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Titel: Waffen, Öl und Kampf gegen Iran – Israels Rolle in Bergkarabach

Datum: 12. Oktober 2020 um 9:15 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Länderberichte, Militäreinsätze/Kriege
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In der autonomen Region wüten zwischen Armenien und Aserbaidschan die blutigsten Kampfhandlungen seit den 1990er Jahren. Die Rolle der Regionalmacht Israel in diesem Konflikt erlangt nur sehr wenig Aufmerksamkeit. Israel steht hier fest an der Seite Aserbaidschans. Kürzlich wurde bekannt, dass international geächtete Streubomben aus israelischer Produktion in Stepanakert eingesetzt wurden. Die israelisch-aserbaidschanische Partnerschaft beruht auf drei Säulen: Waffenlieferungen nach Aserbaidschan, Öllieferungen nach Israel und der Kampf gegen den gemeinsamen Feind Iran. Die Leidtragenden dieser Symbiose sind die Kinder, Frauen und Männer in Bergkarabach. Von Jakob Reimann.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Bergkarabach ist ein Schlachtfeld. Im Juli flammte der zwischen Armenien und Aserbaidschan seit Jahrzehnten schwelende Konflikt um die autonome Region im Südkaukasus erneut auf und eskalierte jüngst zu den blutigsten Kampfhandlungen seit den 1990er Jahren, als Aserbaidschan am Morgen des 27. Septembers begann, zivile Stellungen in der Hauptstadt Stepanakert und andernorts zu bombardieren. Beide Seiten bekämpfen sich seit nunmehr zwei Wochen und feuerten immer wieder mit Raketen und Artillerie auch auf zivile Stellungen. Bilder völlig zerstörter Wohnhäuser gingen um die Welt. Die Kämpfe entwickelten sich zu heftigen Materialschlachten, bei denen Dutzende bis Hunderte Panzer, Kampfjets und Drohnen zerstört wurden. Die Angaben über die Opferzahlen der jüngsten Gefechte weichen je nach Quelle massiv voneinander ab und liegen insgesamt wohl zwischen einigen Hundert bis mehreren Tausend, mit Dutzenden bis Hunderten getöteter Zivilisten auf beiden Seiten. 75.000 Menschen mussten in Bergkarabach nach anderthalb Wochen Kämpfen aus ihren Häusern fliehen – mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Nahezu alle Frauen und Kinder sind auf der Flucht. Nach der Verhängung des Kriegsrechts und der eingeleiteten Generalmobilmachung steht nun jeder einzelne Mann in Bergkarabach potentiell an der Waffe. Am Samstag trat um 12 Uhr mittags Ortszeit offiziell eine Waffenruhe in Kraft. Diese wurde in Moskau zwischen den Außenministern beider Kriegsparteien unter Mediation des russischen Außenministers Sergei Lawrow verhandelt. Buchstäblich Minuten nach Inkrafttreten der Feuerpause beschuldigten sich beide Seiten, die Vereinbarung gebrochen zu haben: Armenien habe die zweitgrößte Stadt Ganja und Aserbaidschan Stepanakert mit Raketen unter Beschuss genommen, samt zivilen Toten auf beiden Seiten. Die Vereinbarung, so scheint es, ist das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben steht.

Der Bergkarabach-Konflikt ist einer der ältesten andauernden kriegerischen Konflikte der Welt. Die Lage der Region als „geopolitisches Sandwich“ zwischen Russland, Iran, Türkei und Nahost bietet ebenso viel Sprengstoff wie der durch ethnische und religiöse Spannungen aufgeheizte Nationalismus aller Seiten. Hinzu kommt, „dass sich auf beiden Seiten moderne kapitalistische Nationalstaaten gebildet haben, die jeweils für sich homogen sein wollen“, wie der armenische Jurist und ver.di-Funktionär Hovhannes Gevorkian gegenüber den NachDenkSeiten erklärt. „Das nationalistische Denken ist tief verankert und hat die Region traumatisiert.“ Worum geht es?

Bergkarabach zwischen den Fronten

Bergkarabach ist eine fast ausschließlich von Menschen armenischer Herkunft bewohnte Exklave in Aserbaidschan im Südkaukasus mit der Fläche etwa der Größe Pekings. Völkerrechtlich gemeinhin Aserbaidschan zugeschrieben, wird Bergkarabach mit seiner Hauptstadt Stepanakert jedoch vom armenischen Militär kontrolliert. Der bergige Latschin-Korridor bildet die kürzeste Verbindung nach Armenien. Zusammen mit einigen weiteren formal zu Aserbaidschan gehörenden Gebieten unter armenischer Kontrolle wurde 1991 die Republik Bergkarabach ausgerufen, die 2017 in Republik Arzach umbenannt wurde, zumeist jedoch weiterhin einfach als Bergkarabach bezeichnet wird. Die Republik Arzach ist von der Fläche so groß wie Katar und hat eine Bevölkerungszahl vergleichbar der von Paderborn.

Historisch gesehen ist der Südkaukasus, insbesondere das Gebiet Bergkarabach, ein Schmelztiegel – über die Jahrtausende erobert und beherrscht von christlichen Armeniern, von Muslimen und Arabern, besiedelt von Persern, Kurden und Turk-Stämmen. 1805 wurde das muslimische Khanat Karabach russisches Protektorat und nach dem Ende des letzten Russisch-Persischen Krieges (1826–1828) siedelten Zehntausende persische Armenier ins heutige Bergkarabach, wodurch es ethnisch zu einer armenischen Bevölkerungsmehrheit kam. Im Zuge des Genozids des Osmanischen Reichs ab 1915 flohen Hunderttausende Armenierinnen und Armenier in den Südkaukasus. Nach dem letzten Zensus 2015 sind 99,7 Prozent der Bevölkerung Bergkarabachs armenischer Abstammung, hinzu kamen 238 russische Personen und 132 Menschen anderer Herkunft.

1921 legte Stalin schließlich den Grundstein für den heutigen politischen Konflikt, als er gegen jedes Völkerrecht und gegen den erklärten Willen der Bevölkerung vor Ort in machiavellistischer Divide-et-impera-Politik Bergkarabach an Aserbaidschan überschrieb: Die geographische Region Bergkarabach erhielt den Status als Autonome Oblast Bergkarabach und der restliche, etwa doppelt so große Teil des Gebiets der heutigen Republik Arzach wurde direkt dem Territorium der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik einverleibt (mit ähnlich verhängnisvoll durch die Geschichte hallenden Konsequenzen wie etwa die Schenkung der Krim an die Ukraine durch Chruschtschow 1954).

1991 nahm Bergkarabach sein völkerrechtlich verbrieftes Recht auf Selbstbestimmung wahr und erklärte seine Unabhängigkeit, die durch ein Referendum mit großer Mehrheit bestätigt wurde. Allerdings erkennt kein souveränes Land der Welt die Republik Arzach an – selbst Armenien nicht, aus Sorge, den Konflikt mit Aserbaidschan unnötig anzuheizen. Mehrere andere nicht anerkannte Republiken tun dies jedoch, ebenso acht US-Bundesstaaten, das Schwergewicht Kalifornien darunter. Auch gibt es Auslandsvertretungen der Republik Arzach in Beirut, Berlin, Jerewan, Moskau, Paris, Sidney und Washington, was de facto zumindest einer Teilanerkennung Bergkarabachs durch die jeweiligen Regierungen gleichkommt. In Zukunft können und müssten – analog zum Palästina-Israel-Konflikt – gewisse Landtausche zwischen beiden Parteien integraler Bestandteil von Verhandlungen zur Erlangung eines nachhaltigen Friedens sein, appelliert Hans-Joachim Dübel auf den NachDenkSeiten, doch „eine Wiedereingliederung von Berg-Karabach in den Staat Aserbaidschan kann aus völkerrechtlicher Sicht nicht zur Debatte stehen“.

Der UN-Sicherheitsrat 1993, ebenso der Europarat 2005 verabschiedeten zwar mehrere Resolutionen, die Bergkarabach völkerrechtlich Aserbaidschan zusprechen. Doch insbesondere Stalins illegitime Schenkung der Region an Aserbaidschan 1921 und das positive Unabhängigkeitsreferendum 1991 verdeutlichen einmal mehr, dass die Lage auf den zweiten Blick oft komplizierter ist. Zumindest westliche Medien – bei Politikerinnen und Politikern habe ich diese Hoffnung nicht – müssen das stets voneinander abgeschriebene Narrativ, Bergkarabach gehöre völkerrechtlich zu Aserbaidschan, hinterfragen oder doch wenigstens einmal in den entsprechenden Kontext setzen.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf Dübels Text verweisen, der die Rolle der Türkei in den Fokus seiner Analyse setzt. Im Folgenden konzentriere ich mich auf eine andere wichtige Regionalmacht.

Israelische Streubomben auf Bergkarabach

Vergangenen Montag veröffentlichte Amnesty International einen Bericht, in dem nachgewiesen wird, dass in zivilen Gebieten in Bergkarabachs Hauptstadt Stepanakert international geächtete Streumunition eingesetzt wurde. Diese wurde „vermutlich von aserbaidschanischen Streitkräften abgefeuert“, heißt es dort. „Der mehrmalige Einsatz der Bomben auf zivile Gebiete ist erwiesen und gut dokumentiert“, erklärt auch Hovhannes Gevorkian, der ver.di-Funktionär, gegenüber den NachDenkSeiten und weist darauf hin, „was für ein erschreckendes Ausmaß der Einsatz solcher Bomben haben kann“. Zu recht wird der Einsatz dieser Waffe in der Streubomben-Konvention von 110 Ländern geächtet, 13 weitere haben unterschrieben, jedoch nicht ratifiziert. Streumunition explodiert in der Luft in Dutzende bis Hunderte kleinere Bomben, die dann auf Flächen teils größer als ein Fußballfeld auf die Erde niederregnen. Aufgrund vieler kleiner Explosionen werden Personen von umherfliegenden Schrapnellen regelrecht durchsiebt und verbluten innerlich. Bis zu 20 Prozent der Submunition explodiert nicht, ganze Landstriche werden so für Jahrzehnte vermint. „Der Einsatz von Streubomben ist nach dem humanitären Völkerrecht unter allen Umständen verboten“, erklärt Denis Krivosheev, amtierender Leiter für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International. „Angriffe mit Streubomben auf Wohngebiete sind absolut entsetzlich und inakzeptabel“, urteilt Krivosheev.

Die Experten von Amnesty International konnten nachweisen, dass es sich bei den in Stepanakert eingesetzten Bomben um Streumunition vom Typ M095 DPICM aus israelischer Produktion handelt. Nicht zuletzt dieser Umstand wirft die Frage auf, welche Rolle Israel als wichtige Regionalmacht in diesem Krieg eigentlich spielt. Israel hält hier nicht etwa zum christlichen Armenien, sondern zum muslimischen – wie Erzfeind Iran schiitischen – Aserbaidschan. Diese Partnerschaft fußt auf drei zentralen Komponenten: Waffen, Öl, Iran.

Waffen für Öl – der Klassiker

Nach den Zahlen der Arms Transfers Database des renommierten Stockholmer Friedensinstituts SIPRI – das ausschließlich tatsächlich in einem Jahr gelieferte Waffensysteme zählt, nicht abgeschlossene Verträge – war Israel in den Jahren 2010–2019 hinter Russland der zweitgrößte Waffenlieferant für Aserbaidschan, mit großem Abstand vor Belarus auf Platz 3. Laut SIPRI entfallen 25 Prozent aller Waffenlieferungen nach Baku in der letzten Dekade auf Israel. Darunter befinden sich unter anderem verschiedenste Drohnen, Lenkwaffen, Boden-Luft-Raketen, Panzerabwehrraketen und Sturmgewehre. Doch insbesondere in den letzten fünf Jahren nahmen die Waffenexporte dramatisch zu, so dass im Fünfjahreszeitraum 2015–2019 mit rund 740 Millionen US-Dollar ganze 60 Prozent der Waffenlieferungen nach Aserbaidschan aus Israel stammten und Russland mit 31 Prozent „nur“ noch auf Platz 2 liegt. Bei einem öffentlichen Auftritt mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu im Dezember 2016 prahlte Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev regelrecht damit, israelische Waffen im Wert von „fast 5 Milliarden Dollar“ gekauft zu haben – angesichts des aserbaidschanischen Bruttoinlandsprodukts von rund 38 Milliarden US-Dollar mehr als bedeutende Summen. Israel ist ein global bedeutender Waffenexporteur und lieferte in den letzten fünf Jahren an 42 Länder. Auch aus dieser Perspektive sticht das kleine Aserbaidschan aus diesen 42 Ländern heraus: Mit 17 Prozent aller israelischen Waffenexporte liegt Aserbaidschan als Empfänger hinter Indien auf Platz 2, weit vor dem Drittplatzierten Vietnam. Israel ist also der mit Abstand wichtigste Waffenlieferant Aserbaidschans und Aserbaidschan ist seinerseits Israels zweitwichtigster Waffenempfänger.

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Das geht so ...

Wenige Tage vor Kriegsbeginn landeten zwei Iljuschin-Frachtflugzeuge des aserbaidschanischen Militärs in der israelischen Negev-Wüste voraussichtlich zur „Vorbereitung und Aufstockung der aserbaidschanischen Streitkräfte für die neuesten Kämpfe“, wie die israelische Zeitung Haaretz anhand von Flugdaten ermitteln konnte. Wenn Frachtflugzeuge voller Kriegswerkzeug abgeholt werden und unmittelbar darauf ein Krieg ausbricht, drängt sich der Gedanke auf, dass die israelische Regierung Vorkenntnisse dieses Krieges hatte. Sollte diese Spekulation zutreffen, wäre dies ein handfester Skandal, da die Netanyahu-Regierung in dem Falle alles daran hätte setzen müssen, den illegalen Angriffskrieg zu verhindern. Andernfalls würde sie sich indirekt zur Komplizin dieses Verbrechens machen. Kurz nach Kriegsbeginn landeten zwei weitere aserbaidschanische Frachtmaschinen im Negev, wohl um die leergeschossenen aserbaidschanischen Arsenale aufzufüllen: Israelischer Nachschub ist zentral in der Durchführung dieses Krieges.

Die armenische Führung ist über die zunehmende Rüstungskooperation zwischen Israel und Aserbaidschan sowie Israels Involvierung in den aktuellen Krieg entrüstet. So zog Jerewan am 1. Oktober aus Protest den armenischen Botschafter aus Israel ab. Vier Tage später konnte Israels Präsident Reuven Rivlin in einem Telefonat mit dem armenischen Präsidenten Armen Sarkissjan erfolgreich die Wogen glätten. Scheinbar konnte der armenischen Seite weisgemacht werden, zukünftige Waffenexporte nach Aserbaidschan würden aus Rücksicht eingestellt. „In zwei oder drei Tagen“ würden israelische Waffenlieferungen voraussichtlich eingestellt, erklärt der zurückbeorderte Botschafter Armen Smbatyan überzeugt, „mir wurde ein mündliches Versprechen gegeben“. Die Times of Israel resümiert unter Berufung auf mehrere israelische Analysten hingegen, es sei „unwahrscheinlich, dass Israel lukrative Waffenverkäufe nach Aserbaidschan fallenlässt“. Israel hat Armenien an der Nase herumgeführt.

Waffenverkäufe an Aserbaidschan sind für Israel aus strategischer wie wirtschaftlicher Sicht einfach zu wichtig. Doch diese Abhängigkeit beruht auf Gegenseitigkeit. Israel hat als Hightech- und Industrienation einen immensen Energiebedarf, doch verfügt bekanntlich kaum über eigene Vorkommen fossiler Energien und fördert selbst nur minimal. Aserbaidschan hingegen hat reichlich Ölvorkommen und ist ein wichtiger regionaler Produzent. Ölexporte nach Israel begannen 1999, rasch hängte Baku Russland und Kasachstan als wichtigste Exporteure ab. Nach Angaben des MIT war Aserbaidschan in den letzten zehn Jahren mit über 37 Prozent der mit Abstand größte Rohöllieferant Israels. 2019 betrugen die Importe 1,33 Milliarden US-Dollar.

Wir haben es zwischen Israel und Aserbaidschan also mit einem Abhängigkeitsverhältnis zu tun, das als Minivariante fast schon an sieben Jahrzehnte US-Saudi-Beziehungen erinnert: Waffen für Öl. Doch diese strategische Partnerschaft fußt noch auf einem dritten Pfeiler, um den sich für Israel im Grunde alles dreht: der Iran.

Feindbild Iran

Beidseitig der aserbaidschanisch-iranischen Grenze leben ethnische Aserbaidschaner. Teheran gilt bekanntlich als Schutzmacht der Schiiten und Aserbaidschan ist neben Iran, Irak und Bahrain das einzige Land weltweit mit einer schiitischen Bevölkerungsmehrheit. Auch teilen sich Iran und Aserbaidschan gemeinsame Öl- und Gasvorkommen im Kaspischen Meer. Oberflächlich betrachtet könnte man daher annehmen, beide Länder seien strategische Verbündete, doch ist Iran mit dem christlichen Armenien alliiert und Teheran und Baku stehen sich eher feindselig gegenüber. Dies hat einerseits historisch-nationalistische Gründe. So wollte Teheran nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion um jeden Preis die Vereinigung aller Aserbaidschaner – im Iran leben etwa doppelt so viele wie in Aserbaidschan selbst, Revolutionsführer Ali Khamenei darunter – verhindern und das Aufkommen separatistischer Tendenzen im Keim ersticken. Baku setzte für seine Erdölexplorationen im Kaspischen Meer vollständig auf westliche Konzerne – US-Schiffe also direkt vor der iranischen Küste. Diese Kooperation manifestierte sich nicht zuletzt in der Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline, über die auch Israel sein aserbaidschanisches Öl erhält. Andererseits ist Aserbaidschan über das Partnership-for-Peace-Programm eng in NATO-Strukturen eingebunden. So stellte das Land etwa dem US-Aggressor mehrere Militärbasen für seinen Krieg in Afghanistan zur Verfügung.

Diese enge Einbindung in den US-geführten Westen und die Gegnerschaft gegenüber Iran macht Aserbaidschan zum idealen Partner für Israel. 2012 wurde im US-Fachblatt Foreign Policy ein vielbeachteter Artikel veröffentlicht, der unter Berufung auf mehrere hochrangige US-Militärs suggerierte, Aserbaidschan hätte Israel Zugang zum stillgelegten Sitalchay-Luftwaffenstützpunkt am Kaspischen Meer gewährt, was mehr oder weniger der Errichtung einer israelischen Auslandsbasis gleichkäme. Aserbaidschan wäre in Kriegsszenarien gegen Iran tatsächlich der perfekte Rückzugsort für Israel. In einem Krieg würde es als Vorposten direkt an Irans nördlicher Flanke fungieren. Bei Luftschlägen – auch abseits eines offenen Krieges, etwa bei einzelnen Angriffen auf Irans Atomanlagen, die insbesondere in der Trump-Ära zu jedem Zeitpunkt drohen könnten – müssten sich israelische Kampfjets nicht aufwändigen Luftbetankungsmissionen unterziehen, sondern könnten nach Abladung ihrer Bomben auf den Iran einfach nach Norden abdrehen und landen. Der Foreign-Policy-Bericht über eine israelische Basis in Aserbaidschan konnte nie wasserdicht bewiesen werden, doch gilt es gemeinhin als gesichert, dass Aserbaidschan in einem Krieg gegen Iran dennoch eine wichtige Rolle zukäme. Eine Untersuchung von Reuters ebenfalls aus 2012 suggeriert unter Berufung auf aserbaidschanische Militärquellen, dass israelische Jets aserbaidschanische Flugfelder für ihre Militäroperationen nutzen könnten. Es scheint ausgeschlossen, dass Europa bei einem Angriffskrieg Israels gegen Iran mitmachen würde und angesichts der US-Wahlen im November ist auch Washingtons Position hier mehr als unsicher. Mit der militärischen Annäherung an Aserbaidschan diversifiziert Israel geschickt seine Kriegsoptionen.

Gesichert ist die gegen den Iran gerichtete Kooperation der Geheimdienste beider Länder, die mittlerweile gut zehn Jahre andauert. 2012 erklärte ein israelischer Geheimdienstagent gegenüber der Times of London: „Unsere Präsenz hier [in Aserbaidschan] ist ruhig, doch von großer Bedeutung. … sie bringt uns sehr nahe an den Iran. … Das hier ist Ground Zero für Geheimdienstarbeit.“ Andere Quellen bezeichnen Aserbaidschan als „Augen, Ohren und Sprungbrett“ für Israels Überwachung des Iran. Im selben Jahr beschuldigte Teheran Aserbaidschan, bei der Tötung iranischer Nuklearwissenschaftler geheimdienstlich mit dem israelischen Mossad kollaboriert zu haben.

Mit der für beide Seiten äußerst lukrativen Triade aus Waffen, Öl und dem Kampf gegen Iran haben Aserbaidschan und Israel in den letzten anderthalb Jahrzehnten eine enge strategische Partnerschaft etabliert. Aserbaidschan profitiert durch Weltklasse-Militärgüter made in Israel. Und die hier äußerst geschickt agierende Netanyahu-Regierung profitiert durch billiges Öl und allem voran durch die schrittweise Errichtung eines militärischen und geheimdienstlichen Vorpostens direkt vor der Haustür ihres Erzfeinds Iran. Die Leidtragenden dieser Symbiose sind die Kinder, Frauen und Männer in Bergkarabach, die durch israelische Drohnen und geächtete Streumunition den Tod finden.

Titelbild: vladm / Shutterstock


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