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Titel: Leserbriefe zu „Nicht der Verbraucher trägt die Schuld“

Datum: 18. Juli 2020 um 13:00 Uhr
Rubrik: Ökonomie, Leserbriefe, Strategien der Meinungsmache, Verbraucherschutz, Wertedebatte
Verantwortlich:

In seinem Beitrag hat sich Jens Berger mit der Frage der Verantwortung für die katastrophalen Zustände in der Lebensmittelindustrie hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Tierwohls befasst. Diese sind nun – insbesondere im Tönnies-Konzern – während der Corona-Zeit sichtbar geworden. Oftmals jedoch wird von der politischen Entscheidungsträgerschaft sowie den Konzernen und deren Lobby vorgebracht, der Verbraucher sei mitschuldig und trage die oder eine Mit-Verantwortung. Das bewertet Jens Berger als „zynisch und feige“. Denn gegen die Interessen von Industrie und Handel haben die Verbraucherinnen und Verbraucher keine Chance. Die Übermacht der Konzerne zeigt sich u.a. in etlichen Anzeigen und Werbemaßnahmen. Vielmehr muss der Gesetzgeber nun endlich selbst aktiv werden und regulierend eingreifen. Abschließend stellt Jens Berger fest: „Wer sich weigert, strengere Gesetze zu verabschieden, und die Verantwortung stattdessen auf den Verbraucher schiebt, handelt unlauter und ganz im Sinne der Konzerne, die genau wissen, dass der Verbraucher weder gewillt noch in der Lage ist, wirklich kritisch und mündig zu sein.“
Zahlreiche Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten haben ihre Gedanken zum Thema niedergeschrieben und gemailt. Die Zustimmung ist sehr groß, aber es werden auch andere Eindrücke und Erkenntnisse zum Ausdruck gebracht. Wir bedanken uns sehr für die eingereichten Leserbriefe. Hier nun eine Auswahl der Antworten. Zusammengestellt von Christian Reimann.

1. Leserbrief

Lieber Herr Berger,

man kann es echt nicht mehr hören, dass der Kunde alle Fehlentwicklungen des Marktes schuld sein soll. 

Vor allem ist das offensichtlicher Schwachsinn. Ohne gesetzliche Vorschriften würde die chemische Industrie wohl immer noch ihre Abwässer in den Rhein leiten. Wieso lässt man das nicht wieder zu und der Kunde kann dann in der Apotheke entscheiden ob er weiter bei Bayer einkauft oder nicht? Wie würde dann wohl der Rhein aussehen?

Viele Grüße,
JB


2. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

ich bin Vegetarierin, habe keine Mangelerscheinungen und das seit Jahren!
Mein Eiweißbedarf, Eisen etc., den decke ich mit Nüssen, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse; alles machbar und nicht mit Aufwand verbunden. Ich will nicht verschweigen, dass es mir finanziell möglich ist, aber vielen Menschen eben nicht!

Eine Aussage in Ihrem Artikel trifft die ganze „Sauerei”: Sind die Wünsche des Verbrauchers nicht Industrie-und handelskompatibel, spielen sie in der politischen Debatte keine Rolle.
Frau Klöckner – so schamlos in ihren Statements, dass mir oft die Worte fehlen. Kaltschnäuzig wird die Tierquälerei kleingeredet und eine Veränderung zum Wohl der Tiere und Verbraucher auf den „Sankt-Nimmerleinstag-Tag” verschoben.

Und wie sie so treffend erwähnen: Es geht nicht nur um Tönnies!
Wer isst noch gern Geflügel, und Fisch oder Meeresfrüchte, wenn sie in Kloaken mit Antibiotika und Pestiziden vollgestopft werden; die Kasse klingelt, alles prima?!

Für Tönnies scheint keine Unanständigkeit zu groß zu sein!
Er verklagt NRW und wie es aussieht, er wird sehr wahrscheinlich erfolgreich mit seiner nächsten „Schweinerei“ seine Kasse füllen!

„Boykott“ an der Fleischtheke, das ist das Gebot der Stunde!

Mit freundlichen Grüßen
M.R.


3. Leserbrief

Dieser Artikel gefällt mir sehr gut und ich stimme Herrn Berger hier zu.

Erwähnen sollte man aber ergänzen noch das der Gesetzgeber es anderen Ländern wie z.B. Dänemark mit Danish Crown gestattet hier Schlachthöfe zu betreiben um die strengeren Gesetze des eigenen Landes zu umgehen. In Deutschland kann Danish Crown nach den gleichen Methoden wie Tönnies Menschen missbrauchen. Danish Crown hat in Norddeutschland 3 Schlachthöfe, Essen/Old. Oldenburg und Husum. Wenn dann  unsere Landwirtschaftsministerin hört, mit einer kleinen Preiserhöhung könnte man das bereinigen, vergeht einem das Lachen.

Von unserem Leser O.B.


4. Leserbrief

Lieber Jens Berger
 
Ich stimme dem Artikel ja zu, aber: das Bolzenschußgerät wird nicht an der Schläfe angesetzt, sondern an der Stirn, ungefähr da wo die Augen-Ohren Linien sich kreuzen. Aber das ist nur in kleinen Schlachtereien noch üblich, bei Tönnies + Co. gibt es Elektrobetäubung.

Soviel zum technischen Fehler, aber ich freue mich eben wenn ich Stadtmenschen belehren kann.

Zur ganzen Bioöko-Debatte: Der Erzeuger eines konventionellenSchweines bekommt ca. 1,5 – 1,7 € pro kg Schlachtkörper (also ausgenommen). Biobetriebe (also nach den Bionormen) bekommen wenn es gut geht das Doppelte (3,0 -3,5 €) pro kg Schlachtkörper. Die Verarbeitungsschritte sind identisch, also da fallen zur Zeit keine Mehrkosten an. Es gibt also überhaupt keinen Grund warum “Bio”-Schweinefleisch 12, 15 oder gar 18 € das kg kosten sollte; bei einem Aufpreis machen da “irgendwelche” schon wieder iheren Reibach. Beim Erzeuger landet das Geld nicht und auch der osteuropäische Fleischzerleger bekommt nicht mehr. Auch der Bio-Rindfleischerzeuger bekommt kaum 1 € mehr pro kg Schlachtkörper und Schafe werden sowieso extensiv gehalten.

Spitzbeine, Köpfe, Schwänze und Innereien werden von industriellen Handel nicht angeboten – wo ist der Fernsehkoch, der den Genuss dieser Teile propagiert ?

Die Hygenievorschriften und EU-Bürocrazy haben Hausschlachtungen und Schlachtungen in traditionellen Metzgereien fast unmöglich gemacht, kommunale Schlachthöfe gibt es kaum noch – alles zum Nutzen und Frommen monopolistischer Strukturen ala Tönnies. Die “Grünlichen” wollten mal Schlachttiertransporte über 50 km verbieten – damals als sie noch grün waren.

Jetzt gibt es schon überlegunegn die Schweine, die wegen Werksschließung nicht geschlachtet werden konnten, totzuschlagen und zu “entsorgen”. Ja, die sind mittlerweile zu groß für die Schlachtstraße und außerdem verstopfen sie das Produktionssystem rückwärts bis zum Ferkelerzeuger. Ein Wahnsinn: dieses System.
 
Grüße
Armin Christ


5. Leserbrief

Klar ist die Industrie der größte Lügner.

Wie sagte schon Thilo Bode. Geschäftsführer von Food Watch in einem Spiegel Gespräch  vom 34/2018
Wirtschaft ist Betrügen, Lügen und Täuschen.

Aber auch der Verbraucher  ist „ schuldig“ und die Ausrede. Keine Zeit, zu teuer, bin überfordert ist eine billige Ausrede.

NOCH nie war es seit es das Internet gibt so leicht innerhalb von wenigen Minuten an Informationen zu kommen. Und wer jeden Tag stundenlang vor der Klotze hängt und sich irgendwelche Serien anschaut hat die Zeit auch mal ausführlich zu recherchieren.

Das habe ich schon vor 45 Jahren gemacht als es auch schon Skandale um Fleisch und Lebensmittel gab. Mein Fazit daraus .Ich bin seit 1982 Vegetarier und esse fast nur Bio- und Vollwertprodukte und falle schon lange nicht mehr auf die Lügen der Lebensmittelindustrie rein.

Ich bin END(E)TÄUSCHT.
Mich kann man nicht mehr täuschen.

Aber die Mehrheit der Menschen sind einfach nicht bereit Ihr Leben zu ändern.
Sie lassen sich lieber von der Industrie betrügen und täuschen.

Auf Politik verlasse ich mich schon lange nicht mehr. Selber handeln . Nur dann ändert sich was. Dafür muß man aber den inneren Schweinehund überwinden.

MfG Dieter Klaucke


6. Leserbrief

Sehr geehrter lieber Herr Berger!
 
Wie so oft stimme ich Ihrem Beitrag zum Thema „dem Verbraucher die Schuld geben und sich feige aus der Verantwortung stehlen“ (imo einer der deutlichsten Ausweise der Dysfunktionalität der neoliberalen Ideologie) aus ganzem Herzen zu.

Nur am Anfang stieß mir eine geradezu mythologische Behauptung auf, die Großstädter gern treffen , die aber IN NICHTS der Wahrheit entspricht. Bitte lassen Sie mich diesen Mythos korrigieren:
 
Es ist heute in der BRD NICHT möglich, sich irgendwie ökologisch korrekt zu ernähren! Gerade auf dem platten Lande in Erzeugernähe gibt es KEINE Selbstvermarktung und schon gar keine „ökologischen“ Hofläden! Dieses ideologische Aushängeschild einer grün-totalitären Selbstverwirklichungsideologie ist vielmehr Kennzeichen der hochentwickelten suburbanen Räume, in denen Nebenerwerbsbetriebe tonangebend und landschaftsprägend sind. Die berühmten „Bio-Läden“ existieren weithin nur in großstädtischen Ballungsräumen, da sie auf eine hinreichende Nachfrage angewiesen sind. Die Produkte, die dort feilgeboten werden, stammen eben NICHT  „aus Saison und Region“, sondern werden ebenso wie die industriellen Verbrauchsgüter Meilen um Meilen heranchauffiert. Z.T. handelt es sich sogar um eigens hochveredelte Produkte, die zwar höherpreisig ausfallen, sich von der Ökobilanz aber in so gut wie nichts vom regionalen Angebot der (besser sortierten) Supermärkte unterscheiden. Der Vergleich der Ökobilanz (einschl. Energie- und Wasserverbrauch, Haltungsformen usw.) müßte natürlich auch mit Discountprodukten auf einem Niveau erfolgen, das über „Hier klebt noch Erde dran!“ hinausgeht.
 
Ein regional-saisonales „Öko“-Angebot existiert nur für jene besserverdienenden Bewohner der suburbanen Verdichtungsräume aka Speckgürtel. Es ist fatal, deren Perspektive zum Maßstab zu nehmen! Alle anderen Menschen müssen sich in diesem Land entweder mit Fakes begnügen, eigene Lebensmittel in Subsistenzwirtschaft anbauen oder extrem unökologische Transportwege und Komplikationen auf sich nehmen.
 
Herzlichst,

Ihr
Matthias Jehsert


7. Leserbrief

Lieber Jens Berger,
liebe NachDenkSeiten-MacherInnen,

ein Aspekt wird in der ganzen Tönnies- und Fleischdebatte meines Erachtens übersehen: Die skandalösen Arbeitsbedingungen und die ekelhafte Tier(quäl)haltung stehen in direktem Zusammenhang mit den Niedriglöhnen der deutschen Industrie! Nur durch eine solche
‘schweinische’ Fleischproduktion kann man so tun, als könne sich jede und jeder ‘seine’ Wurst und ‘sein’ Schnitzel leisten. Es ist Nahrung, die nicht gesund ist, aber viele – und das ist das Zynische an der ‘Verbraucher’-Argumentation – können sich die Wahl zwischen gutem und schlechtem Fleisch gar nicht leisten. Und die mit den besseren Gehältern frönen dem “Geizistgeil”. Da vergeht uns der Appetit ….

Im Übrigen: Weiter so!!

Mit freundlichen Grüßen
theo stiller


8. Leserbrief

Lieber Jens Berger,

natürlich trägt an all dem Elend nicht nur in der Fleischbranche nicht der Verbraucher die Schuld. Zunächst einmal: DEN Verbraucher gibt es so wenig wie DEN Deutschen etc. Wenn schon beim Thema Bildung in Deutschland der sozioökonomische Status eine ganz wichtige Rolle spielt, beim Konsum tut er es allemal. Wer sich mal Verbrauchersendungen im ör-TV anschaut, der bekommt häufig zu hören: “Wir Verbraucher sind einfach oft nicht bereit, für gutes Fleisch mehr Geld auszugeben.” Wer ist hier eigentlich wir? Welches Fleisch derjenige oder diejenige kaufen, welche diese Aussage getätigt haben, ist mir schon klar: Für das gute Gewissen muss es natürlich Bio sein und darf, man kann es sich ja leisten, ruhig etwas mehr kosten. Was glauben diese Leute wohl, werden z. B. die Menschen für Fleisch kaufen, die als Tönnies-Mitarbeiter 250 Euro bezahlen müssen, damit sie abwechselnd auf einer billigen Matratze pennen können? Die Antwort fällt da wohl nicht schwer.

Fleisch bekam seinen schlechten Ruf – sei es vermeintlich als Gesundheits- oder auch als Klimakiller – in dem Moment, wo es zur Massenware, also für jedermann erschwinglich wurde. Da rümpft der betuchte Akademiker natürlich pikiert die Nase und rennt in den nächstbesten Bioladen, der Gesundheit und der Weltrettung wegen. Wer noch mehr auf sich hält und noch mehr auf dem Konto hat, der kauft Fleisch vom Koberind, für 350 Euro das Kilo.

Wir leben doch in einer repräsentativen Demokratie und so weit ich weiß, werden unsere Repräsentantinnen und Repräsentanten gewählt, damit sie zum Beispiel Gesetze erlassen. Wenn diese gewählten Männer und Frauen dann aber behaupten: “Kauft nur das Richtige und Gute ein, dann wird unsere Welt zum Paradies!”, dann stimmt etwas nicht. Denn das ist neoliberaler Quatsch. Statt zu glauben, wir könnten tatsächlich mit dem Einkaufszettel die Welt verändern, sollten wir Tag für Tag denen auf die Füße treten, die uns das glauben machen wollen.

Konsumentinnen und Konsumenten sollen vor allem um die Ecke und dann möglichst saisonal kaufen. Das hört sich schon komisch an in einer Nation, die vor allem vom Export lebt. Tönnies verkauft massenweise Fleisch ins Ausland, verdient damit Millionen auf Kosten der Tiere und Menschen, und uns wird erzählt, wir sollen zur Weltrettung beim Fleischer um die Ecke kaufen.

Deutschland verkauft mit Billigung der meisten Parteien Waffen in aller Herren, auch Diktatoren Länder. Sogar im Dunstkreis der vermeintlichen Klimaretter Nr. 1, der Grünen, fordert man, die eigenen Waffen auch gegen den Widerstand der UN zu gebrauchen. Das ist ja dann so richtig nachhaltig gedacht und gut fürs Klima! Und wie Sie, lieber Jens Berger bereits beschrieben haben, sollen wir möglichst im Inland Urlaub machen. Das schützt das Klima und lässt das Geld in die “richtigen” Taschen wandern. Wer fliegt, der bekommt von Fridays for Future das schlechte Gewissen mitgeliefert. So ist die vierköpfige Familie der Buhmann, wenn sie vielleicht einmal in zwei Jahren nach Kreta fliegt, während der reiche Geschäftsmann weiter munter im Privatjet um die Welt fliegt und dabei Götz von Berlichingen zitiert. Und Länder, wie zum Beispiel Kuba, die vom Tourismus leben und mit den Einnahmen Schulen und Krankenhäuser bauen könnten, schauen in die Röhre. Aber Hauptsache ist doch, dass “wir” das gute Gewissen haben dürfen und mit unserer Kohle die Welt retten …

Mit den besten Grüßen

GR


9. Leserbrief

Liebes Team, lieber Herr Berger,
 
richtig. Nicht der Verbraucher trägt die Schuld sondern diejenigen, die das Tönnes-System erst möglich gemacht haben, was stellvertretend für das Wirtschaftssystem derzeit überhaupt ist.
 
Seit gut 20 Jahren ist dieses System das Leitsystem – aber inspiriert von Politikern. In Rheda-Wiedenbrück ist seit gut 21 Jahren ein Enkel des alten Konrad Adenauer, Sven-Georg Adenauer Landrat und mit ihm wurde aus der Region Gütersloh DER Wirtschaftsraum für diese großen Schweinemastbetriebe und damit auch der größte Schweineschlachter Tönnies.
 
Dass es dabei nicht um Ethik und Moral ging, sondern um viel leicht verdientes Geld für die Bauern und für den Schlachter Tönnies, liegt offen auf der Hand. Hinzu kommt die Gier, mehr und noch mehr und größer und größer – der Geld-und Größenwahn erstickt den gesunden Menschenverstand – bei Politikern, Bauern und dem Schlachter Tönnies.
 
Dann, nicht zu vergessen, dass die Politik hier auch die Hebamme gewesen ist mit ihrer Gesetzgebung von Werkvertragsarbeitern und dem Arbeitnehmerüberlassungsentsendegesetz durch die Schröder/Fischer-Regierung, denke ich, war das eingeleitet worden. Denn in Wirklichkeit ist das verdeckte Leiharbeit durch die Subunternehmer – die aber dürfen nicht verleihen – insofern ist das alles gesetzwidrig gewesen und immer noch. Doch wo kein Kläger, da kein Richter. Alle verdienten viel zu gut an diesem ausbeuterischen System und die Politiker, wie Adenauer jr oder die Bauern oder Tönnies sind sich nicht mal einer Schuld bewusst.
 
Im Zusammenhang gesehen ist genau dieser Billig-Fleisch-Boom durch diese großen Massentierhaltungen und Billigschlachterei durch Tönnies flankierend zu den Hartz-4 Gesetzen geschehen, die die Menschen noch ärmer machten und sie so gezwungen wurden und werden,  dieses nun vorhandene oftmals mit Antibiotika verseuchte Billigfleisch und die daraus hergestellten Wurstwaren zu kaufen. Diese Verkaufsstellen sind dann wieder Aldi, Lidl, Edeka und Rewe, die sich untereinander einen enormen Preiskampf liefern und – was auch ein Vorteil ist – sie haben alles, was ein Kunde braucht, auch die Metzgerei. Woher das Fleisch kommt, wissen die Kunden nicht.
 
Aber die Idee von Herrn Berger ist gut. Was wäre, wenn an jeder Fleischtheke bei Lidl, Edeka, Rewe und Aldi ein großes Foto hängen würde, die die Tiere in den Schweinemastbetrieben zeigen? Ich wette, dann würde DAS Fleisch nicht gekauft werden wenn gegenüber eine Metzgerei wäre, die ebenfalls ein Foto zeigt, wo und wie diese Schweine leben. Da fällt dann 1 Euro mehr für eine Wurst oder Kotelett nicht so auf und Fleisch essen machte dann wirklich glücklich, denn den Stress und die Angst der Tiere, essen wir mit!

Von unserer Leserin K.S.


10. Leserbrief

Lieber Herr Berger,

vielen Dank für Ihre Anmerkungen, die aber aus meiner Sicht nur die Symptomatik beleuchten und nicht die Ursache des Leidens.

Lehnen wir uns doch mal kurz zurück und fragen uns, warum denn Fleisch überhaupt zu diesen Dumping-Preisen produziert bzw. angeboten werden kann.

  1. Die Industrialisierung der Landwirtschaft in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ist aus meiner Sicht eine sehr wichtige Komponente. Unterstützt von EG/EU-Subventionen wurde der Wechsel vom kleinen bäuerlichen Betrieb hin zum Grossbetrieb vollzogen. Dieser ist in der Regel mit einem vermehrten Einsatz von Chemikalien (Herbizide, Pestizide) oder auch Medikamenten (Antibiotika) verbunden, führt zu Veränderungen des Bodens, des Grundwassers, des Mikroklimas usw. Das Produkt wird durch effizientere Produktion letztendlich billiger und es entstehen schnell Überkapazitäten (Milchsee, Butterberg …), diese wiederum unterminieren das Handeln von Marktteilnehmern in anderen Kontinenten (siehe Afrika), zu denen man sich vertraglich den Zugang gesichert hat.
  2. Die Entmenschlichung der Lohnarbeit durch zu niedrige Mindestlöhne, Lohndumping unter Einsatz von Sub- und Subsubunternehmern, Ausbeutung in Zwangssituationen unter prekären Lebensverhältnissen (die Schlachter, die Erntehelfer, die Spargelstecher usw. jeweis wohnhaft in isolierten Wohncontainern, wo demnächst wohl auch das Wasserlassen gebührenpflichtig wird).
  3. Der durch permanente mediale Beschallung und ubiquitäre Verfügbarkeit an vorverarbeiteten Produkten gewollte Wertverfall eines Lebensmittels. Dazu gesellen sich Discounter, Fastfood-Ketten und in zunehmendem Maße auch Lieferdienste und online-Händler.

Tönnies ist daher nur Ergebnis des Handelns politischer Akteure, die bei HarztIV sicher im Auftrag der Eliten bewusst eine Umverteilung des Volksvermögens und der erwirtschafteten Werte in Kauf genommen haben.

Wir sehen also einen Kunden, der nur über begrenzte Mittel verfügt und diese viel lieber in den Erwerb repräsentativer Konsumgüter investiert als in das, was er sich zuführt. Es steht zu befürchten, dass dieser Trend durch ideoplastische Kanäle wie beispielsweise Instagram noch verstärkt wird.

Für mich als Leser wäre es sehr interessant zu sehen, wie wir in diese Misere geraten sind und wer davon am meisten profitiert, den gilt es dann zu bekämpfen.

Beste Grüße
Dirk Schulze


11. Leserbrief

Sehr geehrte NDS-Redaktion, sehr geehrter Herr Berger,

dieses Thema beschäftigt mich schon seit einigen Jahren.
Ich würde mich sehr freuen, wenn hierzu ein versierter Journalist recherchiert.

Begonnen hat alles mit einer Meldung wonach 2 junge Frauen zu 2 Jahren auf Bewährung verurteilt wurden wegen schweren Diebstahl. Sie hatten „containert“

Meiner Überzeugung nach hatten die nicht den Supermarkt bestohlen sondern den Betreiber einer Biogasanlage. Wie komme ich darauf?
Ich beobachte hier, dass diese Container Eigentum von einem Biogasanlagen-Betreiber sind.

Und so sammelte ich im Laufe der Zeit immer mehr Informationen die mich zu folgendem Schluß kommen lassen.

Diese ganze Thema Fleisch wird immer wieder auf den Konsumenten abgewälzt der ja keine Lobby hat.
Dabei geht es hier um nachwachsende Rohstoffe im Rahmen der sog. “Alternativen Energien“.

In einer Arte-Doku hat ein Leiter einer Anlage aus dem Raum München ausgesagt, sie verarbeiten jeden Tag 8 Tonnen Lebensmittel. Vorzugsweise Fleisch Getreideprodukte und Gemüse/Obst.
Eine Frühere Kollegin, die mal kurze Zeit in so einer Anlage gearbeitet hat, hat gesehen, wie dort ganze Paletten Joghurt hinein gekippt wurden. Also incl. Becher Papp-Palette und Aludeckel.

In einem Greenpeace-Heft war zu lesen, dass deutsche Haushalte jedes Jahr 19mio Tonnen Lebensmittel wegwerfen.
Folgende Rechnung: 19.000.000 *1000(Kg) / 365 Tage / 41,4mio Haushalte = 1.257 Kg Lebensmittel pro Tag. Das ist vollkommen absurd.
Ich habe in meinem Umfeld mal etwas nachgefragt und niemand kommt auch nur annähernd auf diese Tagesmenge.

Vor ca. 3Jahren hatte ich die Gelegenheit einer Besichtigung in einem Globus-Supermarkt.
Dort sagte der Metzgermeister, dass sie 4Tonnen Tierhälften in der Woche zur Wurst- und Fleischprodukten verarbeiten und gab und einige Kostproben, nicht ohne einen gewissen Stolz auf die Qualität und den Geschmack.
Auf Nachfrage kam die etwas zögerliche Auskunft, dass sie ca 40% entsorgen müssen.

In Gesprächen im Freundes- und Bekanntenkreis erkenne ich immer noch den Glauben an eine „soziale“ Marktwirtschaft mit Angebot und Nachfrage. Ich sehe das anders. Denn damit kann man weder die Fleischpreise noch das vollkommen überzogene Sortiment im Supermarkt erklären (30 verschiedene Erdbeerjoghurt-Sorten).

Die Zahl der Biogasanlagen stieg von 1992 – 2019 von 134 auf ca. 9600. Der größte Anstieg lag in den Jahren 2008 – 2011.

Dazu passt auch, dass nach dem Tönnies-Skandal das Tierwohl nicht wie angekündigt verbessert werden soll, sondern sich im Gegenteil eher verschlechtert. Die Grünen können gar kein Interesse am Tierwohl haben das es ihren Interessen zur alternativen regenerativen Energien entgegensteht.
Ende der 90ger Jahre übernahm ein Bekannter von mir den Hof seiner Eltern.
Kurz vor der BSE-Kriese verkauft er die Rinder und ließ den Stall sanieren.
Mit Fördermitteln errichtete er dort eine Algenfarm deren Erzeugnisse er an die z. B. an die Kosmetikindustrie verkauft.

Da zu dem Hof auch ein riesiger Teich gehörte und die Algenfarm sehr viel Wasser und Strom benötigt hatte er die Idee ein kleines Biogaskraftwerk zu betreiben. Er sprach die umliegenden Restaurant- und Pommesbudenbesitzer an.
Diese mussten das Altfett für viel Geld entsorgen. Sein Angebot war: Ihr zahlt bei mir ein drittel des bisherigen Preises und bringt mir des Altfett auf den Hof.
Gestartet war er mit einem 8 Zylinder Motor in einem kleinen Schuppen. Ein 3/4 Jahr später stand dort eine Halle mit 2 16 Zylinder Doppelturbo-Motoren und den überschüssigen Strom speiste er in das öffentliche Stromnetz.

Das war wie eine Lizenz zum Geld drucken.

Mit besten Grüßen aus der Wetterau
Henning Lauterbach

Bitte gestatten Sie mir noch einen Nachtrag zur meiner Mail von gestern.

Seit Jahren höre und lese ich, dass die Zahl der Vegetarier und Veganer zunimmt.
Gleichzeitig gibt es Prognosen aus der Fleischindustrie von jährlichen Gewinnsteigerungen von 15%.

Ich frage mich wie das alles zusammen passt.

Da ich nicht über die nötigen Verbindungen und wirkliches Insiderwissen verfüge, bleibt mir nur das Sammeln von Informationen und der Versuch diese in einen für mich nachvollziehbaren logischen Zusammenhang zur bringen.

Wie lange schon gibt es Dokumentationen die sich mit den Themen Tiertransporten, Haltungsbedingungen und den Zuständen in Schlachtbetrieben beschäftigen und diese zu Recht an die Öffentlichkeit bringen. Tierschutzorganisationen versuchen politischen Druck aufzubauen.

Geändert hat sich nicht nur nichts, vieles ist auch noch deutlich schlimmer geworden.

Mein Fazit: Fleisch ist im Einkauf so billig, dass sich der Umweg über den Handel trotzdem lohnt um die „Reste“ zu Energie zu machen. Wer weis welche „Fördermittel“ dort auch noch im Spiel sind.
Evtl. ist die zu entsorgende Restmenge ja auch vorgegeben?

Die einfachste Erklärung für das aufgeklärt Volk mit einer sozialen Marktwirtschaft ist „Der Verbraucher ist schuld“

Ihnen allen eine gute Zeit, bitte machen Sie weiter mit den Nachdenkseiten.

Beste Grüße,
Henning Lauterbach


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