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Titel: Biden kann nicht für Normalisierung sorgen, weil Trump ja ein vollkommen normaler US-Präsident ist. Das ist das Problem.
Datum: 21. Mai 2020 um 10:00 Uhr
Rubrik: USA, Wahlen
Verantwortlich: Redaktion
Um den US-Wahlkampf ist es hierzulande relativ still geworden. Trump beherrscht die Corona-Bühne mit verlässlich skurrilen Äußerungen, während sein Herausforderer Joe Biden seit zwei Monaten buchstäblich abgetaucht ist. Er kommuniziert mit der Welt nur noch aus seinem Keller, der zum Fernsehstudio umfunktioniert wurde – seine Wahlkampfhelfer mögen aufatmen, dass touchy-feely Biden so an aufdringlichen Umarmungen gehindert wird… 2016 stellten die Nichtwähler mit knapp 47 Prozent die größte Wählergruppe in den USA. Ob die Wahl zwischen dem aktuellen Amtsinhaber und dem nach Beobachtung von Kritikern dementen Herausforderer mehr Menschen mobilisieren wird, ist fraglich. Nachdem Sanders die Segel gestrichen hat, setzen die Demokraten auch darauf, dass viele Amerikaner „das kleinere Übel“ wählen werden. Das empfiehlt auch der Alt-Linke Noam Chomsky. Eine Verbesserung oder eine Rückkehr zur Normalität verspricht sich Caitlin Johnstone von einem Präsidenten Biden allerdings nicht. Übersetzung: Susanne Hofmann.
Biden kann nicht für Normalisierung sorgen, weil Trump ja ein vollkommen normaler US-Präsident ist. Das ist das Problem.
„Ich stehe voll und ganz hinter Joe Biden – lasst uns dieses Land wieder dorthin zurückbringen, wo es stand, ehe der orangene Typ anfing, es zu zerstören!!!“, so lautet ein Tweet der Tennis-Legende Martina Navratilova, der neulich viral ging.
Diese Vorstellung, dass Obamas Vizepräsident die Normalität eines Staates wiederherstellen wird, der von einem vollkommen abnormalen Präsidenten zugrunde gerichtet wurde, ist eine unter Demokraten seit langem verbreitete und aus mehreren Gründen unsinnige Ansicht.
Erstens: Zu wollen, dass Amerika zu seinem Zustand vor Trump zurückkehren solle, bedeutet, die Verhältnisse zurück zu ersehnen, die Trump damals den Boden bereitet haben. Das wäre so, als würde man bei der Landung auf dem Grund eines Brunnens hoffen, man könnte die Zeit bis zu dem Moment zurückdrehen, als man sich bloß im Fall durch den Brunnenschacht befand. Das hieße, sich den gleichen Zustand von Austerität, Ausbeutung, Unterdrückung und Kriegstreiberei zu wünschen, der die Menschen so zornig gemacht hat, dass sie auf einen widerwärtigen Demagogen setzten, um alles über den Haufen zu werfen. Damit würde man lediglich denselben Horrorfilm genau zu der Szene vor der Szene zurückspulen, die einem Angst macht.
Zweitens ist diese sagenhafte „Rückkehr zur Normalität“, die Biden angeblich bietet, buchstäblich unmöglich, weil die Normalität ja eigentlich nie unterbrochen war. Die Normalität war nie weg, weil Donald Trump ein ganz normaler US-Präsident ist.
Nicht ausflippen, es stimmt. Auch wenn es Menschen, die Trump lieben, und Menschen, die ihn nicht ausstehen können, gleichermaßen ungern hören, ist es schlicht eine Tatsache: Donald Trump ist ein normaler US-Präsident. Wenn es Sie verärgert, das zu hören, dann reiben Sie sich nicht an mir, sondern an der Realität.
Sicherlich ist das nicht gut. Trump hat den blutrünstigen Imperialismus, das Kungeln mit den Konzernen, die Orwellsche Unterdrückung, die neoliberale Ausbeutung und die Militarisierung der Polizei, also all das, was das US-Imperium zusammenhält, im Grunde wie seine Vorgänger am Laufen gehalten, in mancher Hinsicht auf noch ungeheuerlichere, in anderer Hinsicht auf weniger ungeheuerliche Weise. Trotz aller Übel, die er unserer Welt zugefügt hat, hat er immer noch nichts so Schlimmes verbrochen wie die beiden Kriege, die Bush in seiner ersten Amtszeit begonnen hat, oder unter Umständen sogar Obamas Zerstörung Libyens und versuchte Zerstörung Syriens in seiner Amtszeit.
Trump reicht nicht einmal an Obamas Abschiebungszahlen heran, doch er warf Julian Assange ins Gefängnis, setzte den Kalten Krieg wieder in Gang, tötete Zehntausende Venezulaner mittels Hungersanktionen, legte sein Veto gegen Versuche ein, den Jemen vor einem US-gestützten Völkermord zu bewahren, arbeitet daran, einen Bürgerkrieg im Iran anzufachen, indem er Hungersanktionen und verdeckte CIA-Operationen einsetzt mit dem erklärten Ziel, einen Regime Change herbeizuführen, er besetzte syrische Ölfelder mit dem Ziel, Syriens Wiederaufbau zu verhindern, erhöhte die Zahl der Truppen im Mittleren Osten und anderswo erheblich, warf täglich deutlich mehr Bomben ab als die vorige Administration und tötete damit eine rekordverdächtige Anzahl von Zivilisten, und verringerte die militärische Rechenschaftspflicht für diese Luftangriffe. Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie Trump die Verkommenheit seiner Amtsvorgänger fortgeführt und ausgeweitet hat, wie sie es ihrerseits in Bezug auf ihre Amtsvorgänger getan haben.
Trump ist ein ganz normaler Präsident, bloß erheben die Medien wegen dieses Präsidenten deutlich mehr Geschrei als üblich, weil er der grauenvollen Normalität, die bereits vor ihm herrschte, ein hässliches Gesicht verleiht. Natürlich setzt er primitive Tweets ab und sagt dummes Zeug und hat die Pandemie-Reaktion verbockt. Doch im Großen und Ganzen war Trump – wenn man die Deckschicht des Narrativs abträgt – immer ein verlässlicher Schoßhund, der mehr oder weniger alle bestehenden imperialistischen und oligarchischen Agenden befördert hat wie die Präsidenten vor ihm. Es gibt nur viele treue Anhänger des Establishments, die ein Eigeninteresse daran haben, herauszustellen, dass die Abscheulichkeit, die Trumps Trampeligkeit offenlegt, ihm alleine zu eigen ist.
Wenn sie also sagen „Biden 2020, für eine Rückkehr zur Normalität“, sagen sie in Wirklichkeit „Biden 2020, für eine Verderbtheit, die sie ruhig schlafen lässt“.
„Biden 2020, für eine Rückkehr zur Normalität. Wir können nicht genau sagen, was ‚normal‘ ist; darunter wird jedenfalls immer noch die militärische Expansionspolitik gehören, genauso wie Massenmord, Ökozid, die gemeingefährliche Eskalation des Kalten Krieges, vernichtende Austerität und wirtschaftliche, soziale Ungerechtigkeit und Rassenungerechtigkeit. Aber, meine Güte, das wird sich normal anfühlen.“
„Biden 2020, für eine Rückkehr zur Normalität. Nichts wird sich grundsätzlich ändern, doch die Medien werden ihr aggressives Geschrei darüber einstellen, wie außergewöhnlich abnormal diese spezielle Präsidentschaft ist.“
“Biden 2020, für eine Rückkehr zur Normalität. Nein, keine Rückkehr zur Vernunft, zu Frieden, Wohlstand, Demokratie und Gelassenheit in Amerika; all das gab es in Amerika nie, insofern gibt es dorthin keine Rückkehr. Wir meinen damit bloß, dass wir es wieder leichter für Sie machen werden, darüber nicht groß nachzudenken.“
„Biden 2020, für eine Rückkehr zur Normalität. Zu einer Zeit, als man noch ruhig schlafen konnte, während Gewalt, Irrsinn und abartige Psychopathie herrschten, anstatt darauf durch plumpe Tweets auf unangenehme Weise hingewiesen zu werden.“
„Biden 2020, für eine Rückkehr zur Normalität. Eine Rückkehr zu den Tagen, als ein kompetenter Präsident wichtige Entscheidungen in Übereinstimmung mit dem Willen der Wählerschaft traf. Genau, eine Rückkehr zu einer erfundenen Fabelwelt, wo Sie in Ihrer Phantasie leben können.“
„Biden 2020, für eine Rückkehr zur Normalität. Eine Rückkehr zu den Tagen, als man vergnügt so tun konnte, als ob dieser weltumspannende abartige, mörderische Irrsinn normal sei.“
„Biden oder Trump 2020, für eine Rückkehr zur Normalität. Weil die Normalität verdammt nochmal nie weg war.“
Trump ist normal. Trump ist normal. Trump. Ist. Normal. Trump ist das, was normal ist.
Und genau das ist das Problem.
Es ist nicht Trumps Abnormalität, die ihn wirklich verabscheuungswürdig macht, sondern vielmal seine Normalität. Es ist seine Fortführung eines Status quo, der brutal, korrupt und vollkommen faschistisch ist. Und dieser Zustand bestand lange, ehe er an die Macht kam.
Das ist deine Regierung, Amerika. So war sie immer. Wenn du nicht magst, was du da siehst, dann versuche nicht bloß, dem Ganzen eine nettere Maske aufzusetzen, damit du dich wieder schlafen legen kannst. Verändere es. Verändere deine Normalität. Erzeuge eine neue Normalität.
Trump ist alles, was Amerika ist. Wie es ein Leser neulich formulierte, „Trump hat die Dinge nicht so gemacht, wie sie sind. Er ist die Personifikation der Situation. Wären die Vereinigten Staaten ein Anzug, wäre er Trump auf den Leib geschnitten.“
Trump ist normal. Wenn du deine Normalität nicht magst, Amerika, dann setze dich für einen echten Wandel ein, nicht nur für kosmetische Veränderung. Den Wandel wird kein Präsident bewirken. Der wird von dir kommen müssen.
Titelbild: Hunter Crenian/shutterstock.com
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