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Titel: Ende der Einseitigkeit, für eine ausgewogene Weltsicht

Datum: 17. September 2020 um 11:02 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Wertedebatte
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Von Siegesmund von Ilsemann. In den Hinweisen des Tages hatten wir auf einen Spiegel-Beitrag von Sascha Lobo hingewiesen. Siehe hier. Der Autor erwies sich als das, was er schon lange ist: ein atlantischer Einflussagent, ohne Substanz, aber vom Spiegel seit Jahren aufgebaut. Jetzt erreichte uns ein Text des früheren Spiegel-Redakteurs Siegesmund von Ilsemann – ein wohltuendes Gegenstück zum Pamphlet von Lobo. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Ende der Einseitigkeit, für eine ausgewogene Weltsicht

Es ist höchste Zeit, den Paria der Weltpolitik endgültig in die Schranken zu weisen. Nicht länger dürfen wir tatenlos all den Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Brüchen des Völkerrechts, Angriffskriegen, Okkupationen und Mordaktionen zuschauen, mit denen diese Nation seit Jahrzehnten Terror rund um den Globus verbreitet. Angriffskriege ohne eine Legitimation nach Kapitel VII der UNO-Charta, die allein Waffengewalt gegen andere Nationen rechtfertigen könnte; widerrechtliche Okkupation fremden Staatsgebiets; Mordaktionen gegen Menschen in aller Welt, wenn sie von den Herrschenden dieser Nation als „Gegner“ eingestuft werden; übelste Manipulation angeblich freier, demokratischer Wahlen; der Bruch internationaler Verträge, wenn es dem eigenen Nutzen dient – die Liste solcher schwersten, ja verbrecherischen Übeltaten scheint endlos.

Und doch gibt es noch immer viel zu viele Regierungen, erschütternd viele Menschen, denen der freundschaftliche Umgang mit diesem Regime, der gewinnbringende Handel mit diesem ressourcenreichen Land wichtiger sind als das Aufbäumen gegen eine rücksichtslose, rechtswidrige Politik, die die gesamte Weltgemeinschaft ins Verderben führen könnte.

Nein, nicht des Westens bevorzugter Watschenmann Putin steht hier am Pranger. Es sind die USA, die so wertgeschätzte Vormacht des „freien Westens“, die sich all diese Verbrechen und noch viele mehr vorhalten lassen müssen.

Gewiss – auch Putins Russland wird zu recht vieler Missetaten beschuldigt.  Aber verglichen mit den USA, den Mafiakillern der Weltpolitik, steht Putin schlimmstenfalls da wie ein Kneipenschläger.

Wie bedenkenlos wir uns daran gewöhnt haben, politische Schuld und Verantwortung mit zweierlei Maß zu messen, wird deutlich, wenn wir uns die Frage stellen, was wohl geschehen wäre, hätte Putin all jene Übeltaten begangen, für die Washington nun schon jahrzehntelang international nicht verurteilt, geschweige denn geächtet wird.

Hätte es die Welt einfach hingenommen, wenn gewaltige russische Armeen – wie die US-amerikanische – Länder fern der eigenen Hemisphäre überfallen, Regierungen gestürzt, Machthaber ermordet und ganze Weltregionen in Brand gesetzt hätte? Wie groß wäre wohl der Aufschrei, würde Putin statt – schlimm genug – einzelner seiner Gegner gleich tausende „Terroristen“ rund um den Globus ohne jeden Richterspruch heimtückisch ins Jenseits befördern, wie es amerikanische Präsidenten mindestens seit der Jahrtausendwende mit ihren Drohnenmorden ungestraft tun? Und mit welchem Recht prangert ausgerechnet eine  US-Regierung Russlands zweifellos alles andere als „lupenreine demokratische“ Demokratie an, die selbst ihre Wahlen systematisch manipuliert?

In dem Land, wo kaum die Hälfte der Wahlberechtigten an die Urnen geht, versuchen die Machthaber jedweder Couleur stets, den verbleibenden Rest so zurechtzuschneiden, dass er ihnen den Sieg garantiert. Vor jedem Urnengang werden Grenzen irrwitzig mäandernder Wahlkreise so verschoben, dass die Anhänger der jeweiligen Entscheidungsträger dort die Mehrheit behalten. Um die während der Pandemie besonders wichtige Briefwahl zu sabotieren, lässt der derzeitige Machthaber im Weißen Haus tausende Briefkästen abmontieren – vor allem in Wahlkreisen, die seinen Gegnern zugerechnet werden. Und die von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlichen Wahlgesetze erschweren immer wieder ganzen Bevölkerungsgruppen die Teilnahme am politischen Entscheidungsprozess – vor allem dort, wo demokratische Gegenkandidaten republikanische Amtsinhaber gefährden könnten. Demokratie geht anders.

Warum folgt Deutschland – nicht nur die politischen „Eliten“, sondern leider auch in großen Teilen die Bevölkerung – wie hypnotisiert einer Nation, die für viele Übel unserer Welt verantwortlich ist? Wieso beschwören wir noch immer die „gemeinsamen“ Werte des Westens, wenn die von dessen Vormacht so systematisch und vorsätzlich missachtet werden? Wann endlich wird geharnischt protestiert und die Gefolgschaft lautstark verweigert, wenn „unsere“ Führungsmacht die größten Gefahren unserer Zeit – Klimaerwärmung und Pandemie – gegen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse negiert und damit verschärft? Warum nehmen wir es hin, dass unsere Medien so einäugig in die Welt blicken und Tag für Tag mit ihrer verzerrten Sichtweise dieses Problem verschärfen?

Es wird Zeit für eine ausgewogenere Weltpolitik, für die Verurteilung nicht nur russischer Verfehlungen, sondern endlich auch der schlimmsten Verbrechen gegen die internationale Weltordnung – auch und gerade, wenn sie von unserer so genannten Führungsmacht begangen werden, den USA.

Siegesmund von Ilsemann, Diplompolitologe und Spiegel-Redakteur i.R.

Titelbild: Everett Collection / Shutterstock


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