Heute unter anderem zu folgenden Themen: Wirtschaft auf Erholungskurs; Sparen für die nächste Bankenrettung; Gehaltsrakete für Wall-Street-Banker; Banken lassen Berlin beim Stresstest auflaufen; Gericht wertet Lohndumping erstmals als Straftat; Leiharbeit ist zumindest ein schmaler Steg in Beschäftigung; Karstadt-Insolvenzverwalter bekommt mehr als 50 Millionen; Umsatzsteuerreform; Arvato-Projekt gescheitert; Hochschule als Betrieb; Merz wird wieder Vorsitzender der Atlantik-Brücke; privater Verbrauch in den USA schlechter als erwartet; Fußball im Abseits. (WL)
- IMK: Deutsche Wirtschaft noch auf kräftigem Erholungskurs
- Sparen für die nächste Bankenrettung
- Gehaltsrakete für Wall-Street-Banker
- Banken lassen Berlin beim Stresstest auflaufen
- Gericht wertet Lohndumping erstmals als Straftat
- Die Sklaven leben mitten unter uns
- Leiharbeit ist zumindest ein schmaler Steg in Beschäftigung
- Karstadt-Insolvenzverwalter bekommt mehr als 50 Millionen
- Umsatzsteuerreform
- Arvato-Projekt Kommunalverwaltung gescheitert
- Kollaps von BP wäre kein Systemrisiko
- Wie der Staat die Hochschulen zu funktionalen Betrieben machen will
- Korrektur: „Das Leben einer Hotel-Hungerlöhnerin“
- Merz wird wieder Vorsitzender der “Atlantik-Brücke”
- Europaabgeordnete gegen Finanzlobby
- Privater Verbrauch in den USA: Schlechter als erwartet
- Kabul exportiert kistenweise US-Dollar-Scheine
- Neue Töne von der UNO
- Fußball im Abseits – Partynationalismus und Starkult kommen vor dem Spiel
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- IMK: Deutsche Wirtschaft noch auf kräftigem Erholungskurs
Die deutsche Konjunktur ist seit dem Sommer 2009 in der Grundtendenz wieder aufwärtsgerichtet. Im Winterhalbjahr war das Wachstum zwar nur verhalten…Maßgeblich zum Wachstum beigetragen hat ein außergewöhnlich starker Lageraufbau. Die Aussichten auf eine weitere Belebung der Konjunktur sind derzeit recht günstig.
Im zweiten Quartal dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion kräftig ausgeweitet werden, saisonbereinigt um 1 %. Maßgeblich hierfür sind die weiterhin steigende Industrieproduktion sowie ein starker Nachholeffekt im Bauhauptgewerbe infolge des witterungsbedingt überdurchschnittlichen Rückgangs im vergangenen Winter. Außerdem dürften sich die privaten Konsumausgaben etwas beleben, hierauf deuten die leicht anziehenden Einzelhandelsumsätze hin.
In der zweiten Jahreshälfte wird die konjunkturelle Dynamik, bei einer weiterhin positiven Grundtendenz, verhaltener ausfallen. Zum einen laufen die staatlichen Stützungsmaßnahmen aus den Konjunkturprogrammen sukzessive aus. Zum anderen dürfte es zu einer spürbaren Verlangsamung des Lageraufbaus kommen.
Für das Jahr 2010 insgesamt wird die Zunahme des Bruttoinlandsprodukts im Jahresdurchschnitt 2 % betragen. Das IMK lässt somit, wie schon im März dieses Jahres, seine Prognose erneut unverändert.
Im kommenden Jahr wird das Tempo der konjunkturellen Erholung jedoch abflachen. Die Zunahme der Exporte wird infolge der nachlassenden Dynamik im übrigen Euroraum geringer ausfallen.
Quelle: IMK Report Nr. 50 /Juni 2010 [PDF – 212 KB]
Anmerkung WL: Erstaunlich ist, dass das IMK angesichts der verschlechterten Ausgangslage durch den Absturz um 5% des BIPs die Ausweitung der gesamtwirtschaftlichen Produktion um 1% schon als „kräftig“ bezeichnet.
- Sparen für die nächste Bankenrettung
- BIZ warnt: Für nächste Bankenrettung fehlt das Geld
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) warnt in ihrem aktuellen Jahresbericht vor neuen Turbulenzen im Bankensektor.
Damit die Staaten im Falle einer neuen Krise handlungsfähig sind, plädiert auch die BIZ dafür, dass die Haushaltskonsolidierung vorangetrieben wird. “Die Staatsverschuldung hat in vielen Industrieländern ein nicht mehr tragbares Niveau erreicht”, heißt es in Bericht. Zwar führten staatliche Sparmaßnahmen kurzfristig zu Wachstumseinbußen. “Doch die Alternative – ein plötzlicher Vertrauensverlust an den Märkten – wäre weit schlimmer.”
Quelle: FR
Anmerkung WL: Sparen für die Rettungspakete für die nächste Bankenkrise. Nicht die faulen Papiere führen also zum Vertrauensverlust an den Märkten, sondern die Staatsverschuldung, die durch die letzten Rettungspakete erst richtig hochgetrieben wurden. Die Logik ist nur noch absurd.
Und offenbar könnte die nächste Bankenrettungsaktion schon vor der Tür stehen:
- Die Zeichen stehen auf Crash
Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel warnt in ihrem aktuellen Jahresbericht, dass sich ein neuer “Schock beliebiger Größenordnung wiederholen” könnte. Einziger Unterschied zur Lehman-Pleite 2008: Damals hatten die Regierungen noch Geld, um die Banken zu retten. Jetzt sind auch die Staaten so überschuldet, dass sie eine neue Finanzkrise nicht mehr abbremsen könnten. Doch nicht nur die BIZ-Analyse alarmiert. Noch besorgniserregender ist, dass die Baseler Bank auch keinen tauglichen Ratschlag bereithält, wie sich ein neuer Crash abwenden lässt. Denn der BIZ fällt als zentraler Maßnahme nur ein, dass die Staaten ihre Haushalte sanieren sollen.
Quelle: taz
Anmerkung V.B.: Interessant ist ,dass diese Meldung erst jetzt – nach dem G20-Gipfel wieder etwas “Furore” macht, denn auf diese schlechte Lage auf den Finanzmärkten – wie nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers – hatte doch schon die Europäische Zentralbank in ihrem Juni-Bericht aufmerksam gemacht, wozu die Süddeutsche Zeitung schon am 18. Juni berichtet hatte unter der Überschrift “Kurz vor der Apokalypse“.
Es drängt sich einem die Frage auf, ob diese Meldung so “unterging”, weil die europäischen Regierungen mit ihrem Scheitern auch auf dem Gipfel noch viel “bescheidener” dagestanden wären, wenn jedem so offensichtlich gewesen wäre wie dramatisch die Lage auf den Finanzmärkten schon wieder ist – und wie schrecklich dieses Nicht-Handeln der Politik dagegen dann auf dem G20-Gipfel in Toronto “erscheinen” muss – einfach als totales Versagen gegenüber den aktuell-drängenden Anforderungen.
In dem fast 240 Seiten-langen EZB-Monatsbericht vom Juni 2010 ist das nachzulesen in dem Bereich der Seiten 30 bis 43 ( vor allem auf den Seiten 39 und 40 ) [PDF – 4.1 MB]
- BIZ 79. Jahresbericht
Quelle: Bank for International Settlements
- Gehaltsrakete für Wall-Street-Banker
Die Saure-Gurken-Zeit für Banker in den USA scheint vorbei.Schon schnellen ihre Gehälter wieder in die Höhe. In manchen Bereichen fallen die Gehaltschecks bis zu 40 Prozent höher als im Vorjahr aus.
Quelle: manager-magazin
- Kampf um Zwangsouting: Banken lassen Berlin beim Stresstest auflaufen
Nach FTD-Informationen sperren sich Landesbanken, private und genossenschaftliche Institute gegen die geplante komplette Veröffentlichung der Daten aus dem Leistungstest. Diese Position will die Branche am Mittwoch auf einem Treffen mit der Bundesbank und der Finanzaufsicht BaFin verteidigen. Rein rechtlich gesehen können die Geldhäuser die Veröffentlichung ablehnen. Die Bundesbank hatte aber zuletzt in Gesprächen mit den Instituten deutlich gemacht, dass das Finanzministerium davon ausgeht, dass sich die Banken dem Outing nicht verweigern. Eine entsprechende schriftliche Vorlage mit der Bitte um Unterschrift war zumindest einigen Häusern bereits vergangene Woche zugegangen. Auf Initiative der EU wird derzeit europaweit geprüft, ob das Eigenkapital der größten Banken ausreicht, wenn deren Finanzanlagen um einen bestimmten Prozentsatz im Wert sinken. Sollten sie den Check nicht bestehen, werden die Institute womöglich zur Annahme von Staatsgeld zwangsverpflichtet. Der Stresstest gilt als härteste Bewährungsprobe für die Branche seit der Lehman-Pleite: Anders als bei vorherigen Durchläufen sollen dieses Mal auch bei vermeintlich sicheren Anlagen Abschläge simuliert werden – etwa bei Staatsanleihen solider Länder.
Quelle: FTD
Anmerkung Orlando Pascheit: Worauf die NDS bereits hingewiesen hatten, die Banken nutzen ihre Rechtsposition und sperren. Sollte das Treffen mit den 16 größten Banken nicht zum Erfolg führen, muss schleunigst eine Gesetzesänderung her. Schwarz/ Gelb sollte sich nicht noch länger zum Hampelmann des Finanzkapitals machen. Schließlich verfügen wir über Erfahrungswerte aus dem Mutterland des Finanzkapitals, den USA. Trotz ähnlich heftiger Kritik seitens der überprüften Banken wurde die Veröffentlichung der Stresstests von 19 US-Banken vom Markt als vertrauensbildende Maßnahme positiv gewertet – wenn natürlich ein wesentlicher Faktor die Bereitschaft des Staates war, Banken mit größerem Kapitalbedarf beizustehen.
- Gericht wertet Lohndumping erstmals als Straftat
Firmen, die gegen den Mindestlohn verstoßen, machen sich künftig strafbar: Das Landgericht Magdeburg hat den Chef einer Reinigungsfirma verurteilt, der seine Beschäftigten weit unter Mindeslohn bezahlte. Das Urteil könnte für viele Arbeitgeber in Konsequenzen haben.
Quelle: Spiegel
Anmerkung WL: Der Täter, der statt eines Mindestlohns von 7,68 nur Stundenlöhne bis in den „Ein-Euro-Bereich“ bezahlt hat, kam aber mit einem Bußgeld von 1.000 Euro davon und auch nur deshalb, weil er zu wenig Sozialbeiträge abgeführt hat. Ein solches Geschäft ist geradezu lukrativ. Warum ist eigentlich Lohndumping nur eine Ordnungswidrigkeit und nicht von vorneherein eine Straftat?
- «Die Sklaven leben mitten unter uns»
Mit modernem Sklavenhandel verdienen Menschenhändler in Europa pro Jahr bis zu 2.5 Milliarden Euro. Das geht aus einem am Dienstag veröffentlichten Bericht des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) hervor. Demnach befinden sich in Europa mehr als 140’000 Menschen in der Gewalt des organisierten Verbrechens. Weltweit seien es sogar mehrere Millionen. Die Zahl der Opfer steige jährlich um etwa 50 Prozent, hieß es weiter.
Quelle: Tagesanzeiger
- IAB: „Leiharbeit ist zumindest ein schmaler Steg in Beschäftigung“
„Leiharbeit ist zwar keine breite Brücke, aber zumindest ein schmaler Steg in Beschäftigung“, sagte der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Joachim Möller, am Dienstag in Berlin. Neue Forschungsergebnisse des IAB zeigen: 25 Prozent der Leiharbeiter waren im Zweijahreszeitraum zuvor mindestens die Hälfte der Zeit arbeitslos. Im Zweijahreszeitraum nach der Leiharbeit lag der entsprechende Anteil dagegen nur noch bei 17 Prozent.
Die meisten Beschäftigungsverhältnisse in der Leiharbeit dauern IAB-Direktor Möller zufolge nur kurz. Rund die Hälfte endet bereits innerhalb von drei Monaten. Der Anteil an allen Beschäftigten liegt bei zwei Prozent: Derzeit gibt es gut 750.000 Leiharbeiter. Im Juli 2008 waren es sogar mehr als 800.000. Im Jahr 2009 sank die Zahl dann wegen der Wirtschaftskrise unter 600.000.
IAB-Vizedirektor Ulrich Walwei erklärte, dass die Leiharbeit neben der befristeten Beschäftigung eines der wichtigsten Instrumente für die Unternehmen sei, um personalpolitisch flexibel auf Auftragsschwankungen reagieren zu können. Mindestens genauso wichtig seien aber auch Formen der internen Flexibilität wie Arbeitszeitkonten. „Die verschiedenen Formen der Flexibilität sind ganz entscheidend für den arbeitsmarktpolitischen Erfolg unseres Wirtschaftssystems.“
Quelle: IAB [PDF – 484 KB]
Anmerkung WL: Die Leiharbeit als Brücke zur Normalarbeit ist die große Ausnahme. Solche mageren Ergebnisse, nennt man dann schon Erfolgsbilanz. Wieder einmal ein Beispiel dafür, dass das IAB, eine Abteilung der Bundeagentur für Arbeit, eher eine PR-Agentur des Bundesarbeitsministeriums ist. Siehe Von der Leiharbeit zum unsteten Erwerbsverlauf und die Reaktion der IG Metall.
- Karstadt-Insolvenzverwalter bekommt mehr als 50 Millionen
Für die Abwicklung der Karstadt-Insolvenz kassiert der Insolvenzverwalter ein fürstliches Gehalt. Ein Experte übt Kritik.
Kritik äußerte der der Wissenschaftler und frühere Insolvenzrichter Hans Haarmeyer. „Statt die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen, versorgt die Abwicklung eines Insolvenzverfahrens offenbar weitgehend und flächendeckend nur die Insolvenzverwalter und die mit ihnen verbundenen Strukturen“, sagte Haarmeyer der Zeitung.
Quelle1: Die Welt
Quelle 2: Zum Abschied gibt`s Millionen SZ
Anmerkung WL: Und die Beschäftigten bei Karstadt dürfen ohnehin nur Opfer bringen.
- Umsatzsteuerreform
- Bundesrechnungshof: Umsatzsteuer “grundlegend” überarbeiten
Die Bundesregierung soll die ermäßigten Steuersätze bei der Umsatzsteuer ”grundlegend“ überarbeiten. Das empfiehlt der Bundesrechnungshof (BRH) in seinem Bericht über den ermäßigten Umsatzsteuersatz, in dem er Vorschläge für eine künftige Ausgestaltung der Steuerermäßigung macht und den er als Unterrichtung (17/2290) vorgelegt hat. Jede einzelne Begünstigungen sollen auf systematische Schwachstellen untersucht und kritisch hinterfragt werden, heißt es weiter.
Das Umsatzsteuergesetz sieht neben dem Regelsteuersatz von 19 Prozent einen ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent vor, heißt es in der Unterrichtung. Ermäßigungen seien ursprünglich aus sozial-, kultur-, agrar- und verkehrspolitischen Motiven eingeführt worden. Zweck sei es gewesen, Güter des lebensnotwendigen Bedarfs und bestimmte Dienstleistungen zu verbilligen. Die Begünstigungen durch den ermäßigten Steuersatz hätten sich im Jahr 2008 auf 24,2 Milliarden Euro belaufen.
Der BRH habe in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Prüfungen zum Anwendungsbereich des ermäßigten Umsatzsteuersatzes durchgeführt, dabei sei festgestellt worden, dass diese häufig ”sachlich“ nicht mehr zu begründen seien. Um den Katalog von begünstigten Gegenständen für die Finanzverwaltung handhabbar zu machen, habe es eines 140-Seiten-Schreibens des Bundesfinanzministeriums und zahlreicher Schreiben zu Einzelfragen bedurft. Dennoch steht die Finanzverwaltung den Abgrenzungsproblemen ”häufig hilflos“ gegenüber, heißt es in der Unterrichtung. In den vergangenen zehn Jahren seien mehr als 300 Gerichtsentscheidungen zum ermäßigten Steuersatz ergangen und gegenwärtig seien 14 weitere Verfahren anhängig. Dabei habe unter anderem geklärt werden müssen, ob Milchersatzprodukte pflanzlichen Ursprungs Milch oder Milchmixgetränke seien. Auch habe das Bundesfinanzministerium darauf hinweisen müssen, dass Trockenmoos (Regelsteuersatz) durch Anfeuchten nicht wieder zu frischem Moos (ermäßigter Steuersatz) werde.
Quelle: Deutscher Bundestag
Anmerkung WL: Es mag wirklich viele Absurditäten im Umsatzsteuerrecht geben, aber man muss sich Sorgen machen, ob mit solchen Reformen nicht auch die Güter des lebensnotwendigen Bedarfs verteuert werden.
Siehe dazu:
- FDP-Generalsekretär: Lindner nennt Hotel-Steuer Fehler
In der Debatte um eine Reform der reduzierten Mehrwertsteuersätze ist FDP-Generalsekretär Christian Lindner von der erst zu Jahresbeginn eingeführten Hotel-Steuer abgerückt. “Man hätte aus meiner heutigen Sicht diesen Satz nicht vorab senken sollen, sondern auf die große Reform warten müssen”, sagte Lindner am Dienstag im Deutschlandfunk. Der “ordnungspolitische Kompass der Koalition” habe hier nicht richtig funktioniert. Lindner äußerte sich insgesamt kritisch über den Kurs der Bundesregierung und seiner Partei nach der Bundestagswahl. “Wir haben uns sehr gebunden gefühlt an unsere Wahlzusagen, das ist auch ein Wert in einer Demokratie. Aber bei einem geänderten Umfeld muss eine Regierungspartei ihre Prioritäten überdenken. Da waren wir nicht schnell genug”, räumte Lindner ein.
Quelle1: FR
Quelle2: dradio.de
- Steuerdebatte in der Koalition: Merkel rügt Lindners Hotel-Volte
Die Kanzlerin ist nicht amüsiert: FDP-General Lindner hat die isolierte Senkung der Hotelsteuer als Fehler gebrandmarkt – und damit Angela Merkels Zorn geweckt. Merkel war verärgert, weil Lindner in dem Interview erklärt hatte, bei der Entscheidung für die Absenkung der Hotelsteuer am Anfang des Jahres habe der “ordnungspolitische Kompass” nicht richtig funktioniert. Statt diesen Umsatzsteuersatz einzeln zu korrigieren, hätte die Koalition dies in einer großen Reform tun sollen, erklärte der FDP-Generalsekretär. Merkel wies Lindner in der Spitzenrunde am Dienstag darauf hin, dass die CDU seinerzeit genau diese Linie vertreten habe – im Gegensatz zu FDP und CSU. Tatsächlich hatten sich die Christdemokraten bei der Hotelsteuer dem Druck der kleinen Partner gebeugt. Trotzdem verteidigte Merkel die Entscheidung später als Beschluss der gesamten Koalition. Nun aber, so heißt es aus Teilnehmerkreisen des Koalitionsausschuss, entstehe der Eindruck, als ob ausgerechnet die FDP von der unpopulären Entscheidung abrücke.
Quelle: Spiegel
Anmerkung WL: Wie schön, sie kloppen sich weiter: Schwarz/Gelb könnte zerbrechen. Nur, was kommt dann? Zum Beispiel, wenn die FDP ganz herausfällt, wie jüngste Umfragen nahelegen.
- Schein und Sein in der FDP
Die FDP will nur den Eindruck erwecken, sie habe sich verändert. Doch in Wirklichkeit bleibt sie politisch auf ihr altes Ansinnen reduziert, das Steuersenkung heißt.
Quelle: FR
- Arvato-Projekt Kommunalverwaltung gescheitert
Früher fühlte sich Würzburg ganz vorn. Hatte sich die unterfränkische Stadt mit ihren 133 000 Einwohnern doch das hehre Ziel gesetzt, sich als »herausragender Kompetenzträger für eine moderne, bürgernahe und technologisch führende Verwaltung zu etablieren«. Möglich werden sollte das durch eine Kooperation mit dem privaten Unternehmen Arvato, einer Tochter des Bertelsmann-Konzerns. 2006 startete dieses PPP-Projekt, die Ankündigungen waren vollmundig.
27 Millionen Euro, so die Versprechungen im Fall Würzburg, sollten mittels PPP in der Verwaltung durch Personalabbau und Einsatz von IT-Lösungen eingespart werden. Von Würzburg aus wollte Arvato dann die deutschen Kommunen erobern.
vier Jahre nach dem Projektstart gibt es statt großer Worten nur noch dürre Verlautbarungen. Über »Projektfortschritte« werde man »zu gegebener Zeit« informieren, heißt es einsilbig aus dem Rathaus, über »konkrete Einsparungen« könne bisher »keine definitive Aussage« getroffen werden.
Quelle: Neues Deutschland
- Kollaps von BP wäre kein Systemrisiko
Die Federal Reserve Bank von New York hat offenbar die Verbindungen grosser Finanzinstitute zum Energiekonzern BP untersucht. Es sei jedoch kein systemisches Risiko für die Wall Street entdeckt worden, sollte der Öl-Multi zusammenbrechen.
Quelle: NZZ
Anmerkung WL: In britischen Zeitungen wurden allerdings vor Gefahren für die Pensionsfonds, die bei BP angelegt haben gewarnt.
- Wie der Staat die Hochschulen zu funktionalen Betrieben machen will
Was früher in keiner politischen Sonntagsrede fehlen durfte, die „Hochschule in der Demokratie“, ist von heute auf morgen verschwunden. Clemens Knobloch, der an der Universität Sprach- und Kommunikationswissenschaft lehrt, untersucht in seinem Buch „Wir sind doch nicht blöd! Die unternehmerische Hochschule“, wie es um die Demokratie und Autonomie der deutschen Universität steht. Sein Befund ist alarmierend: Nicht wiederzukennen seien die deutschen Universitäten. Wo früher Geist, Bildung und Wissenschaft zu Hause waren, sei jetzt vom neuen Corporate-Design der Universität die Rede, vom betriebswirtschaftlichen Nutzen der Wissenschaft in der Wertschöpfung der Unternehmen. Ein Jahr lang hat er sich von den Pflichten eines Professors befreien lassen, um ein Sachbuch über seine Arbeitsstätte zu schreiben: die deutschen Hochschulen.
Ein Beitrag von Ingo Zander und ein Gespräch mit Clemens Knobloch
Quelle: WDR3
- Korrektur: „Das Leben einer Hotel-Hungerlöhnerin“ der gestrigen Hinweise des Tages:
Der Artikel beschreibt, dass die Frau sowohl aufstockendes Hartz IV als auch Wohngeld bekommt. Das ist nach geltendem Sozialrecht nicht möglich. Es gibt nur das eine oder das andere.
Vielleicht können Sie das als Anmerkung erwähnen, bevor sich wieder Leute fälschlicherweise darüber beklagen, was prekär Beschäftigte alles an zusätzlichen Leistungen erhalten, schreibt uns dazu unser Leser B.K.
- Merz wird wieder Vorsitzender der “Atlantik-Brücke”
Rücktritt vom Rücktritt: Friedrich Merz wird erneut Vorsitzender der “Atlantik-Brücke”. Der ehemalige Unions-Fraktionschef war nach einem Streit mit Walther Leisler Kiep im vergangenen Monat zurückgetreten. Jetzt wurden auch neue Stellvertreter ernannt – darunter Edelgard Bulmahn.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung WL: Dass sich Merz gerne als verlängerter Arm amerikanischer Lobby- und Wirtschaftsinteressen einspannen lässt, versteht sich von selbst. Warum die angebliche SPD-Linke sich dafür hergibt, ist nur ein Beleg für den verloren gegangenen Selbstrespekt: Man ist stolz, am Tisch der Herrschenden sitzen zu dürfen.
- Europaabgeordnete gegen Finanzlobby
Für Wirbel hat ein fraktionsübergreifender Aufruf von Europaabgeordneten gesorgt, der die Übermacht der Finanzlobby konstatierte und den Aufbau einer zivilgesellschaftlichen Gegenexpertise forderte. Es ist erfreulich, dass die Abgeordneten den Einfluss der Finanzlobby offensiv thematisieren – aber merkwürdig, den Ausgleich dafür nur von der Zivilgesellschaft einzufordern.
Quelle: LobbyControl
- Privater Verbrauch in den USA: Schlechter als erwartet
Insgesamt 8,6 Millionen Menschen in Deutschland würden gern mehr arbeiten, als sie es derzeit tun. Für die Betroffenen bedeutet der unerfüllte Wunsch nach Arbeit oder Mehrarbeit mitunter starke Einbußen in der Lebensqualität. Für die Volkswirtschaft ist es ungenutzte Arbeitskraft.” So das Statistische Bundesamt zur Unterbeschäftigung in Deutschland. Und was tun die Ökonomen? Sie jammern über die angeblich zu hohe Sparquote der privaten Verbraucher. Lächerlich. Aber so ist das heutzutage und nicht nur hierzulande. Am Dienstag gaben sich die Börsianer entsetzt ob des US-Verbrauchervertrauens im Juni, wobei der Index in der Lesart des Conference Board (CB) von 62,7 auf 52,9 Zähler gefallen ist. Na und? Wenn der Index, der in guten Zeiten auf 140 Zähler steigt, auf 70 geklettert wäre: Hätten die 15 Millionen Beschäftigungslosen in den USA dann Arbeit? Hätten die 8,8 Millionen unfreiwillig Teilzeit arbeitenden Amerikaner dann plötzlich die gewünschte Vollzeitstelle? Und hätten jene 2,2 Millionen Menschen in den USA, die offiziell nicht als Arbeitslose gezählt werden, weil sie sich zwar innerhalb des vergangenen Jahres, aber nicht innerhalb der vergangenen vier Wochen beworben haben, dann wieder Lohn und Brot? Und was ist mit jenen Amerikanern, die den Kopf vollends in den Sand gesteckt haben und daher beschäftigungsstatistisch gar nicht mehr erfasst werden? – Nein, die wilden Ausschläge der Aktienmärkte auf Stimmungsindikatoren wie das US-Verbrauchervertrauen, wenn diese ein paar Zähler besser oder schlechter als erwartet ausfallen, muten schon reichlich abstrus an. Ist es wirklich so überraschend, dass die US-Verbraucher angabegemäß so wenig neue Autos und Häuser kaufen wollen wie kaum je zuvor?
Quelle: FTD
- Kabul exportiert kistenweise US-Dollar-Scheine
Von Anfang 2007 bis Februar 2010 sind Geldscheine im Wert von 3,18 Milliarden US-Dollar über den Flughafen Kabul ins Ausland geflogen worden. Dies berichtete das Wall Street Journal am Montag unter Berufung auf offizielle afghanische Zollunterlagen sowie ungenannte US-Ermittler. Die Kisten voll Bargeld seien legal ins Golfemirat Dubai gebracht worden. Zu den Absendern der Gelder zählen laut dem Blatt Mahmud Karsai, ein Bruder von Präsident Hamid Karsai, sowie der Vizepräsident und Warlord Mohammed Fahim. Mahmud Karsai wies die Vorwürfe gegenüber dem Blatt zurück. Ein Großteil der Gelder wurde laut einer ungenannten Quelle mutmaßlich von Entwicklungs- und Militärhilfe für die Regierung in Kabul abgezweigt oder stammt aus der afghanischen Drogenökonomie. Bei den registrierten Geldern handelt es sich laut dem Zollchef des Flughafens, General Asif Jabar Khail, nur um einen Bruchteil der Gelder, die aus dem Land fließen. Die Passagiere im VIP-Bereich des Flughafens dürfe er nicht durchsuchen lassen. Oft würden sie direkt zu den Maschinen gefahren. Ein ungenannter US-Beamter in Kabul sagte dem Wall Street Journal: “Sie haben Kerle, die im wahrsten Sinne des Wortes Kisten mit Bargeld an Bord der Flugzeuge bringen.” Laut Zollschef Asif ist er einmal “von ganz weit oben” unter Druck gesetzt worden, als seine Männer undeklarierte Gelder in Millionenhöhe entdeckten: “Mir wurde gesagt, es gebe ein Abkommen mit der Zentralbank und ich solle sie fliegen lassen.”
Quelle: taz
- Neue Töne von der UNO
Gipfeltreffen in New York: »Global Compact«-Initiative will Konzerne zu sozialer Verträglichkeit verpflichten – Generalsekretär Ban Ki Moon warnt Wirtschaftsbosse. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die rund 1200 versammelten Führungskräfte auf, sich von ihrem altbekannten Streben nach schnellen Profiten zu verabschieden und sich ihrer sozialen Verantwortung zu stellen. Auch wenn der Compact eine freiwillige Initiative sei, fehle es nicht an Möglichkeiten für Sanktionen.
Quelle: Junge Welt
Anmerkung Orlando Pascheit: Eine Sanktion, die den Firmen verbietet, mit der Mitgliedschaft im Globalen Pakt der Vereinten Nationen zu werben, dürfte die meisten Unternehmen kaum treffen. Dabei ist die Teilnahme selbst schon so unverbindlich, dass viele Firmen, die sich kaum bemühen, die UNO-Standards umzusetzen, damit werben können. Bezogen auf die blaue Farbe der UNO sprechen Kritiker von “Bluewashing“. Solange solche Standards nicht in das Regelwerk der WTO einfließen, besteht wenig Aussicht, Verstöße gegen Menschenrechte, Arbeiterrechte (die Gewährleistung von gewerkschaftlicher Betätigung, Verbot von Diskriminierung, von Zwangsarbeit und Kinderarbeit) oder gegen Umweltstandards zu sanktionieren. Allerdings besteht hier nur wenig Aussicht auf Erfolg, solange Entwicklungsländer gemeinsam mit westlichen Firmen in niedrigen sozialen oder ökologischen Standards einen Wettbewerbsvorteil sehen. Es sind ja z.B. in China bei Foxcom (taiwanesisch) westliche Firmen wie Apple, Sony, Dell, Nokia und Hewlett-Packard, die von Löhnen unter dem staatlichen Mindestlohn profitiert haben.
Erstaunlich ist allerdings, wie wenig die Gewerkschaften in den westlichen Industrienationen ihre über Jahrzehnte mühsam erworbenen Rechte durch die Situation in diesen Ländern bedroht sehen. Es sind nicht nur die kaum existenzsichernden Löhne in vielen Schwellenländern, die unsere Löhne unter Druck setzen, sondern auch die miserablen Arbeitsbedingungen machen Schule.
- Fußball im Abseits – Partynationalismus und Starkult kommen vor dem Spiel
Deutschland blüht wieder einmal im Glanze seines schwarz-rot-goldenen Glücks. „Wir“ sind wieder Deutschland und die ganze Nation scheint bemüht, die Nationalismusexzesse der WM 2006 noch zu überbieten. Die Nationen-Marketing-Maschine scheint täglich mehr Produkte in den Nationalfarben auf den Markt zu werfen und die Bürger scheinen sich gegenseitig in ihrem Partynationalismus überbieten zu wollen. Wenn sich dieser Tage die Eine oder der Andere kritisch zu diesen Tendenzen äußert, verhallen diese Anmerkungen nahezu unbemerkt und die Fragen danach, was den neuen Nationalismus befeuert, wer die Nutznießer sind und ob durch die vermeintlich harmlosen Fußball-Nationalisten Schaden entsteht, bleiben entsprechend unbeantwortet. (…) Professor Freerk Huisken, der bis 2006 in Bremen die Professur für Politische Ökonomie im Ausbildungssektor innehatte, stellt dabei fest, dass bei den aktuellen Fußball-Großereignissen der Sport eigentlich in den Hintergrund trete. Das Entscheidende sei „die Gelegenheit, eine nationale Feier zu organisieren und deutschen Nationalismus ins Zentrum einer Feier zu stellen“. (…) Was kann man nun Schlechtes daran finden, dass Menschen scheinbar völlig entpolitisiert feiern und ihr Leben genießen? Das Problem, meint Huisken weiter, sei, dass der Partynationalismus eben jenen schade, die ihn betreiben. Die Sonntagsnationalisten sähen in ihrem Handeln einen weiteren Beweis, dass sie es mit Deutschland doch gut getroffen hätten. Das ändere zwar nichts an ihren Alltagssorgen, aber die ließen sich im Bewusstsein, zu einer Siegernation zu gehören, vielleicht etwas besser aushalten. Und das politische Ergebnis ihres unpolitischen Nationalismus könnte dann darin bestehen, dass sie immer mehr Einschränkungen in Kauf nehmen. Der Fußballsoziologe Gerd Dombowski zitiert in diesem Kontext Alexandre Vaz: „Das verdinglichte Bewusstsein findet im Sport ein besonders günstiges Umfeld, weil das Vergnügen des Sportzuschauers nicht nur bedeutet, das Leiden zu vergessen, sondern es zu feiern“. (…) Eine weitere Gefahr wird in der 5. Folge der Suhrkamp-Reihe Deutsche Zustände – der größten quantitativen Studie in Deutschland zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – von Wilhelm Heitmeyer ausgemacht. Er konstatiert: „Kampagnen, die darauf abzielen, nationalistische oder patriotische Einstellungen zu schüren, bergen die Gefahr, die Abwertung von anderen Gruppen zu fördern.“ (…) Laut Huisken ist die Art und Weise, wie Vorbilder im Fußball kreiert werden, eine Pervertierung eines eigentlich harmlosen Spiels, bei der es letztlich nur noch um Anerkennung und Wert der Person gehe und bei der die Übergänge zur Gewalt lediglich die radikalsten Erscheinungsformen davon seien. Dabei sei der Starkult um einzelne Personen „das mediale Schmiermittel der demokratischen Lüge Nummer eins, dass nämlich jeder hierzulande seines Glückes eigener Schmied ist“. Der Kreis, der mit der Fußball-WM als staatlich bereitgestellter nationaler Partydroge beginnt, schließt sich somit mit dem Vorbild des durchsetzungsfähigen Fußballmillionärs, dessen Erfolgen jeder in der kapitalistischen Demokratie nacheifern kann. Am Ende steht der Bürger, der sich seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit vor lauter Schwarz-Rot-Gold gar nicht recht bewusst wird.
Quelle: Hintergrund