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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Heiko Maas: Der antirussische Torwächter
Datum: 28. Juli 2020 um 12:25 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Tobias Riegel
Ein aktuelles Interview zeigt: Der Außenminister steht einer überfälligen Verständigung mit Russland im Weg. Dadurch behindert er internationale Entspannung und geopolitische Alternativen und schmälert nochmals die Wahlchancen der SPD. Ob Debatte um G8, UN oder die nukleare „Teilhabe“ – Maas positioniert sich zuverlässig falsch. Von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat erneut Vorschläge der USA zurückgewiesen, Russland wieder in den Kreis der G8-Staaten aufzunehmen. Für eine russische Mitgliedschaft in dieser Gruppe von Industriestaaten sehe er „keine Chance“, wie er in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ sagte. Als Voraussetzung für eine solche Wiederaufnahme Russlands nennt Maas in dem Gespräch zahlreiche Vorbedingungen. Vor allem „liefere“ Russland nur „schleppend“ einen Beitrag zur Beilegung des Ukraine-Konflikts, auch würde Russland teils den Sicherheitsrat blockieren und in Syrien eine schlechte Rolle spielen. Details aus dem Interview folgen weiter unten.
Ein Sozialdemokrat als beflissene Speerspitze antirussischer Stimmungsmache
Wie man als Reaktion auf internationale Konflikte die internationalen Gesprächsformate in der Form sabotieren kann, wie Maas und andere westliche Politiker und Medien das praktizieren, ist schwer zu rechtfertigen. Die aus einem angeblichen moralischen Vorsprung abgeleitete „strafende“ Haltung westlicher Politiker gegenüber Russland ist zudem nicht durch die politisch-militärischen Taten jenes „Westens“ gerechtfertigt. Schon gar nicht sollte sich der höchste Diplomat eines Landes in dieser für internationale Dialoge destruktiven Weise aus dem Fenster lehnen.
Dazu kommt, dass mit Heiko Maas ein Sozialdemokrat als eine besonders beflissene Speerspitze der antirussischen Stimmungsmache in Deutschland in Erscheinung tritt. Das ist zum einen geopolitisch falsch: Deutschland und Russland sollten sich annähern – sagen das nicht (neben der immer anzustrebenden internationalen Entspannungspolitik) zahlreiche Zeichen der Zeit? Wie immer gilt: Mit der Forderung nach Entspannung gegenüber Russland sollen eventuelle innenpolitische Defizite Russlands keineswegs geleugnet werden.
Täuscht der aktuelle Eindruck, dass mit rückwärts gewandten Positionen, wie jener von Maas, Chancen für die Zukunft vertan werden? Und dass mit dem (gespielt naiven) Beharren auf eine Fortdauer einer „deutsch-amerikanischen Freundschaft“ andere geopolitische Konstellationen und Partnerschaften für Deutschland unangemessen missachtet werden? Diese „Freundschaft” wird von Maas im Interview immerhin teils eingeschränkt.
Der UN-Sicherheitsrat ist „schwach“ – wenn er nicht spurt
Zusätzlich wird das sozialdemokratische Erbe der Entspannungspolitik mit Füßen getreten. Das ist zum einen mit Blick auf die deutsch-russische Geschichte und den Zweiten Weltkrieg moralisch verwerflich. Zum anderen ist es auch aktuell innenpolitisch kurzsichtig: Dass die SPD dadurch, dass sie etwa einen Außenminister wie Maas duldet, Wählerpotenzial verschenkt, das haben die NachDenkSeiten etwa in dem Artikel „Die Sanktionen gegen Russland müssen nun fallen – Nur die SPD hat es noch nicht verstanden“ oder dem Artikel „Lawrow reicht die Hand. Von der Leyen schlägt sie aus. Maas zaudert“ beschrieben.
In dem aktuellen Interview begründet Maas zudem die „Schwäche“ des UN-Sicherheitsrats damit, dass „Staaten wie Russland und China ein Vetorecht haben und dies auch einsetzen“. Als „schwach“ wird der UN-Sicherheitsrat im Westen meist dann bezeichnet, wenn er sich westlichen Anliegen widersetzt.
Verkürzungen auch in den Medien
Das Interview zeigt übrigens nicht nur die fragwürdige Haltung von Maas auf zahlreichen außenpolitischen Feldern, sondern offenbart einmal mehr die unseriöse Betrachtung vieler großer deutscher Medien etwa des Themas Russland. So lautet eine Frage der „Rheinischen Post“:
„Russland unterstützt Rebellen-General Khalifa Haftar in Libyen und Machthaber Baschar al-Assad in Syrien. Es raubt Land und führt einen hybriden Krieg in der Ostukraine.“
Die Antwort des Außenministers muss man einerseits als Sprechblase bezeichnen, andererseits als Argument gegen die selber vorangetriebene Politik des Ausschlusses Russlands aus internationalen Gesprächsformaten:
„Russland hat selbst in der Hand, wie es wahrgenommen wird. Momentan ist das Verhältnis in vielen Dossiers schwierig. Aber wir wissen auch, dass wir Russland brauchen, um Konflikte wie in Syrien, Libyen und in der Ukraine zu lösen. Das wird nicht gegen Russland, sondern nur mit Russland gehen.“
Die Feststellung, „Russland habe es selbst in der Hand, wie es wahrgenommen“ werde, ist zudem als gespielte Naivität einzuordnen: Wer das Verhalten vieler westlicher großer Medien gegenüber Russland spätestens seit 2014 verfolgt hat, der weiß, dass die Wahrnehmung Russlands im Westen von starken Manipulationen geprägt ist: Die haben sich oft vom realen Handeln Russlands entweder ganz abgekoppelt oder sie verzerren die Betrachtung durch manipulative Verkürzung. Eine Kritik an dieser Verkürzung bedeutet noch lange keine Kritiklosigkeit gegenüber Russland. Die NachDenkSeiten haben etwa die verzerrende Darstellung des Umsturzes in der Ukraine in großen westlichen Medien und Äußerungen zahlreicher Politiker in dem Artikel „Fünf Jahre Maidan – Fünf Jahre Manipulation“ beschrieben. Verkürzung betreibt auch Maas im Interview, wenn er zu den Themen Ukraine und Syrien sagt:
„Russland muss aber auch seinen Beitrag liefern, was in der Ukraine nur sehr schleppend passiert. Im Sicherheitsrat hat Moskau humanitäre Hilfe für 1,5 Millionen Menschen in Syrien verhindert, weil es nur noch einen einzigen Zugang zu den notleidenden Menschen zugelassen hat.“
Eine ähnliche Betrachtung legt Maas seiner Haltung zur Rückkehr Russlands in die G8 zugrunde:
„Der Grund für den Ausschluss Russlands waren die Annexion der Krim und die Intervention in der Ostukraine. Solange wir dort keine Lösung haben, sehe ich dafür keine Chance.“
Der verkürzte Weg zur „Annexion“ der Krim
Die durch Weglassen der Vorgeschichten erzeugte Darstellung von der alleinigen Verantwortung Russlands für die Konflikte in der Ukraine oder in Syrien wird auch von zahlreichen großen Medien praktiziert, beispielhaft für viele andere aktuelle Beiträge etwa vom Spiegel, der schreibt, Maas erteile „Trumps Russland-Avancen“ aus folgendem Grund eine Absage:
„Russische Kräfte hatten 2014 die Ostukraine in einen Krieg gestürzt, seitdem ist Russland nicht mehr Teil der G7.“
Bei Heiko Maas steht zusätzlich noch eine gespielte geopolitische Naivität einer angemessenen Betrachtung im Weg:
„Wir vergessen aber nicht, dass auch die Krim zur Ukraine gehört. Wir können nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen, dass im 21. Jahrhundert in Europa Grenzen einfach so verschoben werden. Von uns gibt es keine Signale an Moskau nach dem Motto: Wenn die Ostukraine geregelt ist, dann ist auch die Krim geregelt.“
Und soll – aus Sicht des „Westens“ – die Ostukraine überhaupt „geregelt“ werden? Dass etwa die Ineffizienz der sogenannten „Minsk-Kontaktgruppe“ ein Interesse der „Westlichen Wertegemeinschaft“ an der Fortdauer dieses Bürgerkrieges bestätige, das haben gerade Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam auf den NachDenkSeiten in Ihrem Artikel „Neudeutsche Raubzüge in der Ukraine“ beschrieben:
„Solange er nämlich anhält, dient er den Transatlantikern als zwar objektiv haltlose, aber öffentlichkeitswirksame ‚Begründung‘ dafür, Russland verantwortlich zu machen und zu sanktionieren.“
Allgemein zur fragwürdigen Definition der G8 sagte der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Alexander Neu in diesem Tweet:
„Der sieben führenden Wirtschaftsnationen“??? Wer #China & #Russland da nicht mitzählt, der sollte nochmals die Grundschule besuchen, um einfachste Rechenaufgaben wieder zu erlernen.“
Die Verniedlichung des nuklearen Schreckens
Maas übernimmt in dem Interview außerdem mit dem falschen Wort von der „Teilhabe“ zum einen das Vokabular, das die atomare Gefahr verniedlichen soll. Zum anderen ordnet er die Existenz von Atombomben in Deutschland auch politisch sehr fragwürdig ein. Nicht zuletzt attackiert er mit solchen Äußerungen Parteifreunde und schwächt durch Unterstützung einer von zahllosen Bürgern abgelehnten Nuklear-Politik die Wahlchancen der SPD:
„Bei der nuklearen Teilhabe geht es um eine internationale Verpflichtung Deutschlands. Es geht aber auch um europäische Sicherheit, vor allem für unsere osteuropäischen Nachbarn, die sich von Russland noch ganz anders bedroht fühlen als der Westen oder Süden Europas. Deshalb bleibe ich dabei: Wer verlässlicher Teil der europäischen Sicherheitarchitektur sein will, muss dies auch bei der nuklearen Teilhabe gewähren.“
Titelbild: paparazzza / Shutterstock
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