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Titel: Covid-19-Impfstoffentwicklung – eine Debatte ist dringend nötig, findet aber nicht statt
Datum: 29. Juli 2020 um 8:55 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Audio-Podcast, Gesundheitspolitik
Verantwortlich: Jens Berger
Es vergeht kaum ein Tag, an dem keine Meldung zur globalen Impfstoffentwicklung über die “Corona-Ticker” der großen Medienplattformen geht. Bei diesen Meldungen handelt es sich um Verlautbarungen, basierend auf den Presseinformationen der auf diesem Gebiet forschenden Einrichtungen und Unternehmen. Fragen – erst recht, wenn sie unbequem sind – werden nicht gestellt. Das ist mehr als erstaunlich, bietet das Thema doch eine Unzahl von bislang ungeklärten Fragen, die sehr relevante Aspekte betreffen. Schließlich geht es um einen Impfstoff, der Milliarden Menschen verabreicht werden soll. Es geht jedoch nicht nur um Milliarden Menschen, sondern auch um viele Milliarden Euro und handfeste wirtschaftliche Interessen. Konfliktlinien, die nur so nach einer öffentlichen ergebnisoffenen Debatte schreien. Doch diese Debatte findet nicht statt. Medien und Politik wirken wie ein Kaninchen in Angststarre, das die Schlange anstarrt und nicht fähig ist, sich zu bewegen. Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Um es vorwegzunehmen – Ich bin weder Biologe noch Mediziner und vermag es selbst nur, mich als interessierter Laie in einen überaus komplexen Themenbereich einzulesen, der meine fachlichen Fähigkeiten bei weitem übersteigt. Aber da geht es mir wohl genauso wie rund 99% meiner Mitbürger. Ich bin auch beileibe kein Impfkritiker und gegen alle Krankheiten, gegen die man als Kind der 1970er geimpft wurde, gegen Tetanus, Gelbfieber, FSME und Enzephalitis geimpft und würde mich auch gegen das Sars-CoV-2-Virus impfen lassen, wenn ich den Eindruck hätte, dass der entwickelte Impfstoff nach allen denkbaren Kriterien der Sorgfalt geprüft wird. Doch genau das ist offenbar nicht der Fall. Statt auf bewährte Techniken und Impfstoffdesigns zu setzen, nutzen Biotech-Startups und große Pharmakonzerne ausgerechnet die Covid-19-Pandemie dazu, “Strategien der nächsten Generation”, wie es in den Pressemitteilungen so schön heißt, einzusetzen. Es geht dabei um Vektorimpfstoffe, die über Viren und Nukleinsäuren DNA- und RNA-Fragmente in die menschlichen Zellen einschleusen sollen, um sie selbst dazu zu bringen, die Antikörper zu produzieren, mit denen das menschliche Immunsystem das Sars-CoV-2-Virus bekämpfen kann. Das ist zweifelsohne eine tolle Idee und da ich modernen Technologien eigentlich auch offen gegenüberstehe, begrüße ich auch Innovationen im medizinischen und pharmazeutischen Bereich, wenn – und das ist ein entscheidendes wenn – der Nutzen die Risiken und Nebenwirkungen übersteigt. Und genau an diesem Punkt sind Zweifel angebracht.
Zu den konkreten Hintergründen empfehle ich an dieser Stelle ein m.E. sehr informatives Interview des RT-Deutsch-Formats “Der fehlende Part” mit dem österreichischen Biologen Clemens Arvay. Ich gebe zu, ich war zunächst selbst kritisch, wird in YouTube-Videos zu diesem Themenkomplex leider häufig ziemlicher Unsinn verbreitet. Wenn Sie diese “Grundskepsis” teilen: Geben Sie dem Video bitte eine Chance und schauen Sie es sich einmal unvoreingenommen an. Sie können uns danach auch gerne einen bösen Leserbrief schreiben.
Wie steht es eigentlich um die Impfstoffentwicklung?
Wer dazu nur die Berichterstattung der deutschen Medien verfolgt, wird sich sicherlich über die “offizielle” Liste der Impfstoffkandidaten, die die WHO führt, wundern. Dort erfährt man nämlich, dass es zur Zeit sechs Kandidaten gibt, die bereits in der dritten klinischen Testphase sind, also bereits im Großeinsatz an Menschen getestet werden. Darunter finden sich das britische Gemeinschaftsprojekt der Universität Oxford und des Pharmamultis AstraZeneca, das US-Projekt des Biotech-Unternehmens Moderna und das Projekt des Mainzer Biotech-Unternehmens BioNTech- ersterer Impfstoff setzt auf einen Adenovirus von Schimpansen, die beiden letzteren auf die mRNA-, also Boten-RNA-Technik, um einen genetischen “Bauplan” in die menschlichen Zellen zu transportieren, die dann die Antikörper selbst produzieren sollen. Diese Techniken sind – wie im Video ausgeführt – nicht nur potentiell problematisch, sondern auch gänzliches Neuland. Noch nie hat ein derartiger Impfstoff die klinischen Tests bestanden und nun soll diese Technik der “nächsten Generation” in einem gigantischen Freilandexperiment an Milliarden Menschen getestet werden? Im Schnellverfahren, ohne die ansonsten bindenden zeitlichen Prüfungskriterien, mit denen sich auch Spätfolgen dokumentieren lassen? Man muss wahrlich kein Impfkritiker sein, um hier einen Diskussionsbedarf festzustellen. Auch der deutsche Impfstoffkandidat der Firma CureVac ist ein mRNA-Impfstoff, während das öffentliche DZIF bei seinem Impfstoffprojekt auf das Masernvirus als viralen Vektor setzt.
Interessant – und für viele sicher überraschend – ist an der WHO-Liste jedoch auch, dass sich auch drei traditionelle Virendesigns mit inaktivierten Sars-CoV-2-Viren unter den fünf Kandidaten befinden, die bereits in der dritten klinischen Erprobungsphase sind. Hierbei handelt es sich um die drei chinesischen Forschungsprojekte von Sinovac und Sinopharm, letzteres in zwei Varianten in Zusammenarbeit mit den staatlichen biotechnischen Instituten in Peking und Wuhan. Auch diese Projekte haben ihre Ergebnisse in den großen Fachzeitschriften publiziert und werden zur Zeit in großen Feldstudien in Brasilien, den Arabischen Emiraten, Russland und Saudi-Arabien getestet. Selbstverständlich gilt auch hier eine Grundskepsis, da auch für diese Kandidaten eine stark verkürzte Testperiode angesetzt wurde – jedoch erscheint dies im konkreten Zusammenhang weniger problematisch zu sein, da das Impfstoffdesign traditionell und bewährt ist. Auch die Standardimpfungen gegen Hepatitis A, Tetanus, Polio oder FSME setzen inaktivierte Lebendviren ein, um die Immunabwehr auf die entsprechenden Viren zu trainieren. Hier ist es vor allem die Frage, ob dieses Impfstoffdesign bei Sars-CoV2-Viren erfolgreich sein kann. Zumindest die ersten beiden klinischen Testphasen scheinen dies jedoch zu bejahen. Seltsamerweise spielen diese drei chinesischen Forschungsprojekte, die sich auf traditionelle Methoden gründen, weder in der Berichterstattung noch in der politischen Debatte eine nennenswerte Rolle. Hier klingt es eher so, als seien die unerprobten Technologien der nächsten Generation alternativlos und die bloße Idee, dass der Impfstoff aus China kommen könnte, wird noch nicht einmal erwogen. Stattdessen zofft man sich öffentlich über die Frage, wie die Impfstoffkandidaten der deutschen Projekte, die zum Teil noch in der frühen Erprobungsphase sind und unter normalen Bedingungen mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht bis zur Marktreife kommen, verteilt werden sollen. Wenn es wirklich um die Gesundheit und nicht um finanzielle und geostrategische Fragen gehen sollte, ist diese Debattenverweigerung unverständlich.
Wird es überhaupt einen Impfstoff gegen das Sars-CoV2-Virus geben?
Immer wenn es um die teils massiven sozialen und ökonomischen Folgen der Corona-Maßnahmen und die damit verbundenen Eingriffe in die Grundrechte geht, heißt es von Seiten der Politik, dies sei wohl so lange notwendig, bis es einen Impfstoff gibt. Besonders forsche Stimmen, wie der grüne Ministerpräsident Kretschmann, haben sogar schon einen mehr als sportlichen Zeitrahmen für die Verfügbarkeit eines Impfstoffes definiert. Laut Kretschmann soll dieser Impfstoff bereits im Herbst dieses Jahres zur Verfügung stehen. Dass ein Impfstoff, der in einem derart kurzen Zeitraum entwickelt wird, gar nicht sorgfältig getestet werden kann und eine Impfung mit diesem Impfstoff ein großangelegter Feldversuch mit unbekannten Risiken und Nebenwirkungen sein muss, versteht sich von selbst.
Erstaunlich ist dabei jedoch auch, dass es seitens der Politik offenbar gar keinen Zweifel daran gibt, dass es in nächster Zeit überhaupt einen Impfstoff geben wird. Zur Erinnerung: Gegen kein Coronavirus gibt es bislang einen bei Menschen wirksamen Impfstoff. Unklar ist zudem, ob die Antikörper, die für die Immunisierung verantwortlich sind, überhaupt einen längerfristigen Schutz vor dem Virus bieten. Empirisch ist dies nämlich nicht der Fall. Erst in dieser Woche tauchte die Meldung auf, dass die ersten deutschen Covid-19-Erkrankten, die Mitarbeiter des bayerischen Webasto-Konzerns, heute über keine immunisierenden Antikörper mehr verfügen. Dies ist kein Einzelfall. Studien ergaben, dass 83,3 % der Covid-19-Erkrankten nach drei Monaten über keinen immunisierenden Schutz durch Antikörper mehr verfügen und es gibt keinen vernünftigen Grund anzunehmen, dass sich durch eine Impfung gebildete Antikörper hier anders verhalten als die Antikörper, die der Körper als Reaktion auf das echte Virus gebildet hat. Auch dies ist übrigens nicht sonderlich überraschend, bieten die gebildeten Antikörper bei „normalen“ Erkältungs-Coronaviren doch auch keine langfristige Immunisierung.
Im wahrscheinlichen Fall bietet eine wirksame Impfung demnach auch nur für rund acht Wochen Schutz gegen das Virus. Sollen wir uns also nach den Vorstellungen der Politik künftig alle acht Wochen impfen lassen? Eine verstörende Vorstellung. Eine Vorstellung, die zudem ignoriert, dass Viren – allen voran Coronaviren – dazu neigen, mit der Zeit zu mutieren. Nun kann es sein, dass ein entwickelter Impfstoff tatsächlich gegen kommende Mutationen ebenfalls wirksam ist; das wäre jedoch ein außergewöhnlicher Glücksfall, da Mutationen ja meist auch eine Reaktion gegen Bedrohungen sind und ein Impfstoff stellt aus Sicht des Virus eine solche Bedrohung dar. Es ist somit unklar, ob ein Impfstoff, wenn er denn auf den Markt kommt, überhaupt gegen die zu diesem Zeitpunkt aktuelle Mutation wirksam ist und ob das Virus nicht seinerseits durch Mutation auf den Impfstoff reagiert.
Es ist also eine vollkommen offene Frage, ob es überhaupt einen wirksamen Impfstoff geben wird und wie lange dieser Impfstoff im Erfolgsfall Schutz bietet. Die Möglichkeit, mit dem Virus zu leben, spielt in der politischen sowie gesellschaftlichen Debatte jedoch keine Rolle. Es kann nicht sein, was nicht sein darf – Viren halten sich jedoch nicht an derlei Denkverbote.
Wie unvoreingenommen können die Tests überhaupt durchgeführt werden?
Dass die üblichen Kriterien für die vorklinischen Tests, die Tierversuchsreihen und die darauf folgenden drei klinischen Testphasen massiv verkürzt und zum Teil sogar ausgesetzt wurden, ist problematisch. Dass dies auch für die unerprobten Technologien der nächsten Generation gilt, ist sogar hoch problematisch. Zusätzlich muss an dieser Stelle zudem die Frage gestattet sein, wie sorgfältig und wie unvoreingenommen die verbleibenden Restkriterien an die Sicherheit eines Impfstoffs überhaupt angewendet werden können, wenn massive politische und finanzielle Interessen im Hintergrund Druck machen. Längst ist die Impfstoffentwicklung zu Covid-19 auch ein internationaler Wettbewerb. Die USA mit ihrer milliardenschweren BioTech-Szene gegen das „alte Europa“ mit seinen als behäbig verschrienen staatlichen Institutionen gegen die Newcomer aus China, die materiell auch gerne schon mal mit Kanonen auf Spatzen schießen, um zu zeigen, dass ihnen das 21. Jahrhundert gehört. Und zwischendrin auch noch die „Außenseiter“ aus Indien, Südkorea, Russland und Japan, die auf den entsprechenden Fachgebieten auch über eine außergewöhnliche Expertise verfügen und gerne ebenfalls die Ersten im globalen Wettlauf wären.
Neben den 25 aussichtsreichsten Kandidaten, die sich bereits in der klinischen Testphase befinden, listet die WHO zur Zeit weitere 139 Impfstoffprojekte aller Herren Länder, die sich in der vorklinischen Phase befinden und bei einem „fairen Wettkampf“ am Ende ebenfalls die Nase vorn haben könnten. Es geht hier jedoch nicht nur um Prestige und geopolitische Befindlichkeiten, sondern auch um sehr, sehr viel Geld. Geld, das zu einem großen Teil bereits ausgegeben wurde. Noch bevor einige Impfstoffkandidaten überhaupt erfolgreich an Tieren getestet wurden, schloss man bereits Produktions- und Distributionsabkommen. So hat der Pharmakonzern AstraZeneca, der sich als Partner in das Impfstoffprojekt der Universität Oxford eingekauft hat, bereits konkrete Schritte für die Produktion und den Vertrieb von zwei Milliarden Impfdosen eingeleitet. So sicherte AstraZeneca Großbritannien 100 Millionen Dosen, der Impfallianz rund um Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden 400 Millionen Dosen und den USA 300 Millionen Dosen zu – die USA bezahlten dafür bereits 1,2 Mrd. US$; wohlgemerkt für einen Impfstoff, der zu diesem Zeitpunkt in der frühen klinischen Testphase war und erst vor wenigen Tagen in die dritte Phase ging. Britische Firmen wie Oxford Biomedica, Cobra und Symbiosis, US-Firmen wie Emergent BioSolutions, die niederländische Firma Halix und der deutsche Pharmaproduzent Merck (Darmstadt) haben bereits Lizenzen für die Produktion dieses Impfstoffs erworben und auch der weltgrößte Impfstoffproduzent, das Serum Institute of India, rüstet bereits die Produktionslinien für die Herstellung dieses Impfstoffs um. Auch andere Entwickler wie das US-Unternehmen Moderna und der chinesische Entwickler Sinopharm haben bereits Produktionsverträge herausgegeben. Weltweit werden bei Auftragsproduzenten die Produktionslinien für Impfstoffe umgestellt, die bislang weder einen Wirkungsnachweis erbrachten noch durch klinische Testreihen auf Risiken und Nebenwirkungen überprüft wurden.
Da muss sich die Frage stellen, wie unabhängig und wie unvoreingenommen die Prüfung für Impfstoffe sein kann, die bereits für mehrere Milliarden Euro oder Dollar lizensiert wurden und die bereits mit großem finanziellen und logistischen Aufwand produziert und – später – auch schon ausgeliefert werden. Es wäre zumindest überraschend, wenn ein kleiner Beamter bei einer Zulassungsbehörde sich hier vor diesen gigantischen Zug wirft, der von den Interessen der Pharmakonzerne und der Regierungen angetrieben wird.
Lasst uns endlich anfangen, zu debattieren
All dies spielt bei der aktuellen Debatte jedoch keine Rolle. Die Politik schweigt zu Risiken und Nebenwirkungen, setzt voll und ganz auf einen schnellen Impfstoff und lässt keine Zweifel an dieser waghalsigen Strategie zu. Die Medien betätigen sich einmal mehr primär als Verlautbarungsorgan von Politik und Pharmaindustrie und meiden die ach so nötige offene Debatte. Es liegt ein klebriger Mehltau über diesem Land. Während Risiken und Nebenwirkungen wie ein Elefant im Raum stehen, reden wir uns selbsthypnotisch ein, dass die ganzen Einschränkungen und Ängste schon bald verschwinden. Schließlich wird es ja bald einen Impfstoff geben. Und wer Zweifel an diesen Wunschvorstellungen äußert, läuft Gefahr, als Impfkritiker, Aluhut oder Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt zu werden. Die Debatte findet nicht statt, weil sie nicht stattfinden soll, nicht stattfinden darf. Diese Schockstarre muss enden. Lasst uns endlich anfangen, zu debattieren – unvoreingenommen, kritisch und vor allem ergebnisoffen.
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