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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 15. Juni 2010 um 9:09 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Heute unter anderem zu folgenden Themen: Machtkampf zwischen Berlin und Paris; Höhere Steuern für die Reichen; wir sparen uns kaputt; Aufseher kuschen vor Bankenlobby; größte Gläubiger der Schulden-Staaten; Europa im Griff des IWF; falsche Subvention für Niedriglöhne; Ignoranz der gebildeten Stände; Skepsis gegen PPP hat zugenommen; Vermehrung der Sozialhilfemütter; Rohstoff-Boom in Afghanistan; Gysi über Gauck; schlechter Zeitpunkt für Sozialproteste; Meinungsspekulanten; Sprengsatz-Attacke in Berlin; Katrin Müller-Hohenstein. (WL)
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung unseres Lesers G.K.: Der Eurozone droht, als Folge des von Deutschland oktroyierten Wirtschafts- und Finanzpolitik (Lohnsenkungen, Kürzungen in den Staatshaushalten), der Marsch in die Deflation. Zur innerhalb Europas drohenden Isolation Deutschlands schreibt German Foreign Policy:
“Als Ausweg rät Autor Jochen Thies, der lange als Mitglied der Chefredaktion bei “DeutschlandRadio Kultur” tätig war, zu einer stärkeren deutschen Dominanz innerhalb der EU. “Nur der Solidaritätsverbund des Westens, gekoppelt mit deutscher Führungsbereitschaft in Europa auf allen Gebieten, verspricht eine Linderung der Schmerzen”, heißt es in dem Artikel. Dies müsse ganz ausdrücklich auch für die Militärpolitik gelten. Deutschland handele derzeit leider “außen- und sicherheitspolitisch kraftlos”. Beispielsweise habe “die unglückliche Entscheidung, dem Parlament die Hauptverantwortung für militärische Einsätze zuzuschieben”, “zum gleichen Abstimmungschaos wie in der Innenpolitik” geführt. Rücksichtnahme auf die Mehrheitsmeinung, die sich etwa im Fall Afghanistans klar gegen die Berliner Militärpolitik ausspricht, sei fehl am Platz: “Alle großen Richtungsentscheidungen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik seit 1949” seien “aus einer anfänglichen Position der Minderheit” in Angriff genommen worden. Der Autor plädiert für eine viel offensivere deutsche Außen- und Militärpolitik im Rahmen der EU, um damit die europäischen Kohäsionskräfte zu stärken, und verlangt von der Bundesregierung sowohl im Inland als auch auf europäischer Ebene vor allem eines: “Führung und Orientierung”.”
Jochen Thies, Mitglied der Chefredaktion des “DeutschlandRadio Kultur”, vertritt eine aberwitzige These: Die seit vielen Jahren von der deutschen Bevölkerung mehrheitlich abgelehnte Militarisierung der Außenpolitik soll quasi “sinnstiftend” für Europa werden und eine von ihm angemahnte Dominanz Deutschlands innerhalb Europas absichern. Jochen Thies spekuliert, frei nach dem Motto “Steter Tropfen höhlt den Stein”, irgendwann würde die hiesige Bevölkerung sogar eine forcierte Militarisierung der deutschen (und europäischen) Außenpolitik schlucken. Das Resultat einer solchen von Deutschland ausgehenden Politik wäre das Festschreiben einer europaweiten Symbiose aus dogmatischem Neoliberalismus und wachsender außenpolitischer Militarisierung.
Der in dem Beitrag erwähnte Machtkampf zwischen Deutschland und Frankreich scheint jedenfalls bei der Frage einer europäischen Wirtschaftsregierung zugunsten von Frau Merkel entschieden:
Anmerkung WL: Was hat sich damit gegenüber früher geändert. Die Wirtschaftsminister oder die Staatschefs der EU-Staaten konnten doch schon bisher zusammentreffen und über wirtschaftliche Fragen Entscheidungen treffen, wenn sie Einigkeit erzielten. Ist es ein Fortschritt, wenn sie das auch in Zukunft können?
Dagegen:
Anmerkung WL: Die Argumentation der Finanzlobby ist überall die Gleiche: Wenn Regeln aufgestellt werden sollen, dann wird gedroht, dass die Geschäfte ins Ausland abflössen.
Anmerkung V.B.: Wer wurde also durch die Rettungsschirme gerettet?
Anmerkung WL: Wie sollten die Risiken beim Wirtschaftswachstum vermieden werden, wenn sich das Land kaputt sparen muss.
Anmerkung unseres Lesers A.S: Am 07.06.2010 hat der Internationale Währungsfonds in einem Concluding Statement nach einer Artikel IV – Konsultation gegenüber der Eurozone in Tz. 16 seiner Stellungnahme gefordert, die geplante neue EU-Finanzaufsichtsbehörde „European Systemic Risk Board“ mit der Befugnis auszustatten, für die Mitgliedsstaaten der Eurozone eigenständig den Notstand ausrufen zu können.
Statt die Aufsicht über die selbst ernannten „systemrelevanten“ Banken wirksam und durchgreifend zu stärken, soll hier die neue EU-Bankenaufsichtsbehörde dazu missbraucht werden, die Völker Europas zu beaufsichtigen, ob diese die IWF-Kreditauflagen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus ohne zu murren erdulden.
In Tz. 8 der gleichen Stellungnahme hat der IWF die Privatisierung aller Banken in der Eurozone gefordert. Das bedeutet dann nicht nur den Verkauf der Sparkassen, sondern auch der Bundesbank. Die Bundesbank hat allerdings Aufgaben der Bankenaufsicht. Wenn die in die Hände der bereits maßlos überretteten selbst ernannten „systemrelevanten“ Banken fallen, gibt es noch mehr Risiken für künftige Finanzkrisen, noch mehr Bankenrettung, noch mehr Steuerverschwendung, noch mehr Staatspleiten und IWF-Auflagen, von Wettbewerbsverzerrungen ganz zu schweigen.
Wofür der IWF den Notstand so schnell braucht, lässt sich erahnen an Tz. 10 des Memorandum of Unsterstanding, mit welchem er am 05.02.2010 seine Kreditauflagen gegenüber Rumänien vereinbart hat. Darin hat sich die rumänische Regierung verpflichtet, die Finanzverwaltung per Notstand umzustrukturieren. In 2009 hat der IWF von der Türkei ganz ohne Notstand den Verkauf der dortigen Bundesfinanzbehörde verlangt. Von Rumänien muss er also etwas noch wesentlich drastischeres wollen.
In Thailand wurden 1997 per Notstand zahllose Schulen und Krankenhäuser zur Erfüllung von IWF-Auflagen geschlossen.
Sieht man sich die IWF-Auflagen gegenüber Griechenland und Rumänien sowie die Empfehlungen des IWF gegenüber Deutschland aus 2006 und 2010 an, dann ist außerdem damit zu rechnen, dass er auch gegenüber Deutschland drastische Leistungskürzungen bei der Rente sowie eine Kopfpauschale und drastische Kürzungen bei der Gesetzlichen Krankenversicherung fordern wird.
In einem Video hat der geschäftsführende Direktor des IWF, Dominique Strauss-Kahn von der EU sogar deren Umstrukturierung gefordert. Das bedeutet, der IWF will die EU-Mitgliedsstaaten per Kreditauflagen zwingen, in anderen internationalen Organisationen wie der EU in seinem Sinne abzustimmen. Eine unglaubliche Verletzung der Souveränität (Art. 2 Abs. 1 Uno-Charta) der Staaten.
Anmerkung WL: Solche sozialdarwinistischen und zynischen Beiträge von Sozialrassisten werden in Deutschland von sog. Qualitätszeitungen veröffentlicht, ohne dass ein Aufschrei durch die Medien geht. Leider sagt Heinsohn nur die nackte Wahrheit. Zu Heinsohn siehe “Gunnar Heinsohn und die „Aufartung“ des deutschen Volkes”.
Anmerkung WL: Sind Sie nicht auch überrascht, wie wenig Kinder das sind, wenn man das Getöse um die angebliche Überfremdung in Deutschland dagegenhält.
Anmerkung WL: Der Krieg „lohnt“ sich also doch.
Siehe dazu:
Ein Video von der „Sprengsatz-Attacke“
Quelle: YouTube
Ein Augenzeugenbericht von der Demo am 12. Juni in Berlin von unserer Leserin M.R.: Mein Mann und ich finden schon lange, dass man aufstehen und gegen die unsäglichen Regierungsbeschlüsse demonstrieren muss. Also machten wir uns am Samstag auf, um an der Demo teilzunehmen. Ich war im Internet darauf gestossen. In der Zeitung und im Radio wurde diese Demo totgeschwiegen, lediglich am Samstagmorgen wurde im regionalen Radio anlässlich der Verkehrshinweise auf die Straßensperrungen anläßlich “einer Großdemonstration” hingewiesen. Wir befürchteten schon, auf ein kleines Häuflein von Demonstanten zu stossen, waren aber überrascht, dass sich eine sehr große Mengenmenge eingefunden hatte. Erwartet waren wohl ca. 10.000 Teilnehmer, gekommen waren um die 20.000. Wir reihten uns in den Zug ein und landeten bei den Schülern und Studenten, die gegen die Bildungsmisere demonstrierten und waren angenehm überrascht, wie viele junge Leute sich eingefunden hatten, die mit witzigen und griffigen Plakaten und Sprüchen kundtaten, dass sie die Ursachen der Krise und der ganzen Misere in usnerem Land sehr wohl durchschauen. Im übrigen waren viele Eltern mitsamt ihrer Kinder und auch viele Rentner (wie wir) gekommen. Alles in allem Leute, die ein wichtiges Anliegen hatten, was man unschwer von den Transparenten ablesen konnte und die ganz sicher nicht auf Krawall gebürstet waren.
Der Demonstrationszug war praktisch ununterbrochen von einem riesigen Polizeiaufgebot flankiert. In voller Kampfmontur mit Helm, Visier und Schild. Nachdem es immer wieder zum Stillstand gekommen war, der laut Durchsagen von einem Lautsprecherwagen durch die Verengung der Demo-Strecke durch Polizeikräfte zustande kam, auf einmal zwei laute Knaller. Viele Eltern, die an Tränengaseinsatz dachten, brachten sich und ihre Kinder in Sicherheit. Aber nach kurzer Zeit wurde Entwarnung gegeben, es habe sich nur um Feuerwerkskörper gehandelt. Dieser Vorfall spielte sich knapp 100 Meter vor uns ab. Die Demo endete vor dem roten Rathaus mit Schlusskundgebungen. Auf dem Platz mischten sich immer wieder ganze Pulks von Polizisten, die die Demonstranten filmten und fotografierten. Die Organisatoren forderten die Polizei immer wieder auf, sich zurück zu ziehen. Das erfolgte aber, wenn überhaupt, nur sehr zögerlich.
Auf dem Heimweg hörten wir in den Nachrichten erste Kommentare. Der Polizeipräsident beschrieb die Demonstation in einer ersten Stellungnahme als ein buntgemischtes Völkchen, das friedlich sein Anliegen vorbrachte.
Aber schon kurze Zeit später wurde von dem Vorfall mit der Knallerei berichtet. Es waren also Bomben, die auf die Polizisten geworfen worden waren und einige von ihnen zum Teil schwer verletzt hatten. Ab sofort kam in der Berichterstattung nur noch dieser Vorfall vor. Angeblich seien es Linksradikale gewesen. Obwohl bis jetzt noch niemand festgenommen wurde, dem man die Tat nachweisen konnte, ist man sicher, es waren Linke. Die ganze Demo wird somit in ein Licht gerückt, das ihr in keiner Weise gerecht wird und ich frage mich nun, wer hat was davon?
Die Teilnehmer hatten ein wirkliches Anliegen und kein Interesse daran, dieses durch eine gewalttäige Aktion zu sabotieren. Wer aber hat ein Interesse daran? Waren es vielleicht gar keine linken Spinner sondern Agents provokateur? Ich habe diesen Verdacht. Denn das Ziel wurde erreicht. Bei jeder Berichterstattung wird die Demo auf diesen Anschlag reduziert.
Und ein Bericht von unserer Leserin R:W. von der Demo in Stuttgart: Ich möchte Ihnen kurz eine Mitteilung machen, hatte mich kurz entschlossen mit meiner Freundin am Samstag zur Demo nach Stuttgart zu fahren, wir beide schon etwas älter 62 J. uns 69 J. Wir haben eine friedliche Demonstration erlebt während des Zuges keinerlei Zwischenfälle, allerdings als Schmiedel redete wurde es lauter, es wurde gesagt es sollen keine Gegenstände auf die Bühne geworfen werden, wir waren etwa 20 Meter von der Bühne entfernt, wenn es Tumulte gewesen wären, hätten die Menschen um uns herum doch reagiert, doch keiner hat die Flucht ergriffen. Von der Presse ist es sehr verwerflich, dass sie solche Meldungen verbreitet, ich denk die werden dafür bezahlt. In der FR wurden die Demonstranten von Foristen als MOB hingestellt, wir sind rechtschaffene Menschen die Sorge um unsere Kinder und Enkel haben auch darum, das das erst der Anfang sein soll, ist das so verwerflich?
Anmerkung WL: Ich bin gegen Gewalt und für friedliche Demonstrationen und jede Verletzung, ob unter Demonstranten oder unter Polizisten ist eine zu viel. Die Berichterstattung über die Demonstrationen vom Wochenende ist jedoch vielfach so, als würde an jedem Bundesligaspieltag nicht mehr über Fußball sondern über Randale und über Brennkörper berichtet. Auf dem Fußballplatz gelten Hooligans als normal, bei einer Demonstration sind sie offenbar das zentrale Medienereignis.
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