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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 8. April 2020 um 8:21 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WM/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Regierung will Arbeitszeiten bundesweit lockern
  2. Spediteure werfen Supermärkten Corona-Preisdumping vor
  3. Aufsichtsrat und Vorstand von BMW wollen 1,64 Milliarden Euro Dividende auszahlen.
  4. Corona-Bonds
  5. Das ist schon krass
  6. Die Entwicklungsländer und das Virus
  7. Vereinigung Cockpit verurteilt Einstellung des Flugbetriebs bei Germanwings
  8. Systemrelevante Berufe: Kostenloser Applaus reicht nicht!
  9. Der Arbeitsagentur droht während der Corona-Krise der Kollaps
  10. Betten statt Bajonette
  11. Vom Niedergang grundrechtlicher Denkkategorien in der Corona-Pandemie
  12. Morde an Aktivisten nehmen in Kolumbien auch unter der Ausgangssperre weiter zu
  13. Auf Sicht fahren ist grundfalsch
  14. Die Wahrheit hinter der Schutzmaske
  15. Soforthilfe und Solidarsemester
  16. Wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt
  17. Kritik des Rubikon in der Corona-Krise
  18. Ich schäme mich– meines Berufsstands
  19. Das Allerletzte: USA setzen Zahlungen an Weltgesundheitsorganisation aus

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Regierung will Arbeitszeiten bundesweit lockern
    In vielen Bundesländern können Firmen ihre Mitarbeiter wegen der Corona-Krise bereits länger einsetzen. Jetzt will die Bundesregierung die Regeln vereinheitlichen. Das Ziel: flexiblere Arbeitszeiten in bestimmten Berufen.
    Bundesweit plant die Regierung nun das aktuelle Arbeitszeitgesetz zu entschärfen. Sie werde “zeitnah eine Rechtsverordnung erlassen”, wie das Bundesarbeitsministerium am Dienstag mitteilte. Laut Arbeitszeitgesetz ist dies “in epidemischen Lagen von nationaler Tragweite” zulässig – allerdings nur zeitlich befristet…
    Was soll geändert werden?
    Es gehe um Ausnahmen von Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten sowie vom grundsätzlichen Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen, so das Ministerium. Laut “Handelsblatt” darf die Arbeitszeit in bestimmten Berufen auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden…
    Kritiken an der neuen Planung
    Die geplante Verordnung sei “ein Schlag ins Gesicht all derer, die ihre Gesundheit schon jetzt täglich für uns alle riskieren”, kritisierte die Vize-Fraktionsvorsitzende der Linken, Susanne Ferschl, gegenüber dem “Handelsblatt”. Statt die Arbeitsbedingungen für die “Helden” in den systemrelevanten Berufen beispielsweise durch mehr Personal oder durch den Schutz eines Tarifvertrags zu verbessern, würden die ohnehin schon überlasteten Beschäftigten “wie Zitronen ausgequetscht”.
    Quelle: T-Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die Politik geht also nicht nur mit unverminderter Härte gegen die Arbeitnehmer weiter, sondern wird mit der Begründung “Corona-Krise” sogar noch verschärft. Daß man z. B. Angestellte im Supermarkt länger arbeiten lassen will, während Tausende VerkäuferInnen im Einzelhandel in Kurzarbeit oder sogar arbeitslos sind, ergibt keinen Sinn. Die Dinge dagegen, die *wirklich* notwendig wären, z. B. eine durchgreifende Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei den Pflegekräften, werden entweder auf die ganz lange Bank geschoben oder gleich abgesagt. Diese “tolle” Krisenpolitik der Kanzlerin führt dennoch (?) zu extremen Höhenflügen bei den Umfragewerten der Union, wird also noch belohnt. Die Hoffnungen, daß die Krise zu mehr Solidarität und zur Umwertung der Werte führen kann, dürften auf Sand gebaut sein.

    Ergänzende Anmerkung Marco Wenzel: Macron hat das in Frankreich mit einer „Reform des Arbeitsgesetzes“ bereits durchgezogen; Siehe hierzu: Frankreich und die Pandemie.

  2. Spediteure werfen Supermärkten Corona-Preisdumping vor
    Auch der Einzelhandel wird in der Krise gefeiert, weil er die Versorgung sicherstellt. Doch jetzt erheben die Spediteure heftige Vorwürfe: Es geht um Preisdumping und die schlechte Behandlung der Lastwagenfahrer.
    (…) Die Corona-Krise führt derweil zu neuen Verwerfungen, obwohl die Trucker derzeit zur Versorgung der Bevölkerung in vielen Teilen gefragt sind und als „Helden des Alltags“ große Wertschätzung erhalten.
    „Ich mache den Job seit 35 Jahren und habe so einige schlechte Zeiten erlebt“, sagt der Dispositionsleiter des Betriebs… „Eine solche Phase wie jetzt aber gabs noch nie. Wir werden von den großen Auftraggebern dermaßen im Preis gedrückt. Das ist unanständig, was da passiert.“ Und viele namhafte Konzerne würden sich am Dumping beteiligen.
    „Unmoralisch, unethisch“
    Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), in dem die meisten vor allem kleineren und mittleren Speditionsunternehmen organisiert sind, kritisiert, dass Frachtraten in ganzer Breite derzeit gedrückt würden. „Das ist unmoralisch, unethisch und hat in dieser Krise nichts mit Solidarität zu tun“, sagte BGL-Chef Dirk Engelhardt der F.A.Z. „Einige, die sich in diesen Tagen in der Öffentlichkeit gerne dafür loben, dass sie das Land am Laufen halten, betätigen sich nach unten als Ausbeuter.“
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Pervers – aber eben normaler Turbokapitalismus. “Systemrelevante Berufe” – Supermarktkassiererin, Kranken- und AltenpflegerInnen, Lkw-Fahrer, Lieferanten… – erkennt man ja daran, daß die ArbeitnehmerInnen in ihnen besonders schlecht bezahlt werden und ihre Arbeitsbedingungen besonders schlimm sind.

  3. Aufsichtsrat und Vorstand von BMW wollen 1,64 Milliarden Euro Dividende auszahlen.
    Die Aktionäre kassieren, während die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt wurden – mitfinanziert vom Staat.
    Wir kennen das ja schon: in der Krise darf der Steuerzahler einspringen, in guten Zeiten die Investoren die Gewinne einstreichen. Dass die Aktionäre nun sogar in schlechten Zeiten abkassieren sollen, setzt dem Ganzen aber die Krone auf. Wer Staatshilfen bekommt, darf nicht gleichzeitig Dividenden ausschütten!
    Quelle: Sarah Wagenknecht
  4. Corona-Bonds
    1. Merkel und Scholz riskieren neue Euro Krise
      Pressemitteilung von Fabio De Masi, 07. April 2020
      (…) „Der Widerstand gegen Corona-Anleihen ist unbegründet. Corona-Anleihen dienen nicht der Vergemeinschaftung von Altschulden. Wer Italien zwingt, in die Krise zu kürzen, macht die Krise teurer und tödlicher – auch für Europa.
      Die Europäische Investitionsbank (EIB) könnte eine Corona-Anleihe begeben und die Europäische Zentralbank (EZB) diese Anleihe kaufen. Die EZB kauft bereits heute Anleihen der EIB. Das Zins- und Haftungsrisiko für Deutschland wäre faktisch null, da die EZB in Euro nie Pleite gehen kann. Diese Finanzierung von Staatsausgaben durch die EZB wäre zulässig, da die EIB kein Staat, sondern eine Bank ist.
      Das Verbot der Staatsfinanzierung durch die EZB in den EU-Verträgen schafft ein künstliches Insolvenzrisiko. Dabei kann ein Land eigentlich in eigener Währung nie Pleite gehen. In den USA und jedem anderen Währungsraum wäre es undenkbar, dass die Zentralbank die Staatsanleihen der eigenen Regierung nicht akzeptiert.
      Wird dieses Problem nicht behoben, wird der Euro nicht überleben. Faktisch setzt sich die EZB bereits über dieses Verbot hinweg, da sie im Rahmen des Pandemic-Bond-Programms angekündigt hat, unabhängig vom jeweiligen Kapitalschlüssel notfalls Staatsanleihen zu kaufen. Diese werden Banken und Fonds jedoch auf dem Sekundärmarkt abgekauft. Das ist überflüssig.
      Der ESM ist in seinem Volumen begrenzt und aufgrund der Kürzungsauflagen ungeeignet. Er erhöht überdies die Staatsverschuldung von Ländern wie Spanien und Italien und schafft damit das Risiko einer neuen Eurokrise.“
      Quelle: Die Linke

      Anmerkung Marco Wenzel: Siehe dazu auch: Das „gemeinsame Europa“ stirbt.

    2. ESM-Kredite ohne Austerität? Von wegen
      Keine Troika, kein Austeritätskurs: Mit diesen Versprechen wollen Kanzlerin Merkel und Finanzminister Scholz den Krisenländern die umstrittenen ESM-Kredite schmackhaft machen. Dabei soll es sehr wohl Konditionen geben, wie ein “Nonpaper” aus dem BMF zeigt.
      (…) Italien, Spanien und andere hilfsbedürftige Länder sollen sich also auf eine solide Budgetpolitik und “Disziplin” verpflichten. Dafür ist ein “Memorandum of Understanding” (MoU) geplant – also genau das, was in der Eurokrise für böses Blut sorgte.
      Darin sollen die Kreditnehmer unterschreiben, dass sie die Fiskalregeln der EU künftig wieder einhalten. Dabei sind genau diese Regeln – der Stabilitätspakt, der Six-Pack etc – wegen der Krise ausgesetzt. Denn sie sind für einen massiven externen Schock nicht ausgelegt.
      Wenn Italien die Regeln nach dem Abflauen der Coronakrise wieder einhalten sollte, müsste es sein Budgetdefizit von derzeit 130 Prozent – und nach der Krise vielleicht 180 oder 200 Prozent – wieder auf 60 Prozent herunterfahren. So steht es im Stabilitätspakt.
      Wenn das keine Austeritätspolitik bedeutet…
      Interessant ist auch, dass die Regeleinhaltung von “den zuständigen EU–Institutionen” überwacht werden soll. Das wäre dann wohl der ESM und die EU–Kommission – womöglich auch der IWF, der an anderer Stelle des Non-Paper erwähnt wird.
      Damit wäre die “Troika” wiederauferstanden…
      Aber selbst wenn es nur ESM und Kommission sein sollten, so stünden Italien und andere Nehmerländer nach dieser “großzügigen” Hilfe unter Kontrolle Deutschlands. Denn beide “zuständigen EU–Institutionen” werden von Deutschen geleitet.
      Wundert sich da noch jemand, dass sich Italien und Spanien sträuben, über ESM-Hilfen zu sprechen?
      Quelle: Lost in Europe
    3. Germany First (III)
      Druck auf Berlin in Sachen “Coronabonds” ist gestiegen – auch aus dem deutschen Establishment: Ihre Einführung könnte deutsche EU-Profite sichern.
      Berlin/Brüssel (Eigener Bericht) – Trotz massivsten Drucks anderer EU-Staaten und zuletzt auch aus dem Inland hat die Bundesregierung auf der gestern begonnenen Videokonferenz der Euro-Finanzminister die Einführung von “Coronabonds” zu verhindern versucht. Hatten zunächst vor allem Italien, Spanien und Frankreich auf die Maßnahme gedrungen, so sind inzwischen auch Stimmen im deutschen Establishment laut geworden, die Bundesregierung dürfe sich der Maßnahme nicht mehr verweigern. Ursache ist, wie etwa führende Politiker von Bündnis 90/Die Grünen erklären, dass ein ökonomischer Kollaps Italiens und Spaniens bedeutende Absatzmärkte der deutschen Exportindustrie schwer beschädigen würde – und dass sich beide Länder, falls deutsche Hilfe ausbleibe, China zuwenden könnten; das müsse verhindert werden. Hinzu kommt, dass die “Coronabonds” Berlin zwar Kosten verursachen würden; für etwaige “Eurobonds” schätzten Fachleute diese vor Jahren auf kleinere zweistellige Milliardensummen. Doch profitiert Deutschland von der EU zugleich in dreistelliger Milliardenhöhe – pro Jahr…
      Aufs Ganze gegangen
      Dennoch blockierte die Bundesregierung auf der gestern begonnenen Videokonferenz der Euro-Finanzminister hartnäckig die Einführung zeitlich limitierter “Coronabonds”, nicht bereit, auch nur auf den geringsten Teil der deutschen Profite aus der europäischen Integration zu verzichten, selbst wenn dies letztlich sogar die Existenz der EU bedroht: Berlin geht aufs Ganze. Die Konferenz hielt in der Nacht vom gestrigen Dienstag auf den heutigen Mittwoch an; eine Pressekonferenz wurde zuletzt für heute um 10 Uhr in Aussicht gestellt.
      Quelle: German Foreign Policy
    4. Lammert kritisiert Merkels Widerstand gegen Corona-Bonds
      (…) In der CDU hat eine Debatte darüber begonnen, ob die Partei sich nicht doch für Corona-Bonds aussprechen sollte. Am Dienstag kritisierten zum ersten Mal prominente Christdemokraten den vehementen Widerstand der Bundesregierung gegen derartige gemeinschaftliche europäische Anleihen.
      Der langjährige Bundestagspräsident und heutige Vorsitzende der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, Norbert Lammert, sagte der Süddeutschen Zeitung, dass Deutschland “eine gemeinsame europäische Anleihe kategorisch verweigert, richtet längst politisch mehr Schaden an als an ökonomischen Entlastungen zu erwarten ist”. Mit Blick auf “die extreme Ausnahmesituation und die wachsende Verzweiflung in wichtigen Partnerländern” sei “der Eindruck einer limitierten Solidarität ökonomisch ebenso riskant wie er humanitär schwer erträglich ist”…
      Quelle: Süddeutsche Zeitung
  5. Das ist schon krass
    (…) 2008 hat Deutschland verhindert, dass es einen gemeinsamen europäischen Bankenrettungsfonds gibt. Jeder kehre vor der eigenen Tür, sagte damals sinngemäß Kanzlerin Angela Merkel…Diesen Fehler nun, trotz der Erfahrungen, zu wiederholen, ist empörend. Weil unter anderem Deutschland eine gemeinsame Antwort blockiert, steht zu befürchten, dass es wieder über Kreditvergabe an Einzelstaaten läuft – mit der Gefahr, dass eine neue Eurokrise entsteht.
    (…) Wir müssen unbedingt verhindern, dass es wieder massive Krisengewinner gibt. Wir sehen aktuell, wie der weltgrößte Hedgefonds mit gewaltigen Summen auf den Niedergang europäischer Konzerne spekuliert. Ein anderer Hedgefonds-Manager hat grade gesagt, dass er mit Wetten auf die Krise bereits 2,6 Milliarden Dollar verdient hat. Das ist schon krass: In einer Situation, wo die einen Leute Angst haben, dass sie morgen schon nicht mehr wissen, wie sie ihre Miete zahlen sollen, weil ihnen sämtliche Einnahmen wegbrechen, machen andere aus der Notlage ein enorm lukratives Geschäft. In der Krise findet teils schon wieder eine Umverteilung von unten nach oben statt, und das ist unerträglich.
    Was wäre denn überfällig?
    Nehmen wir zum Beispiel die Frage des Trennbankengesetzes… Das muss wieder auf die Tagesordnung. Oder nehmen wir den Puffer für Krisenzeiten, das Eigenkapital der Banken. Das sieht heute etwas besser aus als noch 2008, aber lange noch nicht gut genug: Normale Unternehmen haben 20 bis 30 Prozent Eigenkapital, das ist in der Regel ein solides Polster. Aber bei Banken sind wir immer noch im niedrigen einstelligen Bereich…Noch ein Beispiel für ein gutes Vorhaben ist eine umfassende Finanztransaktionssteuer – auch eine Forderung aus der letzten Krise. Doch was Olaf Scholz dazu vorgelegt hat, ist ja nur noch ein kümmerlicher Rest.
    (…) Wir müssen die Krisenmaßnahmen jetzt auch nutzen, um die Transformation in Richtung einer nachhaltigeren Wirtschaft voranzubringen. Wir sehen immer wieder, dass der Finanzmarkt auch in normalen Zeiten viel zu sehr auf kurzfristige Geschäfte setzt. Da stehen Investitionen in eine CO2-neutrale Wirtschaft nicht oben auf der Prioritätenliste. Wenn der Staat jetzt einspringt, um Unternehmen zu retten, bin ich dagegen, dass er nur als stiller Teilhaber reingeht und die Klappe hält. Nein, ich finde, wenn der Steuerzahler einsteigt, dann muss man das auch als Chance nutzen, um die ökologische Transformation voranzutreiben.
    (…) Wenn’s wirklich wichtig ist, sind gigantische Maßnahmen ganz kurzfristig möglich. Aktuell, weil es darum geht, das Leben von vielen Menschen und unsere Gesundheit zu schützen. Dafür werden zurecht drastische Maßnahmen umgesetzt. Aber sobald der Zeitspielraum ein bisschen länger ist – ich spreche von der Klimakrise –, scheint es noch nicht einmal möglich zu sein, Kohlekraftwerken kurzfristig eine Ausgangssperre für CO2 zu verordnen. Und ich glaube, das macht uns noch einmal deutlich, dass ganz viel, von dem, was wir häufig beklagen, einfach einem mangelnden politischen Willen geschuldet ist. Also müssen wir diesem Willen auf die Sprünge helfen.
    Quelle: Kontext

    Dazu: Wer trägt die langfristigen Kosten der Covid-19-Wirtschaftskrise
    Solidarischer Lastenausgleichsfonds mit einer Vermögensabgabe
    (…) Die Frage, wer am Ende die Rechnung bezahlt, birgt neue Sprengkraft. Die Sorge, dass die Superreichen an der Spitze der Vermögenspyramide mal wieder geschont werden, ist groß. Dem muss ein Corona-Sozialvertrag entgegengesetzt werden. Im Mittelpunkt stehen Maßnahmen zur Absicherung der sozial und ökonomisch besonders Betroffenen. Allerdings sind Mitnahmeeffekte etwa großer, kapitalstarker Unternehmen auszuschließen. Einzelhandelsketten wie Adidas, H&M sowie Media/Saturn stehen ausgesetzte Mietzahlungen wegen ihrer Kapitalstärke nicht zu.
    Wer aber bezahlt nach der Rückkehr zur Normalität die Rechnung für die massiv angestiegenen Staatsschulden? Zur Abschätzung des Gesamtvolumens sowie zur Verteilung der Finanzlasten wird eine schrittweise Vorgehensweise vorgeschlagen:
    In der derzeitigen Phase der tiefen Rezession ist die staatliche Kreditaufnahme zur Finanzierung des aktuellen Nachtragshaushalts und eines dringend erforderlichen Konjunkturprogramms mit ökologischen Investitionsschwerpunkten alternativlos. Dafür sprechen auch die Niedrigzinsen und der ausbleibende Inflationsschub. Allerdings wird nur ein Teil der durch die aufgelaufenen Staatsschulden im nachfolgenden Aufschwung wieder getilgt werden können….Die Gefahr ist groß, dass dieser Überhang an strukturellen Staatsschulden wie in früheren Jahren unter dem Druck der „schwarzen Null“ durch eine Austeritätspolitik mit Kürzungen in den Sozialhaushalten bzw. der Erhöhung von Massensteuern abgebaut werden wird. Die von der aktuellen Krise sozial Belasteten wären dadurch auch noch über Jahrzehnte belastet. Diese in der Schuldenbremse angelegte Option muss ausgeschlossen werden. Denn nur eine glaubhafte Garantie sozialer Gerechtigkeit stärkt das politische Vertrauen in diesen schwierigen Zeiten und damit auch die Akzeptanz temporärer Einschränkungen des Lebens sowie die unterschiedlich verteilten Einkommensverluste. Auch dürfen angesichts der Klimakatastrophe die Investitionen in den ökologischen Umbau nicht geopfert werden…
    (…) Wer finanziert die längerfristigen staatlichen Kosten der Corona-Katastrophe?
    Der Druck, eine akzeptable Lösung zur Finanzierung der Gelder für die Schutzschirme zu finden, ist groß…
    (…) Ein Lastenausgleichsfonds, wie ihn der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte mit Blick auf das Nachkriegs-Lastenausgleichsgesetz von 1952 vorschlägt, weist finanzstrategisch und verteilungspolitisch in die richtige Richtung… Beim Lastenausgleichsgesetz von 1952 lag die Abgabe auf das erfasste Vermögen bei 50%. Im Sinne der Gleichbehandlung wird die Vermögensabgabe ohne Unterschiede auf das Realvermögen (also auch auf Immobilien) und das Geldvermögen erhoben. Wichtigste Zielgruppe dieser Abgabe sind die privaten Haushalte in der Spitzengruppe der Reichen. Grobschlächtig vergleichbare Vorschläge haben Saskia Esken (SPD) und Bernd Riexinger (DIE LINKE) unterbreitet…
    Quelle: Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

  6. Die Entwicklungsländer und das Virus
    Von Heiner Flassbeck
    Die globale Pandemie lässt fast niemanden aus. Es ist höchste Zeit, den Entwicklungsländern schnell und rigoros Hilfe zu leisten. Das ist möglich, wenn die Industrieländer auch hier ihre ökonomischen Dogmen schleunigst über Bord werfen.
    (…) Noch viel gravierender in ihren Folgen sind dogmatische Tabus für die Entwicklungsländer. Für die meisten von ihnen ist die Bekämpfung der Krise wesentlich schwieriger, da das Ausmaß der benötigten Hilfe größer und die aus eigener Kraft verfügbaren Mittel geringer sind als in den Industrieländern… Angesichts des Potenzials an Leid und Schäden, die bei einer nicht angemessenen Reaktion der Wirtschaftspolitik in diesen Ländern drohen, ist es unausweichlich, dass die Industrieländer im eigenen Interesse diesen Ländern schnell und in großem Maßstab helfen.
    (…) Für Europa und die USA ist mittlerweile den meisten Beobachtern klar, dass eine Abfederung des Schocks durch die Fiskalpolitik nur möglich ist, wenn die Geldpolitik die Fiskalpolitik mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt. Im Kern: Der Großteil der finanziellen Mittel, über die Staaten in dieser Krise verfügen müssen, kommt direkt oder indirekt von deren Zentralbanken, wird also aus dem Nichts geschaffen.
    Die Rolle der Zentralbanken ist dabei, den Spekulanten an den Anleihemärkten das Handwerk zu legen…
    Für die Entwicklungsländer, die zwar eigene Währungen haben, deren Wechselkurse aber sehr stark von den Finanzmärkten bestimmt werden, gibt es diese einfache Lösung nicht. Es besteht bei monetär unterstützten großen fiskalischen Hilfsprogrammen die Gefahr, dass die Währungen weiter abstürzen, weil die „Märkte“ erwarten (und darauf spekulieren), dass sich selbst die jetzt erreichten niedrigen Wechselkurse im Verlauf dieser Krise nicht werden halten lassen…
    (…) Der Ausweg: Temporär feste Wechselkurse
    Aus der Zwickmühle zwischen Zins und Wechselkurs gibt es einen einfachen Ausweg, der absolut naheliegend ist, wenn man sich über die herkömmlichen ökonomischen Dogmen hinwegsetzt. Um den Entwicklungsländern die in dieser Krise lebensnotwendige monetäre Freiheit zu geben, die für große Industrieländer nahezu selbstverständlich ist, muss man den Entwicklungsländern für die Zeit der Bekämpfung des Corona-Schocks – sagen wir: für die nächsten zwölf Monate – eine Wechselkursgarantie geben. Ihre Währungen sollten weiter gehandelt werden, aber einen bestimmten Wert zum US-Dollar oder zum Euro nicht unterschreiten…
    Quelle: Makoskop
  7. Vereinigung Cockpit verurteilt Einstellung des Flugbetriebs bei Germanwings
    Die Vereinigung Cockpit hat heute mit vollkommenem Unverständnis die Mitteilung der Lufthansa Group zur Kenntnis genommen, dass der Flugbetrieb bei Germanwings dauerhaft eingestellt und die Firma abgewickelt werden soll. Noch letzte Woche hatten sich die Gewerkschaften mit dem Management der Germanwings auf eine Vereinbarung zur Kurzarbeit verständigt, um dem Unternehmen in der aktuellen Krise finanziellen Spielraum zu verschaffen.
    (…) „Das Management hat offenbar die aktuelle Lage genutzt, die Umstrukturierung des Konzerns auf dem Rücken der Mitarbeiter voran zu treiben. Diese Vorgehensweise verunsichert nun tausende Mitarbeiter bei Germanwings und der gesamten Lufthansa-Gruppe,” so Markus Wahl, Präsident der Vereinigung Cockpit. „Gelebte Sozialpartnerschaft sieht – auch und gerade in Krisenzeiten – anders aus. Wir erwarten vom Management, die eigenen Ankündigungen ernst zu nehmen und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Zukunft im Unternehmen zu ermöglichen.”
    (…) Niemand kann mit Gewissheit sagen, wie das Kundenverhalten nach der Krise sein wird, auch nicht der Vorstand der Lufthansa. Öfter schon lag man bei Krisen in der Vergangenheit daneben. Vor dem Hintergrund, dass zur Überbrückung der Krisenzeit zum Arbeitsplatzerhalt staatliche Hilfen in Anspruch genommen werden sollen, ist das für die Mitarbeiter eine Zumutung und es drängt sich der Verdacht auf, dass die Krise zur dauerhaften Absenkung der Tarife genutzt werden soll. Die Vereinigung Cockpit verurteilt das Vorgehen des Lufthansa-Managements scharf.
    Quelle: Vereinigung Cockpit
  8. Systemrelevante Berufe: Kostenloser Applaus reicht nicht!
    Krankenpfleger, Verkäuferinnen, LKW-Fahrer – sie alle halten in der aktuellen Corona-Krise den Laden am Laufen. Was erhalten sie dafür? Höchste gesundheitliche Risiken und Applaus. Was verdienen Sie? Viel zu wenig! Mit “Corona-Boni” ist es nicht getan. Flächendeckende Tarifverträge mit einer höheren Bezahlung müssen her. Und das nicht erst seit Corona…
    Als die jüngste Finanzkrise ihren Lauf nahm, musste die Bundesrepublik mit Milliarden die Verursacher retten. Schließlich sind Banken systemrelevant. Wenn es hierzulande um Steuersenkungen geht, sind meistens Entlastungen für Spitzenverdienende gemeint. Schließlich sind sie die Leistungsträger. Aber in Corona-Zeiten läuft vieles anders: Mittlerweile ist völlig klar, wer wirklich unverzichtbare Arbeit für die Gesellschaft leistet. Ohne die Beschäftigten in den systemrelevanten Berufen ist die gegenwärtige Lage nicht zu meistern. Von Balkonen wird applaudiert, die Bundeskanzlerin ist voll des Lobes und im Bundestag gibt es Standing Ovations. Aber warum hat es dazu erst eine Pandemie gebraucht?
    (…) Infolge dieser Fakten ist es mit kostenlosem Applaus nicht mehr getan. Konsequent wäre: Mehr Geld für die Beschäftigten!
    (…) Systemrelevante Beschäftigte verdienen endlich anständige Bezahlung
    Parallel muss die Politik endlich Farbe bekennen. Auf Bundesebene sind die Möglichkeiten für allgemeinverbindliche branchenweite Tarifverträge zu erweitern. Die Landesregierung muss wiederum dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge nur noch an tarifgebundene Unternehmen vergeben werden. Und schließlich können alle dazu beitragen, dass das augenblickliche Bewusstsein über die Corona-Ära hinaus Bestand hat. Denn die systemrelevanten Leistungsträger verdienen nicht nur Beifall, sondern deutlich mehr Geld auf dem Konto!
    Quelle: Schlaglicht Niedersachsen
  9. Der Arbeitsagentur droht während der Corona-Krise der Kollaps
    IT-Experten der Bundesbehörde warnen vor Notabschaltung von Tausenden Homeoffice-Arbeitsplätzen.
    Tatsächlich sind die Agenturen und Jobcenter aber geschlossen. Seit dem 18. März gibt es keinen Zugang zu den Geschäftsstellen mehr. Alles läuft nur noch per Telefon, Fax oder Mail. Auch die Mitarbeiter selbst arbeiten oft zu Hause, um Infektionsrisiken zu minimieren oder weil sie sich um ihre Kinder kümmern müssen, die nicht in Kita oder Schule können. „Wir haben das Angebot, im Homeoffice zu arbeiten, deutlich ausgeweitet“, heißt es in der Nürnberger Zentrale der Bundesagentur für Arbeit (BA)…
    (…) Risiko eines Hardware-Ausfalls
    Dennoch schlägt der IT-Bereich der Bundesagentur inzwischen Alarm. Da sich die Nutzung weiter auf die Kernarbeitsstunden zwischen 7 bis 15 Uhr konzentrieren würde, entstünden immer wieder sogenannte Überlastsituationen. Mitarbeiter könnten sich nicht einwählen, obwohl Kapazitäten frei sind. Schließlich könne es zu Ausfall der Hardware kommen.
    In einer entsprechenden Mail an die Arbeitsagenturen heißt es: „Wenn wir das aktuelle Nutzerverhalten für die Plattform nicht umgehend ändern und strukturieren, wird dies dazu führen, dass es zu weiteren gravierenden Defekten kommt, die Plattform in Kürze nicht betrieben werden kann und dann notgedrungen komplett abgeschaltet werden muss.“ Folge: Bundesweit könnten Tausende BA-Arbeitsplätze nicht mehr besetzt werden.
    Quelle: Berliner Zeitung
  10. Betten statt Bajonette
    Frankreich: Gewerkschaften und Intellektuelle fordern für »Zeit nach dem Virus« starken Sozialstaat und Rücknahme von Notstandsgesetzen
    Der für den gesamten April geltende, gewerkschaftliche Streikaufruf für den öffentlichen Dienst in Frankreich verlangt nicht nur den Schutz für das Personal im Krankenhaus oder bei der Müllabfuhr. Er stellt auch die autoritären Maßnahmen der Regierung und die damit verbundenen »neuen Aufgaben« der Polizei in Frage…
    (…) Das Krankenhauspersonal Frankreichs weiß nicht erst seit dem Ausbruch der Pandemie, dass sein Kampf gegen das Coronavirus vor allem durch den eklatanten Mangel an Betten und Material geprägt ist. Bereits seit einem Jahr streiken, an wechselnden Standorten im Land, Ärzte, Krankenpfleger und Schwestern der Intensivstationen. Nicht etwa für mehr Lohn, sondern für die Einstellung einiger hundert medizinischer Fachkräfte.
    Ende 2019 gab die staatliche Direktion für Statistik Zahlen bekannt, die selbst die politische Rechte Frankreichs schockierten. Allein in den vergangenen sechs Jahren – unter dem sozialdemokratischen Präsidenten François Hollande, dessen strammem Premier Manuel Valls sowie dem amtierenden neoliberalen Staatschef Emmanuel Macron und seinem Ministerpräsidenten Edouard Philippe – büßte das Gesundheitssystem des Landes 17.500 Betten und mehr als tausend Personalstellen ein…
    (…) Aus- und aufgerüstet wurde dafür die Polizei, die mit neuen Waffen und einem gnadenlosen Pariser Polizeipräfekten Didier Lallement den Protest der „Gelbwesten“ und den Widerstand gegen Macrons sogenannte Rentenreform in Schach zu halten hatte…
    Vor autoritären Maßnahmen und der Ermächtigung der Regierung, das Land mit Dekreten und ohne Parlament zu regieren, warnte der in Frankreich preisgekrönte Sience-Fiction-Schriftsteller Alain Damasio in der vergangenen Woche. „Die Polizei darf nicht der bewaffnete Arm einer ungeheuer inkompetenten Gesundheitspolitik sein.“ … „Wurde die unter dem Alibi angeblicher Gewalt der Gelbwesten forcierte, haarsträubende Rücknahme demokratischer Rechte staatlicherseits noch einmal überdacht? Keineswegs.« Damasio empfiehlt auch den Lohnabhängigen »Misstrauen, höchstes Misstrauen. Für die Zeit nach dem Coronavirus“.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Marco Wenzel: Lesen Sie dazu auch: Frankreich und die Pandemie Sowie: Frankreich: Kommunalwahlen in den Zeiten des Coronavirus.

  11. Vom Niedergang grundrechtlicher Denkkategorien in der Corona-Pandemie
    Wir beklagen zurzeit Grundrechtseingriffe ungeahnten Ausmaßes. Wir müssen aber noch etwas beklagen, nämlich einen ziemlich flächendeckenden Ausfall rechtsstaatlicher Argumentationsstandards. Zwar betonen die Entscheider, die momentan mit Rechtsverordnungen Grundrechte suspendieren, immer wieder, wie schwer ihnen dies falle. Dem rechtlich wie ethisch gebotenen Umgang mit den Grundrechten wird die momentane Rechtfertigungsrhetorik jedoch nicht gerecht. Grundrechte können nur unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden. Der Eingriff unterliegt einem Rationalitätstest anhand von faktenorientierten Maßstäben und einer Verantwortbarkeitskontrolle orientiert an normativen Maßstäben.
    Zunächst geht es um Faktenfragen: Es darf vor allem kein milderes Mittel geben. Können die gewählten Mittel das Ziel, dem der Eingriff dient, überhaupt fördern? Sind weniger invasive Mittel denkbar? Um diese Fragen zu beurteilen, muss man wissen, auf welche Bedrohung reagiert wird. Sodann dürfen die für dieses Ziel eingesetzten Mittel andere Rechtsgüter nicht unangemessen verkürzen. Jetzt geht es um eine normative Frage. Das rechtsstaatliche Rechtfertigungsprogramm von Grundrechtseingriffen operiert mit einigen Grundkategorien: Schutzgüter, Eingriffsintensität, mildere Mittel, Kausalität und Zurechnung. Die mit diesen Kategorien verbundenen Denkvorgänge finden momentan ganz weitgehend nicht statt. Wenn wir momentan einen „Ausnahmezustand“ erleben, dann ist es ein Ausnahmezustand im juristischen Denken. (…)
    Wir wissen zwar nicht, wie sich das dynamische Schutzgut Gesundheitssystem entwickelt, wir wissen eines aber mit Sicherheit: Die Freiheiten werden jetzt verletzt: Jetzt werden die Existenzen vernichtet. Jetzt wird Bildungsungleichheit erzeugt. Jetzt wird auch die Gesundheit vernachlässigt, wenn OPs nicht mehr durchgeführt werden und Zahnärzte Kurzarbeit anmelden. Jetzt werden die Staatsfinanzen ruiniert. Jetzt werden die Mittel für Ausgleichsmaßnahmen disponiert, die wir für Infrastruktur, Klimaschutz und Bildung vorgesehen hatten. Diese Schutzgüter werden jetzt geschädigt. Aber welchen Gesundheitsschutz versprechen wir uns, für den wir Freiheitseingriffe und Finanzrisiken in Kauf nehmen? Will der Staat jedem Patienten eine 14tägige intensivmedizinische Behandlung garantieren? Sollte er das – und damit Erwartungen wecken, die er ersichtlich nicht erfüllen kann? Was wäre bei einem verheerenden Terroranschlag: Ist dann auch jedem Opfer eine intensivmedizinische Betreuung garantiert? Es ist auch hier die Zeitdimension, die wir nicht in den Griff kriegen. Wie erstaunlich, dass der sichere Freiheitseingriff in der Gegenwart eingetauscht wird gegen einen unsicheren Gesundheitsschutz in der Zukunft. Abwägung kann man das jedenfalls nicht nennen. (…)
    Wir stehen vor Hygienemaßnahmen ganz anderer Art: Der Rechtsstaat ist schwer beschmutzt. Die rechtsstaatliche Hygiene muss dringend wieder hergestellt werden, sonst droht hier das größte Infektionsrisiko.
    Quelle: Oliver Lepsius in Verfassungsblog

    Dazu: Wie lange noch?
    (…) Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik sind sie so flächendeckend, so umfassend und so radikal eingeschränkt worden. Die Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger werden, wegen Corona, auf vorerst unabsehbare Zeit in bisher unvorstellbarer Weise beschnitten und aufgehoben – ohne großen gesetzgeberischen Aufwand, mit einem Fingerschnippen der Exekutive quasi.
    Es wurde eine Stimmung geschaffen, in der sich Menschenrechte und Menschenleben gegenüberstehen und die amtlich verordnete Aussetzung von Menschen- und Bürgerrechten als Preis für die Rettung von Menschenleben gilt…
    (…) Und es gibt kaum Protest dagegen und keine Demonstrationen; letztere sind ja heute verboten…
    Die Reaktion auf Corona verändert die gereifte Bundesrepublik. In einem Land mit einer bislang ausgeprägten Streitkultur verschwinden Kritik und Protest.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

  12. Morde an Aktivisten nehmen in Kolumbien auch unter der Ausgangssperre weiter zu
    Bogotá. Während die Öffentlichkeit ihre Aufmerksamkeit auf die Corona-Krise richtet, spitzt sich die systematische Mordwelle an sozialen Aktivisten in Kolumbien weiter zu.
    Seit dem Beginn der landesweiten Quarantäne vor zwei Wochen zählte das kolumbianische Institut für Friedens- und Entwicklungsstudien Indepaz bereits 14 getötete Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger. Senator Iván Cepeda warnte indes vor einer Zunahme der Morde inmitten der Corona-Pandemie, die weder im Land noch in der Weltgemeinschaft die nötige Aufmerksamkeit erhielten.
    Die Nationale Indigene Organisation Kolumbiens (ONIC) prangerte am vergangenen Dienstag die Ermordung zweier indigener Führer im Valle del Cauca an, die sich unter Einhaltung der verordneten Quarantäne in ihren Häusern aufhielten. Auch ONIC fordert, dass es während des Corona-Notstands kein Schweigen der Medien zu den anhaltenden Morden an sozialen Aktivisten geben dürfe. Das Wegsehen der Gesellschaft führe in einigen Teilen des Landes, wie in der Provinz Putumayo, zu einem erneuten Anstieg der Gewalt.
    (…) So wurde am 19.März auch einer der prominentesten Aktivisten aus Putumayo, Marcos Rivadeneira, von einer Gruppe bewaffneter Männer getötet. Rivadeneira war Mitglied des Vorstands des “Nationalen Agrarkoordinators” (CNA), einer der größten Kleinbauernnorganisationen des Landes, die zur Plattform der sozialen Bewegungen “Volkskongress” gehört. Er war auch Präsident des Kleinbauernverbandes von Puerto Asís.
    Der CNA macht den kolumbianischen Staat für die Ermordung Rivadeneiras verantwortlich. Landesweit prangern Menschenrechtsorganisationen die rechtskonservative Regierung von Iván Duque wegen ihrer Komplizenschaft an und fordern Maßnahmen zum Schutz der Menschen, die für die Rechte marginalisierter Teile der Gesellschaft kämpfen. Duques Regierung hat bislang keine Maßnahmen ergriffen. Die Forderungen der Organisationen bleiben unbeantwortet, während die Zahl der ermordeten Aktivisten weiter steigt.
    Quelle: Amerika 21
  13. Auf Sicht fahren ist grundfalsch
    (…) In der Politik hat die Floskel etwas mit Zurückhaltung zu tun, man will kein Risiko eingehen und nur solche Entscheidungen treffen, deren Folgen überschaubar sind. Legt man diesen Maßstab an die Corona-Politik von Bundes- und Landesregierungen an, muss sich aber schnell etwas ändern. Denn die Folgen eines längeren Shutdowns samt Einkommensverlusten für weite Teile der Bevölkerung sind dramatisch. Das Land steuert mit Volldampf in eine sehr lange Wirtschaftskrise hinein. Das ist sehr deutlich erkennbar.
    Finanzminister Olaf Scholz will laut einem Bericht der Tagesschau erst nach überwundener Krise ein Konjunkturpaket auflegen, das sich zudem an internationalen Klimazielen orientiert. Jetzt ergebe das offenbar noch keinen Sinn, muss man aus den Äußerungen schließen. Auch der SPD-Minister fährt wie seine konservativen Freunde aus der Union auf Sicht und verweist bis dahin auf den laufenden Haushalt der Großen Koalition, der seinen Angaben nach bereits hohe Investitionen beinhalte…
    Quelle: TauBlog

    Anmerkung Christian Reimann: Aber “fährt” die Politik – insbesondere Bundes- und Landesregierungen – tatsächlich “auf Sicht”? Nicht einmal die Zahlen, die Grundlage für die verfassungsrechtlich fragwürdigen Maßnahmen in dieser merk-würdigen Zeit sind, sind verlässlich. Offenbar “fährt” die Entscheidungsträgerschaft in Bund und Ländern vielmehr “blind”. Das mag der ökonomischen Kompetenz einiger Regierungsmitglieder entsprechen – vielen Bürgerinnen und Bürgern in der hiesigen Bevölkerung wird das jedoch schaden ..

  14. Die Wahrheit hinter der Schutzmaske
    Die französische Regierung behauptete, Schutzmasken könnten sogar schädlich sein. Der Grund dafür waren mangelnde Vorräte. Als erste Großstadt führt Nizza nun eine Mundschutzpflicht ein.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Jens Berger: Wenn es um Frankreich geht, zeigt auch die FAZ Angriffslust. Dabei ließe sich dieser Artikel auch 1:1 auf Deutschland und das RKI ummünzen.

  15. Soforthilfe und Solidarsemester
    Die Kultusminister der Länder wollen das Sommersemester nicht verloren geben. Um die Herausforderungen in der Corona-Krise zu meistern, brauche es Planungssicherheit und Flexibilität. In den Ohren notleidender Studierender klingt das wie Hohn. Ohne Job und ohne Geld wird Studieren kaum möglich sein. Aber der Druck auf die Politik wächst.
    Semester oder Nichtsemester – das ist hier die Frage. Zumindest könnte man das meinen angesichts der unverändert großen Ungewissheiten, wie es mit der Corona-Krise im Allgemeinen und den Hochschulen im Besonderen weitergeht. Während momentan noch keiner verlässlich sagen kann, ob die Gesellschaft in Wochen, Monaten oder mithin noch später zur Normalität zurückkehrt, haben sich die Wissenschaftsminister der Länder bereits festgelegt: „Das Sommersemester findet statt.“…
    Wischiwaschi
    Bei der KMK weiß man das auch, tut aber so, als wären kommende Probleme und Konflikte überschaubar und mit ein bisschen Geschick, Improvisation und gutem Willen locker zu bewältigen.
    … Wenn „Planungssicherheit“ und „Flexibilität“ in einem Satz auftauchen, ist Wischiwaschi die Devise. Der Arbeitsauftrag der Politik an die Hochschulen lautet denn auch: Macht mal – irgendwie! Alles soll zwar nach Möglichkeit über die Bühne gehen, muss aber auch nicht unbedingt.
    (…) „Ein Semester kann warten“
    Ähnlich argumentiert eine Initiative von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern, die sich unlängst in einem „offenen Brief aus Forschung und Lehre“ für ein „Nichtsemester“ ausgesprochen hatten. „Mindestens 85 Prozent der Lehrenden und Forschenden sind (sehr) prekär beschäftigt. Studierende, die erwerbstätig sind, Careverpflichtungen haben, über wackelige technische Infrastruktur und wenig Ressourcen verfügen, sind die Mehrheit, nicht die Ausnahme.“ Viele hätten zudem Aufenthalts- und Visa-Probleme. „Nennen wir es Nichtsemester, Fleximester, Optionalsemester, Kreativsemester …“, schreiben die Urheber des Briefs…
    (…) 50.000 für Soforthilfe
    Für den Moment treiben Studierende derzeit ohnedies andere Sorgen um als die Frage, wie sie den nächsten Schein machen oder die nächste Prüfung bestehen sollen. Nicht wenige bangen um ihre nackte Existenz – weil ihr Studijob plötzlich weggebrochen ist, Miete und Rechnungen zu begleichen sind und sie nicht wissen, womit sie ihr Mittagessen bezahlen sollen…
    Quelle: Studis online
  16. Wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt
    Wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt
    OBS-Diskussionspapier analysiert Zerrbilder und identifiziert Klischees in der Armutsberichterstattung
    Frankfurt/Main, den 7. April 2020 – Angehörige der Unterschichten bekommen im “Unterschichtenfernsehen” ein Zerrbild von sich selbst präsentiert – und die übrige Gesellschaft ignoriert das weitgehend: sowohl die Armut selbst, die mitten im reichen Deutschland existiert, als auch die medialen Klischees, die über die Betroffenen verbreitet werden. Dieses kritische Resümee zieht Autor Bernd Gäbler in “Armutszeugnis”, einer neuen OBS-Publikation über Fernsehberichterstattung.
    Der in Bielefeld lehrende Medienwissenschaftler Bernd Gäbler hat mehr als hundert Stunden RTL II geschaut und dann insbesondere Sendungen wie “Hartz und herzlich” und “Armes Deutschland – Stempeln oder abrackern?” unter die Lupe genommen. “Im Tarnkleid des Mitgefühls”, so Gäbler, “pflegt der Sender einen Extremismus des Elends und lockt besonders krasse Charaktere vor die Kamera.” Aber auch Formate von RTL wie “Zahltag! Ein Koffer voller Chancen” und zahlreiche Berichte von ARD und ZDF, in denen Armut thematisiert wird, werden beschrieben und bewertet.
    In den öffentlich-rechtlichen Sendern, so ein weiterer Befund, werde zwar qualitativ besser, aber zu stark saisonal und wenig nachhaltig über Armut berichtet. Insbesondere in fiktionalen Produktionen werde zu oft ausschließlich aus der Perspektive einer wohlhabenden Mittelschicht auf die Gesellschaft geblickt. Anders als in Nachbarländern – Ken Loach in Großbritannien, die Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne in Belgien oder Ladj Ly in Frankreich – gebe es in Deutschland keine Schule des sozial-realistischen Films. Interessante Interviews mit Senderverantwortlichen (Marcus Niehaves, ZDF), Reportern (Holger Baars, Radio Bremen) und der Regisseurin Aelrun Goette ergänzen die Analysen. Besonders aufschlussreich ist, was die 25-jährige Jacqueline Paetzel aus Bremerhaven über die Dreharbeiten preisgibt (“Ich bereue das total”). Sie hat als Protagonistin “Jacky P.” in “Armes Deutschland – Stempeln oder abrackern?”, ein auch von Gäbler untersuchtes Format, mitgemacht.
    Quelle 1: Otto Brenner Stiftung
    Quelle 2: Armutszeugnis (Studie) – Otto Brenner Stiftung
  17. Kritik des Rubikon in der Corona-Krise
    Weite Teile des digitalen, alternativen Mainstreams sind in Anbetracht der Corona-Krise auf die gleiche Linie eingeschwenkt. Demnach haben wir es mit einem Staatsstreich zu tun, der den neuen Faschismus einführt. Covid-19 selbst sei dagegen „nicht schlimmer als die Grippe“ oder gar: „ein Fake“. Rubikon ist unter der energischen Führung seines Herausgebers Jens Wernicke federführend für diese Linie. Florian Kirner findet sie verantwortungslos und kritisiert, dass alles, was wir dem Mainstream-Journalismus vorwerfen, nun auch im Bereich der „alternativen“ Medien zu beobachten ist.
    „Die Welt hat Männerschnupfen.“ So fasst ein Autor des Rubikon die Gefährlichkeit des Corona-Virus zusammen. Männerschnupfen, das ist also dieser scherzhafte Ausdruck für die selbstmitleidige Hysterie, die die Herren der Schöpfung bei jeder noch so harmlosen Erkältung befällt.
    Wer ist der Mann, der dies so schreibt? Was qualifiziert ihn zu dieser Aussage? Ist er Mediziner? Virologe? Epidemiologe? Hat er nennenswerte wissenschaftliche Kenntnisse in für die Corona-Einschätzung relevanten Fachgebieten?
    Nun, es handelt sich um einen Studenten der Politologie und der Theaterwissenschaften. Auf meine kritische Nachfrage erfahre ich, er habe sich allerdings „bereits seit Wochen“ mit dem Thema beschäftigt, und zwar: „intensiv“.
    In einem neuen Video-Gespräch des Rubikon erfahren wir: „Vermutlich handelt es sich dabei um eine ziemlich normale grippale Infektion.“ Der, der diese Einschätzung tätigt, ist Kulturwissenschaftler und Theaterdramaturg. Inzwischen äußern sich im Rubikon auch Realschullehrer und gelernte Elektriker zu virologischen Fragen.
    Quelle: Die Freiheitsliebe
  18. Ich schäme mich – meines Berufsstands
    Harald Wiesendanger über die Massenmedien während der Corona-Krise
    Seit über 35 Jahren arbeite ich als Wissenschaftsjournalist, mit Schwerpunkt Medizin. Jederzeit konnte ich dazu stehen, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene. Falls jedoch das, was Massenmedien in der Corona-Krise nahezu geschlossen abliefern, noch als „Journalismus“ durchgeht, so will ich damit nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun haben. Falls das, was sie sich als „Wissenschaft“ verkaufen lassen und unverdaut an ihre Zielgruppen weiterreichen, durchweg Wissenschaft ist, so räume ich schleunigst mein Arbeitsgebiet.
    Mit blankem Entsetzen und ohnmächtiger Wut verfolge ich das unwürdige Treiben gestandener Berufskollegen: vom Redakteur beim Nachrichtenmagazin über den „Tagesthemen“- und „Heute“-Moderator bis hin zum Mitarbeiter der Presseagentur, zum Rundfunkplauderer, zum Social-Media-Texter, zum Talkshow-Gastgeber. Ungefiltert bringen sie offizielle Horrorzahlen unters Volk, ohne zu hinterfragen, wie diese überhaupt zustande kommen; wie sie ausgewertet werden; was sie eigentlich besagen; wie es um andere Zahlen steht…
    (…) Wie ein Berufsstand, der als unabhängige, kritische, unvoreingenommene Vierte Gewalt die Mächtigen kontrollieren soll, ebenso blitzschnell wie nahezu einmütig derselben kollektiven Hysterie erliegen kann wie sein Publikum und sich für Hofberichterstattung, Regierungspropaganda, expertengläubige Vergötterung der Heiligen Kuh Wissenschaft hergibt: Das ist mir unbegreiflich, es widert mich an, ich habe genug davon, ich distanziere mich voller Fremdscham von dieser unwürdigen Performance. Wahrhaftigkeit und sorgfältige Recherche; Schutz der Ehre und Achtung der Würde von Menschen – auch solcher, die abweichende Meinungen vertreten; das Gegenchecken jeder Informationsquelle, egal wie glaubhaft sie auf den ersten Blick erscheinen mag; das Vermeiden sensationeller Darstellungen, die überzogene Hoffnungen oder Befürchtungen wecken könnten: All das zählt zu den obersten Geboten jedes Pressekodex…
    Quelle: Nachrichten-Fabrik
  19. Das Allerletzte: USA setzen Zahlungen an Weltgesundheitsorganisation aus
    US-Präsident Donald Trump hat gedroht, Beitragszahlungen seines Landes an die Weltgesundheitsorganisation zu stoppen. Die WHO habe bei der Corona-Pandemie schlecht reagiert, sagte Präsident Donald Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus zur Begründung. “Sie hätten es wissen müssen und haben es vermutlich gewusst.”
    Quelle: Tageschau

    Anmerkung Marco Wenzel: Zur Erinnerung, Mr. Trump: Die WHO hat bereits am 13. März das Coronavirus zu einer Pandemie erklärt und alle Länder aufgefordert, auf Eindämmung zu setzen und gleichzeitig ihre Bemühungen zur Bekämpfung der Krankheit zu forcieren. Dabei komme es wesentlich auf schnelles Handeln an, bei dem jeder Tag zähle. Aber Trump sowie auch sein Freund Boris Johnson wussten es natürlich besser und haben nicht auf die Warnungen der WHO gehört.


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