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- Der Kampf um Minsk
Die EU soll “Druck machen für Neuwahlen” in Belarus: Dies fordert ein langjähriger führender Politiker von Bündnis 90/Die Grünen. Wie Ralf Fücks, Ex-Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, seit 2017 Geschäftsführer der transatlantischen Denkfabrik “Zentrum Liberale Moderne”, behauptet, operiere die Union in den Machtkämpfen in Belarus nicht offensiv genug. Deutsche Außenpolitiker raten unterdessen zu systematischer Unterstützung der belarussischen “Zivilgesellschaft”; auf diese Weise ließen sich prowestliche Milieus in dem Land, das sehr enge Beziehungen zu Russland unterhält, mit Millionensummen fördern. Berlin ist damit bereits seit Jahrzehnten befasst. Umsturzbestrebungen in Belarus wurden von Deutschland und den anderen Mächten des Westens begünstigt, seit Präsident Alexander Lukaschenko das Land 1999 in eine Union mit Russland führte und die Kooperation mit Moskau intensivierte. Eine allzu intensive Abhängigkeit vom östlichen Nachbarland fürchtend, hatte Lukaschenko zuletzt freilich enger mit dem Westen kooperiert – gemeinsame Militärübungen mit NATO-Staaten inklusive.
Quelle: German Foreign Policy
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- Corona und die Wahrheit
“Zeuge der Wahrheit” sein – das erwartet die Gesellschaft von den Medien, von den Journalisten. Erwartet wird hier zu allererst, dass sie für “Aletheia” sorgen, dass sie das Verborgene aufdecken, dass sie den Teppich wegziehen, unter den Skandalöses gekehrt worden ist. Der Journalismus soll dubiose Waffengeschäfte enthüllen, er soll aufdecken, wo Reiche und Mächtige ihr Geld verstecken, um Steuern zu sparen, er soll politische Lüge und Korruption aufspüren. Die Wahrheit soll ans Licht. Als, zum Beispiel, die Panama-Papers veröffentlicht wurden, war das so eine Licht- und Sternstunde. Diese Aufdeckungsarbeit aber ist es nicht allein. Aufdeckung geschieht nicht um der Erregung willen, sondern, nehmen wir ruhig dieses Wort, um der Treue zu Demokratie und Rechtsstaat willen.
Die journalistische Wahrheitssuche muss mit Neugier, Urteilskraft und Integrität betrieben werden, sie muss in Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Vertrauen eingebettet sein.
Zwei wissenschaftliche Studien haben nun untersucht, wie es sich damit in der journalistischen Begleitung und Behandlung der Corona-Krise verhält. Die eine Studie stammt vom Schweizer Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) und befasst sich mit der “Qualität der Berichterstattung zur Corona-Pandemie”; sie kommt zwar zu einem tendenziell eher positiven Ergebnis, legt aber den Finger in einige tiefe Wunden, wie sie der Journalistikprofessor Klaus Meier von der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt schon im April beschrieben hat: “zu wenig Einordnung, zu wenig Recherche, zu behördennah”.
Die andere Studie stammt von den Medienforschern Dennis Gräf und Martin Hennig, die an der Universität Passau arbeiten und mehr als 90 Sendungen von “ARD Extra” und “ZDF-Spezial” untersucht haben. Die Gräf/Hennig-Studie erhebt den Vorwurf, es werde nicht genügend differenziert; die Sender hätten einen massenmedialen “Tunnelblick” erzeugt. Schon die Häufigkeit der Sondersendungen vermittle Zuschauern ein permanentes Krisen- und Bedrohungsszenario. Die immer wieder gezeigten Bilder kennt man “aus Endzeiterzählungen und Zombiegeschichten”, meinte der Literaturwissenschaftler Gräf. “Sondersendungen wurden zum Normalfall und gesellschaftlich relevante Themen jenseits von Covid-19 ausgeblendet”, fasste Gräf gegenüber der Nachrichtenagentur epd zusammen.
Quelle: Heribert Prantl in der SZ
dazu: Die seltsame Pandemie
Christian Drosten könnte uns wirklich alles erzählen. Wer sollte seine Aussagen richtigstellen? Seine Botschaft ist kein Dialog mit der Fachwelt, sondern ein Monolog an die unwissende Bevölkerung. Und von dieser ist gewiss keine Korrektur zu erwarten. Alle Drostens dieser Welt haben in der Pandemie sozusagen eine Carte Blanche. Niemand widerspricht! Experten mit anderer Meinung werden einfach konsequent ignoriert oder gar diffamiert. In der Öffentlichkeit werden sie bestenfalls als seltsame Trottel wahrgenommen. Wer ihnen zuhört, ist ein “Covidiot”. Hillary Clintons “basket of deplorables” lässt grüßen.
Aber muss man vom Fach sein? Wenn mir ein Astronom erklärt, der Mond sei aus Käse, dann wage ich zu widersprechen. Wenn mir ein Elektroingenieur sagt, der Strom komme aus der Schokoladenfabrik, dann widerspreche ich. Das sind überzogene Beispiele, doch man braucht wirklich kein Experte zu sein, um auch weniger offenkundige Lügen zu durchschauen. Sogar bei völligem Unverständnis der Materie sind wir durchaus in der Lage, zwischen Wahrheit und Unwahrheit zu unterscheiden. […]
Aufgabe der Journalisten wäre es, diese Schwingungen in der Gesellschaft in verständliche Informationen zu übersetzen. Was genau geht da vor sich? Was sind die Ursprünge, welches die Auswirkungen? Sind Interessen im Spiel? Wenn ja, welche? Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?
Vor allem aber sind Journalisten dazu verpflichtet (!), sich alle Seiten anzuhören, Gegenstimmen einzuholen, besonders solche von Experten. Denn nicht selten haben sie selbst auch keine Ahnung von der Materie, über die sie berichten. Und genau das ist ihre Aufgabe: möglichst neutral über das Geschehen zu “berichten”.
Und wenn genau das nicht geschieht – wenn die geballte Macht des Mainstreams nur eine Perspektive zeigt, wenn die immer gleichen Experten auf allen Kanälen die immer gleiche Meinung verbreiten, wenn Gegenstimmen nicht zugelassen und diffamiert werden, wenn man alle Zweifler der Lächerlichkeit preisgibt, sie beleidigt und verhöhnt –, dann ist klar, dass da etwas nicht stimmt.
Quelle: RT Deutsch
dazu auch: Warum Verschwörungsideologien die Demokratie gefährden
Und auch Bildung kann einen Unterschied machen: „Je niedriger die Schulbildung, um so eher glauben Menschen an Verschwörungen. Da muss man aber so ein bisschen vorsichtig sein, dass man nicht hier zu Fehlschlüssen kommt. Es ist nämlich so, dass nicht Intelligenz hier relevant ist oder Wissen vielleicht und den Unterschied erklärt, sondern dass Menschen mit einer niedrigeren Schuldbildung eher das Gefühl haben, dass sie in der Gesellschaft nicht mitspracheberechtigt sind, und dass das den Unterschied eigentlich erklärt.“ […]
Doch in der Coronakrise sind es nicht nur Rechtsextreme, die Verschwörungsideologien befeuern. Die Akteurinnen und Akteure hätten teils auch ganz andere politische Hintergründe, so Jan Rathje mit Blick auf die Corona-Proteste:
„Die Menschen, die dort hinkommen, können sich selbst vielleicht auch individuell eher als links verorten oder eher aus einem esoterisch-hippiesken Milieu entstammen. Und gleichzeitig ist es aber auch so, dass wir Hardcore-Verschwörungsideologen dabei haben, die keine Scheu haben, mit Neurechten oder Rechtsextrem oder auch Antisemitinnen und Antisemiten zusammenzuarbeiten.“
Überschneidungen zwischen Esoterik und rechten Bewegungen gibt es zwar schon lange. Die aktuellen Studien geben allerdings noch keine Antwort darauf, ob beispielsweise sogenannte Impfgegner „nur“ gegen die Corona-Beschränkungen auf die Straße gehen oder auch rechten Denkmustern anhängen. Festhalten kann man aber offenbar, dass der gemeinsame Verschwörungsglaube oft stärker ist als trennende politische Ansichten. So entsteht eine politische Querfront der Verschwörungsideologen.
Quelle: Deutschlandfunk
Anmerkung JK: Wieder ein ellenlanger Artikel, in dem es nur darum geht, jede Kritik an den Corona-Maßnahmen der Regierung zu denunzieren und zu diffamieren. Allerdings mit einer neuen Steigerung, der rechtsextreme Stephan B., der in Halle im Oktober 2019 zwei Menschen erschoss, wird in einem Atemzug mit eben jenen genannt die nicht bedingungslos dem Regierungsnarrativ folgen wollen. Hier wird dann durchaus eine neue Dimension eröffnet, denn gegen potentielle Terroristen muss sicher mehr eingesetzt werden als die, durch Matthias Koch, einem leitenden Redakteur des RedaktionsNetzerk Deutschland (RND), empfohlenen Wasserwerfer. Selbstverständlich darf auch der übliche intellektuelle Dünkel der „Qualitätsjournalisten“ nicht fehlen. Die Überschrift ist allerdings an Zynismus nicht zu überbieten, nicht das kritische Hinterfragen der Regierungsmaßnahmen gefährdet die Demokratie, sondern das Handeln der Regierung auf der Basis des permanenten Ausnahmezustandes.
Anmerkung unserer Leserin U.P.: Wenn die Sorge um eine Demokratiegefährdung durch Verschwörungsideologien glaubwürdig sein soll, dann reicht es nicht, Individualpsychologie zu betreiben, die feststellt, dass Menschen, die zu Verschwörungserzählungen tendieren sich meist von der Komplexität gesellschaftlicher Verhältnisse überfordert fühlen, sondern es braucht ebenso systemische Analysen über Herrschaftsverhältnisse, welche die Gesetzmäßigkeiten der politischen Ökonomie eines imperialistischen Kapitalismus aufzeigen, der Menschen in Ohnmacht und destruktive Abhängigkeit treibt. Das ist doch die eigentliche Verschwörung: Reichtum gegen Armut.
- Für die Kinder in unserem Land wird gute Bildung zum Lotteriespiel
Kommen in der Pandemie die Rechte von Kindern zu kurz? Ja, sagt Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes. Kern seiner Kritik: Die Kultusminister handelten kurzsichtig.
SPIEGEL: Sie sagen, die Kinderrechte seien in der Pandemie stärker als andere eingeschränkt worden. Was sagt das über das Verhältnis unserer Gesellschaft zu Kindern aus?
Hilgers: Unsere Gesellschaft hat die Kinderrechte nach wie vor nicht anerkannt, übrigens auch deren Beteiligungsrecht. Umfragen unter Kindern und Jugendlichen zeigen: Sie haben den Eindruck, dass sie überhaupt nicht gefragt werden. Ihre Rechte werden nicht ernst genommen. Und ich sage das deutlich: Das gilt leider auch für die Rechte vieler Mütter, die in der Krise benachteiligt wurden und ihren Beruf nur noch teilweise ausüben konnten. Da hat ein gesellschaftlicher Rückschritt stattgefunden, sowohl was die Rechte der Kinder als auch die Rechte der Frauen angeht.
SPIEGEL: Für den Fall, dass es zu erneuten Schulschließungen kommt, hatten die Schulen dieses Mal Zeit, sich besser auf Fernunterricht vorzubereiten. Ist das gelungen?
Hilgers: Das wirklich Bedrückende ist: Das ist von Schule zu Schule sehr unterschiedlich. Wir haben Schulen mit sehr engagierten Schulleitungen und Lehrkräften, die schon zu Beginn der Coronakrise gut vorbereitet und bestens digital ausgestattet waren oder inzwischen gute Konzepte entwickelt haben. Aber wir haben leider auch Schulen, bei denen das überhaupt nicht der Fall ist. Für die Kinder in unserem Land wird gute Bildung so zum Lotteriespiel. Die Politik nimmt hier ihre Verantwortung nicht wahr. Sie müsste dafür sorgen, dass auch die Kinder gleiche Lebensverhältnisse und gleiche Chancen haben.
SPIEGEL: Fehlende Chancengerechtigkeit war schon vor Corona ein Problem.
Hilgers: Das stimmt. In unserem Schulsystem brauchte ein Kind schon immer auch Glück. Sehr viel Glück. Das ist in der Pandemie noch deutlicher geworden. Aber die Politiker hatten gute sechs Wochen Zeit, die Situation zu verbessern und vorzubereiten. Offensichtlich ist das nicht geschehen, und das ist sehr bedauerlich.
Quelle: DER SPIEGEL
- Eine Krise im Zeitraffertempo
Im April, als Corona in Deutschland durchschlug, schnellte die Zahl der Zeitarbeiter, die arbeitslos wurden, um mehr als 30 Prozent in die Höhe und lag um rund 30 Prozent höher als im gleichen Monat des Vorjahrs. Auch im Mai 2020 lag der Wert noch rund 13 Prozent höher als im Mai des Vorjahres. Zu sehen ist allerdings auch: “Im Juni und Juli haben die Verleihunternehmen offenbar schon weniger Leute rausgeworfen als im Vorjahr”, sagt Eric Seils von der Hanns-Böckler-Stiftung.
Für ihn zeigt die rasend schnelle Reaktion der Branche, dass die Pufferwirkung für Arbeitnehmer kaum funktioniert. Denn demnach müssten solche massiven Einbrüche eben nicht zu so schnellen Entlassungen führen. Aber, so Seils: “So läuft das ja nicht.” Vielmehr hänge der Großteil der Beschäftigungsverhältnisse “direkt von bestimmten Einsätzen beim Entleihunternehmen ab und wird oft in der Probezeit ohne große Fristen wieder gekündigt”.
Das liegt daran, dass die Branche in einem wichtigen Punkt dereguliert wurde. Bereits im Zuge der Hartz-Gesetze wurde 2004 das sogenannte Synchronisationsverbot aufgehoben, das Zeitarbeitsunternehmen an einem schnellen Hire and Fire hindern sollte. Dass Arbeitnehmer synchron zu einem bestimmten Auftrag angestellt und wieder entlassen werde, sei heute deshalb Regel. Theoretisch gelten zwar dieselben Kündigungsfristen wie für alle Arbeitnehmer, “aber die meisten Beschäftigten werden noch in der Probezeit entlassen”, bevor diese Fristen greifen. Damit stehen die Leute im Ernstfall binnen weniger Tage auf der Straße. “Viele Unternehmen führen sie danach weiter in Listen, um zu wissen, wen sie für den nächsten Arbeitseinsatz ansprechen können.” Auch das eine umstrittene Praxis.
Weil Leiharbeit derart prekär ist, treffe der Wirtschaftseinbruch durch Corona die Beschäftigten dieser Branche als Erste, sagt Seils. Eine Umfrage der Böckler-Stiftung vom April zeigt das. Erwerbstätige aller Branchen wurden gefragt, ob sie nach Corona bereits finanzielle Einbußen hinnehmen mussten und ob sie sich um ihre Lage Sorgen machen. Beide Werte lagen nirgendwo so hoch wie in der Leiharbeit – 30 Prozent und 37 Prozent. Selbst Minijobber kamen auf nicht ganz so hohe Werte.
Quelle: DER SPIEGEL
dazu: Arbeitgeber warnen: Bald Entlassungen statt Kurzarbeit
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat umfangreiche Vorschläge zur Verlängerung von Kurzarbeit in der Corona-Krise vorgelegt – doch den Arbeitgebern der Metall- und Elektroindustrie greift das Paket in einem zentralen Punkt viel zu kurz: Würden Betriebe nicht verlässlich bis Ende 2021 von den Sozialabgaben auf das Kurzarbeitergeld ihrer Arbeitnehmer entlastet, müssten im kommenden Jahr viele krisengeplagte Unternehmen von Arbeitsplatzsicherung auf Entlassungen umschalten, warnte der Arbeitgeberverband Gesamtmetall. In diesem Fall „droht ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht nur in der Metall- und Elektro-Industrie“, sagte Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander.
Quelle: FAZ
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Das Kurzarbeitergeld müssen die Unternehmen schon nicht zahlen, sondern das macht die Bundesagentur für Arbeit und demnächst der Staat (der sich fast ausschließlich aus Steuern der Arbeitnehmer finanziert). Die Sozialabgaben auf das Kurzarbeitergeld wollen sie nun unter gar keinen Umständen zahlen – und da reden wir von den Metall-Unternehmen, die in den letzten 10 Jahren vom Export profitiert haben. „Kurzarbeit ohne Sozialaufwandserstattung über längere Zeiträume entzieht den Unternehmen zu viel Liquidität“ – das mag sein, aber entsprechende Aussagen waren in den letzten Jahren nicht zu hören, wenn die Unternehmen ihre Liquidität durch irrsinnige Dividendenzahlungen selbst gefährdeten.
- IMK: Höherer Kinderbonus und mehr Kurzarbeitergeld würden Konjunktur stärker stützen als Mehrwertsteuersenkung
Die Senkung der Mehrwertsteuer bis Ende 2020 dürfte dem privaten Konsum und der Konjunktur in Deutschland nur einen relativ überschaubaren Impuls geben. Größere Effekte hätten die dafür im Konjunkturpaket der Bundesregierung eingesetzten Mittel wahrscheinlich erzeugt, wenn sie in einen höheren Kinderbonus oder eine stärkere Aufstockung des Kurzarbeitergeldes geflossen wären. Darauf deuten nach einer neuen Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung aktuelle Ergebnisse einer Umfrage unter gut 6300 Erwerbstätigen hin. Knapp 75 Prozent der im Auftrag der Stiftung Befragten gaben darin Ende Juni an, trotz Mehrwertsteuersenkung ihr Konsumverhalten im zweiten Halbjahr 2020 nicht verändern zu wollen. Dagegen erklärten fast 80 Prozent der Befragten, sie würden bei einer Einmalzahlung wie dem Kinderbonus ihren Konsum erhöhen. Zudem zeigt sich in der Umfrage, dass Menschen, die ohne Aufstockung des Kurzarbeitergeldes in Kurzarbeit sind, ihre Ausgaben signifikant häufiger reduziert haben als andere Befragte – eine finanzielle Besserstellung hätte daher nach Einschätzung der Studienautoren Prof. Dr. Sebastian Dullien und Jan Behringer ebenfalls spürbare positive Wirkungen. „Eine andere Gewichtung der Maßnahmen im Konjunkturpaket – etwa ein höherer Kinderbonus oder eine großzügigere Aufstockung des Kurzarbeitergeldes – hätte nach diesen Ergebnissen zu einem größeren konjunkturellen Impuls geführt“, schreiben die Wissenschaftler in ihrem Fazit – und raten dazu, im Falle weiterer Pakete zur Konjunkturstützung entsprechend anders zu gewichten.
Quelle: Hans Böckler Stiftung
- Arbeitgeberpflicht beim Arbeitsschutz nicht auf Beschäftigte abwälzen
„Eine Maskenpflicht für Beschäftigte kann nur das letzte Mittel sein. Vorher müssen die bestehenden Arbeitsschutzregeln umgesetzt werden. Erst diesen Monat hat die Bundesregierung neue Arbeitsschutzregeln für Pandemie-Zeiten erlassen. Das scheint an Frau Kramp-Karrenbauer völlig vorbeigegangen zu sein. Diese gehen eigentlich in die richtige Richtung und sehen unter anderem vor, dass Arbeitsplätze neu angeordnet oder Trennwände eingezogen werden müssen. Erst wenn solche Maßnahmen nicht weiterhelfen, müssen Schutzmasken getragen werden“, kommentiert Jutta Krellmann, Sprecherin für Arbeit und Mitbestimmung der Fraktion DIE LINKE, den Vorschlag von Annegret Kramp-Karrenbauer für eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz. Krellmann weiter:
„Für Gesundheit am Arbeitsplatz zu sorgen, dafür sind die Arbeitgeber verantwortlich. Sie müssen für wirksame technische und bauliche Schutzmaßnahmen sorgen. Doch was fehlt, sind regelmäßige Kontrollen, ob Arbeitgeber ihrer Pflicht zum Arbeitsschutz nachkommen. Derzeit wird jeder Betrieb nur alle 25 Jahre kontrolliert, weil die Arbeitsschutzbehörden der Länder kaputtgespart wurden. Wenn es Frau Kramp-Karrenbauer ernst ist mit dem Gesundheitsschutz von Beschäftigten, soll sie sich an dieser Stelle für schnelle Verbesserungen einsetzen.
Eine Billiglösung, mit der die Verantwortung auf die Beschäftigten abgewälzt wird, ist die falsche Antwort auf Probleme beim Arbeitsschutz.“
Quelle: DIE LINKE
Anmerkung JK: Dazu muss man noch einmal betonen, Schutz bieten nur Masken, die mindestens den sogenannten FFP2 bzw. den besseren FFP3-Standard erfüllen. Zu behaupten, selbstgenähte Stofffetzen böten irgendeinen Schutz oder würden jemand anderen schützen ist Humbug. Die Ausweitung der Maskenpflicht auf immer weitere Alltagsbereiche gerade ohne jede Berücksichtigung der physiologischen und psychologischen Folgen bei stundenlangem Tragen ist reine Repression. Zudem sollte man sich erinnern, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO ähnlich dem RKI noch im April auf dem Höhepunkt der Epidemie keinen erwiesenen Nutzen im Tragen von Masken in der Öffentlichkeit sehen wollte.
- Maß und Maske
Maskenverweigerer ihrer Strafe zuzuführen, könnte der neue deutsche Volkssport werden. Und die Politik macht mit, weil sie von ihren Versäumnissen ablenken will.
Vergangene Woche saß ich mit der sehr sympathischen Amelie Fried in der “Maischberger”-Talkshow. Sie berichtete dort, wie ihr Mann und sie sich jüngst auf einem Flug nach Belgien mit einer renitenten Maskenverweigerin auseinandersetzen mussten, die am Ende der Polizei in Brüssel übergeben wurde. Frau Fried erzählte die Geschichte mit einer Mischung aus Zorn und Genugtuung. Bei der Genugtuung habe ich gestutzt, aber nichts gesagt. Man hört ja jetzt viele dieser Geschichten.
Tags darauf, in meinem Zug von Köln nach Berlin, gingen dann mehrere wohlsituiert wirkende Fahrgäste auf jemanden los, neben dem der Sitzplatz frei war, der aber seine Maske nicht bis über die Nase gezogen hatte. Es wurde laut, rasch wurde auch gedroht, das Wort “Notbremse” war zu hören und schließlich der Satz: “Sie wissen doch, dass wir Sie jetzt der Bundespolizei übergeben müssen.”
Ich für meinen Teil habe mich ziemlich unwohl gefühlt. Aber nicht wegen der maskenlosen Nase vier Sitzreihen vor mir, sondern wegen der massierten Rechtschaffenheit dieser besorgten Bürger. So viel gemeinschaftliche Zivilcourage würde ich mir eher wünschen, wenn in der U-Bahn eine Frau angemacht wird. Oder ein Schwarzer wegen seiner Hautfarbe. Oder ein Jude wegen seiner Kippa.
Quelle: Nikolaus Blome im Spiegel
dazu: Bayern verschärft Bußgelder bei Verstößen gegen Corona-Auflagen
Bayern wird die Bußgelder bei Verstößen gegen die Masken- oder Quarantänepflicht deutlich erhöhen. Das kündigte Ministerpräsident Söder an. Außerdem soll die Polizei die Einhaltung der Regeln mit kontrollieren.
Der Freistaat Bayern wird die Bußgelder bei Verstößen gegen das Masken- und Quarantänepflicht deutlich erhöhen. Das hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montagvormittag in München angekündigt. So kostet es künftig 250 Euro, wenn im öffentlichen Nahverkehr oder in Läden keine Maske getragen wird (bisher 150 Euro). Bei mehrfachen Verstößen wird ein Bußgeld von 500 Euro fällig. Wer sich trotz Anordnung nicht in Quarantäne begibt, muss künftig 2.000 Euro zahlen, doppelt so viel wie bisher. Die neuen Regeln gelten ab Dienstag, 25. August 2020.
Die Polizei solle die Überwachung der Masken- und Quarantänepflicht ergänzen, sagte Söder vor Journalisten. Bislang waren hierfür nur die Gesundheitsbehörden zuständig. Als Gründe für die steigenden Corona-Zahlen nannte Söder die Urlaubsheimkehrer sowie Heimkehrer, die Familie in Ost- und Südosteuropa besucht haben, und Leichtsinn.
Mit Blick auf die Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag forderte Söder einen bundesweit einheitlichen Mechanismus, wie bei steigenden Fallzahlen vorgegangen wird, beispielsweise bei Bußgeldern und einer fallweisen Ausweitung der Maskenpflicht. Beispielsweise könnten einheitliche Untergrenzen bei Bußgeldern vereinbart werden.
Quelle: BR
Anmerkung JK: Eigentlich sollte sich der forsche Herr Söder nach dem Testdesaster im eigenen Land in Bescheidenheit üben. Beachtlich ist aber die Formulierung, man müsse jetzt die Zügel wieder anziehen, die tiefe Einblicke in das autoritäre Politikverständnis des Herren Söder gewährt. Offensichtlich hat Herr Söder nicht verstanden, dass auch Bayern immer noch eine parlamentarische Demokratie ist und kein absolutistisches Fürstentum, in dem der Herrscher dem unmündigen Volk nach Gusto Erleichterungen von den Corona-Zwangsmaßnahmen gewährt oder auch nicht.
und: Jeder, der das leugnet, hat nichts verstanden
“Die zweite Welle ist da”, sagt Bayerns Ministerpräsident Söder im Interview mit ntv. Auch erteilt er Fans für Fußballspiele eine Absage. Der CSU-Politiker spricht sich zudem für eine bundesweite Mindeststrafe für Masken-Verweigerer aus.
Quelle: n-tv
Anmerkung JK: Da fällt einem nichts mehr ein. Wenn Söder bestimmt „Die zweite Welle ist da“, dann ist das so.
- Tod einer Saisonarbeiterin
Ein Landwirt beutete in Bayern Arbeiter aus. 2018 starb eine Ukrainerin, nachdem sie über Schmerzen geklagt hatte und nicht behandelt wurde.
Nein, es war kein faires Arbeitsverhältnis zwischen Marianna J. und Alois Wagner, dem Chef des bayerischen Gemüsehofs, auf dem sich Ende Juli 250 ErntehelferInnen mit dem Coronavirus angesteckt haben: Die Arbeiterin aus der Ukraine sprach kein Wort Deutsch und schon gar nicht das breite niederbayerische Idiom Wagners, sie kannte ihre Rechte nicht, nach wenigen Monaten wollte sie wieder zurück in ihre Heimat.
Das sind beste Bedingungen für Gurkenbauer Wagner, um osteuropäische Beschäftige auf seinem Großbetrieb in Mamming auszubeuten, ihnen weniger zu zahlen, als er müsste, sie einzuschüchtern, sie anzuschreien. J. kostete Wagners Rücksichtslosigkeit aber nicht nur Geld und Respekt: Sein fahrlässiger Umgang mit der Gesundheit von Beschäftigten kostete die Ukrainerin im Jahr 2018 möglicherweise sogar ihr Leben.
Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Lage der in normalen Jahren rund 300.000 Saisonarbeitskräfte etwa aus Rumänien, Polen oder Bulgarien in der deutschen Landwirtschaft. Gewerkschafter kritisieren schon lange, dass viele ErntehelferInnen ausgebeutet würden. Auch dem Gemüsebau Wagner mit in der Regel etwa 500 Aushilfen hat die Beratungsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbunds für osteuropäische Arbeitnehmer vorgeworfen, er habe weniger als den gesetzlichen Mindestlohn gezahlt, den Arbeitern ihre Personalausweise vorenthalten und die Menschen ohne Coronasicherheitsabstand untergebracht.
Quelle: taz
Anmerkung JK: An solchen Zuständen stört sich der forsche Herr Söder seltsamer weise überhaupt nicht.
- Are India’s labour law reforms only a gift for factories, or will workers benefit too?
The long-awaited labour law reforms by states may make it easier for factories and businesses to run efficiently amid the coronavirus-led economic crisis, but the relaxation in rules may also put at stake the interest of labourers and workers, with businesses getting a free hand. On one hand, the industry sought to assure that the rule changes will let businesses function and thus generate more employment; on the other hand, social experts said the move may further aggravate the crisis for those who are worst affected. Given the unprecedented economic fallout from coronavirus, various industry bodies appreciated the labour law relaxations.
In tough times like these, brought about by the coronavirus pandemic, industries are facing challenges and there is a need to create an environment in which businesses can survive in the present and grow in the future. “I do not see this as being pro-industry or pro-labour; this is a situation where business units need to survive because economic activity needs to grow; for which some changes in norms and regulations may be necessary over a specified time frame,” Niranjan Hiranandani, President, Assocham, told Financial Express Online.
Quelle: Financial Express
Anmerkung JK: Dem Artikel ist zu entnehmen, dass in Indien Arbeitsschutzgesetze weitgehend gelockert wurden, um die infolge des Corona-Schocks eingebrochene Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die Gewerkschaften in Deutschland sollten sich also schon einmal warm anziehen. Bisher kommt aber aus dieser Ecke keinerlei Kritik an den Corona-Maßnahmen der Regierung. Im Gegenteil, so hatte man beispielsweise die Veranstaltungen zum 1. Mai mit einer Beflissenheit abgesagt, die einen staunen lies.
- Sozialismus, aber anders
Unter dem Eindruck, dass die Unterdrückungsverhältnisse in den sozialistischen Ländern auch unter Bedingungen des Kollektiveigentums Bestand hatten, wandte sich ein wichtiger Teil der neuen Linken ab den 1960er Jahren von der Eigentumsfrage ab. Dieses Erbe wirkt bis heute nach: In der Klimabewegung beispielsweise wird der Kapitalismus zwar viel kritisiert, damit gemeint sind jedoch in erster Linie Lebenszuschnitt, Konsummodelle und Wissenssysteme – und nicht die entsprechenden Eigentumsverhältnisse. Dabei führt uns die Corona-Pandemie ganz aktuell wieder vor Augen, inwiefern die Eigentumsfrage nach wie vor Dreh- und Angelpunkt der sozialen Prozesse unserer Gesellschaften ist. In den USA liegt die Sterblichkeit in den – migrantisch geprägten – ärmeren Vierteln mehr als doppelt so hoch wie die in den Wohngegenden der Reichen, und auch der Zugang zu einem Impfstoff wird als Eigentumsfrage verhandelt werden. Wer die heraufziehende soziale und ökologische Großkrise verstehen und eine Antwort auf sie formulieren will, kommt um die Eigentumsverhältnisse und einen – allerdings rundum erneuerten – Sozialismusbegriff nicht herum.
Quelle: Die Blätter
- Jede zweite Rente liegt unter 1000 Euro
Jeder zweite Rentenbezieher in Deutschland erhält weniger als 1000 Euro. Dagegen fallen zwei von drei Beamtenpensionen höher als 2000 Euro aus. Die Linke befürchtet “millionenfache Altersarmut” und fordert, auch Beamte und Selbstständige in eine Rentenkasse für alle einzahlen zu lassen.
Ende vergangenen Jahres lagen 56 Prozent der von der Deutschen Rentenversicherung ausgezahlten Monatsbeträge unter 1000 Euro. Das geht aus einer Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf eine Anfrage der Linke-Bundestagsfraktion hervor. Dagegen bekämen zwei von drei pensionierten Beamten mehr als 2000 Euro monatlich überwiesen, heißt es in der ntv exklusiv vorliegenden Antwort des Ministeriums. Für Linken-Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch ein deutliches Anzeichen für ein “Auseinanderklaffen”. “Hier muss etwas getan werden”, sagte er ntv.
Wie aus den Daten des Ministeriums hervorgeht, bekommt etwa ein Drittel aller Rentenbezieher weniger als 700 Euro im Monat. Fast jeder Vierte erhält weniger als 500 Euro. Wer so wenig Geld im Alter zur Verfügung hat, ist meist auf die Grundsicherung von knapp mehr als 800 Euro angewiesen, die mit der Rente verrechnet wird. Es sei denn, der Bezieher erhält noch zusätzlich eine Witwenrente, wohnt mit jemand besserverdienendem zusammen oder hat hohe Rücklagen. “Der jetzige Zustand birgt die Gefahr, dass wir uns millionenfache Altersarmut organisieren”, sagte Bartsch.
Quelle: n-tv
- Institut sieht Bedarf für Hunderttausende Sozialwohnungen
Menschen mit geringem Einkommen haben nach einem Gutachten immer schlechtere Chancen, eine bezahlbare Mietwohnung zu bekommen. Das Pestel-Institut in Hannover geht davon aus, dass rechnerisch mindestens 6,3 Millionen Haushalte für eine Sozialwohnung in Frage kämen, weil sie unter den entsprechenden Einkommensgrenzen liegen. Das sind 700.000 mehr als vor acht Jahren. Dazu trägt bei, dass in dieser Zeit viele Menschen in die Städte gezogen sind, wo die Mieten stark stiegen. (…)
“Die soziale Schere schneidet immer tiefer in den Wohnungsmarkt”, sagte Robert Feiger, der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), die das Gutachten in Auftrag gegeben hat. Es liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Notwendig seien mehr Sozialwohnungen und dass die Löhne mit der Preisentwicklung beim Wohnen Schritt halten. Bis 2030 müssten jährlich 160.000 dauerhafte Sozialwohnungen geschaffen werden.
Trotz Milliarden-Förderung sinkt jedoch die Zahl der günstigen Sozialwohnungen in Deutschland seit Jahren. Ende 2018 waren es knapp 1,2 Millionen – in der alten Bundesrepublik waren es noch fast 4 Millionen.
Quelle: RND
Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Steigende Baulandpreise sind genauso ein Problem wie der Klimawandel mit einer Anmerkung von Albrecht Müller sowie “Der Boden und die Bodenrente – die Verteilungsfrage des 21.Jahrhunderts?” und “Der neue Häuserkampf“.
- Kollektive Zensur
Wer die Cancel-Culture nicht ernst nimmt, schaue in die USA: Dort werden nicht nur falsche Meinungen, sondern auch Falschmeinende bekämpft. Eine Warnung.
Als ich 2007 in die Vereinigten Staaten zog, verliebte ich mich schnell in die lebendige Debattenkultur des Landes. Wie viele Universitäten war Harvard, wo ich mein Doktorstudium begann, auch damals schon sehr links. Und doch war unter meinen Kommilitonen und Professoren fast jede politische Stoßrichtung vertreten und wurde viel streitlustiger verteidigt, als ich es aus Deutschland kannte.
Davon ist nur noch wenig übrig. Wenn Bekannte mir heute in einem Café ihre “unpopulären” Ansichten beichten, fällt ihre Stimme um zwanzig Dezibel. Erste Journalisten und Schriftsteller, darunter einige Freunde und Bekannte von mir, müssen aufgrund missliebiger Standpunkte um Job und Aufträge fürchten. “Meine wahre Meinung verrate ich nur meinen engsten Freunden – und selbst dann nur vorsichtig”, sagte mir kürzlich sogar eine meiner Studentinnen.
Welche Meinungen sind es, die meine Studenten, Kollegen und Bekannten nicht mehr öffentlich äußern mögen? Sind sie Sexisten? Rassisten? Heimliche Trump-Fans?
Mitnichten. Es sind Menschen, deren Weltsicht linksliberal ist und deren Lebensweise kosmopolitisch. Es sind Menschen, die Donald Trump verabscheuen. Menschen, die, hätten sie in Deutschland das Wahlrecht, wohl Angela Merkel bewundern, aber ohne Zögern für die Grünen stimmen würden.
Menschen wie David Shor, der im Zuge der Ausschreitungen nach dem Tod von George Floyd auf Twitter die Studie eines schwarzen Princeton-Professors zusammenfasste: Schon 1968 hätten demnach gewaltsame Proteste dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Richard Nixon zum Wahlsieg verholfen. Friedliche Demonstrationen hingegen führten zu einem Stimmenzuwachs für Demokraten, so die Studie, die Shor wiedergab.
Eine Woche später war er seinen Job los. Warum? Aktivisten hatten seinen Tweet als Rat gewertet, die Black-Lives-Matter-Bewegung solle auf Gewalt verzichten. Als Weißer habe er aber kein Recht, das zu beurteilen. Unter dem Druck der Twitter-Meute feuerte sein Arbeitgeber – eine Firma, die Demokraten durch Datenanalysen Wahlsiege verschaffen soll – Shor kurzerhand.
Quelle: Zeit
Anmerkung JK: Absolut lesenswert!
- Ach, ihr Linken! Gebt doch endlich Gedankenfreiheit
Mit kühnen Thesen riskiert man als Denker seinen Job. Cancel Culture gibt es wirklich. Die Ersten verstecken sich im Intellectual Dark Web. Ein Debattenbeitrag.
Es geht ein Gespenst um: der Cancelgott. Man sieht ihn nicht, aber er sieht uns. Er weiß, was wir vor fünf Jahren im Radio gesagt oder vor drei Jahren auf Facebook gepostet haben. Und nur so viel: Er ist oft nicht amused. In letzter Zeit gar noch weniger. Niemand hat ihn je gesehen, weshalb manche denken, dass es ihn gar nicht gibt. Aber wer heutzutage „mit den falschen Leuten“ eine Lesung, eine Kabarettvorstellung, ein Seminar abhält oder daran teilnimmt, vielleicht nur einen Kaffee trinkt, könnte eine Nachricht vom Cancelgott bekommen, also indirekt natürlich, denn auch dieser Gott spricht nur durch Auserwählte – dass man nämlich ausgeladen sei, „umstritten“, arbeitslos. Gecancelt eben.
Einen solchen Moment erlebten im Jahre 2017 der Biologe Bret Weinstein und seine Frau Heather Heying, beide damals Professoren an einem staatlichen College in Washington. An der Hochschule wurde von einer Studentengruppe ein sogenannter Abwesenheitstag veranstaltet. Alle Weißen sollten den Campus an einem Tag nicht betreten. Weinstein weigerte sich, mit rassischer Segregation auf das Thema Rassismus hinzuweisen. Wieso soll es ein Zeichen von Toleranz sein, wenn eine Gruppe der Mehrheit den Zutritt zum Campus verweigert? Es kam zu Querelen am Campus mit Studenten und zu einer Auseinandersetzung mit der Hochschulleitung, in dessen Zug Weinstein und Heying das College schließlich verließen. Gecancelt.
Quelle: Berliner Zeitung
Anmerkung Albrecht Müller: Lesenswert.