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Titel: Die Coronakrise als Chance für die Klimapolitik? Leider dürfte eher das Gegenteil der Fall sein

Datum: 15. Mai 2020 um 13:46 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Umweltpolitik, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Viele Klimaschutzaktivisten sehen die politische Antwort auf Corona-Pandemie als positives Vorbild für die Klimapolitik. Man sehe schließlich nun, dass der „politische Wille Berge versetzen kann“, so Luisa Neubauer von Fridays for Future. „Ganz Deutschland hört dem Virologen Christian Drosten zu. Und das ist genau richtig“. Wenn es doch nur so einfach wäre. Für sehr viele Menschen bedeutet der Lockdown vor allem eine existenzielle sozioökonomische Bedrohung und es besteht die sehr reale Gefahr, dass die negativen Auswirkungen der Maßnahmen auf eine Politik transportiert werden, die den Rat von Wissenschaftlern befolgt und dabei das Schicksal der „kleinen Leute“ aus den Augen verliert. In einer Demokratie, in der Politiker gewählt werden wollen, wäre dies eine Katastrophe für den Klimaschutz. Ein düstere Prognose von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Lockdown ist auch eine Klassenfrage und es ist nicht sonderlich überraschend, dass die Maßnahmen, die Bund und Länder zur Eindämmung von Covid-19 verabschiedet haben, je nach sozioökonomischem Hintergrund und persönlicher Situation anders wahrgenommen werden. Schon heute werden die Maßnahmen vor allem von Menschen, die aufgrund ihrer ohnehin schon nicht so rosigen beruflichen und finanziellen Lage besonders von den wirtschaftlichen Folgen betroffen sind, tendenziell eher kritisch gesehen. Und dabei befindet sich die Realwirtschaft erst in einer frühen Phase der negativen Folgen der Coronakrise. Auch wenn die Wirtschaft nun langsam wieder anfährt, werden viele Sektoren, wie Kunst und Kultur, Gastronomie oder Tourismus, noch sehr lange eine schwere Durststrecke durchschreiten und wie es mit der globalen Wirtschaft in dieser globalen Krise weitergeht, ist vollkommen ungewiss. Das Szenario einer aufziehenden schweren Weltwirtschaftskrise ist zumindest keinesfalls unrealistisch.

In Krisen werden – so ist der Mensch nun einmal – irgendwann Schuldige gesucht. Waren die Banker und Spekulanten noch ein dankbares und zutreffendes Feindbild für die Finanz- und Wirtschaftskrise, die vor zwölf Jahren die Welt in Mitleidenschaft zog, so fällt es schwer, irgendjemanden oder irgendwas für die Coronakrise verantwortlich zu machen. Und daher – so ist der Mensch nun einmal – machen viele den Überbringer der schlechten Botschaft verantwortlich; die Virologen, deren Empfehlungen die Politik gefolgt ist. Das ist natürlich ziemlicher Unsinn, aber letztlich ist die Politik für diese Fehldeutung mitverantwortlich, hat sie es doch versäumt, selbst die Verantwortung in der Krise zu übernehmen und ihre Entscheidungen transparent zu kommunizieren.

Nun haben wir den Salat. Frau Neubauer mag es ja richtig finden, dass „ganz Deutschland dem Virologen Christian Drosten zugehört“ hat; in den Köpfen vieler Menschen, die nach einem Schuldigen suchen, verlaufen die Denkprozesse aber genau andersherum. Sie verbinden nun die Nachteile der Maßnahmen mit einer Politik, die sich bei ihrer Entscheidungsfindung in einem hohen Maß auf den Rat von Experten aus der Wissenschaft verlassen hat. Und getreu dem vielzitierten Motto „There is no glory in prevention“ werden die in Deutschland zum Glück nur geringen Todeszahlen sicherlich auch noch als Beleg dafür gewertet, dass die gesamten Maßnahmen ja unnötig gewesen seien. Was geschehen wäre, wenn die Politik den Ratschlägen nicht gefolgt wäre, bleibt im Abstrakten.

Und genau hier haben wir eine erschreckende Parallele zur Klimadebatte. Die „Horrorszenarien“ der Wissenschaft wirken für viele Menschen immer noch sehr abstrakt und es gibt keine sofort und transparent sichtbaren Ergebnisse einer guten Klimapolitik, zumal hier mit nationaler Politik ein globales Problem angegangen werden soll, was die Sache noch abstrakter macht. Menschen, die vor der Coronakrise eine ambitionierte Klimapolitik forderten, werden sich durch die Erfahrungen während der Krise wohl kaum beeindrucken lassen; ebenso verhält es sich mit den Gegnern. Wenn nun aber das Heer der Unentschlossenen seine negativen Erfahrungen aus den Maßnahmen zur Eindämmungen von Covid-19 auf die Klimadebatte überträgt und im Hinterkopf eine Politik, die den Empfehlungen „der Wissenschaft“ folgt, auf andere Felder wie eben die Klimapolitik überträgt, wird dies jeden Gedanken an eine ambitioniertere Klimapolitik auf absehbare Zeit desavouieren. Politiker, die gewählt werden wollen, werden sich zweimal überlegen, ob sie sich bei ihren Forderungen aktiv auf die Ratschläge von Wissenschaftlern berufen.

Aber es kommt für den Klimaschutz wohl noch dicker. Klimapolitik wird – auch von Teilen der Politik – oft als „weiches Thema“ unter Finanzierungsvorbehalt gesehen. Auf absehbare Zeit werden die Kassen jedoch leer sein und da die Politik keine Anzeichen zeigt, finanzpolitisch in die Offensive zu gehen und die Schwarze Null endgültig auf den Misthaufen gescheiterter Ideologien auszusortieren, wird der Klimaschutz aller Voraussicht nach künftig in der Prioritätenliste nach hinten durchgereicht. In den nächsten Jahren wird es eher um das Anfahren der Wirtschaft und um die Bewältigung der absehbaren massiven sozioökonomischen Schäden gehen – ob da für „weiche Themen“ wie den Klimaschutz noch Platz sein wird, darf leider bezweifelt werden. Dann werden die Menschen nicht mehr für den Klimaschutz, sondern für Jobs, mehr Hartz IV und höhere Renten auf die Straße gehen. Klimadebatte ade.

Das sind zugegebenermaßen pessimistische Prognosen. Gern wäre ich optimistischer, zumal Klimaschutz und soziökonomische Fragen ja beileibe kein Widerspruch sind. Nun rächt sich, dass von Anfang an Umwelt- und Klimaschutz und die Soziale Frage nicht als gemeinsames Ziel kommuniziert wurden. Die Themen der kommenden Jahre werden wohl andere sein und dies dürfte vor allem diejenigen freuen, die ohnehin kein Interesse an einer Transformation unserer Volkswirtschaft hatten.

Titelbild: a katz/shutterstock.com


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