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Titel: Irrweg PPP – eine Kampagne von attac

Datum: 9. Juli 2010 um 9:13 Uhr
Rubrik: Lobbyismus und politische Korruption, Private Public Partnership, Privatisierung, Verbraucherschutz
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Öffentlich Private Partnerschaft (ÖPP) oder Private Public Partnership (PPP), die vertraglich geregelte langfristige Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und der Privatwirtschaft, zeigte sich in der Praxis oftmals als teures Patentrezept. Mit der Begründung, der Öffentlichen Hand mit diesem Modell bei knappen Kassen wieder finanzielle Freiräume zu schaffen, fand dieses Konzept Eingang in Stadträte, Kreis- und Landtage sowie in den Bundestag. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac hat im Juni eine deutschlandweite PPP-Irrweg-Kampagne begonnen, um Bürgerinnen und Bürger in 20 Städten über die Hintergründe und Gefahren der Privat-Öffentlichen-Partnerschaften aufzuklären. Zahlreiche Bürgerinitiativen beteiligten sich an der Aktion, einzelne Bürgerinnen und Bürger schrieben offene Briefe an ihre Kommunalverwaltungen und forderten sie auf, neue PPP-Verträge zu unterbinden und bestehende Verträge endlich einer demokratischer Kontrolle zu unterziehen. Höhepunkt der Aktion war die Initiative zu einem Volksbegehren gegen die Geheimhaltung des PPP/ÖPP-Projekts der Berliner Wasserversorgung, das am 27. Oktober 2010 endet. Von Christine Wicht

PPP/ÖPP wurde von deren Vorkämpfern mit dem Versprechen vorangetrieben, öffentliche Investitionsvorhaben in Zusammenarbeit mit Akteuren aus der Privatwirtschaft effizienter und vor allem auch billiger als bisher realisieren zu können. So werden beispielsweise Projekte in Straßenbau, Schulen, ja sogar Rathäusern, Gefängnissen und Friedhöfen zunehmend nach dem PPP/ÖPP- Konzept durchgeführt (Siehe den Artikel: „Heuschrecken im öffentlichen Raum: Public Private Partnership – Anatomie eines globalen Finanzinstruments“). Wirtschafts- und Finanzberater haben, unterstützt von Lobbyistenverbänden, auf dem Feld der PPP/ÖPP neue hoch profitable Tätigkeitsfelder entdeckt. Klamme Kassen werden von Wirtschaftsexperten genutzt um PPP/ÖPP-Modelle als Lösung zur Sanierung maroder Haushaltskassen oder zur Entlastung der Haushalte zu propagieren und diese Versprechen wurden von politischen Entscheidungsträgern bereitwillig aufgegriffen.

Obwohl die negativen Folgen der Privatisierungen immer mehr zu Tage treten und von der Bevölkerung inzwischen weitgehend kritisch gesehen werden, hat sich PPP/ÖPP als vermeintliches Heilmittel gegen die Staatsverschuldung etablieren können.
Doch mehr und mehr erweisen sich die Versprechen als leer, ja sogar als Täuschung. So stand beispielsweise die Einführung einer Straßenmaut Toll-Collect-Projekts, PPP als Synonym für Pleiten, Pech und Pannen. Aufgrund technischer Probleme beim Testbetrieb des Mautsystems verzögerte sich die Einführung des Systems vom Jahr 2003 auf 2005. Im Juli 2005 reichte das Bundesverkehrsministerium Klage gegen die Betreiber des Mautsystems ein und warf dem Konsortium vor, den Bund bewusst im Unklaren über die Probleme bei der Entwicklung und die damit verbundenen Verzögerungen sowie Einnahmeausfälle gelassen zu haben. Letztes Jahr legte Wikileaks mit der Veröffentlichung der geheimen Verträge und Vertragsanhänge zum deutschen Mautsystem Kernbestandteile der Vereinbarungen zwischen dem Toll-Collect-Konsortium, angeführt von DaimlerChrysler und der Deutschen Telekom, der deutschen Regierung und internationalen Partnern, offen. Beim Blick in die Dokumente offenbarten sich üppige Renditen und überaus großzügige Wartungsgebühren, der Betreiber sicherte sich eine Rendite von mehr als 1 Milliarde Euro bei Gesamtkosten von ca. 6 Milliarden (Quelle: heise.de).

Oft werden PPP/ÖPP-Modelle mit dem beschönigenden Argument vorangetrieben, dass der Staat ja Eigentümer bleibe, die beteiligten Parteien gleichberechtigt seien und die Investoren “nur” Bau, Betrieb, Planung und Finanzierung übernähmen. Damit soll den Bürgern eingeredet werden, dass der Staat, der für die nächsten 20-30 Jahre zwar die Miete zahlt, als Eigentümer Mitsprache habe aber gleichzeitig die verschuldeten öffentlichen Haushalte geschont werden könnten. Doch hinter dieser Zauberformel steckt oft nur fauler Zauber. Denn die Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass PPP/ÖPP-Modelle oftmals keineswegs günstiger sind als konventionelle Modelle.

Mittlerweile gibt es lt. Angaben von Attac, in Deutschland 150 PPP-Projekte mit einem Volumen von schätzungsweise 20 Mrd. Euro – genaue Summen sind wegen der Geheimhaltung der Verträge nicht bekannt – die Tendenz ist steigend (eine interaktive Deutschlandkarte von Attac zu den PPP-Projekten kann abgerufen werden unter: http://www.ppp-irrweg.de/adressen). Erschreckend sei dabei, so Attac, nicht nur die Tendenz, sondern vor allem auch die Tatsache, dass alle diese Verträge geheim seien. Selbst die Kommunalaufsicht, die als Aufsichtsbehörde das Vertragswerk genehmige, könne nicht zweifelsfrei sicher sein, ob ihr alle Unterlagen und Informationen zugeleitet worden seien. Als Begründung werde immer das Geschäfts- und Betriebsgeheimnis der beteiligten Unternehmen (des Konsortiums oder der Zweckgesellschaft, das den PPP Auftrag übernimmt) angeführt.

Die Geheimhaltung nütze ausschließlich den privaten Partnern, denn nur weil die Öffentlichkeit keine Einsicht bekomme, könnten die privaten Partner ihre Gewinninteressen in den Verträgen unbehellligt durchsetzen, so Attac. Noch nie sei in Deutschland ein PPP-Vertrag vor der Abstimmung den Abgeordneten vollständig vorgelegt worden. Die politischen Verantwortlichen müssten über Verträge abstimmen, die sie nicht lesen oder gar prüfen konnten. Somit sei die Geheimhaltung der PPP-Verträge der Nährboden, auf dem die negativen Auswüchse von PPP ihre Sumpfblüten können. Ohne Geheimhaltung würden die PPP-Verträge mit den Städten, Kommunen, Ländern und Bund nicht zu einem solch lukrativen Geschäft und oft würden sie überhaupt nicht zustande kommen. Attac hält bis zum Beweis des Gegenteils an der Vermutung fest, dass die meisten der Verträge sittenwidrige Vereinbarungen enthalten und daher einer juristischen Prüfung nicht standhalten würden. Eine solche Geheimhaltung widerspreche obendrein auch den grundlegenden Prinzipien eines demokratischen Staates. So würden zwar jeweiligen Stadtverordneten über das Projekt zwar per Grundsatzbeschluss entscheiden, bekämen aber die Verträge nicht Gesicht. Und wenn doch, dann mit Schwärzungen, die von den Beratern und Anwälten vorgenommenen wurden.

Das Hauptmerkmal der PPP/ÖPP-Modelle, die Geheimhaltung, stand auch im Mittelpunkt der Kampagne von Attac.

Gemeinsam mit dem Berliner Wassertisch und der Grünen Liga und unterstützt von der Verbraucherzentrale Berlin, dem VDGN (Verband Deutscher Grundstücksnutzer), den Mieterorganisationen, den Jusos, DGB Jugend und vielen anderen Organisationen und Initiativen, wurde am 28. Juni ein Volksbegehren für die Offenlegung der Geheimverträge bei den Berliner Wasserbetrieben gestartet. Die PPP-Kritiker hatten auf dem Leopoldplatz in Berlin-Wedding eine schwarze Box als so genannte „Geheimschutzkammer“ aufgestellt, wie sie auch bei den Vertragsverhandlungen für die Berliner Wasserbetriebe benutzt wurde. Mit einem Theaterstück ließen die Aktivisten die Geschichte der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe Revue passieren. Die Berliner Wasserbetriebe wurden 1999 von den Konzernen RWE und Veolia teilprivatisiert und sind bis jetzt das größte PPP-Projekt europaweit. Der Wasserpreis ist seit 2001 um 35 Prozent gestiegen, Personal wurde abgebaut, Investitionen abgesenkt und kürzlich wurden 3 Wasserwerke geschlossen, mit der Folge, dass das Land Berlin ca. 30 km² ökologisch wichtiges Trinkwasserschutzgebiet verliert. Die Gewinne landen zum größten Teil in den Taschen der privaten Konzerne, und nur einen kleineren Teil erhält der Senat, angeblich zur Schuldentilgung. Allein im letzten Jahr mussten die Berliner Bürgerinnen und Bürger für die Teilprivatisierung 270 Millionen Euro „Gewinne“ bezahlen. Deren Gewinne sind unsere Verluste, sagt der Berliner Wassertisch. Das Netzwerk fordert deshalb, dass nur die real anfallenden Kosten in die Wassertarife eingestellt werden, denn Gewinne, Renditen, Profite hätten bei den Bereichen der Daseinsvorsorge, wie der Wasserversorgung, nichts verloren.

Über die Vertragsverhandlungen sowie den Inhalt des Vertrags wurde 1999 “absolutes Stillschweigen” vereinbart. Diese Geheimhaltung wurde zum Vorbild für PPP-Projekte bundesweit. Das Volksbegehren läuft bis zum 27. Oktober. In dieser Zeit müssen die Initiatoren 172.000 Unterschriften sammeln. Nach einem erfolgreichen Volksbegehren hat der Senat eine Frist von vier Monaten, um den Volksentscheid herbeizuführen. Dirk Kramm von der PPP-Irrweg-Kampagne sagte: “Eine durch das Volksbegehren erzwungene Offenlegung des Teilprivatisierungsvertrags der Berliner Wasserbetriebe wäre ein Präzedenzfall für alle weiteren PPP-Verträge hier zu Lande und damit ein Meilenstein im Kampf gegen PPP.”

Nahezu alle Parteien unterstützen PPP-Projekte, sie sitzen also alle im gleichen Boot. Die Gegner solcher Vorhaben in den Entscheidungsgremien sind im Regelfall überfordert die verwinkelte Materie aufzuarbeiten. Für die Befürworter ist ihre Zustimmung weitgehend risikolos, denn wer will und wer könnte nach mehreren Jahren noch jemand für solche Fehlentscheidungen zur Verantwortung ziehen? Meist sind die Verantwortlichen dann längst nicht mehr im Amt oder haben wie etwa der Kölner Oberstadtdirektor sogar die Seite gewechselt und ihren Nachfolgern bleibt nur noch die bittere Pflicht die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Privatisierung von öffentlichem Eigentum geht uns alle an, denn öffentliches Eigentum wurde über Steuern und Abgaben finanziert. Deshalb sollten wir alle demokratischen Möglichkeiten nutzen und gegen den Ausverkauf des öffentlichen Eigentums stimmen sowie über die negativen Folgen der PPP/ÖPP-Politik informieren. Die Attac-Irrweg-Kampagne bietet Bürgern, zunächst einmal mit dem Volksbegehren in Berlin, eine Möglichkeit, sich aktiv gegen den Ausverkauf ihres Wassers zu wehren. Vielleicht werden diesem Beispiel weitere Volksbegehren gegen den Ausverkauf der Bereiche der Daseinsvorsorge folgen. Es liegt an den Bürgern sich zu wehren, damit öffentliches Eigentum und die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, verpackt in Finanzprodukten nicht zu privatem Spekulationskapital werden.


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