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Titel: Extrem wachsende Ungleichheit zerstört die Demokratie
Datum: 26. Mai 2020 um 11:02 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Neoliberalismus und Monetarismus, Ungleichheit, Armut, Reichtum
Verantwortlich: Albrecht Müller
Der französische Ökonom Thomas Piketty spricht von einem “Ungleichheitsregime”. Das ist zwar ein sperriger Begriff. Aber es ist klar, was Piketty meint. Er beschreibt die Verschlechterung des Zustands so: Vor 10 Jahren hatten die Spitzenmilliardäre jeweils rund 30 Milliarden, 5 Jahre vorher ca. 5 Milliarden, heute haben sie jeweils rund 100 Milliarden. Dieser Zuwachs kommt nicht von irgendwoher. Das Vermögen fehlt dem großen Rest. 90 % halten nur ca. 20 % des gesamten Vermögens. Ein Prozent verfügt über etwa die Hälfte. – Die Vermögensverteilung verbesserte sich zwischen 1900 und 1980. Dann gab es einen Bruch. Dieser markiert den Beginn der Herrschaft der neoliberalen Ideologie. Auf diesen himmelschreienden Zustand antwortet Piketty zum Beispiel mit dem Vorschlag, die Reichsten müssten bis zu 90 % ihres Vermögens abgeben. Andere antworten mit der „Weder-links-noch-rechts-Therapie“? Wer will, kann das tun. Ich sehe das anders. Aber über die beiden Begriffe sollten wir nicht weiter streiten. Albrecht Müller.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Im schweizerischen Rundfunk SRF Kultur interviewte Yves Bossart am 30. März fast eine Stunde lang den französischen Ökonomen und Autor. Anlass war sein neuestes Buch mit dem Titel „Kapital und Ideologie“. Das Thema der Sendung: „Thomas Piketty: Ungleichheit zerstört die Demokratie“. Es ist gut, dass dies auch ein so kundiger und prominenter Ökonom und politischer Mensch sagt.
Es lohnt sich, diese Sendung anzusehen, wenn man unsere Lage erkennen und Handlungsmöglichkeiten kennenlernen will. Es lohnt sich, auch wenn man nicht allem zustimmen kann, was Piketty sagt.
10 darauf bauende und anschließende Beobachtungen zur Verteilungslage und zu den Konsequenzen:
Piketty weist im Interview etwa bei Minute 13:15 auf die konkrete aktuelle Situation hin. Hohe Vermögen erzielen aufgrund ihrer besseren Anlagemöglichkeiten einschließlich der Steuervermeidung 7, 8 oder gar 9 % Kapitalrendite real. Wer 5000 € anlegt, bekommt nichts.
Wer über viel Geld und/oder publizistische Macht verfügt, kann die politischen Entscheidungen massiv beeinflussen.
Die Richtigkeit dieser Feststellung können wir immer wieder beobachten. Piketty hat diese Gefahr nach meiner Einschätzung nicht richtig und nicht vollständig erkannt. Aber das mindert die Klarheit seiner Aussagen nicht.
Piketty bringt in seinem Buch wie auch in dem oben verlinkten Video einige Vorschläge zur Korrektur der Vermögensverteilung (etwa ab Minute 36:00): Stark progressive Steuern auf Einkommen, Vermögen und Erbschaften. Mitbestimmung. Eigentum neu denken. Eigentum auf Zeit.
Das sind Vorschläge für ein Parteiprogramm, die zu besprechen sich lohnen.
Wie man die praktische Politik zur Brechung des Ungleichheitsregimes dann in der Begriffswelt der politischen Geographie nennt, das mag jede und jeder selbst entscheiden.
Nachtrag: Jens Berger hat in seinem früheren Buch „Wem gehört Deutschland“ wichtige Erkenntnisse zum Thema, vor allem bezogen auf Deutschland, veröffentlicht; auch sein neues Buch „Wer schützt die Welt vor den Finanzkonzernen“ enthält wichtige Daten und Gedanken zum Thema.
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