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Titel: Leserbriefe zu „Gute Demos, schlechte Demos“
Datum: 11. Juni 2020 um 13:00 Uhr
Rubrik: Demokratie, Innere Sicherheit, Leserbriefe
Verantwortlich: Redaktion
In diesem Beitrag hat sich Tobias Riegel mit den Berichterstattungen/Beurteilungen der jüngsten Demonstrationen in deutschen Städten durch Medien und Politik befasst. Demonstrationen haben auch hierzulande einen hohen Wert. Sie sind grundsätzlich in einer Demokratie zu begrüßen – sowohl die gegen Rassismus als auch die, die auf Gefahren durch Einschränkungen von Grundrechten hinweisen. Tobias Riegel hat beobachtet, dass die stattgefundenen Demonstrationen mit unterschiedlichen Themen auch verschieden bewertet und beurteilt worden sind. Auch zahlreiche Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten haben – teilweise durch eigene Teilnahmen – Eindrücke über die Demonstrationen und deren Bewertungen gewonnen. Für die eingereichten Leserbriefe bedanken wir uns. Es folgt eine Auswahl der Antworten. Zusammengestellt von Christian Reimann.
1. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Riegel,
Ich kann dieses Vorgehen nur bestätigen. Obwohl seit kurzem offiziell wieder mehr oder weniger „normal” demonstriert werden darf, gilt das auch in unserer Stadt ganz offensichtlich nicht für Demonstrationen mit Anti-C-Maßnahmen-Bezug oder auch solche, die eigentlich andere Themen zum Inhalt haben, aber für die Stadtverwaltung wohl den Anschein erwecken, sich auch gegen die aktuellen C-Regeln bzw. für Grundrechte auszusprechen (die Organisatoren hatten vorher auch Anti-C-Maßnahmen-Demos veranstaltet und sind daher der Stadt und tw. auch der Polizei namentlich bekannt). Da werden dann z.T. so hohe Auflagen verhängt, dass diese nicht erfüllt werden können, die Teilnehmerzahl wird scheinbar nach wie vor begrenzt, und es ist definitiv mehr Polizei vor Ort als etwa bei der kürzlich stattgefundenen, vergleichsweise großen Demo gegen Rassismus (Black Lives Matter), für die solch strenge Auflagen offenbar nicht galten. Auf dieser war nämlich – im krassen Gegensatz zu den Grundrecht-Demos – alles recht dicht gedrängt, Mundschutz (oder sichtbar kleine Gruppen “aus zwei Haushalten”) war dabei alles andere als die Regel, und die Polizei hat das aber scheinbar hier nicht gestört.
Außerdem dürfen die Demos hier seit einigen Wochen nicht mehr im Stadtkern stattfinden, sondern wurden nach außerhalb auf ein freies Grün-Areal verbannt, wo sie von der breiten Öffentlichkeit praktisch kaum wahrgenommen werden (dasselbe galt übrigens auch für die BLM-Demo, woraus wiederum folgt, dass Demos – seit der C-Krise – in der Innenstadt anscheinend generell nicht mehr erwünscht sind, was früher definitiv nicht der Fall war). Hier wird also schon recht offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen und auch sonst gibt es scheinbar dauerhaft neue Vorgaben und Einschränkungen für das Demonstrationsrecht.
Mit besten Grüßen, C. Roth
2. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Riegel,
ich finde es sehr gut, dass Sie auf den Unterschied von schlechten und guten Demos eingegangen sind. Ich hatte auch Ihren Eindruck einer Ungleichbehandlung, manche merken dies vielleicht unterschwellig, manche leider überhaupt nicht. Nun gibt es da ja einen Grund, warum die Coronademos so schlecht und böse sind. Er besteht darin, dass sie gegen unsere Regierung gerichtet sind. Diejenigen, die bei den Stadtverwaltungen und Polizeibehörden für die Genehmigungen und Abstandsregelungen der Veranstaltungen verantwortlich sind, haben ja stets gehört, wie gut die Kanzlerin und ihr Team mit dieser Krise umgeht. Da ist es ja auch nachvollziehbar, dass man da nur Entscheidungen im Sinne der Regierungen trifft. Dazu gehört z.B. eine starke Reduzierung der Teilnehmerzahl. Der Massenprotest darf in keinem Falle vom Netz auf die Straße übertragen werden. Zu sehr sind die Bewegungen aber bereits in unseren Städten verbreitet, dass man sie im Fernsehen noch außen vor lassen kann. Diejenigen, die protestieren, sind Verschwörungstheoretiker, Linksradikale oder Rechtspopulisten. Die restlichen anderen Teilnehmer ließen sich von diesen angeblich nur beeinflussen. Opposition dagegen im Bundestag gibt es ja ohnehin keine mehr. Allerdings ergibt sich bei mir auch die Frage, wie es denn mit der Kritik an den Coronamaßnahmen in unseren Nachbarländern aussah? Wie reagierte da die Bevölkerung auf solche strengen Vorgaben, gerade auch bei den demonstrationsfreudigen Franzosen?
Nun zu den guten Rassismusdemonstrationen. Diese sind ja nicht gegen unsere, sondern gegen die amerikanische Regierung gerichtet und werden gerade auch aus diesem Grund angefeuert. Der Rassismus ist ein Verbrechen und es muss dagegen vorgegangen werden. Wie ich gleich von Anfang an vermutete, endete die ganze Berichterstattung über die Vorgänge in der USA in einem einzigen Trumpbashing. Trump ist ein Nationalist und es wird ihm Rassismus unterstellt. Er ist aber kein Imperialist, sonst würde er die weltweit stationierten amerikanischen Soldaten nicht wieder in die USA zurückschicken wollen. Jetzt will er auch noch über 10 000 Soldaten aus Deutschland herausholen. Das ist für unsere interventionsfreudige Politik natürlich nicht nachvollziehbar, denn genau die ist ja im Gegensatz zu Trumps außenpolitischen Erwägungen eben imperialistisch geprägt. Trumps Äußerungen und sein ganzes Verhalten sind natürlich auch im Zusammenhang mit der Polizeigewalt sehr ungeschickt. Er wird aber genau von denjenigen kritisiert, die auch heute noch von der Weltmacht der weißen Herrenrasse träumen und sich eben in allen Ländern einmischen wollen. Der Rassismus begann bereits mit dem Abschlachten der Indianer, setzte sich mit dem Import der Sklaven aus Afrika fort und ist auch heute noch in der Anwendung der unmenschlichen Todesstrafe vorhanden, von der auch vorwiegend Dunkelhäutige betroffen sind. Aufgearbeitet wurden diese Verbrechen bis auf den heutigen Tag noch nicht, so wie man es nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland mit den Nazimorden und Vergehen versuchte. Es wäre jetzt die Gelegenheit sich auch mal mit dieser dunklen Vergangenheit der USA zu befassen. Der Anlass mit dem Mord durch den Polizisten wäre gegeben. Man tut es nicht. Man will ja seine eigene weiße Weste nicht beschmutzen.
Mit freundlichem Gruß
Harald Pfleger
3. Leserbrief
Liebe NDS Redaktion,
an der Gedenkdemonstration für Oury Jalloh haben im Januar in Dessau rund 650 Leute teilgenommen. Ob auch in den USA Menschen gegen systemische Polizeigewalt und Rassismus in Deutschland demonstriert haben? Um was geht es unseren Medien und Politikern eigentlich wirklich, wenn sie Volkes Stimmung am Köcheln halten?
VG Michael Wrazidlo
4. Leserbrief
Lieber Herr Riegel,
abgesehen einmal davon, dass Rassismus eine abscheuliche Gesinnung ist und abgesehen davon, dass ich im Zusammenhang mit dem Corona-Virus eher den Ansichten der Herren Bhakdi, Schiffmann, Köhnlein etc. (und nebenbei gesagt auch verschiedener Ärzte aus meinem direkten Umfeld) anhänge, ist Ihre Sorge hinsichtlich der Unterscheidung guter und schlechter Demos anhand der Einhaltung von Masken- und Abstandsregeln für mich nur nachrangig. Im Vordergrund steht für mich eine ganz andere Frage.
Nämlich, wer weltweit Demonstrationen zu organisieren vermag, die es so nachdrücklich in die Hauptnachrichten der großen Medien schaffen, während solche Themen wie Abbau der demokratischen Grundrechte und des Sozialstaates, Errichtung des Überwachungsstaates, Kriegstreiberei und Drohnenmorde, Hunger in der Dritten Welt und so weiter und so fort scheinbar völlig protestuntauglich sind. Könnte man nicht vermuten, dass hier gekonnt ein Empörungsmanagement organisiert wird, um von den anderen Themen immer wieder gezielt abzulenken? Und nebenbei gesagt scheint sich auch niemand dafür zu interessieren, ob sich unter die zahlreichen Demonstranten nicht der eine oder andere Verschwörungstheoretiker oder Vertreter der sonstigen üblichen Verdächtigen gemogelt hat. Fragen also über Fragen.
Es sei mir noch gestattet darauf hinzuweisen, dass man ziemlich lange gebraucht hat um zu bemerken, dass Rassismus eine inhumane und unakzeptable Ideologie ist. Hoffentlich ist das nicht bis zur nächsten Protestwelle wieder vergessen.
Mit freundlichen Grüßen
Björn Ehrlich
5. Leserbrief
Hallo Herr Müller, hallo Herr Berger,
als ich heute die Schlagzeile „Gute Demos, schlechte Demos“ las, war mein erster Gedanke, die Demos vom Wochenende gegen Rassismus weltweit würden hier verglichen mit den Demos von Pegida, die von Staat und Polizei mit Sympathie und Duldung, die gegen Rassismus hingegen in Hamburg und Berlin mit Wasserwerfern und Tränengas in bekannter Manier attackiert wurden. Aber was für ein Irrtum! Herr Riegel rechnet hier die Antirassismusdemos gegen die Grundrechtedemos der letzten Wochen auf. Ich gehe wohl richtig in der Annahme, dass Herr Riegel damit die diversen Aufmärsche meint, die besser bekannt sind unter dem Namen Hygienedemos.
Ich halte den Vergleich und noch viel mehr die Wertungen, die Herr Riegel hier anstellt, für fatal. Was hat eigentlich das eine mit dem anderen zu tun? Für mich war es äußerst erfreulich, dass so viele Menschen in der BRD auf die Straße gingen, um Solidarität mit der „Black Lives Matter“-Bewegung zu zeigen und gleichzeitig den auch in unserem Land existierenden Rassismus anzuprangern. Will Herr Riegel unter dem Motto „Gleichbehandlung“ etwa, dass die Anmelder und Teilnehmer dieser Demos drangsaliert werden? Das ist ja in Hamburg und Berlin bereits geschehen. War das noch nicht genug?
Es ist enttäuschend, auf den Nachdenkseiten so ein krudes und spalterisches Zeug zu lesen. Ich hoffe, dass Ihnen möglichst viele Leser auf die Pelle rücken, damit es bei diesem Ausrutscher bleibt.
Freundlichen Gruß
Fritz Patzelt
Antwort von Tobias Riegel: Sehr geehrter Herr Patzelt,
Ich glaube, da haben Sie mich falsch verstanden. Der Text rechnet nicht die Demos inhaltlich gegeneinander auf, sondern vergleicht die unterschiedlichen offiziellen Reaktionen darauf. Der Artikel richtet sich auch deutlich gegen Drangsalierungen, egal welcher Demo. Und der Text begrüßt, dass so viele Menschen gegen Rassismus demonstrieren.
Mit freundlichen Grüßen, Tobias Riegel
8. Leserbrief
Hallo Herr Riegel,
danke für Ihren hervorragenden Beitrag.
Seit Anfang an bin ich auf den Demos für unsere Grundrechte dabei, um dafür aufzustehen, daß diese Rechte endlich umgesetzt werden, um wirklich ein würdiges Leben für alle Menschen und Tiere zu schaffen und unseren gesamten Planeten zu schützen.
Warum kommen zu den Demos für unsere Grundrechte (Menschenwürde-Menschenrechte usw.), die ja auch das Thema Rassismus abdecken, immer weniger Menschen, während die erste Demo dieses Teilbereiches der Grundrechte so viele Menschen mobilisiert?
Diese Frage ist sicher durch Ihren Beitrag teilweise beantwortet.
Trotzdem kann ich nicht nachvollziehen, daß dieser Teilbereich für die demonstrierenden Menschen wichtiger ist, als für den überfälligen Wandel, der durch die Einhaltung dieser Grundrechte erreicht werden könnte, aufzustehen.
Haben Sie oder auch die Leser*innen eine Erklärung?
Vielen Dank an das ganze NachDenkseitenTeam für Ihre wertvolle Arbeit, wobei die Beiträge Herrn Riegels meinen eigenen Überlegungen am nächsten sind, nur daß ich sie nicht in so treffende Worte fassen könnte.
Herzliche Grüße
Renate Mehl
9. Leserbrief
Guten Tag Herr Riegel,
nun hab ich Ihren Artikel gelesen….und komme zu dem Schluss: ich weiß ja nicht, wo sie überall die verschiedenen Demos beobachtet haben, in Köln waren sie nicht.
Bei den letzten “Hygienedemos” wurden polizeiliche Auflagen wiederholt verlesen….niemand hielt sich daran…..was tat die Polizei…..nichts. Die Demonstranten konnten sich problemlos verhalten, als gäbe es keine polizeilichen Auflagen.
Und wenn ich mir den Pressespiegel ansehe, so fand ich eine etwas differenziertere Darstellung, als in ihren Artikeln.
Das sich die Presse gegen Verschwörungstheoretiker wendet, halte ich für legitim und das man sich mit dem ein- oder anderen krausen Gedanken beschäftigt…ist Aufgabe einer freien Presse.
Bei den zwei antirassistischen Demonstrationen am WE in Köln, gab es die selben Auflagen wie bei den Hygienedemos….die Demonstranten versuchten weitestgehend, diese einzuhalten.
Natürlich, Herr Riegel, sie können nicht überall sein, aber das sollten sie auch nicht behaupten. Ich habe vielmehr das Gefühl, sie wollen nicht mal annähernd objektiv Dinge beschreiben, das passt wohl nicht in ihr Weltbild. Da habe ich doch den Eindruck…sie vermitteln billige Meinungsmache.
Aber das ist ein regelmäßiger Leser der NDS von ihnen ja gewohnt.
Dizzy
10. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Riegel,
Sie schreiben: “Zum anderen muss etwa die Toleranz der Berliner Polizei angesichts der massenhaften „Verletzungen der Corona-Regeln“ am vergangenen Samstag für die Besucher von Grundrechte-Demos als grobe Verletzung der Fairness im politischen Diskurs wahrgenommen werden.”
Wie Ihnen sicher bekannt sein wird, sind die Vorschriften für die Demonstrationen von Bundesland zu Bundesland leider unterschiedlich gesetzlich geregelt. In Berlin mit der vermutlich grössten Anti-Rassismus-Demo, wurde die Begrenzung der Teilnehmerzahlen per Gesetz vorher schon aufgehoben, ohne zusätzliche spezielle Vorschriften für Demos zu erlassen wie Mundschutz, der bekanntlich im Freien nicht vorgeschrieben ist. In ein paar wenigen Bundesländern verhält es sich genauso wie in Berlin, wo es eben keine Teilnahmebegrenzungen mehr gibt, wovon alle Gruppierungen jederzeit Gebrauch machen können, wodurch die Versammlungsfreiheit für alle gleichermassen gewährleistet ist.
Hingegen gilt natürlich das allgemeine Abstandsgebot im Freien auch bei Demos. Gegen dieses wurde übrigens fast bei jeder Demo in Berlin teilweise verstossen (siehe Club-Demo der Raver z.B. am Landwehrkanal, Anti-Corona usf.) und es wird auch im Alltag auf den Bürgersteigen der Hauptstadt sowie beim Joggen und bei Radfahrgruppen etc. laufend missachtet. Mittlerweile sehe ich auch wieder lange Zweierkolonnen von Rennradlern unterwegs am Stadtrand.
Die Polizei bzw. das Ordnungsamt stehen bei der Verletzung des Abstandsgebotes im normalen Alltag auf der Strasse und in den Parks mittlerweile hilflos da, weil das Berliner OVG die Bussgeldsanktion aufhob. Erst recht muss die Polizeiführung bei einer grossen Demo die Aufgaben strategisch festlegen, damit eine solche Demo friedlich verläuft. Einige wenige Angriffe auf die Polizei mit Festnahmen gab es trotzdem nach dem offiziellen Schluss der Veranstaltung. Sie verlief aber insgesamt friedlich, womit die Polizei und die mit der Polizei kooperierenden Organisatoren ihre Hauptziele wohl erreichten, worüber wir uns als Linke freuen sollten.
Natürlich entkräftet nun die erfolgte Aufhebung der Teilnehmerzahlbegrenzung bei Demos und die gelungene Durchführung einer solchen grossen Versammlung den Vorwurf der Einschränkung der Versammlungsfreiheit oder gar einer Corona-Merkel-Diktatur augenscheinlich, zum Missfallen der AFD und ihrer Anhänger.
Mit freundlichen Grüssen,
Jürg Huber
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