfnachweis als Einstieg in die biometrisch basierte digitale Identität. Diese ihrem Anliegen höchst dienliche Idee verfolgt ID2020 auch in anderem Zusammenhang.
„Was die Coronapandemie angeht, wollen wir wohl alle möglichst schnell unser normales Leben wieder aufnehmen. Das jedoch hängt entscheidend davon ab, ob wir einen aktuellen Coronatest oder in Zukunft eine Impfung nachweisen können.“
Der Nachweis einer Coronaimpfung müsse Voraussetzung werden für grenzüberschreitendes Reisen, fordert ID2020-Partner Bill Gates am 24. März 2020 in einem Interview mit dem Onlinemedium TED Conferences. Und der Impfnachweis müsse zuverlässig sein, damit nicht unnötig Menschenleben gefährdet werden. Kein Papier, das man verlieren oder fälschen könne; nein, ein digitaler Impfnachweis auf biometrischer Basis: Die Kamera der Grenzbehörde oder auch am Eingang des Fußballstadions erkennt an meinem Gesicht, ob ich geimpft bin. Die Pandemie würde so viel von ihrem Schrecken verlieren, hofft Dakota Gruener. Und die Coronaimpfung eröffne eine einzigartige Gelegenheit, in die digitale Identität für Milliarden Menschen einzusteigen.
Quelle: Deutschlandfunk Kultur
- Der Krieg um Berg-Karabach – oder: Warum “Neutralität” Parteinahme ist
Die pseudoneutrale Berichterstattung in den meisten deutschen Qualitäts- und auch einigen Alternativmedien bedient sich eines Tricks, den man neumodisch mit einem nicht besonders schönen, aber eingängigen Wort als “Bothsideism” bezeichnen könnte. Das heißt: Man verwendet Argumentationsmuster und Formulierungen, die suggerieren, hier würden zwei gleichrangige, vor allem: gleich schuldige Kontrahenten mit vergleichbar starken Waffensystemen einander attackieren. Der beliebteste Satz lautet entsprechend: “Armenien und Aserbaidschan werfen sich gegenseitig vor …” Hier muss einiges geradegerückt werden.
Bereits die Bevölkerungszahlen sprechen für sich: In Aserbaidschan leben um die zehn Millionen Menschen, in Armenien knapp drei Millionen und in Karabach/Arzach, wie erwähnt, knapp 150.000. Aserbaidschan ist dank sprudelnder Erdölquellen und gewaltiger Gasfelder ein sehr reiches Land – was allerdings nicht bedeutet, dass der Reichtum auch der Bevölkerungsmehrheit zugute käme. Armenien und erst recht Arzach verfügen dagegen kaum über nennenswerte Bodenschätze. “Hayastan – Karastan” (“Armenien – Land der Steine”) lautet bezeichnenderweise ein bekanntes armenisches Sprichwort.
Beide von Armeniern bewohnten Länder sind arm – was sich natürlich nicht zuletzt auf den Rüstungshaushalt und damit auf die Ausstattung der Streitkräfte auswirkt. Bereits im Krieg Anfang der 1990er Jahre waren die Armenier, was Truppenstärke wie Quantität und Qualität der Waffensysteme angeht, den hochgerüsteten Aserbaidschanern hoffnungslos unterlegen. (Den Armeniern gelang es dennoch, den Konflikt zu ihren Gunsten zu entscheiden.) In den letzten Jahren hat Aserbaidschan mithilfe feudaler Petrodollareinnahmen massiv aufgerüstet: Zwischen 2009 und 2018 betrugen die Ausgaben für das Militär umgerechnet 24 Milliarden US-Dollar, während Armenien im gleichen Zeitraum vier Milliarden US-Dollar für die Rüstung ausgab. Mittlerweile ist der aserbaidschanische Militäretat ungefähr so groß wie der gesamte Staatshaushalt Armeniens. …
Bezogen auf Karabach haben die Armenier beider Länder nur ein Interesse: die Sicherung des Status quo und – mittelfristig – die internationale Anerkennung als selbständiger Staat. Zu glauben (oder zu suggerieren), ausgerechnet das kleine Arzach habe das hochgerüstete Aserbaidschan zu dem neuen kriegerischen Konflikt provoziert, ist daher absurd!
Quelle: Telepolis
- 50 Jahre nach Allende: Aufbruch in ein neues Chile?
Salvador Allende Gossens, ein freundlicher Arzt mit Schnauzbart und Hornbrille, hatte vor 50 Jahren Revolutionäres im Sinn. Sein Ziel: eine Revolution auf parlamentarischem Weg – La Vía Chilena al Socialismo. Mit seinem Regierungsbündnis Unidad Popular verabschiedete er grundlegende Sozialreformen, die vor allem der Arbeiterklasse und der Landbevölkerung zugutekamen: Er verstaatlichte Schlüsselindustrien wie die Textil- und Kupferindustrie, stärkte die Rechte der Arbeiter*innen, führte eine Landreform durch und reformierte das Bildungs- und Gesundheitswesen. Medikamente und Arztbesuche, Schulbildung, Bücher und Hefte wurden kostenfrei, und jedes Kind in Chile erhielt fortan täglich einen halben Liter Milch – gratis.
Die beste Investition eines Volkes sei, so Allende, die Kinder zu ernähren und zu erziehen. „Milch werden die Kinder Chiles immer haben, obwohl es hier an vierbeinigen Kühen mangelt. Aber es gibt zweibeinige Kühe, und die werden wir melken: Das sind die Monopole und die ausländischen Kapitalgesellschaften, welche den Reichtum Chiles an sich gerissen haben. Und von dem, was die Amerikaner uns in drei Tagen wegnehmen, können die chilenischen Kinder in Milch baden“, sagte er in einem Interview mit dem „Spiegel“ nach seiner Wahl 1970. „Wir haben einen Weg gezeigt, und der muss respektiert werden von der chilenischen Oligarchie, vom amerikanischen Imperialismus und von den übrigen Ländern der Welt.
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
- Fakten gecheckt – Diskussion vertagt
«Faktencheck» ist in Mode, das ist zu begrüssen. Die Methode hat aber auch ihre Tücken: Bei der Prüfung von Einzelaussagen darf der grössere Meinungskontext nicht verloren gehen. Denn das Ganze des Gesagten erschliesst sich nicht immer bloss aus der Summe seiner Einzelteile. …
Das Prinzip des hermeneutischen Zirkels besagt, dass ich zum Verständnis der Einzelaussage stets den grösseren Äusserungskontext berücksichtige und umgekehrt aus den Details das übergeordnete Aussageanliegen abzuleiten versuche. Kennzeichnend für den Faktencheck hingegen ist die Isolation der Einzelaussage, die dann jeweils auf Herz und Nieren geprüft wird. Das im grösseren Zusammenhang Gesagte wird, Behauptung für Behauptung, klinisch untersucht. Auf diese Weise wird man dem übergreifenden Anliegen der Sprecherin oder des Verfassers aber kaum gerecht. Oft lassen sich auch Expertinnen und Experten zu überspitzten Aussagen hinreissen oder greifen zur Untermauerung ihrer Aussagen zu mangelhaft recherchierten Belegen; gelegentlich behaupten sie Dinge, die schlichtweg falsch sind. Umso wichtiger ist es, ihre Aussagen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu korrigieren. Das Prinzip der hermeneutischen Billigkeit besagt aber, bei alledem das generelle Anliegen der Sprecherin oder des Sprechers im Auge zu behalten, denn dieses gilt es zu verstehen. Gut zuzuhören, heisst hier nicht nur, kritisch zu sein, sondern auch, so lange wie irgend möglich den Aussagen des Gegenübers insgesamt Plausibilität zu unterstellen.
Die zerstückelnde Methode des Faktenchecks hingegen neigt dazu, den Blick auf den Äusserungszusammenhang auszublenden. Suggeriert wird, dass das Ganze des Gesagten sich aus der Summe seiner Einzelteile ergebe. Der Faktencheck urteilt portionsweise – «falsch» / «teilweise richtig» / «nicht belegt» / «grossenteils falsch». Der Eindruck bei den Lesern ist desolat: So bleibt das Gesagte zerpflückt und zerfleddert zurück – und zugleich häufig ein wichtiges Anliegen auf der Strecke.
Fakten ersetzen keine Haltungen. Kein Faktencheck erspart uns die Arbeit, Positionen auszuhandeln. Faktenchecks versprechen der Leserin und dem Leser geistige Orientierung, und oft vermögen sie sie ihnen auch zu geben. Sie können ihnen aber niemals die Mühe abnehmen, sich in politischen Fragen ein Urteil zu bilden. Ein Faktum macht noch keine Meinung, aus Fakten baut sich keine Haltung auf. Eine überbordende Nachfrage nach Faktenchecks wird in dem Augenblick zum Problem, in dem Fakten – und seien sie noch so richtig – Positionen ersetzen sollen. Oder wenn so getan wird, als könnten Evidenzen unmittelbar in Handlungsmaximen übergeführt werden. Dann allerdings herrscht das Diktat der Zahl und verdrängt die demokratische Meinungsfindung im Zeichen einer vorgeblichen «Alternativlosigkeit».
Quelle: NZZ
- Mehrheit will Spahn als CDU-Chef und Söder als Kanzlerkandidat
Die drei Bewerber um den CDU-Vorsitz stellen sich erstmals gemeinsam auf einer Bühne den Fragen eines Parteipublikums. In einer Umfrage liegt aber ein anderer vorn.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hätte einer Umfrage zufolge bei den Bürgern gute Karten als CDU-Vorsitzender, aber weniger gute als Kanzlerkandidat der Union. In der Befragung des Instituts Kantar für die Funke Mediengruppe gaben 22 Prozent an, sie trauten am ehesten Spahn zu, ein guter CDU-Chef zu werden. Allerdings bewirbt sich der 40-Jährige gar nicht um den Parteivorsitz, sondern tritt im Team mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet an – bei einem Sieg Laschets soll Spahn stellvertretender Parteichef werden. …
Anders sieht es in der Frage aus, welchem Unionspolitiker zugetraut wird, ein guter Bundeskanzler zu werden. Hier liegt in der Kantar-Umfrage CSU-Chef Markus Söder mit 34 Prozent vorn, obwohl der bayerische Ministerpräsident immer wieder betont, sein Platz sei in Bayern. Merz kommt hier nur auf 12 Prozent, Spahn auf 8, Laschet auf 7 und Röttgen auf 5 Prozent.
Quelle: Augsburger Allgemeine
Anmerkung JK: Offenbar ist der Untertanengeist den Deutschen einfach nicht auszutreiben.
- Baerbock und Habeck mobilisieren für Schwarz-Grün
In der Klimafrage geben sich die Grünen gern bewegungsnah. Gleichzeitig wollen sie es sich mit der CDU nicht verscherzen. Wie grüne Regierungsbeteiligung auf Bundesebene aussehen kann, wissen wir bereits.
Man muss an dieser Stelle deutlich darauf hinweisen, dass die behauptete Nähe zu den Klimabewegungen vornehmlich nur aufgesetzte Rhetorik ist. Als Partei einer ökologisch orientierten Bourgeoisie und eines akademischen Kleinbürgertums mit Hang zum Konsum des schlechten Gewissens, sind die Grünen nicht erst seit gestern selbst dort für ihre überdehnte Kompromissfähigkeit bekannt, wo es um ihre eigentlichen Kernthemen geht. Erst im Juni haben sechs von neun Landesregierungen mit grüner Beteiligung einer Verordnung im Bundesrat für den Ausbau einer Flüssiggasinfrastruktur in Deutschland zugestimmt. Diese würde, wie etwa auch die Deutsche Umwelthilfe betont, den Import von Frackinggas aus den USA ermöglichen. Auch beim Thema Innenpolitik sind die Grünen schon seit längerem nahe an ihren künftigen Wunschkoalitionspartner herangerückt, wie etwa die Lobeshymnen des Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) auf die Polizei eindrucksvoll unter Beweis stellen. Ob sich dies gut mit einer Bewegung für Klimagerechtigkeit verträgt, die bereits häufig zur Zielscheibe von Polizeigewalt geworden ist, darf mindestens bezweifelt werden.
Tatsächlich hatten die Grünen weder organisatorisch noch als Impulsgeber irgendeinen Einfluss auf die Herausbildung der Fridays for Future oder anderer Teile der neuen Klimabewegung. Doch sie profitieren bis heute massiv von deren Aufkommen, was insbesondere daran liegen dürfte, dass in Deutschland keine andere Partei existiert, die den Klimaschutz authentisch zum Kernthema gemacht hat. Wo die Partei indes mit der Bewegung praktisch zusammentrifft, bemüht sie sich vor allem um Beschwichtigung, Integration, Staatsnähe und vor allem um eine Marginalisierung jener Jugendlichen, die innerhalb der Bewegung für antikapitalistische und sozialistische Positionen streiten.
Quelle: Jacobin
Anmerkung JK: Eine treffende Charakterisierung der Grünen.
- Wenn schon die Fakten nicht stimmen
Jeder kann und darf Journalismus machen, wie er mag. Es kann dafür keine allgemeingültigen Richtlinien geben, schließlich ist Journalismus in den meisten Fällen ein kommerzielles Geschäft; ob ein Medium seinen Erfolg mit neutralen Informationen, Meinungskampf oder Kaffeefahrten machen möchte, ist ihm selbst überlassen. “Guter Journalismus”, wie immer man ihn definieren mag, ist daher immer nur eine von vielen Möglichkeiten, mit nicht-fiktionalen Publikationen Geld zu verdienen. Verbindliche Vorgaben gibt es nur für den Rundfunk. […]
Viele Fehler ließen sich vermeiden, wenn Journalisten für wirklich jede Tatsachenbehauptung einen Beweis suchen würden. Der sarkastische Aphorismus dazu lautet: Recherche macht die schönsten Geschichten kaputt. Ein Stichwortgeber ist dabei allerdings kein Beweis, allenfalls ein Indiz.
In zahlreichen Radiogesprächen haben Ärzte gewarnt, Rauchen erhöhe das Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung, aufzuhören sei daher gerade jetzt richtig und wichtig. Was soll ein Arzt auch sonst sagen, zumal wenn er Lobbyist und es Weltnichtrauchertag ist? Allein: Zum Zeitpunkt vieler dieser Tatsachenbehauptungen wusste man noch gar nichts, es gab schlicht keine Daten, später sogar welche, die die gegenteilige Annahme stützten. Es waren stets nur Meinungen (genauer: Glaubenssätze), die von Experten geäußert fälschlich als Tatsachen behandelt wurden. Aktuell spricht das RKI von “schwacher Evidenz”.
In der Sendung “Forschung aktuell” riet ein Wissenschaftsjournalist noch Ende März, beim Einkaufen Handschuhe zu tragen. Hier hätte die fehlende Evidenz schon auffallen können, wenn er noch dazu gesagt hätte, wie genau das schützen soll.
Quelle: Telepolis