Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Europa verliert den Kampf der Bilder
Im Kampf gegen das Coronavirus läuft die europäische Solidarität nur zögerlich an. China und Russland stoßen in diese Lücke – und schlachten das propagandistisch aus. (…)
Kritiker argwöhnen, dass Moskau auch über den Umgang mit der Krise hinaus andere Interessen verfolgt. Die Aufbesserung des eigenen Images soll demnach dazu dienen, die Sanktionen aus der Welt zu schaffen, die die EU 2014 wegen der Ukrainekrise verhängte. Putins Sprecher Dmitrij Peskow stritt ab, dass die Unterstützung an irgendwelche Bedingungen geknüpft sei. Italien brauche in großem Maßstab Hilfe, und Russland helfe, wo es könne. (…)
Bei der PR-Kampagne gerät schnell in den Hintergrund, dass staatliche Stellen in China die vom Virus ausgehende Gefahr über Wochen vertuschten. Auch beschränkte sich die Propaganda nicht auf das In-Szene-Setzen von Hilfslieferungen: So leisteten chinesische Offizielle zuletzt noch einer Verschwörungstheorie Vorschub, wonach das Coronavirus vom US-Militär entwickelt und nach Wuhan eingeschleppt worden sei.
Quelle: Spiegel
Anmerkung Albrecht Müller: Dieses Machwerk muss man lesen, um zu erfassen, auf welchem kalten Kriegsniveau deutsche Journalisten inzwischen angekommen sind. Und zugleich keinerlei Einsicht, kein bisschen Reflexion über die Missetaten der EU und Deutschlands im Umgang mit den Südländern.
- Ja, man darf den wirtschaftlichen Schaden gegen Menschenleben abwägen
Deutschland erweckt den Eindruck, es könne sich einen monatelangen Lockdown ohne gravierende Folgen leisten. Das ist gefährlich. […]
Ja, man darf. Man muss sogar. Die freiheitliche Demokratie lebt von der offenen Debatte, von der Abwägung von Gütern, und gerade in einer existenziellen Krise darf sie das nicht aufgeben. Gerade die schwierigsten Entscheidungen dürfen nicht getroffen werden, ohne dass klar ist, was auf dem Spiel steht. Es ist weder unmoralisch noch zynisch, zu benennen, was gegeneinander abgewogen werden muss.
Das ist: die kurzfristige Katastrophe einer Ausbreitung des Virus gegen die langfristige einer Rezession und der politischen Verwerfungen, die mit ihr verbunden sein könnten. Menschenleben heute gegen das soziale Elend von morgen. Denn es steht ja zu befürchten, dass die Folgen eines wirtschaftlichen Niedergangs die Bedürftigsten besonders hart treffen werden.
Quelle: SPIEGEL Online
Anmerkung Jens Berger: Die Debatte um die Abwägbarkeit von Menschenleben und wirtschaftlichen Interessen wirkt seltsam verlogen. Natürlich wird von der Politik permanent abgewogen. Das fängt abstrakt bei der Rationierung im Gesundheitssystem an und reicht bis zu extremen Fragen. So werden die 120.000 Toten pro Jahr durch die Folgen des Rauchens stetig abgewogen gegen Umsatzzahlen, Werbebudgets und natürlich den Steuereinnahmen des States. Ähnlich verhält es sich mit den rund 74.000 Toten pro Jahr durch Alkohol, die gegen die Interessen der Winzer, Brauer, Gastronomen abgewogen werden. Anlässlich dieser Todesziffern stellt sich jedoch die Frage, nach welchem Maßstab derartige Abwägungen getroffen werden. Die wirtschaftlichen Verwerfungen durch den Lockdown sind um Potenzen schlimmer als mögliche Schäden durch ein hypothetisches Verbot von Tabak und Alkohol.
- Scharfe Kritik an ARD und ZDF wegen Berichterstattung zum Coronavirus
Der Medienwissenschaftler Otfried Jarren kritisiert die Berichterstattung des deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehens über das Coronavirus.
Seit Wochen treten immer die gleichen Experten und Politiker auf, die als Krisenmanager präsentiert würden, schreibt Jarren in einem Beitrag für den Fachdienst „epd Medien“. Dadurch inszeniere das Fernsehen zugleich Bedrohung und exekutive Macht – und betreibe „Systemjournalismus“. Vor allem der Norddeutsche Rundfunk falle ihm durch eine „besondere Form der Hofberichterstattung“ auf.
„Die Chefredaktionen haben abgedankt“, folgert Jarren. In der Berichterstattung fehlten „alle Unterscheidungen, die zu treffen und nach denen zu fragen wäre: Wer hat welche Expertise? Wer tritt in welcher Rolle auf?“ Gesendet würden zudem größtenteils einzelne Statements, eine echte Debatte zwischen Expertinnen und Experten entstehe nicht, schreibt der Medienwissenschaftler.
Quelle: Deutschlandfunk
- Klinikum Wolfsburg nimmt wegen Corona-Infektion keine neuen Patienten auf
Weil sich Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert haben, nimmt das Klinikum Wolfsburg keine neuen Patienten mehr auf. Die Stadt kämpft stark mit dem Virus, in einem Pflegeheim sind insgesamt 15 Menschen nach einer Covid-19-Erkrankung gestorben. […]
Zuvor teilte die Stadt mit, dass es im Hanns-Lilje-Heim drei weitere Todesopfer in Folge einer Coronavirus-Infektion gebe. Damit sind innerhalb von knapp einer Woche 15 Menschen in dem Alters- und Pflegeheim, in dem viele demente Menschen leben, nach einer Infektion mit dem Virus gestorben. Alleine am Freitag hatte die Stadt den Tod von sechs infizierten Frauen und zwei Männern im Alter zwischen 76 und 100 Jahren gemeldet.
Quelle: WELT
Lesen Sie dazu bitte auf den NachDenkSeiten die Artikel „Corona-Epizentrum Altenheim – wenn die Politik nicht handelt, droht eine Katastrophe mit Ansage“ und „Corona-Krise und der ‚real existierende Pflegealltag‘ in stationären Einrichtungen der Altenhilfe“.
- Coronavirus may have infected half of UK population — Oxford study
he new coronavirus may already have infected far more people in the UK than scientists had previously estimated — perhaps as much as half the population — according to modelling by researchers at the University of Oxford.
If the results are confirmed, they imply that fewer than one in a thousand of those infected with Covid-19 become ill enough to need hospital treatment, said Sunetra Gupta, professor of theoretical epidemiology, who led the study. The vast majority develop very mild symptoms or none at all.
“We need immediately to begin large-scale serological surveys — antibody testing — to assess what stage of the epidemic we are in now,” she said.
The modelling by Oxford’s Evolutionary Ecology of Infectious Disease group indicates that Covid-19 reached the UK by mid-January at the latest. Like many emerging infections, it spread invisibly for more than a month before the first transmissions within the UK were officially recorded at the end of February.
The research presents a very different view of the epidemic to the modelling at Imperial College London, which has strongly influenced government policy. “I am surprised that there has been such unqualified acceptance of the Imperial model,” said Prof Gupta.
Quelle: Financial Times
passend dazu: Substantial undocumented infection facilitates the rapid dissemination of novel coronavirus (SARS-CoV2).
Estimation of the prevalence and contagiousness of undocumented novel coronavirus (SARS-CoV2) infections is critical for understanding the overall prevalence and pandemic potential of this disease. Here we use observations of reported infection within China, in conjunction with mobility data, a networked dynamic metapopulation model and Bayesian inference, to infer critical epidemiological characteristics associated with SARS-CoV2, including the fraction of undocumented infections and their contagiousness. We estimate 86% of all infections were undocumented (95% CI: [82%-90%]) prior to 23 January 2020 travel restrictions. Per person, the transmission rate of undocumented infections was 55% of documented infections ([46%-62%]), yet, due to their greater numbers, undocumented infections were the infection source for 79% of documented cases. These findings explain the rapid geographic spread of SARS-CoV2 and indicate containment of this virus will be particularly challenging.
Quelle: American Association for the Advancement of Science
- Offener Brief an die Kanzlerin
Es ist ausdrücklich nicht mein Anliegen, die Gefahren der Viruserkrankung herunterzuspielen oder eine politische Botschaft zu kolportieren. Jedoch empfinde ich es als meine Pflicht, einen wissenschaftlichen Beitrag dazu zu leisten, die derzeitige Datenlage richtig einzuordnen, die Fakten, die wir bislang kennen, in Perspektive zu setzen – und darüberhinaus auch Fragen zu stellen, die in der hitzigen Diskussion unterzugehen drohen. Der Grund meiner Besorgnis liegt vor allem in den wirklich unabsehbaren sozioökonomischen Folgen der drastischen Eindämmungsmaßnahmen, die derzeit in weiten Teilen Europas Anwendungen finden und auch in Deutschland bereits in großem Maße praktiziert werden. Mein Wunsch ist es, kritisch – und mit der gebotenen Weitsicht – über die Vor- und Nachteile einer Einschränkung des öffentlichen Lebens und die daraus resultierenden Langzeiteffekte zu diskutieren. Dazu stellen sich mir fünf Fragen, die bislang nur unzureichend beantwortet wurden, aber für eine ausgewogene Analyse unentbehrlich sind.
…
1.Statistik
… Meine Frage: Wurde bei den Hochrechnungen zwischen symptomfreien Infizierten und tatsächlichen, erkrankten Patienten unterschieden – also Menschen, die Symptome entwickeln?
2.Gefährlichkeit
… Meine Frage: Wie sieht die gegenwärtige Auslastung von Intensivstationen mit Patienten mit diagnostizierten COVID-19 im Vergleich zu anderen CoronavirusInfektionen aus, und inwiefern werden diese Daten bei der weiteren Entscheidungsfindung der Bundesregierung berücksichtigt? Außerdem: Wurde die obige Studie in den bisherigen Planungen zur Kenntnis genommen? Auch hier muss natürlich gelten: Diagnostiziert heißt, dass das Virus auch maßgeblichen Anteil an dem Krankheitszustand des Patienten hat, und nicht etwa Vorerkrankungen eine größere Rolle spielen.
3.Verbreitung
… Meine Frage: Hat es bereits eine stichprobenartige Untersuchung der gesunden Allgemeinbevölkerung gegeben, um die Realausbreitung des Virus zu validieren, oder ist dies zeitnah vorgesehen?
4.Mortalität
… Meine Frage: Ist Deutschland dem Trend zum COVID-19 Generalverdacht einfach gefolgt? Und: gedenkt es, diese Kategorisierung weiterhin wie in anderen Ländern unkritisch fortzusetzen? Wie soll dann zwischen echten Corona-bedingten Todesfällen und zufälliger Viruspräsenz zum Todeszeitpunkt unterschieden werden?
5.Vergleichbarkeit
… Meine Frage: Welche Bemühungen werden unternommen, um der Bevölkerung diese elementaren Unterschiede nahe zu bringen und den Menschen verständlich zu machen, dass Szenarien wie in Italien oder Spanien hier nicht realistisch sind?
Quelle: Prof. em. Dr. med. Sucharit Bhakdi
Anmerkung: Die Aufnahme eines Hinweises bedeutet nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Lesen Sie dazu bitte auch die Anmerkung des NachDenkSeiten-Herausgebers Albrecht Müller zum Umgang der NachDenkSeiten mit verschiedenen Positionen zu Themen wie “Corona”.
- The real death toll for Covid-19 is at least 4 times the official numbers
Nembro, one of the municipalities most affected by Covid-19, should have had – under normal conditions – about 35 deaths. 158 people were registered dead this year by the municipal offices. But the number of deaths officially attributed to Covid-19 is 31 […]
It is extremely reasonable to think that these excess deaths are largely elderly or frail people who died at home or in residential facilities, without being hospitalized and without being swabbed to verify that they have actually become infected with Covid-19. Given the decline seen in the last few days after the peak, flock immunity has likely been attained in Nembro. To a certain degree, Nembro represents what would happen in Italy if everyone were infected by CoronaVirus, Covid-19: 600,000 people would die. The numbers of Nembro also suggest that we must take those official deaths and multiply them by at least 4 to have the real impact of Covid-19 in Italy, at this moment.
Our suggestion, therefore, is to take the data of the individual municipalities where there have been at least 10 official deaths due to Covid-19 and check if it corresponds to real deaths. Our fear is that not only the number of infected people have been largely underestimated due to the low number of swabs and tests carried out, and therefore the number of asymptomatics from the statistics have «disappeared», but that the case is also – through the data of the Municipalities – that of the dead. We are in the midst of an epoch-making event and to fight it we need credible data on the reality of the situation, disclosed transparently among all the experts and people who have to manage the crisis responsibly. Based on these data we can understand and decide what is right to do when it is required.
Quelle: Corrire della Sera
- Wie Merkel die EU-Institutionen ausbooten will
Beim EU-Krisengipfel war Merkel schwer unter Druck geraten. Neun EU-Staaten hatten neue, gemeinsame Finanz-Instrumente wie Coronabonds gefordert. Die EU-Institutionen sollten binnen zehn Tagen Vorschläge ausarbeiten, forderte Italiens Premier Conte.
Das Problem für Merkel: Die fünf Präsidenten der Institutionen sind eigentlich alle für Coronabonds. Es ist ganz ähnlich wie in der Eurokrise, wo sich die EU-Chefs bereits für Eurobonds ausgesprochen hatten. Damals drückte Merkel das weg.
Diesmal war es nicht ganz so einfach. Um das Problem zu lösen, verfiel Merkel auf einen Trick. Nicht die eigentlich zuständigen EU-Institutionen, sondern die Eurogruppe soll nun einen Plan ausarbeiten. Dabei ist das nur ein informelles Gremium. (…)
Wie raffiniert Merkels Trick ist, beschreibt der “Spiegel”:
Der Unterschied ist nicht nur für Feinschmecker der Brüsseler Ränkespiele entscheidend: die fünf Präsidenten der EU-Institutionen, also die Präsidenten von Rat, Europaparlament, Kommission, Europäischer Zentralbank und Eurogruppe zählen ganz überwiegend zu den Anhängern von sogenannten Coronabonds und gemeinsamen Schuldtiteln. Wenn man ihnen den Job gibt, Mittel gegen die Krise zu finden, stehen am Ende Coronabonds. In der Eurogruppe hingegen haben die Gegner dieser Instrumente, allen voran die Niederlande aber auch Deutschland deutlich mehr zu sagen.
Der Verfahrenstrick läuft darauf hinaus, die formal und rechtlich zuständigen EU-Institutionen auszuhebeln. Nicht einmal Merkels Busenfreundin von der Leyen darf am Finanzplan gegen die Mega-Krise mitwirken. Die EU-Kommission wird entmachtet.
Das Ganze ist aber noch pikanter. Denn während Merkel die Brüsseler Behörde in dieser brisanten Frage übergeht, will sie ihr gleichzeitig Sondervollmachten übertragen. Dabei geht es um die EU-Regeln, die wegen der Krise ausgesetzt worden sind, wie den Stabilitätspakt.
Die Bundesregierung fordert, dass die Kommission einen Fahrplan zur „schrittweisen Rücknahme der außergewöhnlichen Maßnahmen, die ergriffen worden sind“ vorlegen soll, meldet die FAZ. Das gehe aus einem internen Papier vom 24. März hervor.
Merkel schaffte es zwar nicht, ihre Wünsche eins zu eins in den Gipfelbeschluß zu überführen. Doch immerhin zeigt der Vorstoß, wie aktiv sie sein kann, wenn es darum geht, dass die EU nach den alten deutschen Regeln funktioniert…
Quelle: Lost in Europe
Dazu: Chronik des Versagens (V): Euro-Reform
Der Streit um “Coronabonds” wird immer schärfer. Frankreich hat sich der Kritik an Kanzlerin Merkel angeschlossen, Portugal attackiert die Niederlande, die Märkte sind verunsichert. Dahinter steckt ein viel größereres, chronisches Problem. (…)
Bei seinem Amtantritt vor drei Jahren hatte Macron zudem ein substantielles Euro-Budget und ein europäisches Schatzamt gefordert. Er wollte die Eurozone zum neuen, harten Kern der EU ausbauen und gegen “externe Schocks” absichern.
All das wurde von Merkel und ihrem niederländischen Dauer-Verbündeten Rutte systematisch abgeblockt. Das Euro-Budget schrumpfte zu einer winzigen Haushaltslinie im EU-Haushalt. Der Haushalt soll – wenn es nach Merkel und Rutte gehen – nun seinerseits schrumpfen.
Das führte schon im Februar zum Streit, ein erster EU-Budgetgipfel platzte. Sechs Wochen später ist die Lage noch viel ernster. Die EU hat kaum noch Finanzreserven, die Eurozone steht nackt da und kann jederzeit in eine neue Krise rutschen.
Dabei war wahrlich genug Zeit, auch an Warnungen hat es nicht gefehlt. “Man muß das Dach decken, solange die Sonne scheint”, hatte Ex-Kommissionschef Juncker schon 2018 gewarnt. – und durchgreifende Reformen gefordert.
Doch nichts geschah. Nicht einmal die 2012 beschlossene Bankenunion wurde vollendet. Deshalb geht es jetzt nicht mehr nur um Coronabonds oder um das EU-Budget (das auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben wurde). Es geht ums Ganze.
Die “gesamte europäische Struktur” könne ihre “Existenzberechtigung verlieren”, wenn die EU jetzt Fehlentscheidungen treffe, warnt Conte. Der Mann hat Recht. Nun rächt es sich, dass Merkel und Rutte alle Reformen verhindert haben…
Quelle: Lost in Europe
- Immer mehr Händler stoppen Mietzahlung
Immer mehr bekannte Handelsunternehmen stoppen wegen der im Kampf gegen das Coronavirus angeordneten Ladenschließungen die Mietzahlungen für ihre Filialen in Deutschland.
Selbst große Handelsketten wie Deichmann oder H&M und bekannte Markenhersteller wie Adidas nutzen die im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie vorgesehene Möglichkeit zur Aussetzung der Miet- und Nebenkostenzahlungen. Das ergab am Freitag eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Beim Immobilienbesitzerverband Haus & Grund stieß das einseitige Vorgehen der Handelsketten auf scharfe Kritik.
Quelle: Donaukurier
Anmerkung unseres Lesers H.M.: Da handeln Konzerne wie Adidas, Media-Markt, Deichmann und Co. wie echte Unternehmer und nehmen Herausforderungen selbst in die Hand: Sie stoppen Mietzahlungen, üben Druck auf Eigentümer aus, verlangen ein finanzielles Entgegenkommen in der Krise. Und fordern nicht, wie sonst üblich, Geld von Papa Staat zur Subventionierung von meist beträchtlichen Gewerbemieten.
Das Beispiel sollte Schule machen auch bei kleineren Shop, Bäckereien, Cafes, Restaurants ect. Vermieter und Immobilienbesitzer müssten kleinere Brötchen backen, der Steuerzahler würde entlastet. Das wäre nicht das Ende des Immobilienmarktes, auch wenn der Verband der Haus- und Grundstücksbesitzer dieses Gespenst an die Wand malt. Hilfe nicht von Papa Staat, sprich allen Steuerzahlern, sondern von Immobilienbesitzern und Eigentümern. Von Adidas, Media-Markt, Deichmann und Co. können unsere Politiker, die sich hastig und panisch zu weite Spendierhosen übergestreift haben und mit Milliarden winken, noch etwas lernen.
Anmerkung unseres Lesers D.G.: Da hätte sich die Politik vorher Gedanken machen müssen, wenn man unterstützt. Die Unternehmen mit großer Kapitaldecke oder die mittleren bis kleinen mit sehr geringer Kapitaldecke. Letztere sind die, die in der Krise stark gefährdet sind.
Ist aber wohl auch so beabsichtigt, denn “der Staat ist das Machtinstrument der herrschenden Klasse” ( Marx Marx ), also der Konzerne.
Dazu auch: Die Mietaussetzungen von Adidas sind schamlos
Der Corona-Kündigungsschutz für Mieter ist eigentlich für den Notfall gedacht. Jetzt wird er von solventen Konzernen ausgenutzt. Dabei wäre jetzt die Zeit, über die eigene Bilanz hinauszublicken. Das gilt allerdings auch für manche Kleinvermieter.
Quelle: Welt
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ja, das ist schamlos, peinlich und moralisch verwerflich. Nur passt so eine Aussage nicht in eine Zeitung, die sonst immer nur der wirtschaftlichen Freiheit und dem ungehemmten Profitstreben das Wort redet. Adidas ist z. B. eine Aktiengesellschaft, deren Eigentümer unnötige Kosten (z. B. Mieten für nicht nutzbare Ladenflächen) anscheinend nicht akzeptieren. Wenn die Überprofite von Großunternehmen oder (z. B. im Fall von H&M) die unterirdischen Arbeitsbedingungen (niedrigste Löhne, Arbeit auf Abruf, harte Kontrollen der Arbeitnehmer…) für die WELT in “normalen” Zeiten OK sind (obwohl asozial und unsolidarisch) , warum nicht auch in Krisenzeiten?
- Wirtschaft fordert weitere steuerliche Entlastungen wegen der Coronakrise
Der BDI warnt trotz der jüngsten Rettungspakete vor existenzbedrohenden Liquiditätsproblemen bei Unternehmen. Der Wirtschaftsverband fordert deshalb weitere Hilfen.
Quelle: Handelsblatt
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Mir in unverständlich, dass solche Unglaublichkeiten nicht skandalisiert werden. Wir befinden uns in der (zumindest in Deutschland) schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, wahrscheinlich werden Hunderttausende, wenn nicht Millionen, Menschen an Covid-19 erkranken und viele Tausend sterben, und was treibt den BDI um? Der wärmt altbekannte Forderungen zum x-ten Mal auf, um auch noch aus der Katastrophe Profit zu ziehen. Sicher ist die Forderung richtig, die Unternehmensliquidität zu erhalten, und da würde ich auch die Stundung von Umsatz- und Körperschaftsteuer akzeptieren – aber Lohnsteuern müssen nur Unternehmen zahlen, die ihre Mitarbeiter weiter produktiv beschäftigen, um Gewinne zu erwirtschaften, die es sich also leisten können. Es geht nicht um die Kurzarbeiter, für die der Staat vollumfänglich aufkommt. Wenn die Unternehmen profitieren wollen, dann muss dasselbe Recht für Arbeitnehmer und den Staat gelten. Daß der BDI aber zu allem Überfluß – mitten in der Krise – weiterhin eine nochmalige Unternehmensteuersenkung fordert, ist unfaßbar: auf all die Forderungen nach direkter Subventionierung und nach der Zusage von Hilfszahlungen an die Unternehmen in Höhe von Hunderten Milliarden Euro, die vom Staat, also der Allgemeinheit, getragen werden, kommt nicht nur kein Angebot, sich angemessen zu beteiligen, sondern sogar die Weigerung, selbst den mickrigen bisherigen Anteil zu bezahlen. Mit anderen Worten: weitere Steuersenkungen für die Firmen, weitere Steuererhöhungen und Sozialkürzungen für die Arbeitnehmer. Wie antisozial im wahrsten Sinne des Wortes kann man eigentlich denken? “Soziale Marktwirktschaft” und “Corporate Social Responsibility” war natürlich schon immer Marketinggeschwätz.
- Berliner Krankenpflegerin klagt an: „Euren Applaus könnt ihr euch sonstwohin stecken“
ina Magdalena Böhmer, 28, ist Krankenpflegerin in Berlin. Hier schildert sie ihren Joballtag und erklärt, warum sie nachts nicht schlafen kann.
In diesen Tagen verabreden sich Menschen auf Balkonen, um anderen wie Nina Magdalena Böhmer Applaus zu geben für ihren Einsatz in der Coronakrise. Vor einigen Tagen postete die Krankenpflegerin auf Facebook frustriert und wütend: „Euren Applaus könnt ihr euch sonstwohin stecken.“
Ich weiß, er ist als nette Geste gemeint. Aber glaubt mir: Es verändert absolut nichts. Ich bin gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin, früher sagte man Krankenschwester. Seit ich 16 bin arbeite ich in der Pflege, seit zwei Jahren auf einer peripheren Station in einer Berliner Klinik. Wie sie heißt, will ich nicht sagen, weil mein Arbeitgeber nichts für unser Gesundheitssystem kann. […]
Wenn ihr uns helfen wollt, dann klatscht nicht, singt nicht, unterschreibt lieber eine Online-Petitionen und wählt Parteien, die sich für uns einsetzen. Ich verrate nur so viel: Jens Spahn ist es nicht.
Quelle: Tagesspiegel
- Gesundheit von Kindern aus ärmeren Familien ist schlechter
Wenn Familien Hartz IV benötigen, leiden darunter oft die Kinder. Auch ihre Gesundheit ist oft schlechter als bei Gleichaltrigen, zeigen Informationen der Regierung.
Kinder und Jugendliche aus ärmeren Familien haben häufiger einen schlechten Gesundheitszustand und sind öfter von Entwicklungsverzögerungen, psychischen Auffälligkeiten oder Übergewicht betroffen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP im Bundestag hervor. Die Regierung trägt darin verschiedene Studienergebnisse zusammen.
Demnach ist zum Beispiel bei Jungen im Alter zwischen sieben und zehn Jahren, von denen kein Elternteil Vollzeit erwerbstätig ist, der allgemeinen Gesundheitszustand schlechter als bei Gleichaltrigen mit mindestens einem Vollzeit erwerbstätigen Elternteil. Zudem wiesen Kinder und Jugendliche aus ärmeren Familien ein erhöhtes Risiko für eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) auf. Den Daten zufolge liegt das Risiko um das 2,8- bis 4,4-fache höher.
Weiterhin nähmen betroffene Kinder und Jugendlich zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen deutlich weniger oft wahr. Außerdem ist das Ernährungsverhalten der Kinder und Jugendlichen laut den Studiendaten ungesünder. Zum Beispiel tränken sie deutlich häufiger zuckerhaltige Erfrischungsgetränke als Gleichaltrige.
Der sozialpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, Pascal Kober, der die Anfrage gestellt hatte, forderte, stärker die Alltagswirklichkeit in sozioökonomisch benachteiligten Milieus in den Blick zu nehmen. “Forderungen nach einem höheren Hartz-IV-Regelsatz oder einem bedingungslosen Grundeinkommen greifen zu kurz”, sagte Kober. Zweifel seien angebracht, “dass die mit vielen Milliarden finanzierten Hilfen des Sozialstaates die Menschen nicht früh genug erreichen”. Deshalb müssten die Hilfen präventiver ausgerichtet werden.
Quelle: ZEIT
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Daß es armen Kindern schlechter geht als den Kindern von Normalverdienern oder Reichen, liegt auf der Hand – überraschend ist höchstens, daß gerade die marktradikale FDP sich um solchen Sozialklimbim kümmert. Die weiteren Ausführungen sind dann doch nicht mehr so überraschend: die FDP fordert nicht eine Erhöhung der vorsätzlich kleingerechneten Hartz-IV-Sätze für Kinder oder gar die Einführung einer existenzsichernden Kindergrundsicherung, sondern die Erhöhung der Gelder für das Bildungs- und Teilhabepaket für Musik und Sportunterricht. Von satten 15 Euro im Monat (danke, Ursula von der Leyen) zu üppigen 30 Euro im Monat. Dass das hungrigen oder unzureichend gekleideten Kindern nichts nützt, daß solche Kinder wahrscheinlich sehr beengt leben müssen und leider keine Grünfläche um die Ecke haben, kein Thema. Man könnte kotzen über soviel soziale Empathie der FDP.
- “Wo landen wir da?” – Bundesärztekammerpräsident kritisiert Krisenmanagement der Bundesregierung
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, hat in einem vertraulichen Schreiben an Gesundheitsminister Jens Spahn das Krisenmanagement der Bundesregierung in der Corona-Epidemie scharf kritisiert. Das sogenannte Morning Briefing des früheren Handelsblatt-Herausgebers Gabor Steingart zitierte am Mittwoch ausführlich aus dem Papier, das in Kopie auch an das Kanzleramt ging.
Reinhardt kritisiert vor allem die schlechte Vorbereitung auf die Pandemie, die sich für ihn insbesondere in der unzureichenden Verfügbarkeit von Schutzmasken und Schutzbekleidung zeigt. In dem Schreiben heißt es:
Wir möchten an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass die zuletzt über die zentrale Beschaffung zur Verfügung gestellten Mengen an Schutzmasken in keiner Weise ausreichend sind.
Ambulant arbeitende Ärzte und Pfleger seien seit Wochen ohne angemessenen Schutz. Pflegekräfte besuchten ihre Patienten meist zu Hause und bewegten sich so ungeschützt “unter der am stärksten vom Risiko eines tödlichen Verlaufs behafteten Patientengruppe”. Weiter heißt es:
Hausärzte, die in ihrer Praxis täglich mit unter Umständen infizierten Patienten gezwungenermaßen ohne Schutzmasken Kontakt haben, müssen gleichwohl die normale Versorgung von zahlreichen Altenheim-Patienten gewährleisten. Der Fall einer Ketteninfektion in einem Altenheim in Würzburg mit neun Toten ist ein warnendes Beispiel.
Im Gespräch mit Steingart verschärfte der Präsident der Bundesärztekammer seine Kritik noch. Er sagte:
Ich muss ehrlich sagen: Das erschließt sich mir nicht, dass wir darauf nicht vorbereitet waren.
Er habe aus der Ärzteschaft die Rückmeldung erhalten, dass kein Schutzmaterial mehr vorhanden und zu beschaffen sei. Es sei “einfach vom Markt verschwunden”.
Reinhardt sprach sich auch gegen die von der Regierung verordnete Stilllegung des öffentlichen Lebens aus, den sogenannten Shutdown:
Wenn wir all diese Maßnahmen, die wir jetzt ausgesprochen haben, weiterführen, mit ihren Auswirkungen auf Wirtschaft, Psychologie der Menschen, soziales Miteinander und alles, was dazugehört, dann frage ich mich, wo landen wir da?
Statt der bereits diskutierten Ausgangssperre sprach sich Reinhardt für eine Isolierung der am meisten gefährdeten Gruppen der Bevölkerung aus. Ältere und vorbelastete Menschen sollten ausfindig gemacht und besonders geschützt werden:
Aber ich bin dafür, dass wir die nächsten Wochen nutzen, eine sehr saubere Stratifizierung zur Stabilisierung der Risikogruppen vorzunehmen anhand der existierenden Daten. Und zwar aller Daten, die wir zur Verfügung haben.
Diese Gruppen sollten in verschiedene Kategorien und Risikoklassen eingeteilt werden, für die unterschiedliche Schutzmaßnahmen vorgesehen werden müssten. Gleichzeitig sollte behutsam damit begonnen werden, wieder soziales Leben und wirtschaftliche Aktivitäten zuzulassen.
Die Kritik des Präsidenten der Bundesärztekammer an der Bundesregierung ist bemerkenswert, weil er der Regierung gleichzeitig vorwirft, zu wenig und zu viel zu tun. Zu wenig in der Vorbereitung und der Bereitstellung von Schutzmaterial. Der Mangel an diesem ist für ein Land wie Deutschland mit seiner entwickelten Chemie- und Maschinenbauindustrie ohnehin kaum nachzuvollziehen.
Zum anderen kritisiert Reinhardt den Shutdown faktisch als Überreaktion, der aus medizinischer Sicht nicht zielführend ist und erhebliche soziale und wirtschaftliche Schäden anrichtet.
Quelle: RT Deutsch
Anmerkung Christian Reimann: Vielleicht ändern sich durch Äußerungen wie die des Präsidenten der Bundesärztekammer auch die steigenden Zustimmungswerte für CDU/CSU in den aktuellen Umfragen.
- Handel: ver.di fordert Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 90 Prozent
ver.di hat die Arbeitgeberverbände des Einzelhandel- und Versandhandels sowie des Groß- und Außenhandels, HDE und BGA, dazu aufgefordert, das Kurzarbeitergeld für alle Beschäftigten der Branchen per Tarifvertrag auf 90 Prozent des Nettolohns aufzustocken. Für niedrige Entgeltgruppen müssten zudem zusätzlich Sonderregelungen mit Besserstellungen vereinbart werden.
„Die aktuellen, gesetzlichen Regelungen zum Kurzarbeitergeld von 60 bzw. 67 Prozent des Nettolohns sind völlig unzureichend. Die laufenden Kosten und notwendige Lebensmitteleinkäufe lassen sich damit überhaupt nicht bestreiten. So führt Kurzarbeit massenhaft in die Sozialhilfe. Das müssen wir verhindern. Es geht hier um ganz existenzielle wirtschaftliche Überlebensfragen für die Beschäftigten und ihre Familien“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger.
Sie verwies darauf, dass im Einzel- und Versandhandel nur noch 36 Prozent der Beschäftigten tarifgebunden seien und zudem oft nur noch Teilzeitverträge vergeben würden. „Das ist schon lange eine prekäre Situation mit niedrigen Einkommen, die sich massiv verschärft, wenn das Kurzarbeitergeld nicht deutlich aufgestockt wird.“ (…)
Beispiele zur Aufstockung des Kurzarbeitergelds in der aktuellen Krise gibt es bereits: So stockt Fielmann das Kurzarbeitergeld auf 100 Prozent auf. In der Systemgastronomie, einem Niedriglohnbereich (Organisationsbereich der Gewerkschaft NGG), ist vergangene Woche eine Aufstockung auf 90 Prozent vereinbart worden. Und: Ganz aktuell hat ver.di am 23. März 2020 mit den Arbeitgebern eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes für Filmschaffende vereinbart (ver.di-Pressemitteilung ).
Quelle: ver.di
Dazu: Personalmangel in der Lebensmittelbranche
Um Engpässe bei der Versorgung zu verhindern, sollen auch Studenten und Asylbewerber in Betrieben mithelfen. (…)
Man wolle jetzt Studenten zur Mitarbeit motivieren. Innenminister Horst Seehofer prüfe zudem, ob das Arbeitsverbot für Asylbewerber aufgehoben werden könne.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Anmerkung Christian Reimann: Soso, der Bundesminister, der vor nicht allzu langer Zeit noch die Migration als „Mutter aller politischen Probleme” bezeichnet hat, möchte jetzt sogar die Aufhebung des Arbeitsverbotes für Asylbewerber prüfen. Ist das nun Mitleid für Asylbewerber? Vermutlich dient dieses Ansinnen jedoch dem Zweck, mehr Druck auf dem Arbeitsmarkt und letztendlich auch auf das Gehalts- und Lohngefüge zu erzeugen.
- Grundrechte
- “In Krisenzeiten haben die Grundrechte keinen Ausschalter”
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über die Beschneidung der Grundrechte aufgrund der Coronakrise (…)
Das Bundesgesundheitsministerium soll mit Minister Spahn weitreichende Kompetenzen bekommen. Wie sehen Sie das Vorhaben?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Dass Minister Spahn zur Verbesserung der gesundheitlichen Infrastruktur mehr Befugnisse bekommt, erscheint richtig. Aber die Ermächtigungen zum Regieren durch Rechtsverordnungen sind meines Erachtens sehr weitgehend. Da hätte es schon mehr Rücksicht auf die Länder geben müssen und auch die Zustimmung des Bundestages stärker verankert werden müssen.
Welche Möglichkeiten hat Minister Spahn dann?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Anforderungen an Einreisende – Gesundheitsattest, ärztliche Untersuchung, umfassende Personalien – anzuordnen, Verpflichtungen von Transportunternehmen, Reiseveranstaltern u.a. zur Verhinderung von Infektionen auszusprechen, Rechtsverordnungen zur Sicherstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten jeglicher Art zu erlassen wie auch Rechtsverordnungen zur Aufrechterhaltung der medizinischen, pflegerischen, gesundheitlichen Versorgung. Bedenklich halte ich, dass das Gesundheitsministerium per Rechtsverordnung von allen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes und anderer Gesetze abweichen kann. Gesetze sollen nur vom Parlament und nicht von der Exekutive quasi als Blankoermächtigung geändert werden.
Gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagte Rechtsprofessor Florian Meinel, das Vorhaben sei gefährlich, da dürfe man kein Auge zudrücken, sondern müsste beide öffnen.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Genau so ist es. Auch in Krisensituationen gelten die Gewaltenteilung und die Grundrechte.
Derzeit wird als Ausweg aus der Situation immer wieder der Blick hin zu einem Impfstoff gelenkt. In dem neuen Gesetzespaket finden sich dann auch die Möglichkeiten für Melde- und Untersuchungspflichten. Würde das Gesetzespaket auch die Zwangsimpfung von Bürgern ermöglichen? Oder anders gefragt: Wäre eine Zwangsimpfung in Sachen Corona überhaupt verfassungsrechtlich zulässig?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Ich sehe keine ausdrückliche Ermächtigung zu einer Impfpflicht aller Menschen in Deutschland. Das ist höchst problematisch und kann ich mir schwer vorstellen.
Auch aus datenschutzrechtlicher Sicht passiert hier gerade Bedenkliches. Stichwort: Weitergabe von Handydaten an das Robert Koch Institut. Was ist hier passiert?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Minister Spahn möchte alle GPS-Ortungsdaten und Daten für umfassende Bewegungsprofile aller möglichen Kontaktpersonen von Infizierten erheben und verarbeiten. Das ist im ersten Anlauf aus Datenschutzgründen zu Recht gescheitert.
Quelle: Telepolis
- Grundrechtsfragen und Infektionsschutzgesetz
Freitag soll die Änderung des Infektionsschutzgesetzes durch den Bundesrat abgesegnet werden. Die jeweilige Bundesregierung erhielte zentrale Ermächtigungsmöglichkeiten: (…)
Die Versammlungsfreiheit wurde durch das so genannte Kontaktverbot von mehr als zwei Personen im öffentlichen Raum (mit Ausnahme von Familien) bereits durch gemeinsamen Beschluss der Ministerpräsident*innen am Sonntag eingeschränkt.
Mit dem Beschluss des Entwurfes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes durch den Bundesrat am Freitag könnten deratige Entscheidungen in Zukunft flugs durch den Bund beziehungsweise die jeweilige Bundesregierung getroffen werden.
So sollen Einreisende in die Bundesrepuplik bei der Feststellung einer “epidemischen Lage von nationaler Tragweite” verpflichtet werden, ihre Identität und Kontaktdaten sowie Informationen über ihren Gesundheitszustand preiszugeben und sich ärztlich untersuchen zu lassen (S.7).
Unternehmen, die grenzüberschreitend Reisende befördern sollen zur Datenweitergabe verpflichtet werden (S.7). Im Falle, dass Luftfahrtunternehmen dies nicht tun, kann das Gesundheitsamt die Fluggastdatenzentralstelle zur Herausgabe der Daten ersuchen (S.12).
Der aktuelle Entwurf vom 23.03.2020 sieht darüber hinaus eine weitere grundlegende Einschränkung der Grundrechte, nämlich die des “Rechts auf Körperliche Unversehrtheit” (S. 10) vor.
In Absatz 3 heißt es hierzu, dass die Rechtsverordnung (ohne Zustimmung des Bundesrates) Ausnahmen von den Vorschriften des Gesetzes vorsieht. So können in Bezug auf den Infektionsschutz sowie die gesundheitlichen Anforderungen an Personal beim Umgang mit Lebensmitteln Ausnahmen zugelassen werden, “um die Abläufe im Gesundheitswesen und die Versorgung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten” (siehe S. 7).
Im Klartext heißt das, es kann davon abgesehen werden, medizinisches Personal und für die Grundversorgung zuständiges Personal zu schützen.
Die Feststellung einer “epidemischen Lage von nationaler Tragweite” soll zwar auf Verlangen des Bundestages oder des Bundesrates wieder aufgehoben werden können. Fraglich ist jedoch, wie und wann dies geschehen soll (S.1). (…)
Hinsichtlich der Gefahren, die sich im Hinblick auf die Möglichkeiten einer zentralistisch veranlassten Einschränkung unserer Grundrechte, die nun auch durch ein Viertel der Bundestagsabgeordneten bestimmt werden kann, ergeben können, möchte ich mich abschließend Gero von Randow anschließen, der die geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes bereits am 21.3.2020 in der Zeit online wie folgt bewertet hat:
“So wenig in Zeiten schwerer Krisen das Widerwort geschätzt wird und sich alles um die Staatsspitze versammelt, so essenziell wird die kritische Beobachtung der Macht. Sagen wir es so: Kritik ist systemrelevant.”
Wehret den Anfängen!
Quelle: der Freitag
Anmerkung Christian Reimann: Zwar hatte z.B. auch die „Süddeutsche Zeitung“ über diese Gesetzesänderungen berichtet. Aber sie sind weder in der politischen Diskussion noch medial so stark in den Vordergrund gerückt worden wie der sogenannte Corona-Schutzschirm. Bitte lesen Sie dazu auch
- „Wir kommen da durch“
- Corona und die Selbstentmachtung der Parlamente
- Snowden warnt: Aktuelle Eingriffe in die Freiheitsrechte werden Corona überdauern
Alle Maßnahmen erfolgten vor dem Hintergrund bzw. aus vorgegebener oder tatsächlicher Sorge über potentielle Patientinnen und Patienten oder schlimme Zustände in hiesigen Krankenhäusern – insbesondere auf den Intensivstationen. Kaum jemand stellt jedoch noch die Frage, wieso es zu den seit Jahren bekannten miserablen Zuständen im Gesundheitssystem – nicht lediglich in Krankenhäusern, sondern z.B. auch in Pflegeheimen – kommen konnte und wer dafür verantwortlich ist. Bitte lesen Sie dazu z.B. auch Personalmangel und Kostendruck: Wenn Stationen und Krankenhäuser schließen, Coronavirus und das kaputtgesparte Gesundheitssystem und Heuchler, Profiteure und andere Menschenfreunde – „Corona“ als Anlass für kollektive demokratische Selbstorganisation.
Mit anderen Worten: Die Geschichte wird offenbar manipulativ, Ursache und Anlass verwechselnd und verkürzend erzählt – beginnend mit der Corona-Krise und eben nicht mit der neoliberalen Kürzungs- und Privatisierungspolitik im Gesundheitssystem.
- Wenn Demonstranten zu “Gefährdern” erklärt werden
Die autoritären Krisenmaßnahmen zielen weniger auf Gesundheitsschutz als auf die Erzwingung politischen Gehorsams
Es herrscht Willkür in Schland. Die Polizei versucht mit massiver Präsenz weniger das Kontaktverbot zu kontrollieren, als den öffentlichen Raum zu leeren. Es scheint nicht um Infektionsschutz, sondern um die Erzwingung von Gehorsam zu gehen. Und ein Kanzleramtsminister legt mal so nebenbei im Wege der Verkündung fest, dass die Kontaktbeschränkungen auf jeden Fall bis zum 20. April zu bestehen haben, während sie in Berlin tatsächlich nur bis zum 5. April 2020 gelten. Niemand widerspricht dem Merkel-Minister.
Quelle: Telepolis
- Verfassungsbruch in Vorbereitung
Bisher liefen die Vorbereitungen für einen großen Inlandseinsatz der Bundeswehr in kleinen Schritten. Am 14. März forderte Bayerns Ministerpräsident Söder einen flächendeckenden Inlandseinsatz der Bundeswehr. In der Bundespressekonferenz am 19. März präsentierte die Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer die Strategie der Bundeswehr für ihren Einsatz gegen die Corona-Pandemie. Dabei brachte sie auch den Einsatz von Soldat*innen für den Objektschutz von Kritischer Infrastruktur in Deutschland ins Gespräch. Generalinspekteur Zorn beschwichtigte noch, indem er behauptete, die Bundeswehr werde nicht Streife fahren oder „Corona-Partys“ auflösen. Durch einen Bericht der Stuttgarter Zeitung am gestrigen 26. März wurde bekannt, dass das Innenministerium von Baden-Württemberg mit der Bundeswehr im Gespräch ist, ob nicht Soldat*innen, die wegen einem hohen Krankenstand geschwächte Polizei unterstützen könnte. Damit stehen auch gemeinsame Patrouillen von Polizist*innen und bewaffneten Soldat*innen in der Öffentlichkeit im Raum.
Am heutigen 27. März übertraf ein Bericht des Spiegels alle Befürchtungen: Die Bundeswehr macht mobil. Bis zum 3. April sollen 15.000 Soldat*innen für den Einsatz im Inland bereitstehen.
Nach den aktuellen Plänen sollen in einer Woche 6.000 Soldat*innen für die nicht weiter definierte „Unterstützung der Bevölkerung“, 2500 Logistiksoldat*innen mit 500 Lastwagen für „Lagerung, Transport, Umschlag“ und 18 Dekontaminationsgruppen mit etwa 250 Soldat*innen der ABC-Abwehr für Desinfektionsaufgaben zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sollen allerdings auch über 6.000 Soldat*innen, 5.500 für „Absicherung/Schutz“ und 600 Militärpolizist*innen der Feldjäger für „Ordnungs-/Verkehrsdienst“ einsatzbereit gemacht werden. (…)
Dass es in der aktuellen Corona-Pandemie für Innenminister Seehofer nicht so wichtig ist, was das (Grund)gesetz sagt, bewies er bereits in der Pressekonferenz zur Ankündigung von Grenzschließungen am 15. März. Auf die Frage eines Reporters nach der Rechtsgrundlage der Grenzschließungen antwortete er: „Da gibt’s den Artikel 28 des Schengener Grenzkodex. Aber jetzt muss ich ihnen ganz ehrlich mal sagen; Es ist schön, wenn man so eine Grundlage hat, aber im Moment geht mir der Gesundheitsschutz der Bevölkerung über alles. Es gibt auch Notsituationen, wo ein Staat, selbst wenn so ein Artikel nicht vorhanden wäre, handeln müsste.“ Damit spielte Seehofer bereits vor knapp zwei Wochen mit der Rechtsfigur des ‚übergesetzlichen Notstands‘ und damit mit der Option die Verfassung angesichts der aktuellen Lage bewusst und offensiv zu brechen.
Was den Einsatz der Bundeswehr in Inland angeht ist jetzt der Punkt gekommen, wo sich auf diesen Verfassungsbruch aktiv vorbereitet wird. Ist dieser Geist erst einmal aus der Flasche, wird er dahin so schnell nicht zurückkehren.
Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.
Anmerkung Christian Reimann: Das Anliegen, die Bundeswehr auch im Inneren einsetzen zu können bzw. zu dürfen, war insbesondere vom derzeitigen Präsidenten des Deutschen Bundestages, Herrn Schäuble (CDU), forciert worden. Bitte lesen Sie zum Thema auch:
- GETEX II: Vollübung
- Kretschmann befürwortet gemeinsame Übung der Polizei mit der Bundeswehr
- Weißbuch für Sicherheitspolitik: Keine Grundgesetzänderung für Bundeswehr im Innern
- Ein weiterer Tabubruch: Bundesverfassungsgericht lässt den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu
In diesem Zusammenhang sei erneut an die Erläuterungen zur Charta der Grundrechte erinnert:
„So müssen die in der EMRK enthaltenen „Negativdefinitionen“ auch als Teil der Charta betrachtet werden:
Artikel 2 Absatz 2 EMRK:
„Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um
- jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
- jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
- einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen“.
Und weiter:
„Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht vorgesehen sind, und in Übereinstimmung mit dessen Bestimmungen angewendet werden …“.
Die Erläuterungen sind offenbar nicht lediglich Regelungen für die Ausführungen des Gesetzes, sondern – und das ist unüblich – dem Gesetzestext gleichgestellt. So nachlesbar im Amtsblatt der Europäischen Union vom 14.12.2007.
- Fake-News-Lawine zu RT Deutsch: RND verfälscht Aussage des Innenministeriums
Die von dem Boulevardblatt Bild am Dienstag losgetretene Welle von Falschinformationen über RT Deutsch und dessen Berichterstattung über die Corona-Epidemie setzt sich fort. Bild hatte behauptet, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachte RT Deutsch deswegen. Das Springer-Medium musste nach einer Intervention des Verfassungsschutzes zurückrudern und änderte seinen Artikel am Mittwochvormittag.
Das hinderte andere Medien nicht daran, auf diesen Zug aufzuspringen und wahrheitswidrig über eine Beobachtung von RT Deutsch durch den Verfassungsschutz wegen angeblicher falscher Berichterstattung über die Epidemie zu berichten. Die Nachrichtenagentur AFP verbreitete eine entsprechende Meldung, die etwa der Berliner Tagesspiegel aufgriff.
Für den vorläufigen Höhepunkt dieser Fake-News-Lawine sorgte am Donnerstagvormittag das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Dieses übernahm nicht nur die Falschmeldung des Tagesspiegel, sondern legte dem Sprecher des Bundesinnenministeriums in der Bundespressekonferenz auch Aussagen in den Mund, die dieser nie getätigt hatte. In dem RND-Artikel heißt es:
Ein Sprecher des Innenministeriums teilte mit, dass “die öffentliche Sicherheit und Ordnung” durch “gezielte Falschmeldungen” bedroht sei. Zum Beispiel habe RT Deutsch behauptet, dass Händewaschen nicht vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus helfe, so der Sprecher.
Der Sprecher Steve Alter hatte auf die Frage eines Journalisten der Deutschen Welle zur angeblichen Beobachtung von RT Deutsch durch die Sicherheitsbehörden festgestellt, dass RT Deutsch den Behörden bekannt sei. Er hatte außerdem erklärt, dass die Behörden allgemein auf eine mögliche Instrumentalisierung der Epidemie achteten.
Quelle: RT Deutsch
Anmerkung C.G.: siehe auch hier.