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Titel: „Der Weg zu Angriffskriegen ist mit Kriegspropaganda und Lügen gepflastert“

Datum: 28. Februar 2020 um 8:41 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Interviews, Medien und Medienanalyse, Medienkritik
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Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erfüllt seine Aufgabe nicht, im Gegenteil, er trägt mit zur Spaltung des Landes durch eine Berichterstattung bei, die Ressentiments schürt und auf Manipulation setzt. Diese Auffassung vertritt Maren Müller vom Verein „Ständige Publikumskonferenz“. Im zweiten Teil des Interviews mit Müller, Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer geht es unter anderem um die Staatsnähe der öffentlich-rechtlichen Medien und die Schwierigkeiten, wenn es um einen konstruktiven Dialog mit Vertretern großer Medien geht. Von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Lesen Sie dazu auch den ersten Teil des Interviews: „Die Tagesschau ist systematisch auf die Weltsicht westlicher Nachrichtenagenturen fixiert“ mit Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer.

Verlassen wir die konkreten Beispiele. Ihre Kritik an der Tagesschau setzt sich zwar immer wieder mit Einzelbeispielen auseinander, aber Ihnen geht es um mehr. Aus Ihrer Sicht wird die Tagesschau als öffentlich-rechtliches Medium seinem Auftrag nicht gerecht. Zuerst: Wie lautet dieser Auftrag?

Maren Müller: Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollen frei von Herrschaft regierungs-, wirtschaftspolitischen, religiösen oder irgendwelchen anderen Einzelelementen der Gemeinschaft im Dienste der Allgemeinheit wirken. Die Anstalten haben laut gesetzlichem Auftrag mit ihren Programmangeboten zur Information, Bildung, Beratung, Kultur und Unterhaltung einen Beitrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt und somit zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Nicht umsonst heißt es in Paragraph 11 Rundfunkstaatsvertrag explizit:

»Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“

Die gesellschaftlichen Erwartungen an den öffentlich-rechtlichen Journalismus sind dabei auch aufgrund seiner besonderen Finanzierungssituation höher als an die privaten Medien. Die öffentlich-rechtlichen Medien haben neben den bereits genannten Vorgaben einen Integrationsauftrag, der das Zusammenleben in pluralistischen Gesellschaften durch eine Kultur des Verstehens und des Diskurses zu befördern habe. Das Versagen der Verantwortlichen auf diesem Gebiet kann man nicht erst seit der missglückten Wahl in Thüringen beobachten.

Sieht die Realität anders aus?

Maren Müller: Das kann man so sagen. Unter Verletzung seines gesellschaftlichen Auftrags ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk – und explizit sein reichweitenstarkes Nachrichten-Flaggschiff „Tagesschau“ – daran beteiligt, in manipulativer Weise Ressentiments zu schüren und Feindbilder zu schaffen, die nach außen friedensgefährdend wirken und zum Völkerhass aufstacheln und nach innen die gesellschaftliche Spaltung immer weiter vorantreiben. Demokratie, Zusammenhalt und politischer Anstand in Deutschland nehmen zusehends Schaden, weil insbesondere Medien mit gesetzlichem Auftrag ihre Funktion als „vierte Säule der Demokratie“ nicht auftragsgemäß erfüllen.

Allein die Befolgung professioneller journalistischer Berufsnormen wie Wahrheits- und Sorgfaltspflicht, Unparteilichkeit, die Pflicht zur Vollständigkeit der Informationen, sowie der objektiven und sachlichen Herangehensweise unter Berücksichtigung der Meinungsvielfalt wäre dazu geeignet, der Verärgerung zahlreicher Rezipienten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Was ist so schwer daran, diesen gesetzlich klar definierten Auftrag zu erfüllen?

Ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu staatsnah?

Maren Müller: Die Nähe zwischen öffentlich-rechtlichen Medien und Politik und die sich offen abzeichnende staatsfromme Berichterstattung kann keiner ernsthaft von der Hand weisen, der sich mit professioneller Distanz den Angeboten der Sender und seiner politischen Berichterstattung widmet. Die sich insbesondere im TV abzeichnende offizielle Linie Merkel’scher Politik ist dazu geeignet, den Protagonisten in den Redaktionen die Eignung zum Beruf abzusprechen. Regierungssprecher sollten sich dort blamieren, wo es passt – in der Bundespressekonferenz – und nicht in einem Umfeld, das frei nach Otto Brenner „den Mächtigen unbequem“ zu sein hat.

Ihre Kritik ist ziemlich hart.

Maren Müller: Nicht hart genug. Wer ernsthaft aus der Vergangenheit gelernt hat, weiß, dass Demokratie und Propaganda unvereinbar sind. Die zersetzende und spaltende Wirkung durch die Berichterstattung zeigt sich bei jeder erneuten Medieneskapade gegen vermeintliche Gegner auf der (geo-)politischen Bühne. Zumindest Teile der Zuschauer verinnerlichen die Feindbilder, die erzeugten Spaltungen.

Seit geraumer Zeit – etwa von Anbeginn der Ukrainekrise – ist die Kluft zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung zusehends tiefer geworden. Die große Nähe zu Politik und Bündnispartnern in den öffentlich-rechtlichen Medien ist evident und durch zahlreiche Publikationen, Studien und auch durch unsere Programmbeschwerden belegt.

Die von Ihnen angesprochene Staatsnähe der Öffentlich-Rechtlichen sehen Sie aber nicht nur in der Berichterstattung, oder?

Maren Müller: Nein, sie zeigt sich auch in der Besetzung seiner Kontrollgremien, die vom Ziel der Staatsferne noch immer weit entfernt ist. Staatsnahe Rundfunkräte finden sich in allen Gremien öffentlich-rechtlicher Anstalten, da auch vermeintlich unabhängige Vertreter sogenannter gesellschaftlich relevanter Gruppierungen mitunter von Institutionen entsandt werden, die von staatlicher Finanzierung abhängig sind.

Was hat es mit den Aufsichtsgremien des Rundfunksystems auf sich?

Maren Müller: Sie nehmen zwar keinen direkten Einfluss auf die redaktionelle Freiheit der Sender, sie haben nur das Recht zu nachträglicher Kritik an problematischen Sendungen. Allerdings üben sie indirekte Macht aus, indem es ihnen zukommt, die leitenden Personen zu bestellen: die Intendanten. Diese haben Vorschlagsrecht bei der Bestellung von Direktoren und Chefredakteuren – den Bestellungen müssen dann die Aufsichtsgremien wiederum zustimmen. Wer die Macht hat, einen Chefredakteur bestellen oder feuern zu lassen, hat unbeschreiblichen, großen indirekten Einfluss. Das schlägt nicht auf einzelne Sendungen durch, sondern bestimmt das gesamte Betriebsklima. Wer auf diese Weise Einfluss ausübt, der wird sich auch bei der Bewertung und Beurteilung von Programmbeschwerden nicht großartig von der Meinung der Programmverantwortlichen distanzieren.

Was sind die Konsequenzen aus diesen Verhältnissen?

Maren Müller: Würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch nur annähernd seine gesetzlichen Pflichten erfüllen und die Bevölkerung umfassend, wahrheitsgemäß, ausgewogen und unparteiisch informieren, hätten wir keine sinkende Wahlbeteiligung, weniger prekäre Beschäftigung, bessere Renten, weniger Zustimmung für Kriege und imperiales Gebaren, mehr Solidarität und Empathie, und die Spaltung innerhalb unserer Gesellschaft wäre weniger tief.

Wahrhaftige Information ist essenziell für das Funktionieren einer Gesellschaft. Menschen, die nicht korrekt und wahrheitsgemäß informiert werden, treffen in Folge falsche Entscheidungen. Das betrifft sämtliche Bereiche des Lebens – so wie penetrante Werbung Kaufentscheidungen der Konsumenten beeinflusst, so soll durch Meinungsmache und Propaganda eine Verhaltensänderung der Menschen herbeigeführt werden, die sich im schlimmsten Fall in der Zustimmung für Kriegseinsätze und Verachtung, Bekämpfung und Demütigung anderer Völker äußert und im eigenem Land zu fatalen politischen Entscheidungen und zur Entsolidarisierung der Bevölkerung verführt. Der Weg zu Regime-Change, völkerrechtswidrigen Angriffskriegen und Völkermord ist mit Kriegspropaganda und Lügen gepflastert.

Gibt es denn einen Austausch mit den Adressaten Ihrer Kritik? Gibt es irgendeine Form des konstruktiven Dialogs?

Maren Müller: Leider nein. Die Möglichkeiten, die unserer Initiative in der Vergangenheit von den Adressaten geboten wurden, dienten ausschließlich dazu, unsere Kritik zu delegitimieren. Bei jedem einzelnen Kontakt wurde sowohl Kritik als auch Person in hinterhältiger Art und Weise vorgeführt. Ich erinnere mich lebhaft an eine Podiumsdiskussion, bei der die anwesenden Kritiker als „abgeschottetes Paralleluniversum im Internet“, „Krieger an der Tastatur“, „virtuelle Ablehnungsgemeinschaften“ und – wie könnte es anders sein – als „Verschwörungstheoretiker“ betitelt wurden.

Was meinen Sie: Warum ist der offene Dialog mit Vertretern etablierter Medien so schwierig?

Maren Müller: Selbst gemäßigte Kritik prallt an den Vertretern der etablierten Medien ab. Sie wollen frei von jeglicher Kritik sein. Es klingt vielleicht arrogant, aber irgendwann fiel mir wie Schuppen von den Augen, wie wenig die etablierten Meinungsbildner außerhalb ihres Verantwortungsbereiches wissen. Es scheint, als lebten sie in einem autonomen Raum, in den nichts eindringt, was nicht unmittelbar mit der jeweils aktuellen Story zu tun hat, bei der das Resultat immer im Voraus feststeht. Die offensichtliche Ahnungslosigkeit über welt- und geopolitische Zusammenhänge und die Sorglosigkeit angesichts der eigenen enormen Verantwortung für demokratische Meinungsbildung und Prozesse ist verstörend. Diese Art selbstreferentieller Orientierung, die sich ausschließlich der eigenen Weltsicht verpflichtet fühlt, blendet plurale Meinungsbilder nicht nur aus, sondern unterbindet sie im Interesse der eigenen oder der jeweils institutionellen Wirklichkeitsvorstellung. Mit Dialog auf Augenhöhe hat das wenig bis nichts zu tun.

Lesetipp: Müller, Maren/Bräutigam, Volker/Klinkhammer, Friedhelm: Zwischen Feindbild und Wetterbericht. Tagesschau & Co. – Auftrag und Realität PapyRossaVerlag, ca. 250 Seiten. 16, 90 Euro.

Titelbild: Sharaf Maksumov / Shutterstock


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