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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 3. März 2020 um 8:15 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Das ist eine organisierte Aktion
  2. Idlib ist ein Terroristennest
  3. Erdogans kalte Erpressung
  4. Covid-19
  5. Vorreiter der Rechtsentwicklung in Europa
  6. Die Saat der Radikalen ist aufgegangen
  7. Im Schatten des Haushalts
  8. Kandidatur um Parteivorsitz CDU-Wirtschaftsflügel nominiert Merz
  9. Das Problem der Parallelgesellschaften
  10. Deutschlands Krankenversicherung ist eine Zweiklassenmedizin
  11. Emmanuel Macron will Rentenreform per Dekret durchsetzen
  12. Flüsse in Gefahr
  13. Wenn ich weiß wäre, müsste mein Kind keine Angst haben
  14. Rechtsextremismus im Netz: “Der Täter von Hanau wird jetzt schon glorifiziert”.
  15. SPD-Chef Walter-Borjans wirft Putin und Assad Völkerrechtsbruch vor
  16. Klassenkampf in Kreuzberg
  17. AfD Sachsen: Wer Arbeitslosengeld bekommt, soll nicht wählen dürfen?
  18. Ängste vor der Realität

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Das ist eine organisierte Aktion
    Das griechische Fernsehen zeigt, wie immer wieder Schlauchboote an der Küste von Lesbos und anderen Ägäis-Inseln ankommen. Schlauchboote, mit denen Flüchtlinge ein paar Stunden zuvor von der türkischen Küste abgelegt hatten. Die türkische Küstenwache hindert sie nicht daran. Das Meer ist ruhig – deshalb haben es schon Hunderte auf die Inseln geschafft.
    Ähnlich ist die Lage auf dem griechischen Festland im Norden: Über mehr als 100 Kilometer trennt der Fluss Evros Griechenland und die Türkei. Der Fluss ist zwar recht breit, aber nicht sehr tief. Manche schaffen es, durchzuwaten oder zu schwimmen.
    Andere haben sich Boote organisiert. Doch wer es hier auf die griechische Seite schafft, läuft Gefahr, im Gefängnis zu landen. “Diejenigen, die griechisches Territorium betreten haben, wurden festgenommen und inhaftiert”, sagt Verteidigungsminister Nikos Panagiotópoulos bei seinem Besuch an der Grenze. Griechische Behörden berichten bisher von über 70 solcher Festnahmen.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung Albrecht Müller: Alles schrecklich. Haben Sie schon etwas von Frau Merkel gehört? Wo bleibt das Modell „Offene Arme“? Wo ist das Modell „Pakt mit Erdogan“ geblieben? Die Flüchtlinge kommen mehrheitlich aus dem Irak, aus Afghanistan und Syrien – Länder gezeichnet und geschunden von den Kriegen und den Regimechanges des Westens. Was hat die Regierung Merkel getan, um die Ursachen zu bekämpfen? Nichts. Das Gegenteil.

  2. Idlib ist ein Terroristennest
    Bei vielen Beobachtern wächst die Sorge vor einem Krieg der Türkei mit Syrien und dessen Schutzmacht Russland.
    Diese Sorge teilt der Historiker und Politikwissenschaftler Götz Aly ausdrücklich nicht: „Ich glaube nicht, dass es da zu einem wirklich großen Konflikt kommt, das halte ich für ausgeschlossen.“
    Aly hebt zugleich die Unrechtmäßigkeit des türkischen Vorgehens hervor. „Die Türkei hat auf syrischem Territorium nichts verloren.“ Es werde so getan, „als würde da der NATO-Partner Türkei irgendwie zu Recht im Norden von Syrien rumbombadieren und rumschießen“ – dies sei aber nicht der Fall.
    Das militärische Vorgehen der Assad-Regierung und Russlands in Nordsyrien sei unvermeidlich. „Ich sehe keine Alternative“, so Aly. Idlib sei ein „Terroristennest“, dort säßen Kämpfer der Al-Nusra-Front, die zuletzt noch Aleppo beschossen hätten.
    Die aktuellen Angriffe der syrischen Armee auf Idlib forderten auch nicht mehr Opfer als die Attacken, die – ohne jeden Kommentar – durch den Irak und die USA zur Befreiung der Stadt Mossul vom IS im Sommer 2017 durchgeführt worden seien.
    Für Idlib gelte: „Man muss diesen Terroristen, die dort sitzen, das Wasser abgraben. Man muss sie zwingen, dass sie ihre Waffen niederlegen.“
    Niemand wolle, dass die Menschen in der nordsyrischen Region Idlib leiden. Die Kämpfer dort hätten allerdings längst die Waffen strecken können, betont der Historiker – „diese Chance haben sie nicht genutzt.“
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

    Anmerkung JK: Die Position Alys ist ein bemerkenswerter Kontrast zum offiziell gültigen Narrativ in den „Qualitätsmedien“. Hörenswert.

  3. Erdogans kalte Erpressung
    Idlib – das ist das neueste Synonym in diesem (Bürger-)Krieg, der Hunderttausende das Leben gekostet und Millionen zu Vertriebenen gemacht hat. Es steht für verbrecherisches Tun und niederträchtigen Zynismus, für das Scheitern regionaler Ambitionen und klägliche Passivität.
    Der syrische Machthaber Assad kämpft gegen die letzte von Rebellen gehaltene Provinz mit größter Brutalität; unter den Augen seines russischen Patrons und Komplizen begeht er schwerste Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung. Die militärische Intervention der Türkei droht ein Fiasko zu werden, ja sogar in einen großen zwischenstaatlichen Krieg auszuarten.
    In dieser Lage hat der türkische Präsident Erdogan die vielen Flüchtlinge, die im Land sind oder in die Türkei drängen, wieder als „Waffe“ entdeckt. Er lässt Zehntausende Menschen an die Grenze zu den EU-Ländern Griechenland und Bulgarien gelangen, um so den Druck auf die EU zu erhöhen, ihn, in welcher Form auch immer, stärker zu unterstützen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unsers Lesers H.K.: Kein Wort dazu, dass es sich bei den ‘Rebellen’ um radikalislamische Milizen handelt, die von der Türkei massiv unterstützt werden und ganz bewusst Zivilisten als Schutzschilde benutzen. Assad führt doch nur das zu ende, was der moralisch hochgerüstete Westen als Krieg gegen den Terror begonnen hatte. Und dies im eigenen Land. Der Westen hat sich mit seinem Nato-Mitglied Türkei verzockt und schaut auf die nächste Flüchtlingswelle wie das Kaninchen auf die Schlange. Wo ist der Friedensappell von Rot-Grün?

  4. Covid-19
    1. Spahn lehnt Grenzschließungen ab
      Die EU hält das Risiko für eine Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus in Europa nun für “hoch”. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) habe das Risikoniveau von “mittel auf hoch” gesetzt, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. “Mit anderen Worten: Das Virus breitet sich weiter aus.”
      Dennoch hält Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine Schließung von Grenzen weiter nicht für nötig. Auch die Absage von Großveranstaltungen oder die Schließung von Unternehmen sei nicht generell ratsam, sagte Spahn. Dies sei weiterhin nicht verhältnismäßig und angemessen.
      Grenzschließungen hätten massive Auswirkungen. Auch gegen eine Einstellung von Direktflügen zwischen China und Deutschland wandte sich Spahn.
      Quelle: n-tv

      Anmerkung JK: Obwohl sich eine flächendeckende Ausbreitung nicht mehr verhindern lässt, fallen Spahn dazu nur weitere Beschwichtigungen ein. Was durchaus nachvollziehbar ist, müsste man dann doch eingestehen, dass gerade die neoliberale Sparpolitik öffentliche Verwaltungen an den Rand der Handlungsunfähigkeit und der neoliberale Wahn der Kosteneffizienz die Krankenhäuser schon jetzt an ihre Belastungsgrenze gebracht hat. Das Fatale, man macht einfach weiter wie das seit Anfang dieses Jahres geltende MDK-Reformgesetz zeigt. Den Krankenhäusern droht damit für jeden Patienten, der zu lange im Krankenhaus bleibt, eine Strafzahlung von mindestens 300 Euro. Außerdem wird die Rechnung gekürzt. Schätzungen gehen davon aus, dass damit den Krankenhäusern bis zu 380 Millionen Euro allein in diesem Jahr verloren gehen könnten.

      Das agieren der Politik scheint dabei weiter durch die zynische Logik des Neoliberalismus bestimmt. Der Markt wird es irgendwie schon regeln und bevor es zu viel Staat gibt, dann eben ein paar Tote mehr, die letztendlich in der Statistik verschwinden. Das Traurige daran, auch die sich anbahnende Katastrophe wird vermutlich niemanden aufwecken obwohl hier so deutlich wie kaum der Irrsinn und die Folgen der neoliberalen Austeritätspolitik ersichtlich werden.

    2. Jetzt rächt sich, dass unser Gesundheitssystem auf Profit und Markt getrimmt wurde
      „Nach wie vor besteht kein Anlass zur Panik, aber angesichts der steigenden Zahlen von Corona-Infektionen in Deutschland müssen die Infektionsketten so weit wie möglich unterbrochen werden. Je langsamer sich eine Epidemie ausbreitet, desto größer ist die Chance, sie in einem Gesundheitssystem zu bewältigen, das durch Privatisierung ohnehin schon mit zu wenig Personal am Rande des Machbaren arbeiten muss. Anstatt etwa in blindem Aktionismus an den Grenzen Fiebertests durchzuführen oder Geflüchtete unter Generalverdacht zu stellen, müssen nun Großveranstaltungen abgesagt werden. Außerdem muss die Bevölkerung wesentlich besser über Hygieneregeln und richtiges Verhalten im Falle einer vermuteten Infektion aufgeklärt werden. Pressekonferenzen und Internetauftritte reichen hier auf keinen Fall aus“, erklärt Achim Kessler, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, anlässlich der heutigen Sondersitzung des Gesundheitsausschusses. Kessler weiter:
      „Jetzt rächt sich, dass unser Gesundheitssystem in den letzten Jahrzehnten auf Profit und Markt getrimmt wurde. Die Aufgabe eines öffentlichen Gesundheitssystems ist es, Vorkehrungen auch für Ausnahmesituationen und besondere Belastungen zu treffen. Das verträgt sich nicht mit
      gewinnorientierten Krankenhäusern, die über Fallpauschalen in einen Wettbewerb gezwungen werden. Es rechnet sich für Krankenhausbetreiber schlicht nicht, für den Ernstfall einer Epidemie Betten und Ressourcen vorzuhalten. Wir brauchen endlich wissenschaftlich fundierte Personalschlüssel, die dem tatsächlichen Bedarf entsprechen und Spielräume für Krisensituationen beinhalten. Außerdem müssen das Fallpauschalen-System abgeschafft und die Krankenhäuser bedarfsgerecht finanziert werden. Die Kürzungen bei den Gesundheitsämtern müssen zurückgenommen werden. Ihnen kommen während einer Epidemie zentrale Aufgaben zu. Die Kürzungspolitik der vergangenen Jahre ist völlig verantwortungslos.“
      Quelle: DIE LINKE
    3. Quarantäne mit Augenmaß?
      Der deutsche Gesundheitsminister gibt sich noch beruhigend, es bestünde (aktuell) nur ein geringes Risiko in Deutschland, alle Infizierten stünden unter Überwachung und seien in Behandlung. Aber auch er zeigt vorsichtshalber schon mal die Instrumente des Infektionsschutzgesetzes, sollte es zu einem ähnlichen Ausbreitungsfall wie in Italien kommen: Nicht nur die geliebten Bundesliga-Spiele würden abgesagt, auch die Verhängung von Quarantäne über ganze Städte wären bei uns ebenso möglich wie beim südeuropäischen Nachbarn. Alles solle aber mit Augenmaß und Verhältnismäßigkeit geschehen.
      Dabei macht gerade der Fall des Hotels auf Teneriffa deutlich, dass der Virus immer einen Schritt voraus ist. Gerade durch die bis zu 14tägige Inkubationszeit, in der die Infizierten noch gesund sind, sind solche Ausbreitungen in der mobilen Welt nicht aufzuhalten. Die Hoffnung auf eine Eindämmung in China oder doch wenigstens in den asiatischen Ländern ist spätestens mit der Ankunft der Epidemie im Iran und in Italien, in der die Infektionsketten nicht mehr eindeutig nachzuverfolgen sind, kaum noch aufrecht zu halten.
      Der Umfang und die Geschwindigkeit der modernen Mobilität hat in einem Umfang zugenommen, dass diese Versuche vielleicht von vornherein zum Scheitern verurteilt waren – im Vergleich zu 2003, als mit SARS ein anderer Corona-Virus auftrat, sind heute mehr als doppelt so viele Tourist*innen global unterwegs. Ebenso hat die Urbanisierung in den vergangenen 20 Jahren enorm zugenommen und damit die Verbreitungsmöglichkeiten von neu auftretenden Infektionen. …
      Quelle: medico
    4. WHO-Bericht lobt Chinas “kompromisslose und rigorose” Reaktion
      • In China geht die Zahl der neuen Coronavirus-Fälle deutlich zurück. Das berichtet ein internationales Forscherteam unter Führung der WHO.
      • Die Experten loben die schnelle und aggressive Reaktion der Behörden. Dazu zählen Reiseeinschränkungen, die Abriegelung ganzer Metropolen und ein massives Personalaufgebot.
      • Andere Länder dürften solche Maßnahmen eher scheuen. Isolation und Quarantänemaßnahmen wären aber auch in Deutschland rechtlich möglich. […]

      Der Bericht legt nahe, dass ihnen so gut wie keine Kontaktperson entging. Vor allem aber geht der Rückgang der Infektionen auf das rigorose Vorgehen Chinas zurück: “Die womöglich ambitionierteste, schnellste und aggressivste Anstrengung zur Krankheitseindämmung in der Geschichte”, nennt es der Bericht. Dazu gehörten Reiseeinschränkungen in weiten Teilen des Landes und die Abriegelung ganzer Metropolen. Etwa 50 Millionen Menschen waren von der Außenwelt abgeschottet. […]
      Weiter schreiben die Autoren: “Ein großer Teil der Weltgemeinschaft ist sowohl in der Geisteshaltung als auch materiell nicht bereit, solche Maßnahmen zu ergreifen”.
      Die Autoren raten daher anderen Ländern eher zu klassischen Maßnahmen des Seuchenschutzes.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung

      Anmerkung Jens Berger: Der Satz „Ein großer Teil der Weltgemeinschaft ist sowohl in der Geisteshaltung als auch materiell nicht bereit, solche Maßnahmen zu ergreifen” bringt es wohl auf den Punkt. Sehen wir es pragmatisch.

  5. Vorreiter der Rechtsentwicklung in Europa
    Wer den Brexit finanzierte, sich als Klassenkämpfer ausgab und die späte Rache am Wohlfahrtsstaat – Brexit: Die ungeschriebene Geschichte
    “Wir wollen die Kontrolle zurück.” Dass diese abstrakt richtige Parole der Brexiteers sich gegen “die EU” als Bürokratie und nicht vor allem gegen die hinter ihr stehenden Kapitalisten richtete, vor allem auch nicht gegen die im eigenen Land – das ist die bisher massivste Form des Populismus und der politischen Rechtsentwicklung in Europa – mitverursacht von der EU selbst.
    Enteignung der Kriegsgewinnler, Wohlfahrtsstaat
    Die Arbeiterklasse in Großbritannien hatte, ähnlich wie in Skandinavien, durch ihre Kämpfe nach dem 1. Weltkrieg politisches Gewicht gewonnen. Es blieb im 2. Weltkrieg verdeckt, wie immer in imperialistischen Kriegen. Der von den Leitmedien inszenierte Kriegsheld Churchill erwies sich sofort mit Kriegsende als gar nicht so beliebt. Er verlor die erste Nachkriegswahl krachend an die Labour Party.
    Die durch ihre Kriegsgewinne erblindeten Kapitalisten mussten Zugeständnisse machen, wie sie in diesem Ausmaß nirgends sonst in Westeuropa erreicht wurden: Die privaten Kriegsgewinnler der Bergwerke und der Stahl- und Kohleindustrie wurden enteignet. Die Gewerkschaften gewannen an Ansehen, die öffentliche Infrastruktur mit Schulen, Wasser, Schienenverkehr, Post wurde ausgebaut, ebenso das öffentliche und weithin kostenlose Gesundheitssystem und genossenschaftliche Wohnungen.
    Die Zustimmung zu den Reformen war sehr breit. Die Gewerkschaften wurden selbstbewusster. Die ersten Tory-Regierungen mussten noch in den 1970er Jahren heftige Streiks, Lohnerhöhungen und verbesserte Arbeitsbedingungen gerade der Bergarbeiter zähneknirschend hinnehmen.
    Quelle: Werner Rügemer auf Telepolis
  6. Die Saat der Radikalen ist aufgegangen
    Die AfD tut derzeit alles, um den Verdacht zu zerstreuen, sie sei ein Fall für den Verfassungsschutz. Nach dem Mord an Walter Lübcke sah sie dazu noch keinen Anlass, erst Kritik nach dem Massenmord in Hanau hat die Führung aufgeschreckt. Auch dabei sieht sie sich indessen als Opfer von Schmähungen und macht das vor allem an den Angriffen auf ihre Funktionäre fest.
    Der jüngste Anschlag auf das Auto des Vorsitzenden Tino Chrupalla in Sachsen ist eine besorgniserregende Fortsetzung solcher Angriffe, die mutmaßlich auf das Konto gewalttätiger „Antifaschisten“ gehen. Die sind ihrerseits Ziel solcher Attacken. Was für rechts gilt, gilt auch für links: Aus Worten werden Taten. Dem Fanatismus beider Seiten ist allerdings auch gemein, dass treffende Kritik schon als Hass und Hetzkampagne gebrandmarkt wird. So soll von zwei Seiten die Mitte eingeschüchtert werden.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers Michael Beier: Der Autor trägt mit dazu bei, dass die Saat der Rechtsextremen auch in der FAZ keimen darf, wenn er deren Unterstellung eines “linksterroristischen” Anschlags übernimmt, bevor irgendwelche dahingehenden polizeilichen Erkenntnisse vorliegen. Hauptsache, das heilige Hufeisen bleibt symmetrisch und “die alte Mitte” sakrosankt.

  7. Im Schatten des Haushalts
    Um nicht gegen die Schuldenbremse zu verstoßen, hat Hamburg seine öffentlichen Beteiligungen in eine Holdinggesellschaft ausgelagert. (…)
    Um auch in schlechteren Zeiten handlungsfähig zu bleiben, hatte der rot-grüne Senat unter Olaf Scholz (SPD) vorgesorgt und sich eine Art Schattenhaushalt geschaffen. Ein großer Teil des öffentlichen Engagements – vom Hafen bis zum Wohnbau – wurde in einer Holdinggesellschaft gebündelt. Sie hat wie jede private Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) grundsätzlich Zugang zum Kapitalmarkt – und kann daher weitgehend unabhängig vom öffentlichen Haushalt wirtschaften. (…)
    Der Bremer Professor Rudolf Hickel hat sich mit den Schuldenbremsen, die fast alle Länder in ihren Verfassungen verankert haben, beschäftigt. Das Hamburger Konzern-Modell sieht der Gründer der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ als Vorbild für eine Politik, die sich dennoch wirtschaftspolitische Spielräume erhalten will.
    Statt sich in umstrittene Öffentlich-Private-Partnerschaften zu flüchten, schafften „Staatlich-Öffentliche-Partnerschaften“ Spielraum für Investitionen. Damit werde der öffentliche Kapitalstock gestärkt und die ökonomische Wertschöpfungsbasis, „von der künftige Generationen profitieren werden“, sagt Hickel.
    Quelle: taz

    Anmerkung Christian Reimann: Wozu eigentlich noch die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse, wenn sie so einfach umgangen werden kann? Problematisch dürften für deren Abschaffung die Mehrheitsverhältnisse in den Entscheidungsgremien sein. Heutzutage (Kritiker haben jedoch von Anfang an auf die Nachteile hingewiesen!!!) muss festgestellt werden, dass insbesondere die Zustimmung der SPD zur Schuldenbremse ein fataler Fehler war – und verdeutlicht, dass die Partei kaum noch ökonomische Kompetenz besitzt.

    Führt Herr Scholz als Finanzminister eigentlich auch auf Bundesebene so eine Holdinggesellschaft ein? Oder gibt es sie bereits und kaum jemand weiß davon?

  8. Kandidatur um Parteivorsitz CDU-Wirtschaftsflügel nominiert Merz
    Der Wirtschaftsflügel der CDU hat sich als erste Vereinigung der Partei im Rennen um den künftigen Parteivorsitz aus der Deckung gewagt: Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) nominierte Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz als Kandidaten. Er sei “genau der Richtige”, um die dringend notwendige Neuausrichtung in der CDU voranzutreiben, teilte die Vereinigung mit.
    Die MIT erklärte, mit der Wahl von Merz zum Parteivorsitzenden würde die CDU mit ihren Inhalten wieder “klarer erkennbar und unterscheidbarer” von den politischen Mitbewerbern werden: “Mit seinen ordnungspolitischen Grundüberzeugungen, mit seinem überzeugten Kurs zu Fragen der inneren Sicherheit, Migration und Integration, seinem außenpolitischen Horizont und seiner klaren Sprache ist Friedrich Merz der aus Sicht der MIT am besten geeignete Kandidat.”
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: “Deutschland im Vormerz” ist ein Kapitel in Jens Bergers neuem Buch benannt. Was dort beschrieben ist, gibt eine kleine Vorahnung, was mit Friedrich Merz auf uns zukommen kann. Ist die „Neuausrichtung“ hin zum Zocken als Geldanlage und Rentenabsicherung gemeint? Wer`s mag und es sich erlauben kann. Zitat aus Jens Bergers neuem Buch: “Ohne es zu wissen, könnten wir uns bereits jetzt in einer gigantischen Finanzblase befinden. Und sollten die Prognosen von Blackrock eintreten – und das ist keinesfalls unwahrscheinlich -, könnte der Aktienmarkt auf die Mutter aller Blasen zusteuern.” (S. 106) Und was letztlich das Zünglein an der Waage sein kann, ist dann zufällig. Das können wir in diesen Tagen während der Ausbreitung von Sars-CoV-2 erahnen. Und keinerlei zusätzliche Informationen von der Tagesschau, von Kritik ganz zu schweigen.

  9. Das Problem der Parallelgesellschaften
    Eine Gesellschaft braucht ein Minimum geteilter Werte und Regeln. Immer mehr Menschen in Deutschland aber wollen davon nichts wissen. Sie schotten sich in ihren Vierteln ab, Integration ist ihnen ein Fremdwort. Sie leben in Parallelgesellschaften – No-Go-Areas und Kriminalität inklusive.
    In München muss ein großes städtisches Wohnungsunternehmen regelmäßig die Zahl und/oder den Anteil der bei Bauprojekten vorgesehenen Sozialwohnungen reduzieren. Der Grund: Anwohnerproteste sind enorm und werden immer schärfer. Auf Informationsveranstaltungen herrscht eine aggressive Stimmung voller Ausfälle der Alteingesessenen (oft BesitzerInnen selbstgenutzten Wohnraums, die in einem gewissen Wohlstand leben) gegenüber einkommensschwächeren potentiellen ZuzüglerInnen. Ähnliche Vorgänge gibt es auch in anderen Städten. Ins Bild passt ferner die Weigerung zahlreicher Umlandgemeinden von Großstädten, zu deren Entlastung selbst sozialen Wohnungsbau zu betreiben. Der Tenor all dessen: Man bleibt lieber unter sich und Seinesgleichen.
    So genannte »Gated Communities«, lange schon im Ausland verbreitet, gibt es mittlerweile auch hierzulande. So wurde 2005 in Aachen eine geschlossene Wohnanlage aus 29 Luxus-Eigentumswohnungen gebaut, der so genannte »Barbarossapark«. Ein Teil der historischen Stadtmauer Aachens und ein 2,50 m hoher Drahtzaun schirmen die gut situierten BewohnerInnen von den umliegenden Wohngebieten ab. Der Zutritt erfolgt durch ein Gittertor mit Videoüberwachung. Eine echte No-Go-Area also – genau wie andere geschlossene Wohnanlagen, die es inzwischen in vielen deutschen Städten gibt.
    Quelle: Blickpunkt Wiso
  10. Deutschlands Krankenversicherung ist eine Zweiklassenmedizin
    Deutschlands Krankenversicherung ist Europas unsozialste. Jeder zehnte Einwohner ist ausschliesslich privat versichert (auch ambulant) und trägt zur sozialen Grundversicherung nichts bei. Die rund zwei Millionen privatversicherten Beamten zahlen fast nichts, sondern lassen ihre Gesundheitsversorgung von den Steuerzahlenden finanzieren. Der deutsche Chirurg und Publizist Bernd Hontschik hat die Grundversicherung in verschiedenen Staaten Europas verglichen. (…)
    Laut einer Bertelsmann-Studie könnten die gesetzlichen Krankenkassen neun Milliarden Euro mehr einnehmen und den allgemeinen Beitragssatz um 0,7 Prozent senken, wenn alle Bundesbürgerinnen und Bundesbürger gesetzlich krankenversichert wären. In Deutschland sind aber etwa zehn Prozent ausschliesslich privat versichert. Diese 8,7 Millionen verdienen im Durchschnitt über fünfzig Prozent mehr als die 73 Millionen gesetzlich Versicherten und sind im Vergleich gesünder. Es heisst, sie würden eine privilegierte medizinische Behandlung erhalten, man spricht von einer Zwei-Klassen-Medizin.
    Die Besserverdienenden, die ausserdem auch noch die Gesünderen sind, haben sich aus unserem Solidarsystem verabschiedet.
    Quelle: Infosperber

    Dazu: Das teure deutsche Sondermodell
    In Europa leistet sich nur Deutschland eine gesetzliche und eine private Krankenversicherung. Die Niederlande hingegen haben ihr duales System abgeschafft – mit Erfolg.
    Quelle: Zeit Online

  11. Emmanuel Macron will Rentenreform per Dekret durchsetzen
    Die Rentenreform des französischen Präsidenten soll ohne Parlamentsabstimmung beschlossen werden. Die Regierung will der “Episode des Nicht-Diskutierens” ein Ende setzen. (…)
    Die geplante Reform hat zu den längsten Streiks in Frankreich geführt: Aus Protest wurde knapp sieben Wochen lang der Nah- und Fernverkehr lahmgelegt. Sollte die Opposition kein Misstrauensvotum gegen das Dekret einlegen, gilt die Reform automatisch als angenommen. Der sozialistische Präsident François Hollande hatte auf diese Weise 2006 die umstrittene Arbeitsmarktreform durchgesetzt.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Wenn es nicht schon vorher klar war, sieht man es spätestens jetzt: Macron ist das Gegenteil eines Demokraten, ein Autokrat, und weil er auf demokratischem Weg keine Mehrheit findet (aussagekräftig, wo doch die Regierungsparteien REM und MODEM eine 60%-Mehrheit im Parlament haben), will er das Gesetz diktatorisch durchsetzen. Ich hoffe für die Franzosen, dass das entweder im Parlament doch noch irgendwie verhindert werden kann oder aber die Fortführung der Streiks das Gesetz – und am besten Macron gleich mit – zu Fall bringt.

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Frankreichs Protestbewegung vor den Kommunalwahlen – Eine Zwischenbilanz.

  12. Flüsse in Gefahr
    Nahrungskonkurrenz war allerdings nicht der Grund, warum der Mensch Castor fiber, wie der Europäische Biber mit wissenschaftlichem Namen heißt, fast ausgerottet hätte. Gejagt wurden Biber vielmehr wegen ihres extrem dichten Fells, ihrem Duftsekret, dem Bibergeil, und wegen ihres Fleisches. Anfang des 20. Jahrhunderts hatten in ganz Eurasien lediglich 1200 Tiere in wenigen Restpopulationen den Jagdeifer der Menschen überlebt. Wenig besser erging es den nordamerikanischen Bibern (Castor canadensis), die im 19. Jahrhundert millionenfach gefangen und zu Pelzmützen verarbeitet wurden. So heißt es etwa in einer 1952 erschienenen Volksausgabe von »Brehms Tierleben«: »Kaum ein anderes Tier hat sich so rasch vermindert als der Biber.«, und weiter: »Gegenwärtig findet man ihn in Deutschland nur sehr einzeln, […] mit Sicherheit bloß noch an der mittleren Elbe und in dem Gebiet der Mulde bei Dessau.«
    Durch strengen Schutz und die Auswilderung nachgezüchteter Biber haben sich die Biberpopulationen in den vergangenen 50 Jahren erstaunlich schnell erholt. Heute bevölkern wieder über 30 000 der bis zu 30 Kilogramm schweren Nager weite Teile Deutschlands.
    Trotzdem sollte die Erfolgsgeschichte von der Rückkehr des Bibers nicht zu dem Schluss verleiten, dass unsere Bäche und Flüsse nun wieder intakt wären. Die chemische Wasserqualität hat sich zwar massiv verbessert, aber noch immer gibt es Probleme mit eingeschwemmten Düngemitteln, Pestiziden, Quecksilber oder Mikroplastik. Die Bestandsrückgänge bei etlichen Artengruppen sind so drastisch, dass viele Forscher Alarm schlagen. Das betrifft etwa Krebse, Amphibien, Muscheln und auch im Wasser lebende Insekten.
    Quelle: Spektrum.de
  13. Wenn ich weiß wäre, müsste mein Kind keine Angst haben
    Wie erklärt man seinem Kind, was Rassismus bedeutet? Und wie bereitet man es darauf vor? Gedanken eines werdenden Vaters
    Wenige Tage nach dem Attentat in Hanau hat uns unser Leser Trung Hoàng Lê Tagebuchaufzeichnungen geschickt. Eigentlich möchte er einen Brief an sein noch nicht geborenes Kind schreiben, doch zwei Ereignisse veranlassen ihn, innezuhalten: Der erste Teil seiner Notizen stammt vom 5. Februar, dem Tag, an dem im Thüringer Landtag der FDP-Kandidat Thomas Kemmerich mithilfe von Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Den zweiten Teil hat er am 20. Februar verfasst, einen Tag nachdem in Hanau ein rassistischer Täter neun Menschen erschoss und dann sich selbst und seine Mutter tötete.
    Quelle: Zeit Online

  14. Rechtsextremismus im Netz: “Der Täter von Hanau wird jetzt schon glorifiziert”.
    SPIEGEL: In Ihrem Buch schreiben Sie, bezogen auf ältere Beispiele: “In der Glorifizierung der Tat und der Erklärung der Täter zu Helden geht die Strategie der Terroristen schließlich vollends auf.” Findet diese Online-Glorifizierung beim Hanau-Täter gerade schon statt?
    Schwarz: Ja. Besonders in den Kanälen englischsprachiger Terrorfans wird die Tat und auch der Täter glorifiziert. Er wird in einer Reihe mit den Terroristen von Christchurch, El Paso und Halle genannt. Das geht auch so schnell, weil eines der Videos aus Hanau in englischer Sprache aufgenommen wurde.
    SPIEGEL: Wie Sie in Ihrem Buch schreiben, spendete der Attentäter von Christchurch vor dem Anschlag an die Identitäre Bewegung und tauschte Nachrichten mit Sellner aus. Wie gut vernetzt sind Rechtsradikale heute weltweit?
    Schwarz: Sellner selbst hatte wahrscheinlich nicht dauerhaft Kontakt zum Terroristen von Christchurch. Aber das zeigt, dass seine Botschaften auch in Neuseeland rezipiert werden. Bereits Anders Breivik schickte sein Pamphlet nicht nur an norwegische Rechte und Medien. Man knüpft immer wieder Kontakte über Demonstrationen und Konzerte, aber auch alltäglich über das Internet.
    Quelle: Spiegel
  15. SPD-Chef Walter-Borjans wirft Putin und Assad Völkerrechtsbruch vor
    Nach den Luftangriffen auf türkische Stellungen in der syrischen Region Idlib hat SPD-Chef Norbert Walter-Borjans schwere Vorwürfe gegen Syriens Machthaber Baschar al-Assad und Russlands Präsidenten Wladimir Putin erhoben. “Was in Idlib passiert, ist ein eklatanter Bruch des Völkerrechts. Die Verantwortung dafür tragen Assad und Russland. Beide nehmen bei der Verfolgung ihrer militärischen Ziele keinerlei Rücksicht auf Hunderttausende zivile Opfer”, sagte Walter-Borjans dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
    Quelle: Redaktionsnetzwerk Deutschland

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Und ich hatte hinsichtlich Walter-Borjans tatsächlich Hoffnung. Ich fühle mich gerade ziemlich veräppelt und irgendwie gutgläubig.

    Anmerkung Christian Reimann: Vielleicht sollte der neue SPD-Bundesvorsitzende in Fragen der Außenpolitik nicht um Rat bei Außenminister Maas suchen. Besser wäre vermutlich z.B. ein Gespräch mit Reinhard Merkel von der Universität Hamburg. In seinem “FAZ”-Beitrag “Kühle Ironie der Geschichte” hat er sehr gut über die Krim, Russland und das Völkerrecht berichtet.

  16. Klassenkampf in Kreuzberg
    Unser Essen sollte ökologisch nachhaltig und sozial gerecht produziert werden – darin sind sich viele einig, zumindest in der Theorie. Aber Qualität hat ihren Preis, und wer kann sich Käse aus österreichischer Kleinstproduktion und handgepflückten Bio-Rosenkohl schon leisten? Während eine Kreuzberger Markthalle zum politischen Modellprojekt der Lebensmittelwende wird, kämpfen alteingesessene Anwohner gegen die drohende Schließung des anliegenden Aldi-Marktes.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung unseres Lesers G.R.: So geht Gentrifizierung auf linksliberal. Ob die anderen sich die “richtigen” Sachen nicht leisten können, ist doch egal! Hauptsache wir können unser gutes Gewissen und unseren “kulinarischen Sachverstand” als Monstranz vor uns hertragen. Wenn schon Aldi, dann aber bitte nicht bei uns. Wenn schon Windräder, aber dann bitte nicht bei uns …

  17. AfD Sachsen: Wer Arbeitslosengeld bekommt, soll nicht wählen dürfen?
    Bei den Landtagswahlen in Sachsen im vergangenen Jahr haben sich 36 Prozent der Langzeitarbeitslosen für die AfD entschieden. Gründe hierfür hat der Evangelische Fachverband für Arbeit und soziale Integration gemeinsam mit der Diakonie in Bayern erhoben. Demnach ließen aus der Perspektive der Betroffenen Politik und Gesellschaft wenig Interesse an ihrem Schicksal erkennen. …
    Am 23. Januar 2020 hatte die AfD-Fraktion Sachsen zu einem Vortrag nach Olbernhau geladen. Als Gastredner stand Markus Krall auf dem Podium, der nicht nur bereits als Autor beim „nationalkonservativen Blog“ (Cordt Schnibben, „Spiegel“) „Tichys Einblick“ fungiert. Der Volkswirt und Risikomanager ist auch Vorstandsmitglied und Geschäftsführer der Degussa Goldhandel GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main, die die AfD nach ihrer Gründung als Lieferant in ihrem Goldhandel unterstützt hatte. …
    Oberthema ist die Einsparung des Staates „auf allen Ebenen“, nämlich unter anderem die Privatisierung der Infrastruktur, ersatzlose Streichung der Energiewende, Steuersenkungen, das Recht des „unbescholtenen Bürgers auf das Tragen von Waffen“ und: „Wir brauchen eine Abschaffung aller Subventionen, weil Subventionen nichts anderes sind als die Belohnung des Versagens.“ Woraus sich für Krall eine Änderung des Wahlrechts ergibt. Am Anfang einer Legislaturperiode solle jeder eine Entscheidung treffen dahingehend, „zu wählen, also das Wahlrecht auszuüben, oder Staatstransfers zu bekommen“.
    Übersetzt meint er damit Transferleistungen an private Haushalte, die deren ökonomische Situation unmittelbar verbessern. Er spricht also von Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und unter anderen auch von BaföG-Beziehern oder von Unterstützung erhaltenden Alleinerziehenden.
    Quelle: FR

    Anmerkung JK: Hier zeigt sich wieder aus welcher Ecke die AfD kommt. Gegründet wurde die AfD von bürgerlichen Neoliberalen und Euro-Gegnern. Das wirtschaftspolitische Programm der AfD, sofern überhaupt vorhanden, ist bis heute stramm neoliberal ausgerichtet. Auch der Sozialdarwinismus ist seit jeher Bestandteil der AfD-Progarammatik. Das legt nahe, dass sich vermutlich das Gros ihrer Wähler eher nicht mit dem Programm der AfD auseinandersetzt hat. Es zeigt sich aber auch, dass bezüglich der bürgerlichen Verachtung von Erwerbslosen und Beziehern staatlicher Fürsorgeleistungen zwischen AfD und CDU kein Blatt passt, wie die Initiative verschiedener CDU-Landesarbeitsminister für die Beibehaltung der 100 Prozent Sanktionierung von Hartz IV Beziehern verdeutlicht.

    Zu den ideologischen Grundlagen der AfD: Wahlalternative 2013 – aus den Freien Wählern sollen freie (Markt-)Radikale werden

  18. Ängste vor der Realität
    Nachdem sich die SPD in ihrer Außendarstellung auf das Maß ihres gegenwärtigen politischen Zuspruchs zu beschränken scheint und die Hamburger Wahl als Milieu-Ereignis ansieht, das eher die Ausnahme von der Regel bildet, als dass sie die Schwalbe gibt, die den Frühling macht, ist die CDU noch weit davon entfernt. Sie landete bei der Bürgerschaftswahl am 23. Februar bei 11 Prozent und hatte nochmals fast fünf Prozent gegenüber 2015 verloren. Gleichwohl besteht die CDU darauf, „Volkspartei“ zu sein, die im Sinne des „ganzen deutschen Volkes“ schaltet und waltet.
    Das offene Problem aber ist nach wie vor Thüringen. Nach der eigenartigen Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich am 5. Februar sollte in Ruhe hinter die Kulissen geschaut werden, was dort passiert ist. Die CDU landete bei der Landtagswahl am 27. Oktober 2019 auf dem dritten Platz, hinter Linkspartei und AfD; sie hatte knapp 22 Prozent erreicht und fast zwölf Prozent gegenüber 2014 verloren. Bodo Ramelow hatte mit den Linken zugelegt und erreichte als Landesvater 29 Sitze – in einem Landtag mit 90 Sitzen. Die Linkspartei wurde erstmals in einem Bundesland stärkste Partei. Die Sozialdemokraten und die Grünen hatten jedoch verloren, so dass die rot-rot-grüne Koalition nur noch 42 Sitze hat, während AfD, CDU und FDP auf insgesamt 48 Sitze kamen.
    Die Linke und die AfD haben zusammen 51 Sitze. Damit war das Geschwätz der CDU, mit den „Rändern“ gleichermaßen nichts zu tun haben zu wollen, ad absurdum geführt. Nur wollte die Berliner Parteizentrale das nicht wahrhaben. Politik-logisch hätte es eine Entscheidung der CDU geben müssen, die Ränder-These in die Asservatenkammer zu geben und entweder eine Mitte-Rechts-Verbindung mit der AfD oder eine Mitte-Links-Konstruktion mit der Linken einzugehen. Tertium non datur. Mike Mohring, der glücklose Spitzenmann der CDU, eierte rum. In ersten Auftritten im Fernsehen verwies er darauf, dass es eine Mehrheit jenseits von Rot-Rot-Grün gibt. Da wurde ihm von Berlin aus untersagt, es mit dem Teufel AfD zu versuchen. Dann orakelte er, man könne auch mit den Linken über „Projekte“ in der Landespolitik reden. Da hieß es, er solle ja die Finger vom Beelzebub der „Kommunisten“ lassen. Schließlich, als es auf eine Ministerpräsidentenwahl zulief, murmelte er etwas von einem Gegenkandidaten zu Ramelow in einem dritten Wahlgang. Nun wurde ihm beschieden, er solle es ja unterlassen, selbst als Gegenkandidat der CDU anzutreten, der mit den Stimmen der AfD gewählt werden könnte. Er war in aller Form gehorsam, aber offenbar war der FDP-Mann Kemmerich bereit, diese Rolle zu übernehmen.
    Der Rest ist bekannt. Bundeskanzlerin Merkel beschied den staunenden Untertanen von Afrika aus über alle Köpfe auch der eigenen Partei hinweg, dass diese Wahl ein „unverzeihlicher Fehler“ gewesen sei und „rückgängig“ gemacht werden müsse. Damit waren nicht nur Kemmerich und Mohring, sondern auch die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer desavouiert. Folgerichtig traten alle drei zurück. Nur: das politische System der Gewaltenteilung in Deutschland ist auf der horizontalen wie der vertikalen Ebene so organisiert, dass der Chef (oder die Chefin) der Exekutive des Bundes nicht befugt ist, eine Entscheidung der Legislative in einem Bundesland rückgängig zu machen. Merkel macht’s möglich.
    Quelle: Das Blättchen


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