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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Corona-Zahlen – warum reden wir nicht von den „aktiv Erkrankten“?
Datum: 12. Mai 2020 um 11:30 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Gesundheitspolitik, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Jens Berger
Mit Zahlen wird Meinung und Politik gemacht. Dies gilt vor allem bei Corona. Täglich werden wir über die Medien mit den neuen „Fallzahlen“ des Robert Koch-Instituts informiert. Und täglich steigen diese Fallzahlen. Das liegt in der Natur der Sache, da es hierbei ja um die kumulierten Zahlen geht, also die Summe aller Menschen, die über die Zeit hinweg positiv getestet wurden. Diese Zählweise hat den psychologischen Nebeneffekt, dass sie die Zuschauer verunsichert. Schließlich suggerieren stetig steigende Zahlen eine stetig steigende Gefährdung. Während wir zur Zeit in Deutschland 170.508 „bestätigte Coronavirus-Fälle“ haben, beträgt die Zahl der „aktiv“, also zur Zeit, an Covid-19 Erkrankten jedoch nur 15.775 – also noch nicht einmal ein Zehntel der Gesamtfallzahl – Tendenz seit Ostern stetig sinkend. Warum fristet diese Angabe nur ein Schattendasein und wird in täglichen Nachrichtensendungen nicht vermeldet? Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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„Die Zahl der bestätigten Coronavirus-Fälle in Deutschland steigt um 933 auf 170.508, wie Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) für Infektionskrankheiten zeigen. Die Zahl der Todesopfer steigt binnen 24 Stunden um 116 auf 7533.“
Diese Meldung kam heute um 5.37 Uhr im Ticker von Tagesschau.de und wird im Laufe des Tages in vielen weiteren Nachrichtenformaten so zitiert werden. Warum lautet die Meldung nicht folgendermaßen?
„Die Zahl der aktiv am Coronavirus erkrankten und positiv getesteten Bürger in Deutschland sank um 783 auf 15.775, wie Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) für Infektionskrankheiten zeigen. Die Zahl der genesenen Bürger stieg binnen 24 Stunden um 1.600 auf 147.200.“
Beide Meldungen sind gemäß der Zahlen des RKI korrekt und dennoch vermitteln beide Meldungen eine vollkommen unterschiedliche Botschaft. Während die Meldung der Tagesschau suggeriert, die Infektionen würden stetig steigen, suggeriert die zweite Meldung, dass die Zahl der Covid-19-Erkrankten rückläufig ist. Und diese Entwicklung ist bereits seit dem Osterwochenende zu beobachten.
Laut den Zahlen des RKI betrug der Höchststand der aktiv Erkrankten am 7. April immerhin 64.318. Seit dem 11. April sinkt diese Zahl jedoch stetig linear.
Welche Zahl würden Sie veröffentlichen, wenn Sie bei den Zuschauern Zustimmung für die Maßnahmen der Bundesregierung und der Landesregierungen erreichen wollen? Und welche Zahl würden Sie veröffentlichen, wenn Sie für eine Lockerung der Maßnahmen plädieren? Das RKI stützt mit seinen Presserklärungen die Linie der Regierung, was für eine Bundesbehörde ja auch verständlich ist. Unverständlich ist jedoch, dass die Nachrichtenformate und die großen Zeitungen diese Linie 1:1 übernehmen und sich damit indirekt als Pressestelle der Bundesregierung betätigen.
Die NachDenkSeiten wiesen bereits am 17. April darauf hin, dass die Zahl der aktiv bestätigten Fälle rückläufig ist und äußerten dabei auch grundsätzliche Kritik an der Qualität der Daten. Auch diese Kritik ist in den reichweitenstarken klassischen Medien nur in homöopathischer Dosis und in den großen Nachrichtenformaten gar nicht zu finden. Stattdessen geht man nun dazu über, die „Fallzahlen“ mehr und mehr in den Hintergrund zu verschieben und stattdessen die „Reproduktionsrate“ zu betonen. Das ist jedoch aus gleich mehreren Gründen kritisch zu bewerten, da diese Zahl sich ebenfalls auf die qualitativ fragwürdigen „Fallzahlen“ bezieht. Da die Fallzahlen jedoch stets aufgrund der Inkubationszeit und des Meldeverzugs „nur“ die Vergangenheit abbilden, werden die fehlenden Daten bei der Berechnung der Reproduktionsrate über intransparente Algorithmen ergänzt. Wie schlüssig diese Berechnung ist, erschließt sich Außenstehenden nicht. Mit Zahlen wird Politik gemacht und da diese Zahlen von einer Bundesbehörde stammen und von den Medien kaum hinterfragt werden, lässt es sich natürlich bequem durchregieren. So wird Meinung gemacht.
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