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Titel: Corona: Kabarett als Schutzschirm für Regierungskurs
Datum: 11. August 2020 um 11:52 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Demokratie, Kultur und Kulturpolitik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Tobias Riegel
Der Kabarettist Florian Schroeder hatte einen Auftritt bei Corona-Skeptikern. Was der Vorgang und die Medienreaktionen über das Kabarett, die Presselandschaft und die Debattenkultur aussagt. Von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Der Kabarettist Florian Schroeder wurde am Wochenende – irrtümlich – auf eine Demo von Kritikern der Corona-Politik eingeladen. Dort hat er die Linie der Regierung und die vieler großer Medien verteidigt – leidenschaftlich, moralisierend und mit wenig satirischer Distanz. Man könnte den Auftritt Schroeders also als eine weitere Episode einer bekannten Entwicklung abtun: Wieder ein Kabarettist, der eine dominante und täglich in den großen Medien verbreitete Sichtweise nochmals verstärkt. Schwer zu akzeptieren ist aber die rebellische Pose, die sich der Comedian nun selber andichtet und in der er von zahlreichen Medien bestärkt wird. Darum soll hier auf den Vorgang genauer eingegangen werden.
Schroeders Publikumsbeschimpfung
Den ganzen Auftritt kann man unter diesem Link ansehen. Die ersten Minuten denkt man noch, Schroeder könnte tatsächlich eine interessante Gratwanderung abliefern. Zumindest am Anfang liegt noch eine unterhaltsame Spannung im eloquent gespielten Bühnencharakter von Schroeder – zumindest, wenn man weiß, dass irgendwann die Selbstenttarnung folgen muss. Doch diese Spannung verfliegt vollends in dem Moment, in dem er die Rolle des Kabarettisten ablegt und die Rolle des belehrenden Moralapostels anlegt. Dadurch, dass er keine satirische Distanz mehr einnimmt, sondern in eine moralisch-pädagogische Predigt einstimmt, wird der Auftritt nicht nur uninteressant, er wird beleidigend.
Dazu gehört etwa eine Passage, in der er das Publikum indirekt als Wegbereiter für ein „neues 1933“ beschimpft: „Die, die glauben, Corona sei eine Erfindung, werden die sein, die die Wirtschaftskrise auslösen, von der die Populisten alle profitieren werden.“ An dieser Feststellung ist vieles falsch. Zum einen werden damit alle Fehler und Überreaktionen der Corona-Politik einzelnen „unverantwortlichen“ Bürgern in die Schuhe geschoben. Gleichzeitig wird die „nächste Wirtschaftskrise“ fälschlich als alleinige Folge „von Corona“ dargestellt. Dadurch wird in einem Nebensatz die fehlgeleitete neoliberale Politik der vergangenen Jahre nicht den verantwortlichen Politikern und Redakteuren angelastet, sondern ebenfalls einzelnen Bürgern. Dass er später anfügt: „Ich beleidige euch nicht. Ich stelle mich hierhin und rede mit euch“, ist nicht hilfreich. Vor allem, weil Schroeder hier nicht mit den Bürgern reden will, sondern von der Bühne herab doziert.
Ganz große Medien-Bühne für Regierungskurs
Schroeder stellt zudem die Realität auf den Kopf, wenn er beim Auftritt teils den Eindruck erwecken will, als sei es mutig, die Corona-Maßnahmen öffentlich zu verteidigen. Es gibt wohl kaum eine Meinung, mit der man sich des Applauses der großen Medien sicherer sein kann. Das zeigt auch das aktuell üppige Medienecho und die zahlreichen Interviews, die Schroeder nun nochmals eine Bühne für die bei der Demo verkündete Sichtweise geben und die sich mit den Haltungen vieler großer Medien eins zu eins decken. Beispiele für diesen medialen Rückenwind folgen weiter unten. Allein diese breite und fast durchgehend sehr positive Berichterstattung widerlegt eine zentrale These Schroeders: nämlich die von einer Presselandschaft, die widerstreitende Meinungen annähernd gleichberechtigt spiegelt und so eine echte Meinungsvielfalt zum Thema Corona herstellt. Ein Skeptiker der Corona-Politik kann von zahlreichen parallelen Interview-Anfragen großer Medien nicht mal träumen. Außerdem bedeutet Meinungsfreiheit noch lange keine Meinungsvielfalt, von einer medialen „Waffengleichheit“ zwischen den Anhängern und den Kritikern des Regierungskurses kann keine Rede sein.
Dennoch soll die Meinungsfreiheit natürlich auch für Schroeder gelten. Redeverbot hat Schroeder in Stuttgart nicht erhalten, auch wenn er teils ausgebuht wurde. Er wurde auch nicht von der Bühne gejagt. Das Unterdrücken von Meinungen ist ohnehin ein eher ungewöhnlicher Vorwurf gegen die Szene der Corona-Skeptiker. Die Vorwürfe gingen bisher eher in die andere Richtung: nämlich viel zu offen zu sein oder gar „rechts-offen“. Schroeder sagt: „Wenn ihr Demokraten seid, dann müsst ihr meine Meinung aushalten – ohne zu buhen.“ Das ist ein Missverständnis: Meinungsfreiheit bedeutet keinen Anspruch auf Applaus. Ein Demonstrant antwortete ihm laut DLF: „Buhen ist auch eine Meinungsäußerung.“ *
Satire falsch verstanden?
Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass bei Schroeders Auftritt eine raffinierte Form der Satire einfach nicht verstanden wurde. Im Fall der „umstrittenen“ Kabarettistin Lisa Eckhart sind diese (teils absichtlichen) Missverständnisse eindeutig, wie Jens Berger gerade in seinem Artikel „Der Fall Lisa Eckhart – Cancel Culture in Deutschland“ geschrieben hat. Dass es sich beim Demo-Auftritt aber nicht um Satire, sondern um eine emotionale Moralpredigt handelte, stellt Schroeder im „Spiegel“ selber klar: Da heute „so schnell ohne Zusammenhang“ zitiert werde, habe er auf der Demo streckenweise „direkt gesprochen“, also ohne satirischen Bruch. Verwirrender Weise legt er dennoch viel Wert darauf, dass er „nicht Volkspädagoge, sondern Satiriker“ sei, wie der Deutschlandfunk schreibt. Auch in der „FAZ“ betont er im Widerspruch zum jüngsten Auftritt:
„Ich bin Satiriker, kein Aktivist“
Ein Beispiel für das gerade von Jens Berger beschriebene Phänomen, dass satirisch gemeinte Kunstfiguren nicht mehr als solche erkannt werden, war dagegen ein älterer Auftritt von Florian Schroeder, bei dem er in die zugespitzte Rolle eines „Corona-Verschwörungstheoretikers“ geschlüpft war. Die falsche Einordnung dieses Auftritts war wohl der Grund für Schroeders Einladung durch die Demo-Veranstalter. Die Aussage dieser Passage muss nicht gefallen, aber immerhin gab es hier eine Distanz zwischen der Person Schroeder und seinem Bühnencharakter. Diese Distanz hat er bei seinem jüngsten Auftritt aufgegeben, und damit auch den Abstand zu seinen verkündeten Inhalten. Ein weiteres Beispiel für ein Kabarett, das sich als Schutzschirm der Regierung und der sowieso dominant verbreiteten Mehrheitsmeinung versteht, lieferte kürzlich etwa die Eröffnungstirade gegen Corona-Skeptiker bei „Extra Drei“.
Kein Dialog, sondern moralischer Vortrag
Viele große Medien sind dennoch begeistert. So beschreibt der „Tagesspiegel“, „wie der Kabarettist Florian Schroeder bei der Stuttgarter „Querdenken“-Kundgebung den Corona-Gegnern mit Hegels Dialektik den Wind aus den Segeln nimmt“. Und T-Online meint: „Kabarettist Schroeder stellt ‚Querdenker‘ bloß.“ Aber hat der Auftritt nicht eher Schroeders Hang zum Oberlehrertum bloßgestellt? Nicht ganz der Realität entsprechen auch Berichte, nach denen Schroeder mit dem Auftritt einen Dialog gesucht hätte. Dem widerspricht er selber im Interview mit der FAZ, die ihn fragt, ob er „an Ort und Stelle noch länger mit den Leuten gesprochen“ habe:
„Nein, ich bin dann gegangen. Ich hatte meinen bestellten Meinungsbeitrag ja pünktlich geliefert.“
Davon unbeeindruckt schreibt die „Zeit“: „Der Kabarettist Florian Schroeder hat in Stuttgart versucht, mit Anti-Corona-Demonstrierenden über Meinungsfreiheit zu diskutieren.“ Und auch im Interview mit dem „Spiegel“ darf Schroeder behaupten, er habe „in einen Dialog eintreten“ wollen.
Unsere „sehr gute, sehr bunte Presselandschaft“
Einige (ernst gemeinte und nicht satirisch gebrochene) Aussagen Schroeders kann man eigentlich nur unter gespielter Naivität einordnen. Etwa, wenn er sagt, Deutschland hätte eine „sehr gute, sehr bunte Presselandschaft“. Sehr „bunt“ mag ja sein. Aber eine ausgewogene Debatte über die Corona-Maßnahmen und die extrem fragwürdige, von Medien kaum hinterfragte Datenbasis dafür war leider nicht unter diesem bunten Strauß. Die letzten Monate waren eine Zeit der radikalen medialen Eintönigkeit. Eine Zeit, in der bereits das Stellen der falschen Fragen als „unvernünftiger“ Frevel gebranntmarkt wurde.
Das heißt nicht, dass es nicht hier und da einzelne kritische Beiträge in großen Medien zur Corona-Politik gegeben hätte. Doch mit der Berichterstattung zu Corona verhält es sich ähnlich, wie es die NachDenkSeiten gerade am Beispiel Armut beschrieben haben: Bei diesem Thema kann der einzelne Beitrag, der hin und wieder die Kinderarmut beklagt, nichts gegen eine permanente und breite Kampagne zur Schwächung des Sozialstaats und zur Rechtfertigung der obszönen ökonomischen Ungleichheiten ausrichten.
Für die Mehrheitsmeinung braucht es keinen Mut
Der Auftritt war auch, wie gesagt, nicht besonders mutig: Der nun umgehend eingetretene mediale Rückenwind für Schroeder rührt daher, dass er eine super-dominante Mehrheitsmeinung vertritt, die ohnehin seit Monaten von morgens bis abends aus allen Kanälen schallt. Die hat er jetzt als „Trojanisches Pferd“ zusätzlich auf eine der ganz wenigen Podien geholt, wo eben mal eine andere Meinung kundgetan wird. Die Skepsis vieler Bürger beruht zum Teil auf eben dieser medialen Eintönigkeit: Eine Botschaft, die so penetrant wiederholt werden muss und die so giftig auf Gegenargumente reagiert wie die offizielle Haltung zu Corona, die scheint so souverän nicht zu sein.
Schroeder scheint auch seiner Sache viel zu sicher: Gestählt durch vier Monate Corona-Berieselung durch die großen Medien weiß er einfach viel zu genau, dass die Gegenseite nur im Unrecht sein kann: Das ist aber keine Dialektik, wenn der eigene Standpunkt schon vor dem „Gespräch“ als dermaßen unerschütterlich empfunden wird. Trotzdem sagt er mehrmals: „Das ist Dialektik, Freunde: Freiheit heißt: Zuhören. Sich einlassen auf einen wie mich, der nicht das sagt, was ihr hören wollt.“ Das klingt, als hätten die skeptischen Positionen zum Umgang mit dem Virus die Berichterstattung in den großen Medien dominiert – und nicht umgekehrt.
Schroeder doziert zwar mit emporgerecktem Zeigefinger von Dialektik – und will doch jede Dialektik mit der nun üblichen väterlichen Corona-Strenge abwürgen. Die Einschränkungen sind „sinnvoll“, wer das nicht endlich akzeptiert, ist einfach nur „unvernünftig“: „Das heißt Querdenken: vernünftig sein. Und nicht Glaubenssätzen folgen.“ „Verhindert die Diktatur, indem ihr vernünftig seid: Maske auf, Abstand halten, nachdenken.“
Was einmal mehr völlig untergeht, sind Aspekte der Corona-Politik, die über eine rein medizinische Betrachtung hinausgehen: die isolierten Alten und Kranken, die zerstörten Existenzen, die traumatisierten Kinder, die nochmals verschärfte Ungleichheit, die gefährlichen Potenziale in Bezug auf Massenüberwachung. Und es bleibt die Frage: Warum können Menschen, die all diese Aspekte immer noch ausblenden, weitgehend unwidersprochen behaupten, dass allein die Skeptiker verantwortungslos seien?
Titelbild: 360b / shutterstock
* Anmerkung: Dieser Absatz wurde nachträglich z.T. ergänzt.
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