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Titel: SYRIEN SEIT 9 JAHREN IN QUARANTÄNE!
Datum: 19. März 2020 um 8:53 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufbau Gegenöffentlichkeit, Länderberichte
Verantwortlich: Redaktion
Der Leiter des Franziskanerklosters Bab Thouma in Damaskus, Pater Elia Karakach, hat einen Brief, einen Hilferuf, geschrieben. „Ich schreibe Euch aus dem Gefängnis“ – so beginnt seine Beschreibung der Lage in Syrien. Wenn er den Begriff „Gefängnis“ benutzt, dann meint er das anders, als es die hiesigen Politiker und Medien mehrheitlich meinen würden. Die Gefängnislage ist vor allem durch uns bewirkt worden. Bernd Duschner von der Hilfsorganisation „Freundschaft mit Valjevo“ aus Pfaffenhofen hat den Brief übersetzt und eingeleitet. Er bittet um unsere Unterstützung. Albrecht Müller.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Bernd Duschner: Seit 9 Jahren sind umfassende Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Syrien in Kraft. Mit ihnen verhindern USA, EU und Bundesregierung, dass SYRIEN und die syrischen Unternehmen auf dem Weltmarkt die Waren einkaufen können, die sie für die Versorgung ihrer Bürger benötigen. Massenarbeitslosigkeit, Verarmung und Verelendung von Millionen Menschen sind die unmittelbare Folge. In den syrischen Krankenhäusern fehlt es an notwendiger Ausrüstung und Medikamenten. Mit der Besetzung der Ölvorkommen in Syrien haben die USA zudem „sichergestellt“, dass es für die syrische Wirtschaft und Landwirtschaft keinen Treibstoff gibt und die Bevölkerung unter dem Mangel an Heizöl, Kochgas und Strom zu leiden hat.
Aktuell bittet unser Verein „Freundschaft mit Valjevo e.V.“ um Spenden für den Kauf von Notatmungsgeräten, Desinfektionsmitteln und Atemschutzmasken für das Italienische Krankenhaus in Damaskus auf unser Konto bei der Sparkasse Pfaffenhofen: Freundschaft mit Valjevo DE06 7215 1650 0008 0119 91.
Nachfolgend ein Brief zur diesjährigen Fastenzeit des Leiters (Guardian) des Franziskanerklosters Bab Thouma in Damaskus, Pater Elia Karakach:
Liebe Freunde,
ich schreibe Euch aus dem Gefängnis. Es kommt jetzt die Fastenzeit. Sie führt uns über den Weg der Buße zur Besserung. Es ist dies eine Zeit, in der wir aufgefordert sind, uns an der Seite derer zu stellen, die zu leiden haben, der Ausgegrenzten, mit denen sich der Herr Jesus identifiziert hat. Ausdrücklich werden die Inhaftierten im Gleichnis vom Endgericht in Mt 25, 31-46 genannt: „Ich war im Kerker und ihr seid gekommen, um mich aufzufinden.“
Ich bin hier im Gefängnis nicht allein, sondern teile die Haft mit allen meinen Landsleuten. Seit 2011 leben wir Syrer in der Tat in einem großen Gefängnis, in das uns die Politik des Westens gezwungen hat. Es sind dies die Länder, die für sich den Anspruch erheben, die Bürgerrechte zu verteidigen, aber gegen eine ganze Nation ein Embargo verhängen. Und wisst ihr, weshalb wir in diesem Gefängnis sind? Weil wir unser wunderschönes Land gegen Terroristen verteidigen möchten, die Syrien in das dunkelste Mittelalter zurückführen wollten.
Die Massenmedien lieben es heute, die Geschichte eines Kindes in das Lampenlicht zu rücken, das an Kälte gestorben ist oder die einer Familie, die gezwungen ist, vor Bomben zu fliehen. Die gleichen Medien aber erzählen Euch nichts von den Millionen Syrern, die unter der Kälte leiden, weil Heizöl fehlt, und die nicht immer ein warmes Essen erhalten, da es zum Kochen kein Gas gibt. Sie sagen Euch nichts von den Studenten, die nach Sonnenuntergang nicht studieren können, weil Strom fehlt. Sie verlieren kein Wort über die älteren Menschen, die auf sich gestellt sind, weil ihre Kinder emigrieren mussten. Sie informieren Euch nicht über die hohen Lebenshaltungskosten als Folge des Verfalls der syrischen Lira. Kein Wort verlieren sie Euch gegenüber über die jungen Soldaten, die bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt gegen die Terroristen kämpfen und nicht wissen, ob sie überleben werden. Sie berichten Euch nicht von den Kranken, die die erforderliche Behandlung nicht erhalten können, weil die „gemäßigten“ Terroristen die meisten Krankenhäuser zerstört haben und weil die Krankenhäuser, die in Betrieb sind, ihre Geräte wegen des Embargos nicht reparieren können. Mit Sicherheit werden sie auch nicht von den Bomben sprechen, die vor 2 Tagen einen jungen Universitätsangehörigen (in Damaskus) getötet haben und auch nicht über die unverhüllt feindseligen Reden Erdogans. Er hat beschlossen, in den Grundschulen die Sehnsucht nach einer Rückkehr des Osmanischen Reiches und der Wiedereroberung der Nachbarländer wie Syrien lehren zu lassen.
Die Massenmedien werden auch nicht über die Freude der Bewohner Aleppos berichten, seit es den nationalen Streitkräften gelungen ist, die westlichen Vororte von Aleppo zu befreien, von wo aus bis dahin Mörsergranaten auf die Zivilbevölkerung herabprasselten. Niemals werden sie Euch von der Freude aller Syrer über die Wiedereröffnung der Autobahn Damaskus – Aleppo und des Internationalen Flughafens von Aleppo berichten. Sie haben Hoffnung auf eine mögliche wirtschaftliche Erholung geweckt. Sie werden auch nicht über die angekündigte Reparatur der Eisenbahnlinie zwischen der syrischen Hauptstadt (Damaskus) und seinem Industriezentrum (Aleppo) informieren und über die Möglichkeit, nach 9 Jahren Krieg mit dem Zug reisen zu können.
Deshalb sage ich Euch, dass wir uns in einem Gefängnis befinden und unsere Nachrichten, die der Wahrheit entsprechen, nur spärlich verbreitet sind.
Manchmal kommt jemand zu uns auf Besuch und lässt uns spüren, dass wir ein Teil der Welt sind, gibt uns Hoffnung, wieder eine „normale“ Nation werden zu können, nicht abgeschnitten vom Rest der Welt.
Von diesem Gefängnis aus hören wir die traurigen und besorgniserregenden Nachrichten vom „Coronavirus“, das die Welt und unser geliebtes Italien befallen hat. Wir beten für Euch und manchmal sagen wir zu unserer eigenen Beruhigung, dass es dieses Mal ein Vorteil ist, sich im „Gefängnis“ zu befinden, weil zumindest dieses verfluchte Virus nicht leicht durch die Mauern um unsere Nation eindringen kann.
Aus dem „Gefängnis“ wünschen wir Euch alles Gute und einen guten Verlauf der Fastenzeit. Habt keine Angst. Jesus hat mit seinem Kreuz das Leiden, die Sünde und den Tod besiegt. Erinnert Euch daran in Eurer fastenzeitlichen Nächstenliebe.
Quelle: lantidiplomatico.it
Übersetzung aus dem Italienischen: Bernd Duschner
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=59411