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Titel: Covid-19 – erfreulich undramatische Daten rechtfertigen keine dramatischen Eingriffe
Datum: 19. August 2020 um 10:30 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Audio-Podcast, Gesundheitspolitik, Innen- und Gesellschaftspolitik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Jens Berger
Womit lassen sich eigentlich die Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern begründen? Im März hieß es, man müsse das Gesundheitssystem vor dem drohenden Kollaps bewahren. Im April rückte der R-Wert als vermeintlich belastbarer Indikator in den politischen Fokus und im Mai verabschiedeten Bund und Länder einen „Notfallmechanismus“, der strengere Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus von der Infektionslage auf Kreisebene abhängig machen sollte. Heute, im August, sind die Krankenhäuser so leer wie selten zuvor, von einer exponentiellen Ausbreitung der Infektionen kann keine Rede sein und kein einziger Landkreis reißt die vereinbarte Obergrenze. Die wichtigen Zahlen und Indikatoren unterscheiden sich diametral von der Situation Ende März. Dennoch malen Teile der Politik das Schreckensszenario eines zweiten Lockdowns an die Wand. Von Jens Berger
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Als Bund und Länder im März und April ihre unterschiedlichen „Maßnahmen“ verhängten, sah die Datenbasis zur Covid-19-Pandemie noch anders aus.
Neuinfektionen
Verstorbene
Hospitalisierung
Positive PCR-Tests
Intensivbetten
Krankenhausbetten
Übersterblichkeit
R-Wert
Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner
Die Gefährdungslage ist heute eine andere
Warum sich insbesondere die Zahlen zu den schweren Verläufen und den Todesfällen so erfreulich entwickelt haben, ist Gegenstand einer nicht immer zielführenden Debatte. Ein starkes Indiz für die positive Entwicklung ist die Altersverteilung der positiv Getesteten.
Altersverteilung der positiv Getesteten in den letzten 7 Tagen in Niedersachsen
So war beispielsweise die große Mehrheit in der letzten Woche in Niedersachsen positiv getesteten Personen deutlich jünger als 40 Jahre. Lediglich 18 positiv Getestete waren 70 Jahre oder älter.
Geschlechtsspezifische Altersverteilung der Verstorbenen in Niedersachsen
Dies steht im kompletten Kontrast zur Altersverteilung bei den an oder mit Covid-19 Verstorbenen und den Personen, die mit einem schweren Krankheitsverlauf im Krankenhaus behandelt werden müssen. Laut RKI beträgt der Altersdurchschnitt der Verstorbenen 81 Jahre, 85% der Todesfälle waren 70 Jahre oder älter. Die wenigen jüngeren Todesfälle wiesen laut RKI ausnahmslos schwere Vorerkrankungen auf. Bei den allermeisten jüngeren Infizierten verläuft die Infektion indes so mild oder gar symptomfrei, dass man sich eher Sorgen macht, dass die Infizierten überhaupt nichts von der Infektion mitbekommen und Angehörige der Risikogruppen anstecken könnten.
Will man ein positives Zwischenfazit aus den vorliegenden Zahlen ziehen, so kann man also sagen, dass Deutschland es offenbar geschafft hat, die Risikogruppen weitestgehend zu schützen. Die Krankheit hat damit einen großen Teil ihrer Bedrohung verloren. Zwar infizieren sich immer noch pro Tag mehr als 1.000 Menschen mit dem Virus. Da es sich hierbei jedoch zum übergroßen Teil um jüngere Menschen abseits der Risikogruppen handelt, die nur in sehr wenigen Ausnahmefällen schwer erkranken, müsste die Bedrohungslage neu bewertet werden. Schwere Komplikationen gibt es in seltenen Ausnahmefällen schließlich auch bei anderen Erkrankungen. Auch eine simple Mandelentzündung kann in sehr seltenen Fällen zu schweren Komplikationen wie einer Blutvergiftung und schweren Herz- oder Nierenerkrankungen führen. An einer Blutvergiftung stirbt übrigens alle sechs bis sieben Minuten ein Mensch in Deutschland – Ärzte gehen davon aus, dass jeder vierte dieser Todesfälle vermeidbar wäre.
Eine Debatte ohne ausreichende Datenbasis
Trotz der erfreulich undramatischen Corona-Daten zieht die Politik die Daumenschrauben wieder enger. Es ginge nun darum, „einen zweiten Lockdown zu verhindern“. In Niedersachsen wurden bereits angekündigte Lockerungen abgesagt , Gesundheitsminister Spahn will künftig private Feiern einschränken und natürlich warnt auch der SPD-Politiker und Dauer-Talkshowgast Karl Lauterbach: „Wir können nicht so weitermachen wie jetzt!“ . Wer eine plausible Begründung für diese Aussagen sucht, sucht vergebens.
Sämtliche Daten zeigen, dass es keinen kausalen Grund für eine derartige Debatte gibt. Anstatt auf Sterbeziffern oder die Daten aus den Krankenhäusern kaprizieren sich Politik und Medien einzig und allein auf die – wenn auch nur sehr, sehr gering – dynamischen positiven Testergebnisse. Doch die sind isoliert betrachtet nicht sonderlich aussagekräftig für die Bewertung der Gefährdung. Streng genommen ist sogar fragwürdig, positiv Getestete als „Erkrankte“ zu bezeichnen, zeigen doch vor allem jüngere Menschen sehr oft einen symptomfreien Verlauf. Ist eine Krankheit ohne Symptome überhaupt eine Krankheit?
Dabei liefern die zur Verfügung stehenden Daten eine sehr überzeugende Botschaft: Wenn es gelingt, die Risikogruppen vor einer Infektion zu schützen, verliert Covid-19 seine Bedrohung. Für unter 20-Jährige ohne Vorerkrankung liegt die Sterblichkeitsrate (IFR) bei kaum messbaren 0,00004%. Für 20- bis 50-Jährige (also die Gruppe, die in Deutschland den Großteil der Neuinfektionen ausmacht) liegt die Rate zwischen 0,0002% und 0,0035%. Und selbst für 60- bis 69-Jährige ohne Vorerkrankung ist sie mit 0,044% bis 0,11% überschaubar und liegt im unteren Bereich der normalen Grippe. Ungefährlich ist Covid-19 dadurch jedoch keinesfalls. Für Männer über 80 mit Vorerkrankungen beträgt die Sterblichkeitsrate immerhin 20,1%.
Sterblichkeit nach Alter, Geschlecht und Vorerkrankung. Quelle: Predicted COVID-19 Fatality Rates Based on Age, Sex, Comorbidities, and Health System Capacity – Center for Global Development, Working Paper 535 June 2020
Die Zahlen liegen also vor, nur dass die Politik aus ihnen keine rationalen Schlüsse zieht. Im August ist Covid-19 – anders vielleicht als im März oder der ersten Aprilhälfte – keine Bedrohung für das Gesundheitssystem und stellt auf Basis der zur Verfügung stehenden Daten auch keine derart ernsthafte Gefährdung für Leib und Leben derjenigen, die keiner Risikogruppe angehören, dar, der man mittels schwerwiegenden Eingriffen in die Grundrechte begegnen müsste, die über eine Verordnungsermächtigung auf Basis des Infektionsschutzgesetzes begründet werden.
Angestoßen durch nicht in den richtigen Kontext gerückte Horrorbilder aus der Lombardei und anfänglich in der Tat beunruhigende Zahlen in Deutschland hat sich die Debatte mittlerweile verselbstständigt und von den nötigen inhaltlichen Fragen verabschiedet. Die Politik reitet auf der hysterischen Welle, die sie selbst Hand in Hand mit den Leitartiklern geschaffen hat und scheint nun – selbst wenn sie es wollte – nur noch schwer aus ihrem Katastrophenmodus herauszukommen. Eine Versachlichung der Debatte auf Basis der keinesfalls beunruhigenden aktuellen Zahlen wäre eine Grundlage, diesen nicht hinnehmbaren Zustand zu beenden. Nur scheint es leider so, dass es sowohl seitens der Politik als auch seitens der Medien kein gesteigertes Interesse daran gibt, die Debatte zu versachlichen.
Lesen Sie zum Thema auch: Jens Berger – Wie tödlich ist Corona?
Titelbild: eldar nurkovic/shutterstock.com
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