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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 8. Oktober 2020 um 8:33 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Beherbergungsverbot für Urlauber aus deutschen Risikogebieten kommt – aber nicht überall
  2. “Corona wird insbesondere die soziale Spaltung weiter vertiefen”
  3. Armut abschaffen!
  4. Enttäuschte Mitarbeiterinnen: Streik beim Hilfetelefon “Gewalt gegen Frauen”
  5. Pflegereform, die nächste: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will „den“ Eigenanteil in der stationären Pflege auf 700 Euro im Monat begrenzen. Da muss man wieder einmal genauer hinschauen
  6. Die neue Russlandstrategie
  7. Verteidigungsministerium: Zahl der minderjährigen Soldaten bei der Bundeswehr leicht gestiegen
  8. Die Armenier: Ein erneuter Kampf ums Überleben
  9. „Sharing“-Plattformen: Vielfältig, dynamisch und beständig intransparent?
  10. Unternehmenssteuerwüste Luxemburg
  11. Konsens über Klimaziele bröckelt
  12. Wirecard-Untersuchungsausschuss – Vorladung für Merkel, Altmaier, Scholz, Söder
  13. Wahlrecht: Große Koalition schadet dem Ansehen der Demokratie
  14. Zu guter Letzt: “Eine Schande für den deutschen Fußball!” – Hoeneß kritisiert DFB wegen Steuerhinterziehung

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Beherbergungsverbot für Urlauber aus deutschen Risikogebieten kommt – aber nicht überall
    Kanzleramtschef Braun hatte ein gemeinsames Vorgehen der Länder bei Maßnahmen angemahnt. Jetzt gibt es einen Beschluss – mit zahlreichen Ausnahmen.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung André Tautenhahn: Ein Beschluss mit zahlreichen Ausnahmen, ist kein Beschluss, sondern eine Farce. Das wird auch im Text deutlich, der recht detailliert beschreibt, welche unterschiedlichen Ansichten es gibt. Da wird beispielsweise Niedersachsen genannt, das zunächst prüfen will, ob der Beschluss überhaupt mitgetragen werden kann. Wer prüft denn? Das Parlament ja nicht, sondern nur ein Krisenstab, der von der Regierung eingesetzt ist. Direkt vor den Herbstferien sorgen solche Absprachen, die in Wirklichkeit keine sind, vor allem für eines: Verunsicherung. Der Anspruch eines gemeinsamen Vorgehens, wie ständig behauptet, wird erneut nicht erfüllt. Das kann man auch als Versagen der Exekutive werten, die ja in dieser Krise mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet ist und Verordnungen erlässt, bei denen das Parlament nicht mitreden oder mitentscheiden darf. Was spricht also noch dafür, an der epidemischen Lage von nationaler Tragweite festzuhalten? Die Parlamente müssen die Regierungen endlich wieder kontrollieren und ggf. für den angerichteten Murks zur Rechenschaft ziehen können.

  2. “Corona wird insbesondere die soziale Spaltung weiter vertiefen”
    Inzwischen wird aber obduziert. Mit welchem Ergebnis?
    Matthias Schrappe: Es versterben vor allem mehrfach vorerkrankte Patienten höheren Alters. Es gibt bei weit über 9.000 Todesfällen in Deutschland nur drei unter 20 Jahre. Und es kommt bei diesen Patienten, wie bei schweren Infektionen üblich, zu Schädigungen fast aller Organsysteme. Vergleicht man die Situation aber mit ins Krankenhaus eingewiesenen Patienten mit einer “normalen” Lungenentzündung anderer Genese, dann liegt die Sterblichkeit der hospitalisierten Covid-19-Patienten um knapp 50 Prozent niedriger. Es hat außerdem Fortschritte in der Therapie gegeben. Eine Katastrophe, die – so hat ja auch die jüngste Expertenanhörung ergeben – Einschränkungen wie im geänderten Infektionsschutzgesetz notwendig macht, ist das sicherlich nicht. […]
    Was könnte also besser laufen, auch mit Blick auf mutmaßlich steigende Infektionsfälle im Herbst und Winter?
    Matthias Schrappe: Ich kann hier nur drei Punkte herausgreifen: Zum einen müsste man die sogenannte sporadische, also gleichmäßig-homogene Ausbreitung in der Bevölkerung von den Herdausbrüchen trennen. Wenn in Hamm eine Hochzeitsfeier stattfindet, dann ist dies ein Ausbruch und hat wenig bis nichts mit der Gesamtbelastung in der Kommune zu tun. Herde kann man eingrenzen, aber die sporadische Ausbreitung ist durch Nachverfolgung nicht zu beherrschen.
    Derzeit bringt man die Gesundheitsämter und die dortigen Mitarbeiter an ihre Belastungsgrenzen, die immer das gleiche sehen: Familienfeiern, In-door-Parties und ähnliche Szenarien. Stattdessen wäre es sinnvoll, die Gesundheitsämter zur regionalen oder lokalen Beurteilung der Situation zu ermutigen, denn kennen sich vor Ort aus und wissen ja gut, wo Risiken liegen und ein neuer Herd entstehen könnte.
    Zweitens ist es unumgänglich, zur Beherrschung der sporadischen Ausbreitung und deren Auswirkung eine Strategie zum Zielgruppen-orientierten Schutz auszuarbeiten. Es gibt, wie bei allen Infektionen, Gruppen in der Bevölkerung, die besonders gefährdet sind. Da wir die Epidemie nicht stoppen können, bleibt uns eigentlich ja gar nichts anderes übrig. Leider wird dann immer vom Wegsperren gesprochen. Ein wohlwollender Schutz, der Persönlichkeit, Würde und Humanität in den Mittelpunkt stellt, kann man sich in unserer Gesellschaft anscheinend nur schwer vorstellen. Warum für ältere Menschen kein Taxi zum Preis eines ÖPN-Tickets? Warum keine Hilfprogramme für ambulant zu pflegende Personen? Dies wäre viel sinnvoller, als die immerwährende Drohung mit einem zweiten Lockdown.
    Und drittens wäre es wirklich wichtig, sinnvolle Zahlen zur Steuerung zu verwenden. Der Wert “50/100.000” ist vollständig inhaltsleer. Wir würden keine Bachelor-Arbeit mit einem solchen Ansatz akzeptieren.
    Quelle: Telepolis
  3. Armut abschaffen!
    Ein Empfänger von Hartz IV bekommt monatlich im Schnitt 770 Euro. Damit liegt er unter der Armutsgrenze. Das muss sich ändern.
    Leben mit Hartz IV bedeutet ein Leben in Armut und Ausgrenzung. Die Paritätische Forschungsstelle hat diesen Befund jüngst eindrücklich untermauert: Die durchschnittlichen Leistungen – 2018 etwa 770 Euro für einen Singlehaushalt – liegen weit unterhalb der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Armutsschwelle von 1035 Euro. 265 Euro fehlten Bezieherinnen und Beziehern von Hartz IV in diesem Jahr, um über diese Schwelle zu gelangen. Das bedeutet: Mangel und Entbehrung. Politische, soziale und kultureller Teilhabe ist damit unmöglich. Gesunde Ernährung auch nicht.
    In diesem Jahr ist der Gesetzgeber gefordert, die Regelbedarfe neu festzulegen. Ein Gesetzentwurf liegt vor. Das Ergebnis ist eine riesige armutspolitische Enttäuschung. Der Regelbedarf für Erwachsene soll von 432 Euro auf 446 Euro ansteigen. Verbesserungen gibt es bei den Jüngsten (bis 5 Jahre) und den Jugendlichen (14 – 17 Jahre), nicht aber bei der mittleren Altersstufe der 6 bis 13-Jährigen, die leer ausgeht.
    Quelle: Ulrich Schneider auf FR Online

    dazu: Armut in Deutschland: Versorger klemmten 289.000 Haushalten den Strom ab
    Kein Licht, kein warmes Wasser, kein Kühlschrank: Hunderttausende deutsche Haushalte mussten 2019 zeitweise ohne Strom leben – weil sie ihre Rechnungen beim Versorger nicht mehr zahlen konnten.
    Quelle: DER SPIEGEL

    dazu auch: Krise macht Superreiche noch reicher
    “We are all in this together” war zu Beginn der Corona-Krise oft zu hören. Längst ist klar, dass das nicht stimmt. Viele Menschen stehen immer noch mit weit weniger Einkommen da als vor dem Ausbruch der Wirtschaftskrise. Die Vermögen der Milliardäre haben sich derweil schon wieder erholt.
    Quelle: n-tv

  4. Enttäuschte Mitarbeiterinnen: Streik beim Hilfetelefon “Gewalt gegen Frauen”
    Die Mitarbeiterinnen des Hilfetelefons kämpfen um gerechtere Bezahlung, schrieben auch einen Brief an Ministerin Giffey. Doch die reagierte nicht. Nach SPIEGEL-Informationen soll nun gestreikt werden.
    Die Beraterinnen vom Hilfetelefon ”Gewalt gegen Frauen” sind enttäuscht von Frauenministerin Franziska Giffey (SPD) und wollen nach SPIEGEL-Informationen am Donnerstag streiken. Die vom Bundesfamilienministerium finanzierte Hotline, an die sich Frauen wenden können, die Gewalt erleben, wird dann nicht besetzt sein. Auch die Hotline “Schwangere in Not” ist davon betroffen, da sie von denselben Mitarbeiterinnen betreut wird.
    Seit Monaten kämpfen die Mitarbeiterinnen, die alle Studienabschlüsse haben, für mehr Gehalt. Beim Einstieg verdienen sie rund 2990 Euro brutto, nach einem Jahr sind es 3490 Euro, danach steigt das Gehalt langsamer. Die Mitarbeiterinnen wollen vor allem wegen der psychischen Arbeitsbelastung höher eingestuft werden im Tarifsystem. Bei einer Vollzeitstelle ginge es um einen Unterschied von rund 400 bis 500 Euro brutto pro Monat.
    Quelle: DER SPIEGEL
  5. Pflegereform, die nächste: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will „den“ Eigenanteil in der stationären Pflege auf 700 Euro im Monat begrenzen. Da muss man wieder einmal genauer hinschauen
    In dem Interview unterschlägt der Minister das auch nicht – allerdings sind seine Ausführungen mehr als unvollständig. Er führt aus: »Allerdings werden die Kosten, die Heimbewohner neben Unterbringung und Verpflegung für die reine Pflege zahlen müssen, für immer mehr Familien zum Problem. Seit 2017 ist dieser monatliche Eigenanteil für die stationäre Pflege um durchschnittlich 238 Euro gestiegen. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen brauchen aber Planungssicherheit. Das schaffen wir, indem wir den Eigenanteil begrenzen.« Er verweist also darauf, dass die Unterkunfts- und Verpflegungskosten ausgeklammert werden, unterschlägt aber den dritten und besonders problematischen Eigenanteil, der sich in den zurückliegenden Jahren zu einem „zweiten Heimentgelt“ entwickelt hat: die „Investitionskosten“. Die sind mittlerweile im groben Durchschnitt bei 455 Euro pro Monat angekommen (und hier finden wir zugleich eine kaum kontrollierte Quelle einerseits für Rendite-Strategien von auf Gewinn ausgerichteten Anlegern, andererseits verdeutlicht dieser vollständig von den Bewohnern zu tragende Eigenanteil die Privatisierung der öffentlichen Aufgabe der Investitionsförderung seitens der Länder, von denen viele sich hier einen schlanken Fuß gemacht und die Kostenlast auf die Schultern der Pflegebedürftigen verlagert haben).
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  6. Die neue Russlandstrategie
    Die Bundesregierung verlangt neue EU-Sanktionen gegen Russland. Man werde in Brüssel “Vorschläge” für Zwangsmaßnahmen gegen Personen unterbreiten, die “aufgrund ihrer offiziellen Funktion als verantwortlich” für “die Vergiftung von Alexej Nawalny … gelten”, heißt es in einer Erklärung, die Außenminister Heiko Maas gestern gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian veröffentlicht hat. Man habe bislang “von Russland keine glaubhafte Erklärung” für das Geschehen erhalten, heißt es weiter; für Berlin, das seinerseits keine Beweise für Nawalnys Vergiftung durch russische Staatsstellen hat, genügt das zur Begründung von Sanktionen. Hintergrund der Maßnahmen sind heftige Auseinandersetzungen in Berlin, die sich um Kursänderungen in der deutschen Russlandpolitik drehen. Ursache dafür ist wiederum, dass die Bundesregierung in ihren Machtkämpfen gegen Moskau seit einiger Zeit keinen Erfolg erzielt. Forderungen nach neuen militärischen Schritten, etwa einem EU-Einsatz in Libyen, werden laut. Pikant ist, dass kürzlich US-Pläne zur Vergiftung von Julian Assange bestätigt wurden.
    Quelle: German Foreign Policy
  7. Verteidigungsministerium: Zahl der minderjährigen Soldaten bei der Bundeswehr leicht gestiegen
    Mehr als 1.700 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind aktuell erst 17 Jahre alt. Die Armee erfülle deshalb nicht ihre Vorbildfunktion, kritisiert die Linke.
    Quelle: Zeit Online
  8. Die Armenier: Ein erneuter Kampf ums Überleben
    Mit überlegener militärischer Macht, überrennen die autokratischen Regime der Türkei und Aserbaidschans, eine der einzigen demokratischen und christlichen Nationen der Region. Während die internationale Gemeinschaft durch die Pandemie abgelenkt ist, fürchten die Armenier – nach 105 Jahren – die Fortsetzung des Völkermords und das Ende ihrer Existenz.
    Am Sonntagmorgen, dem 27. September, griff Aserbaidschan mit militärischer Unterstützung aus der Türkei und jihadistischen Söldnern aus Syrien das kleine Volk der Armenier an, um kleines Stück Land, bekannt als Bergkabach oder Arzach, zu erobern. Dieser Angriff, in der Nähe des Kaukasusgebirges am südöstlichen Rand Europas, ist die größte Eskalation seit dem Ende des Bergkarabachkriegs in 1994. Mit Hunderten, wenn nicht gar Tausenden, Toten innerhalb von einer Woche, entwickelt sich der Krieg zu einem der blutigsten Kriege des Jahres.
    Der Großteil der Medien, wiederum, scheuen sich den aserbaidschanischen Angriff auf die Armenier zu verurteilen und schaffen gleichzeitig eine irreführende Darstellung der Gleichstellung zwischen Armeniern und Aserbaidschan. Somit werden die Angreifer und die Opfer gleichermaßen für die Eskalation der Gewalt verantwortlich gemacht und gleichermaßen dazu aufgefordert das Kämpfen einzustellen. Dieser Beitrag klärt über die historischen Hintergründe des Konflikts auf und erläutert, weshalb die Aggressoren es schaffen sich internationaler Rechenschaft zu entziehen.
    Quelle: Telepolis
  9. „Sharing“-Plattformen: Vielfältig, dynamisch und beständig intransparent?
    Viele Plattformunternehmen der „Sharing Economy“ sind stark kapitalgetrieben, eher intransparent und weisen mit wenigen Ausnahmen auffallend wenige Beschäftigte auf. Das zeigte bereits eine Untersuchung der Arbeiterkammer im Jahr 2017. Auch drei Jahre später war die „Branche“ äußerst dynamisch, da viele Mobility-AnbieterInnen hinzugekommen sind, der Fokus auf bessere Arbeitsbedingungen bleibt notwendig.
    Quelle: A&W blog
  10. Unternehmenssteuerwüste Luxemburg
    Was haben Berliner Mieteinnahmen des weltweit größten Immobilieninvestoren (Blackstone) und die Corona-Gewinne eines erfolgreichen deutschen Pharma Start-Ups (Qiagen) gemeinsam? Sie treffen sich als Zinseinnahmen bei mit dem deutschen Geschäft verbundenen Unternehmen in Luxemburg und fließen von dort weitgehend steuerfrei weiter in die nächste Unternehmenssteuerwüste. Dass das trotz LuxLeaks und BEPS immer noch passiert zeigen zwei aktuelle Studien. Die Süddeutsche und das Tagesschau berichteten.
    Blackstone (genauso wie eine Reihe weiterer Berliner Immobilieninvestoren) und Qiagen reduzierten die in Deutschland steuerpflichtigen Gewinne durch umfangreiche firmeninterne Zinszahlungen zu im Vergleich zu den Marktzinsen deutlich überhöhten Zinssätzen. Einer der einfachsten und weitverbreitetsten Steuervermeidungstricks, der auch schon in den LuxLeaks eine große Rolle gespielt hat und dem im BEPS Aktionsplan der OECD von 2015 ein ganzes Kapitel gewidmet war. Lösungsvorschlag damals: die Zinsschranke nach deutschem Vorbild. Die Beispiele der Studie zeigen, wie leicht diese beispielsweise durch die Aufteilung der Kredite auf mehrere Tochtergesellschaften umgangen werden kann.
    Der eigentlich Kern des Problems sind aber die sogenannten Transferpreise (denen der BEPS-Aktionsplan gleich drei Kapitel widmete) – im Fall der firmeninternen Kredite vor allem die Zinssätze. Theoretisch können Steuerbehörden die Marktüblichkeit dieser Zinssätze anzweifeln und tun das auch regelmäßig. Während dazu für Deutschland keine Zahlen vorliegen, zeigen Daten der dänischen Steuerverwaltung hierbei vor allem gegenüber Steueroasen ein massives Vollzugsdefizit (Studie). Ein wesentlicher Grund dafür: selbst bei Transaktionen wie Immobilienkrediten mit hunderttausenden Vergleichsverträgen – und damit im Vergleich zu Patenten, Softwarelizenzen und Markenrechten einfachen Bewertungsfragen – ist der Ermessensspielraum zu groß.1 Das wollte das deutsche Finanzministerium Ende 2019 mit der Umsetzung der zweiten europäischen Richtlinie gegen Steuervermeidung (ATAD 2) ausbessern. Der Entwurf dazu wird bis heute vom Wirtschaftsministerium blockiert (mehr dazu hier).
    Weil aber auch diese Verbesserungen das Problem der Gewinnverschiebung nicht beseitigen werden, verhandelt die OECD Ende dieser Woche über den nächsten weitreichenden Aktionsplan – diesmal mit zwei Säulen anstatt 15 Aktionspunkten. Vor allem die in Säule 2 vorgeschlagene effektive Mindestbesteuerung könnte auch in den zwei hier beschriebenen Fällen zu Verbesserungen führen, wenn sich die Gegner mit ihren umfangreichen Ausnahmen und niedrigen Steuersätzen am Ende nicht durchsetzen. Nicht nur durch sein Vetorecht in der EU spielt Luxemburg hier eine im Vergleich zu seiner Größe völlig überdimensionierte und angesichts des schädlichen Verhaltens der Vergangenheit unverdiente Rolle.
    Quelle: Netzwerk Steuergerechtigkeit
  11. Konsens über Klimaziele bröckelt
    Das Europaparlament ist für eine stärkere Senkung der Treibhausgase als die Kommission. Doch die Konservativen ziehen nicht mit.
    Quelle: taz
  12. Wirecard-Untersuchungsausschuss – Vorladung für Merkel, Altmaier, Scholz, Söder
    Der Untersuchungsausschuss wegen des Wirecard-Skandals beginnt. Die Liste der Zeugen liegt dem ZDF exklusiv vor – und liest sich wie das Who is Who der deutschen Politik. […]
    Am 5. November soll es um den ersten politisch heiklen Punkt gehen – die Reise von Kanzlerin Merkel nach China im September 2019, bei der sie trotz damals bereits öffentlicher Zweifel noch für das Unternehmen warb. Der ehemalige Wirtschafts- und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg steht als erster auf der Liste. Nur zwei Tage vor Merkels Reise hatte zu Guttenberg – damals Lobbyist im Dienste der Wirecard AG – mit Merkel ein persönliches Gespräch über Wirecard geführt. […]
    Aus der Bundesregierung vorgeladen werden sollen sowohl Kanzlerin Merkel als auch Wirtschaftsminister Altmaier, dem die Ausschuss-Prüferstelle APAS untersteht. Und natürlich Olaf Scholz, der Finanzminister, der heute erstmal selbst in die Offensive ging – und der Presse einen “Aktionsplan Wirecard” vorstellte.
    Quelle: ZDF

    Anmerkung André Tautenhahn: Es ist gut, dass neben Scholz nun auch die Bundeskanzlerin mit ihrem Wirecard-Werbeauftritt in China thematisiert wird. Die Medien scheinen sich für die Rolle ihrer Regierungschefin ja nicht sonderlich zu interessieren.

  13. Wahlrecht: Große Koalition schadet dem Ansehen der Demokratie
    Union und SPD sollten ihren windigen Gesetzentwurf zurückziehen. Er führt zu keiner Verkleinerung des Bundestags, macht das Wahlrecht aber noch unverständlicher. […]
    An diesem Donnerstag will der Bundestag nun tatsächlich ein neues Wahlrecht zur Verkleinerung des Parlaments verabschieden. Aber das Gesetz, auf das sich die beiden Koalitionsfraktionen verständigt haben, ist derart windig, dass Union und SPD damit dem Ansehen der Demokratie erst recht schaden.
    Seit sieben Jahren wird über ein neues Wahlrecht gesprochen. Doch Union und SPD haben sich erst vor wenigen Wochen auf einen Kompromiss verständigen können. Und der erfüllt seinen Zweck nicht. Im Gegenteil: Wenn die nächste Bundestagswahl so ausgeht, wie es die Umfragen im Moment voraussagen, wird das Parlament sogar noch größer. Dabei gibt es schon jetzt 111 Abgeordnete mehr als eigentlich vorgesehen. […]
    Die Staatsrechtler hatten in ihrem Appell auch beklagt, dass das geltende Wahlrecht derart kompliziert sei, dass kaum noch ein Bürger verstehe, was seine beiden Stimmen letztlich bewirkten. Ausgerechnet das Wahlrecht als wichtigste demokratische Äußerungsform habe dadurch einen entdemokratisierenden Effekt. Durch den Gesetzentwurf der Koalition wird das Wahlrecht aber nicht verständlicher, sondern noch komplizierter.
    Quelle: Süddeutsche

    dazu: Experten beanstanden Koalitionsvorstoß zur Bundestagsverkleinerung
    Dr. Robert Vehrkamp von der Bertelsmann Stiftung sagte, es gehe bei dem Koalitionsentwurf gar nicht mehr um die derzeitige gesetzliche Regelgröße von 598 Abgeordneten. Vielmehr wolle die Koalition lediglich nicht über den derzeitigen Stand von 709 Parlamentariern hinausgehen. Doch auch dieses „eher bescheidene Ziel“ erreiche ihr Gesetzentwurf offensichtlich nicht. Bei Simulationen auf Grundlage aktueller Umfragen und dem Koalitionsentwurf, bei denen man das Stimmensplitting neutralisiere, komme man zu einer Abgeordnetenzahl von 750. Auch sei der Gesetzentwurf der Koalition „verfassungsrechtlich zumindest prekär“ und würde nicht zu einer Verbesserung der geltenden Rechtslage führen.
    Prof. Dr. Sophie Schönberger, Rechtswissenschaftlerin an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, bemängelte, auch wenn man sich schon sehr lange mit dem Wahlrecht befasse, sei es „kaum noch möglich” zu durchdringen, was mit dem Koalitionsentwurf geregelt werden soll. „Von Bürgerverständlichkeit kann da überhaupt gar keine Rede sein“, betonte sie. Auch könne damit ein weiteres Anwachsen des Bundestages nicht verhindert werden.
    Quelle: Bundestag

    dazu auch: Gutachten zum Koalitionsentwurf Wahlrechtsreform verkleinert Bundestag kaum
    Der Wissenschaftliche Dienst weist in seiner Ausarbeitung darauf hin, dass bei Anwendung des Koalitionskonzepts der Effekt des negativen Stimmgewichts eintreten kann. Das war vom Bundesverfassungsgericht bereits früher für verfassungswidrig erklärt worden. Bei diesem Effekt kann eine Partei Mandate verlieren, obwohl sie Stimmen gewonnen hat. Oder sie kann trotz eines Stimmen-Minus ein Mandats-Plus erzielen.
    Der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle sagte mit Blick auf diese Analyse: “Der Gesetzentwurf von Union und SPD zur Reform des Bundestagswahlrechts ist ein Schuss in den Ofen.” Er sei objektiv ungeeignet, den Bundestag zu verkleinern. Für Bürgerinnen und Bürger und selbst für Wahlrechtsexperten sei er unverständlich. Er werfe verfassungsrechtliche Fragen auf. “Und er soll in einem Verfahren durchs Parlament gedrückt werden, bei dem die Oppositionsfraktionen entgegen der guten Sitten nicht eingebunden werden.”
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung André Tautenhahn: Auf der Seite Mandatsrechner wird unter Berücksichtigung des bisherigen Wahlrechts wie auch unter den von der Großen Koalition geplanten Veränderungen die jeweilige Sitzverteilung gegenübergestellt. Aktuelles Ergebnis: Mit dem neuen Wahlrecht wären es 9 Sitze weniger als mit dem alten, aber immer noch 31 Sitze mehr als bei der letzten Bundestagswahl.

  14. Zu guter Letzt: “Eine Schande für den deutschen Fußball!” – Hoeneß kritisiert DFB wegen Steuerhinterziehung
    München, Frankfurt (dpo) – Die Staatsanwaltschaft Frankfurt verdächtigt den Deutschen Fußballbund (DFB), Steuern in Millionenhöhe hinterzogen zu haben – eine am Mittwochmorgen durchgeführte Großrazzia soll dazu mehr Klarheit schaffen. Doch schon jetzt erntet der Verband scharfe Kritik von Ex-Bayern-Funktionär Uli Hoeneß.
    “Das ist eine Schande für den deutschen Fußball”, erklärte Hoeneß bei einer spontanen Pressekonferenz wütend. “Als ich das heute morgen gehört habe, ist mir fast der Kragen geplatzt! Wie geldgierig muss man sein, dass man die Gemeinschaft durch kriminelles Verhalten derart beraubt?”
    Quelle: Der Postillon


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