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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 14. Juni 2010 um 9:06 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Regierungskrise; Freibier für Millionäre; Fußball ist das schlechteste Geschäft der Welt; Innenansicht der Banken; der Konsum macht`s Dummkopf; Grundpfeiler unserer Zukunft versenkt; wie Kommunen zum Zocken verführt wurden; Ökoheizungen; die Billigstrom-Lüge; Präsidentschaftskandidaten; Europa; Ölpest; Bildungsmilliarden für Kinder; Kinder ohne Perspektive; TV-Tipp. (KR/WL)

  1. Regierungskrise?
  2. “Frau Merkel muss aufpassen
  3. Westerwelle und die Realität: Freibier für Millionäre
  4. Fußball ist das schlechteste Geschäft der Welt
  5. Innenansicht aus der Welt der Banken
  6. „Der Konsum macht’s, Dummkopf!”
  7. “Grundpfeiler unserer Zukunft”: In vier Schritten “versenkt”!
  8. Wie Kommunen zum Zocken verführt wurden
  9. Aktionstage zur Offenlegung von PPP-Verträgen gestartet
  10. Ökoheizungen: Schlechtes Klima
  11. tudie widerlegt Billigstrom-Versprechen der Atomriesen
  12. Elektroautos in China
  13. Präsidentschaftskandidat Joachim Gauck: Gespalten statt versöhnt
  14. Evangelikale sonnen sich in Wulffs Glanz
  15. Jürgen Habermas: Wir brauchen Europa!
  16. Europas Sparprogramme
  17. Ausmaß der Ölpest übertrifft alle Vorstellungen
  18. Krisenbetriebe sparen bei der Weiterbildung
  19. Eine neue Chance für die FU
  20. Bildungsmilliarden für Hartz-IV-Kinder
  21. Kinder ohne Perspektive
  22. TV-Tipp: Boston Legal

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Regierungskrise?
    „Aufhören“ titelt der Spiegel, Koalition kämpft ums Überleben die Financial Times, Krise der Koalition die Frankfurter Rundschau, Kabele und Hiebe die FAZ, K.O.ALITION bebildert das ZDF.

    Anmerkung WL: Wenn Sie unter Google News das Suchwort „Regierung“ eingeben finden sich in allen angebotenen Schlagzeilen ähnliche dramatisierende Formulierungen. Nahezu alle Beiträge bewegen sich auf der Oberfläche des Streits innerhalb der schwarz-gelben Koalition. In kaum einem Artikel wird die Regierung oder die Kanzlerin aufgrund der Inhalte ihrer Politik kritisiert. Es ist wie beim Abgang von Schröder. Merkel wird dafür kritisiert, dass sie ihre Politik nicht durchsetzen kann, und nicht etwa, weil sie eine falsche Politik macht. Worum es in der Sache bei Opel, beim Streit über Röslers Gesundheitsreform, bei den Vorschlägen zu Guttenbergs Bundeswehrplänen geht, spielt kaum eine Rolle. Fast alle Leitmedien halten z.B. das „Sparpaket“ für richtig oder wenigstens stimme die Richtung, es werde nur wegen des Streits nicht richtig „vermittelt“. D.h. die wichtigsten Medien wollen diese Politik des Sozialabbaus und der weiteren Umverteilung von unten nach oben, sie kritisieren nur, dass die Regierung nicht in der Lage ist, diese Politik durchzusetzen und „durchzuregieren“. Es ist ein typisches Beispiel dafür, wie die Politik bei uns inzwischen von außen gesteuert wird. Von außen, das heißt bei unseren Leitmedien von den Zeitungsoligopolisten, die fast durchgängig für eine wirtschaftsliberale Politik Propaganda machen. Sie schreiben eine Regierung nieder, wenn sie nicht nach ihrer Pfeife tanzt, und spielt den in einer Demokratie notwendigen und üblichen Meinungsstreit zu einem Angriff auf die Regierung hoch. Diese schwarz-gelbe Regierung wird nur von den „Extremisten“ der FDP und einigen Unionisten, die es nicht ganz so radikal wollen, zerrissen, und Merkel verliert nur deshalb an Unterstützung, weil sie es nicht schafft, diesen Laden so zusammenzuhalten, dass die von den meisten Medien getragene neoliberale Politik durchgesetzt werden kann.

  2. “Frau Merkel muss aufpassen”
    Das Sparpaket der Bundesregierung ist ethisch nicht vertretbar, sagt Bernhard Emunds. Für die Kanzlerin und die Union könnte es sogar gefährlich werden, glaubt der Gesellschaftsethiker.
    Quelle: FR
  3. Westerwelle und die Realität: Freibier für Millionäre
    Für das Sparpaket der Regierung hat FDP-Chef Guido Westerwelle eine plakative Begründung gewählt. Es müsse Schluss sein mit “Freibier für alle”. Doch was meint der Vize-Kanzler damit? Die deutsche Realität wohl kaum.
    In der deutschen Wirklichkeit fließt zwar das Freibier in Strömen, aber mit Sicherheit nicht für alle. “Reiche werden reicher. Arme bleiben arm.”, schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seinem Verteilungsbericht 2009. “Ostdeutschland verarmt zusehends. Erbschaftsteuerreform und Abgeltungssteuer fördern die Ungleichheit.”
    Die Verluste für den Staat durch die Steuerreformen seit 1998 summieren sich nach Berechnungen des gewerkschaftsnahen Instituts IMK auf 50 Milliarden Euro pro Jahr. Ohne diese permanenten Steuerentlastungen bräuchte der Finanzminister heute kein Sparpaket. Hätte die Politik nicht immer wieder die mittleren und oberen Einkommen begünstigt, müsste sie heute nicht bei Arbeitslosen und Familien kürzen.
    Die paradoxe Konsequenz: Wenn ein Chef seinem Angestellten bei einem Jahresgehalt von 20.000 Euro mehr Geld gibt, gehen von 100 Euro an zusätzlichen Arbeitskosten 55 Euro für Steuern und Sozialabgaben drauf. Bei 40.000 Euro sind es 65 Euro. Bei 80.000 Euro aber begnügen sich Finanzamt und Sozialkassen mit 44 Euro.
    Quelle: FR
  4. Fußball ist das schlechteste Geschäft der Welt
    Der Londoner Professor Stefan Szymanski analysiert die Zusammenhänge zwischen Fußball und Wirtschaft. Er verteidigt die Mondgehälter von Spielerstars und rechnet vor, warum Deutschland nur eine 19-Prozent-Chance auf den WM-Sieg hat. Optimale Voraussetzungen haben Länder, die drei Faktoren vereinen: Wirtschaftskraft, eine große Bevölkerung und jede Menge internationaler Spielpraxis. Ein großer Talentpool ist unverzichtbar, reicht allein aber nicht aus. Es braucht Geld, um aus Hoffnungsträgern Spitzenkicker zu machen. Und natürlich Zeit zum Üben. Wer als Jugendlicher hart fürs Überleben arbeiten muss, hat keinen Kopf für eine professionelle Fußballausbildung.
    Quelle: FTD

    Anmerkung: Dass Wohlstand eine Voraussetzung für erfolgreiche Fußballnationen sei, ist eine ziemlich gewagte Aussage, eben die Modellaussage eines Ökonomen. Man kann Brasilien, Argentinien nicht einfach als Einzelfälle abtun. Im Gegenteil, oft bietet Fußball in ökonomisch tristen Verhältnissen eine klare Aufstiegsoption, siehe die Brüder Boateng in Wedding – zur Schande der reichen Volkswirtschaft Deutschland, dessen Zahl an Millionären in vergangenen Jahr um 23 Prozent gewachsen ist.

  5. Siehe:

  6. Innenansicht aus der Welt der Banken
    1. Die Millionäre sind zurück
      Die Finanzkrise vernichtete Abermilliarden an Vermögen. Doch schon 2009 erreichten die global verwalteten Vermögen laut einer Studie wieder das Vorkrisenniveau. In Deutschland legt die Zahl der Millionäre kräftig zu. Banken und andere Vermögensverwalter profitierten davon allerdings nicht.
      Quelle: FTD
    2. Der Markt ist die Kuh
      “Unter dem Schutz der Anonymität und noch unter Schock stehend, äußerten manche eine erstaunlich scharfe Kritik an den Gepflogenheiten ihrer Branche”, heißt es im Vorwort eines Bandes von Soziologinnen und Soziologen aus Frankfurt, Wien und Bern, denen es im ersten Halbjahr 2009 gelang, mehrere Dutzend Personen zu interviewen, bevor wieder vornehme Zurückhaltung und Verschwiegenheit einkehrten.
      Der dankenswerte und spannende Bericht der Soziologen aus der Bankenwelt zeigt, dass solide Banker der Hilfe von außen bedürfen, damit nicht bloß das Finanzkasino saniert wird.
      Quelle: FR
    3. HSH NordbanK: Hat Nonnenmacher die Bilanzen gefälscht?
      Die Hamburger Staatsanwaltschaft wirft nach Informationen von NDR Info dem heutigen Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, vor, im Jahr 2008 falsche Angaben in der Bilanz gemacht zu haben. Nonnenmacher, damals als Finanzvorstand verantwortlich, hatte die Bank mit einem Plus von 81 Millionen Euro präsentiert. Die Ermittler gehen nach Recherchen von NDR Info jedoch davon aus, dass die Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein mit 31 Millionen Euro im Minus war.
      Panorama hatte mehrfach darüber berichtet, wie in der Affäre um die HSH Nordbank getäuscht, getrickst und beschönigt wurde. Politiker wie Bänker weigern sich bis heute, sich ihrer persönlichen Verantwortung zu stellen.
      Der Vorwurf der Bilanzfälschung richtet sich laut NDR Info auch gegen den damaligen Kapitalmarktvorstand Jochen Friedrich, der im November 2009 entlassen worden war. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Wilhelm Möllers, bestätigte, dass sich der Vorwurf der Bilanzfälschung nur gegen zwei Personen richtet – wollte jedoch keine Namen nennen. Nonnenmacher, Friedrich und vier weiteren jetzigen und ehemaligen Vorständen der Bank wird zudem schwere Untreue vorgeworfen.
      Quelle: Das Erste Panorama
  7. Werner Vontobel: „Der Konsum macht’s, Dummkopf!”
    Nein, Deutschland ist kein Modell. Es sollte im Gegenteil als abschreckendes Beispiel dafür dienen, wie sich eine Volkswirtschaft in die Bredouille bringt, weil sie ein tüchtiger Produzent sein will, ohne denselben Ehrgeiz als Konsument an den Tag zu legen. Wenn ein europäisches Land im abgelaufenen Jahrzehnt seine wirtschaftspolitischen Hausaufgaben schlecht gemacht hat, dann Deutschland. Schauen wir uns seine Leistungen im Fach Nationalökonomie doch einmal genauer an. In der wichtigsten Disziplin, dem Markteinkommen des durchschnittlichen Haushaltes steht für 2000 bis 2007 (neuere Zahlen liegen nicht vor) ein Minus von sieben Prozent im Klassenbuch. Das ist unterirdisch, fast ein Monatseinkommen weniger. Die ärmere Hälfte der Haushalte hat in diesen sieben mageren Jahren sogar mehr als zwei Monatseinkommen verloren. Die dadurch nötig gewordene Zunahme der Transferzahlungen konnte die Einbußen nicht kompensieren. Zum Vergleich: Frankreichs Mittelschicht erreichte in derselben Periode einen Einkommenszuwachs von zwölf Prozent.
    Auch im Fach „Wirtschaftswachstum“, das von vielen Ökonomen als die volkswirtschaftliche Königsdisziplin betrachtet wird, gehört Deutschland zu den Klassenletzten. Nach den Statistiken der OECD ist Deutschlands BIP zwischen 2000 und 2010 gemäß OECD um magere 6,3 Prozent gestiegen. Frankreich brachte es auf 12,3, alle OECD-Länder ohne Deutschland im Schnitt auf 15 Prozent.
    Fehlanzeige auch in Deutschlands Wahlfach „Arbeitsplätze schaffen“: In Frankreich lag die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden 2009 um 160 Millionen höher als anno 2000. In Deutschland waren es 1,7 Milliarden Stunden – weniger!
    Eindeutig Klassenletzter ist die Bundesrepublik, wenn man sie am Binnenkonsum misst, also am BIP ohne Exportüberschüsse oder -defizite. Diese Größe ist noch in den neunziger Jahren in den europäischen Industrieländern samt Deutschland im Jahresdurchschnitt um zwei bis drei Prozent gewachsen. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts verlangsamte sich die Zunahme im gesamten OECD-Raum auf gut 1,5 Prozent. Deutschlands Binnennachfrage hingegen stieg im ganzen Jahrzehnt bloß um magere 1,7 Prozent. So viel schaffte man einst in einem halben Jahr.
    Quelle: Cicero
  8. “Grundpfeiler unserer Zukunft”: In vier Schritten “versenkt”!
    „Wir werden … den Rentenversicherungsbeitragssatz für SGB II Empfänger abschaffen.“
    Die vollständige Abschaffung der Rentenversicherungsbeiträge für Arbeitslosengeld II-Empfänger/innen ist eine der vielen „Sparideen“, die von der schwarz-gelben Bundesregierung am 7. Juni 2010, unter der Überschrift „Die Grundpfeiler unserer Zukunft stärken“ angekündigt wurden. Mit diesem Schritt knüpft die Bundesregierung an eine „lange gepflegte Tradition“ an. (siehe Abbildung) Damit sollen 1,8 Milliarden Euro pro Jahr im Vergleich zu den Ausgaben im Jahr 2010 „eingespart“ werden, 7,2 Milliarden Euro in den Jahren 2011 bis 2014.

    Die wesentlichen Änderungen der Beiträge zur Rentenversicherung bei Bezug von Arbeitslosenhilfe:
    (bis 2004) Arbeitslosengeld II (ab 2005): (vgl. dazu die Abbildung auf Seite 1)

    • Für Arbeitslosenhilfe-Empfänger/innen wurden bis einschließlich 1999 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von über 2.500 Euro pro Jahr gezahlt – durchschnittlich, pro Arbeitslosenhilfeempfänger/in. Bemessungsgrundlage waren 80 Prozent (!) des zuletzt verdienten Bruttolohnes, ohne Einmalzahlungen.1 (in der Abbildung auf Seite 1 unter dem Label „Blüm“2)
      Für Arbeitslosengeldempfänger/innen (SGB III) gilt diese Bemessungsgrundlage noch immer, und zwar einschließlich der Einmalzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld. (§ 166 Abs. 1 SGB VI)
    • Zum 1. Januar 2000 wurde die Bemessungsgrundlage für die Beiträge zur Rentenversicherung bei Bezug von Arbeitslosenhilfe auf die ausgezahlte Arbeitslosenhilfe (netto) gekürzt. Der durchschnittliche Jahresbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung sank auf durchschnittlich knapp 1.200 Euro pro Jahr in den Jahren 2000 bis 2004. (in der Abbildung auf Seite 1 unter dem Label „Riester“3)
      – Mit Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1. Januar 2005 (Inkrafttreten des SGB II alias Hartz IV) sank der Jahresbeitrag bei Anspruch auf Arbeitslosengeld II auf (maximal) 936 Euro. Bemessungsgrundlage: monatlich 400 Euro; Beitragssatz in den Jahren 2005 und 2006: 19,5 Prozent. (in der Abbildung auf Seite 1 unter dem Label „Clement“4) Erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger/innen wurden als Arbeitslosengeld II Empfänger/innen in die Rentenversicherungspflicht einbezogen.
    • Zum 1. Januar 2007 wurde diese Bemessungsgrundlage auf monatlich 205 Euro reduziert. Der (maximale) Beitrag zur Rentenversicherung bei Anspruch auf Arbeitslosengeld II sank, bei einem Beitragsatz von 19,9 Prozent, auf jährlich 489,60 Euro. Zugleich wurde die (ergänzende) Beitragszahlung für versicherungspflichtig beschäftigte und versicherungspflichtig tätige Arbeitslosengeld IIEmpfänger/innen eingestellt.6 (in der Abbildung auf Seite 1 unter dem Label „Müntefering“7)
    • Zum 1. Januar 2011 sollen die vom Bund aufzubringenden Rentenversicherungsbeiträge für Arbeitslosengeld II-Empfänger/innen unter der Überschrift „Die Grundpfeiler unserer Zukunft stärken“8 vollständig abgeschafft werden. (in der Abbildung auf Seite 1 unter dem Label „von der Leyen“9)
      Die schwarz-gelbe Bundesregierung will mit diesem „vierten Schritt“ nach „Riester“, „Clement“ und Müntefering“ 1,8 Milliarden Euro pro Jahr, insgesamt 7,2 Milliarden Euro in den Jahren 2011 bis 2014 „einsparen“. Die Einnahmeseite der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt im „Sparplan“ der Bundesregierung unerwähnt.10
      Mit diesem „vierten Schritt“ würde bzw. wird die nach 1999 begonnene grundlegende Veränderung des Verhältnisses von gesetzlicher Rentenversicherung und (Langzeit-)Arbeitslosigkeit vollendet11 oder anders formuliert: “Grundpfeiler unserer Zukunft”: In vier Schritten “versenkt”!

    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) [PDF – 127 KB]

  9. Abkassiert von der Deutschen Bank: Wie Kommunen zum Zocken verführt wurden
    Quelle: Das Erste Plusminus
  10. Aktionstage zur Offenlegung von PPP-Verträgen gestartet
    Mit dem Slogan “Offenlegung aller PPP-Verträge jetzt!” starten am heutigen Freitag die bundesweiten Aktionstage der Kampagne “PPP-Irrweg” von Attac. “Ein wesentliches Merkmal aller so genannten Public-Private-Partnership-Projekte ist, dass die Verträge zwischen der öffentlichen Hand und den privaten Investoren geheim gehalten werden – selbst vor den Abgeordneten, die über die Projekte entscheiden”, sagte Carl Waßmuth vom bundesweiten Attac-Rat und Mitinitiator der Kampagne. “Diesen Skandal wollen wir ins öffentliche Bewusstsein rücken und für die Offenlegung der Geheimverträge streiten.”
    Quelle: ATTAC
  11. Ökoheizungen: Schlechtes Klima
    Erst kappt die Regierung die Förderung für Ökoheizungen, anschließend stornieren Bauherren bundesweit Umbau-Aufträge. Doch der Bund hat das Nachsehen – weil Millionen flöten gehen. Beinahe über Nacht blockierte die Regierung auf Druck von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die verbliebenen 115 Millionen Euro für 2010 aus dem laufenden 450-Millionen-Programm. Erstmals rechneten Wirtschaftsforscher nun die Schattenseiten des Sparprogramms aus und lassen selbst Experten staunen: Bund, Ländern und Kommunen entgingen alleine in diesem Jahr 151 Millionen Euro an Steuereinnahmen, wenn nur jeder zweite Auftrag storniert werde. Hinzu kämen Sozialversicherungsbeiträge und Arbeitsmarktentlastungen von knapp 70 Millionen Euro. “Das Marktanreizprogramm ist offensichtlich ein Beispiel dafür, dass staatliche Förderung sich durchaus auch aus Sicht der Haushälter positiv auswirken kann, indem Mittel zurückfließen – selbst wenn man unterstellt, dass nur die Hälfte des Investitionsvolumens oder der -vorhaben auf die Tatsache der Förderung zurückzuführen ist”, heißt es in dem Gutachten weiter. “Der Fiskus bringt sich um erhebliche Steuereinnahmen und bestätigt sich als Investitionsbremse”, klagt auch Jörg Mayer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien.
    Quelle: SZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein gutes Beispiel dafür, wie Sparmaßnahmen mit nicht intendierten Nebeneffekten korrelieren und diese den ursprünglichen Spareffekt zunichte machen. Aus dem Finanzministerium hört man jetzt, dass die Gelder doch freigegeben werden sollen.

  12. Längere Laufzeiten: Studie widerlegt Billigstrom-Versprechen der Atomriesen
    Eine Verlängerung der Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke hätte weit weniger positive Auswirkungen auf den Strompreis als bisher angenommen. Laut einer Studie des Ökostromanbieters Lichtblick, die dem SPIEGEL vorliegt, würde ein normaler Haushalt jährlich maximal neun bis zwölf Euro weniger zahlen, sollten die Atommeiler länger am Netz bleiben. Durch die im Jahresverlauf stark schwankenden Energiepreise könnten die ohnehin geringen Einsparungen sogar völlig kompensiert werden. Hauptgrund für die geringe Ersparnis ist laut Gutachten eine sich verfestigende Marktmacht der vier führenden Stromanbieter und damit ein geringerer Wettbewerbsdruck auf die Branche. Außerdem würde sich durch die geplante Verlängerung der Laufzeiten die Modernisierung des Kraftwerksparks verzögern, ältere Kohlekraftwerke dürften dadurch länger in Betrieb bleiben. Die Ergebnisse der Lichtblick-Studie bringen die etablierten Stromanbieter in Erklärungsschwierigkeiten. Denn die hatten die mögliche Ersparnis für Stromkunden bislang deutlich höher angesetzt. Nach Berechnungen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), in denen die Stromkonzerne organisiert sind, spart ein normaler Haushalt bei einer Verlängerung der Laufzeiten angeblich bis zu 144 Euro im Jahr.
    Quelle: Spiegel
  13. Sollen die anderen reden – wir tun es
    Das Vorhaben ist ehrgeizig: Schon 2012 sollen 500 000 Elektroautos auf Chinas Straßen fahren – heute sind es erst 2100. Die Regierung kündigte diesen Monat ein Pilotprogramm in den fünf Metropolen Schanghai, Shenzhen, Changchun, Hangzhou und Hefei an. Dort wird der Kauf eines Elektroautos mit 50 000 bis 60 000 Yuan für den Hersteller (heute rund 7000 Euro) bezuschusst. Rund fünf Milliarden Yuan (600 Millionen Euro) sind an Subventionen bereitgestellt worden. Die Zentralregierung steckt zusätzlich eine Milliarde Yuan in Forschung und Entwicklung. Weitere Gelder machen Städte und Provinzen locker, damit ihre jeweiligen lokalen Hersteller vorangehen können.
    Quelle: Tagesspiegel
  14. Daniela Dahn: Präsidentschaftskandidat Joachim Gauck: Gespalten statt versöhnt
    Er will bewahren, was ist: Warum man weder Anti-Aufklärer noch DDR-Nostalgiker sein muss, um den Präsidentschaftskandidaten Joachim Gauck abzulehnen.
    Das Image eines Versöhners kam überraschend. Hat doch den Mann, nach dem nicht nur eine Behörde benannt, sondern auch das Verb “gaucken” kreiert wurde, bisher niemand schonungsloser kritisiert als Sozialdemokraten. Nun aber gilt eine andere, eigendynamische Logik: Wer einen Kandidaten Joachim Gauck ablehnt, kann nur ein unklares Verhältnis zum DDR-Unrecht haben, und einen schlimmeren Vorwurf gibt es hierzulande kaum. Der Stasi-“Aufklärer” selbst hat sich dieses Kurzschlusses von Anfang an bedient – wer seine Behauptungen widerlegte, bekam das Etikett “Anti-Aufklärer” verpasst.
    Quelle: SZ
  15. Evangelikale sonnen sich in Wulffs Glanz
    Kurz vor seiner Nominierung zum Bundespräsidenten-Kandidaten trat Christian Wulff (CDU) bei rechtslastigen Evangelikalen auf. Die Opposition sieht die Regierung blamiert, die CDU findet alles ganz normal.
    Den Vortrag hielt Wulff am 19. Mai beim “Arbeitskreis Christlicher Publizisten” (ACP).
    Seit Jahren warnen Sektenbeauftragte der evangelischen Kirchen vor dem Kreis, den sie als “fundamentalistische Splittergruppe am äußerst rechten Rand des Protestantismus” verorten. Der Name ACP sei irreführend, sagt Claudia Knepper von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin: Seriöse evangelische und katholische Publizisten seien dort nicht vertreten. Die Zentralstelle rät zur Distanz.
    Quelle: taz

    Anmerkung WL: Zitat aus den Webseiten des “Arbeitskreises Christlicher Publizisten”: „Ministerpräsident a.D. Albrecht war ein besonders geschätzter Ehrengast. Grußbotschaften und Segenswünsche erreichten uns aus vielen Ländern
    und wurden insbesondere von Bundesministerin Ursula von der Leyen und
    dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch übermittelt.“

  16. Jürgen Habermas: Wir brauchen Europa!
    Die neue Hartleibigkeit: Ist uns die gemeinsame Zukunft schon gleichgültig geworden?
    Die neue deutsche Hartleibigkeit hat tiefere Wurzeln. Schon mit der Wiedervereinigung hatte sich die Perspektive eines größer gewordenen und mit eigenen Problemen beschäftigten Deutschlands verändert. Wichtiger war der Bruch der Mentalitäten, der nach Helmut Kohl eingetreten ist. Abgesehen von einem zu schnell ermatteten Joschka Fischer, regiert seit dem Amtsantritt von Gerhard Schröder eine normativ abgerüstete Generation, die sich von einer immer komplexer werdenden Gesellschaft einen kurzatmigen Umgang mit den von Tag zu Tag auftauchenden Problemen aufdrängen lässt. Sie verzichtet im Bewusstsein der schrumpfenden Handlungsspielräume auf Ziele und politische Gestaltungsabsichten, ganz zu schweigen von einem Projekt wie der Einigung Europas. ..
    Die um sich selbst kreisende und normativ anspruchslose Mentalität eines selbstbezogenen Kolosses in der Mitte Europas ist nicht einmal mehr ein Garant dafür, dass die Europäische Union in ihrem schwankenden Status quo erhalten bleibt…
    …die guten Absichten scheitern weniger an der »Komplexität der Märkte« als am Kleinmut und der mangelnden Unabhängigkeit der nationalen Regierungen. Sie scheitern am vorauseilenden Verzicht auf eine internationale Zusammenarbeit, die sich zum Ziel setzt, die fehlenden Handlungskapazitäten aufzubauen – weltweit, in der EU und zunächst einmal innerhalb der Euro-Zone.
    Mit ein bisschen politischem Rückgrat kann die Krise der gemeinsamen Währung das herbeiführen, was sich manche einmal von einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik erhofft hatten: das über nationale Grenzen hinausgreifende Bewusstsein, ein gemeinsames europäisches Schicksal zu teilen.
    Quelle: Die Zeit
  17. Europas Sparprogramme
    1. Im alten neoliberalen Takt
      Die Regierungsrezepte gleichen sich zuweilen bis aufs Haar – und entstammen dem neoliberalen Lehrbuch. Keine Neueinstellungen im öffentlichen Dienst und/oder Entlassungen von Staatsangestellten, Anhebung der Verbrauchssteuern und/oder der allgemeinen Mehrwertsteuern, Lohnsenkungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, Kürzung der Renten, Reduzierung der Sozialausgaben und höhere Steuern für die breite Bevölkerung: Wer soll da noch die Wirtschaften wieder ankurbeln? Eine Steigerung der Staatseinkünfte durch eine höhere Besteuerung der Reichen ist übrigens kaum irgendwo vorgesehen. Nur auf der Iberischen Halbinsel werden sie ein bisschen zur Kasse gebeten: In Portugal sollen Unternehmen auf alle Gewinne eine zusätzliche «Krisensteuer» von 2,5 Prozent zahlen, und in Spanien denkt die Regierung darüber nach, die Vermögenssteuer wieder einzuführen, die sie erst 2008 – als sich die Krise bereits abzeichnete – abgeschafft hatte. Dabei wäre bei den Eliten einiges zu holen – nicht nur durch Bankenabgaben und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. In einigen Staaten ist der Spielraum nach oben besonders gross: Während die tatsächlichen Steuern auf Gewinne und Vermögen in der Eurozone 2006 (neuere Zahlen sind nicht verfügbar) bei durchschnittlich 30 Prozent lagen, hat Deutschland grosse Besitztümer, Profite und besonders hohe Einkommen nur zu 24 Prozent besteuert. Und Griechenland gerade mal zu 16 Prozent.
      Quelle: Wochenzeitung
    2. Niels Kadritzke: Griechenland: Einschneidende Reformen wirken nur mit europäischer Solidarität
      Da die Athener Regierung bis Ende dieses Jahres ihre Anleihen mit einem berechenbaren Zins aufnehmen kann, gewinnt sie nicht nur eine Atempause, sondern womöglich auch eine Chance, um den entscheidenden Strukturdefekt dieses Programms neu zu diskutieren. Der besteht darin, dass die nachhaltigen Wirkungen auf der Einnahmenseite erst mittelfristig eintreten werden. Eine wesentliche Erhöhung der Steuereinnahmen, die bislang nur 32% des BIP ausmachen (bei einem EU-Durchschnitt von 40%) ist nicht in drei Jahren zu schaffen. Und der Kampf gegen die Steuerhinterziehung verspricht auch keine schnellen Erfolge, wie die oben angeführten Zahlen des 1. Quartals 2010 zeigen. Diese Zahlen dokumentieren einen Konjunktureinbruch, der von den Wirtschaftsexperten der EZB, der OECD, des IWF wie auch von den Analysten der Ratingagenturen und der Großbanken als größtes Fragezeichen hinter dem »ehrgeizigen« Athener Programm gesehen wird. Deshalb sollten die europäischen Partner Griechenlands diskutieren, wie man diese Gefahr entschärfen kann. Wenn sie dazu beitragen wollen, dass das Programm für Stabilität und Entwicklung (Griech. PSA) mittelfristig tragfähig ist, sollten sie eine Entzerrung der Sparmaßnahmen befürworten. Aus heutiger Sicht ist die dreijährige Laufzeit dieses Programms »über-ehrgeizig« und somit kontraproduktiv. Die wirtschaftliche Erholung des Landes wird weitaus wahrscheinlicher, wenn es die 3%-Grenze des Haushaltsdefizits erst in vier Jahren, also Ende 2013, anstreben würde. Einen ähnlichen Effekt hätte das Modell, das inzwischen unter Experten – und in der Athener Wirtschaftspresse – ernsthaft diskutiert wird: eine Verlängerung der Laufzeiten für die griechischen Staatsanleihen, die in den nächsten drei bis fünf Jahren fällig werden. Auch dies würde der Regierung Papandreou eine »Zeit zum Atemholen geben, um ihr Sparprogramm samt den strukturellen Reformen umzusetzen« (so Tony Barber in der Financial Times vom 29. April).
      Die Gefahr, dass eine solche Korrektur der Sparpläne von der Bevölkerung als »Entwarnung« wahrgenommen wird, existiert nicht. Spätestens seitdem die Griechen am 28. April in den Abgrund geblickt haben, ist ihnen vollends klar, dass ein Staatsbankrott aus eigener Kraft nicht abzuwenden ist. Zudem wird die internationale Kontrolle über das Sparprogramm jede Abweichung von den definierten Zielen verhindern. Allerdings könnte die Akzeptanz dieses Programms durch die Gesellschaft merklich zunehmen, wenn einige Parameter korrigiert werden, die eine positive Wirkung für die künftige Konjunktur entfalten. Diese gesellschaftliche Akzeptanz hängt maßgeblich von drei Bedingungen ab. Erstens von der Einsicht über den Ernst der Lage, zweitens von dem Gefühl einer »gerechten« Verteilung der zu erbringenden Opfer, drittens von der Hoffnung, dass diese Opfer nicht umsonst sind, sondern sich irgendwann in der noch so fernen Zukunft auszahlen. Die erste Bedingung ist im Fall Griechenland zweifellos gegeben, die zweite und dritte sind es derzeit nicht. Sie sind wahrscheinlich nur zu erfüllen, wenn man einer Regierung, deren ehrlicher Willen außer Zweifel steht, für die nötigen durchgreifenden Reformen mehr Zeit einräumt.
      Quelle: Linksnet

      Anmerkung Orlando Pascheit: Eine kenntnisreiche Analyse der Situation, vor die die Regierung Papandreou nach ihrem Antritt Oktober 2009 gestellt wurde, des Programms für Stabilität und Entwicklung als Reaktion darauf sowie der Verschärfung des Programms im Gefolge der weiteren Herabstufung der griechischen Kreditwürdigkeit.

    3. Thomas Fricke: Marktpanik im Euroland
      Deutsche Regierungen haben über zehn Jahre fast alle Energie darauf gesetzt, immer und immer wieder Kosten zu senken, die Verbesserung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit als (beinahe) alleiniges Ziel von Wirtschaftspolitik aussehen zu lassen – und dabei so zu tun, als reiche es, wenn Andere unsere Waren kaufen und wir derweil unseren Konsum (und die Importlust) durch höhere Mehrwertsteuern de facto bremsen. Dabei waren die deutschen Exporteure entgegen den damaligen Panikeinlagen im Land schon 2003 ziemlich fit. Da darf man sich nicht wundern, wenn die eigenen Überschüsse in anderen Ländern irgendwann entsprechende Defizite bedeuten, die dann irgendwann zu tieferen Krisen für alle führen. Siehe Griechenland.
      Beim VWL-Studium des Merkantilismus lernt man, dass es auf Dauer in Krisen endet, wenn ein Land Überschüsse hortet. Das gilt auch für die moderne deutsche Variante. Es kommt einer Art ordnungspolitisch korrektem Protektionismus gleich, wie 2007 die Mehrwertsteuer zu erhöhen (die auch Importeure zu zahlen haben), um mit dem Geld Sozialbeiträge zu senken, wovon nur heimische Betriebe profitieren. Das ist im Euro-Ausland zu Recht auf viel Unmut gestoßen.
      Quelle: Le Monde diplomatique
    4. Irland: Die Leute sind wütend und haben Angst
      Kaum ein anderes Land der Eurozone steckt so sehr in der Krise wie Irland, und kaum irgendwo wird der Bevölkerung so viel abverlangt wie hier. Und doch hält sich der Widerstand in Grenzen. Dabei hätten die irischen Lohnabhängigen jeden Grund zur Rebellion. Denn seit die Finanzmarktkrise vor zwei Jahren den Keltischen Tiger bezwang und den schleichenden Entindustrialisierungsprozess beschleunigte, kippt Irland zurück in alte Zeiten, als die Armut groß war und viele im Elend lebten. «Der Boom der beiden letzten Jahrzehnte war nur ein kurzer Traum», sagt eine, die ihren Namen nicht nennen mag, «und so recht haben viele von uns selber nicht daran geglaubt. Jetzt stehen wir wieder am Anfang.» Denn derzeit ist vieles schlimmer als früher – weil nicht alle Opfer sind, nicht alle wieder ganz unten landen, sondern nur die Armen, die abhängig Beschäftigten, die Kranken, die Alten, die Behinderten. Und andere gewinnen.
      «Irland steckt tiefer in der Krise als die meisten anderen EU-Staaten», sagt Mick O’Reilly, bis vor zwei Jahren Irland-Chef der Gewerkschaft Unite, «und für die Folgen werden noch meine Enkel zahlen müssen.» Rund achtzig Milliarden Euro hat der Staat den Großbanken in den letzten zwei Jahren überwiesen, darunter knapp fünfzig Milliarden für einen grandiosen Müllhaufen an giftigen Wertpapieren, die an eine staatliche Behörde ausgelagert wurden. Allein die Anglo Irish Bank hat seit März zehn Milliarden Euro erhalten. «Die Banker haben die Politiker in der Nacht angerufen und mit allem Möglichen gedroht», erinnert sich Gewerkschafter O’Reilly, «und am nächsten Morgen war für sie alles wieder gut.» Allein die Anglo Irish Bank hatte faule Kredite in Höhe des halben BIP angehäuft. «Dieses Geldhaus war nie etwas anderes als das Spielcasino von ein paar Baufirmen», sagt O’Reilly; es habe für die Wirtschaft keinerlei Bedeutung gehabt, man hätte es ruhig untergehen lassen können. Stattdessen wurde es verstaatlicht. «Irland war immer ein Musterschüler des Neoliberalismus», sagt Connolly. In den Boomzeiten habe die Regierung den multinationalen Unternehmen rote Teppiche ausgerollt, Land geschenkt, Steuern erlassen (die Unternehmenssteuer liegt immer noch bei rekordverdächtig tiefen 12,5 Prozent) und auf Teufel komm raus dereguliert – «und jetzt in der Krise werden Sozialleistungen ebenso vorbildlich zusammengestrichen.»
      Quelle: Wochenzeitung
  18. Ausmaß der Ölpest übertrifft alle Vorstellungen
    Der Vorstand von BP muss zum Rapport ins Weiße Haus. Präsident Obama hat die Manager einbestellt, um mit ihnen über die Bekämpfung der Ölkatastrophe zu sprechen. Deren Ausmaß wird immer größer. Vermutlich strömen täglich bis zu 6,4 Millionen Liter Öl aus dem Bohrloch.
    Quelle: Tagesschau
  19. Krisenbetriebe sparen bei der Weiterbildung
    Qualifizieren statt entlassen – unter diesem Motto stand die Ausweitung der Kurzarbeit. Die Teilnahme an öffentlich geförderten Qualifizierungsprogrammen hat laut Bundesagentur für Arbeit im vergangenen Jahr tatsächlich etwas zugenommen. Die Unternehmen selber haben die auftragsarme Zeit in der Wirtschaftskrise aber nur selten für verstärkte Weiterbildung genutzt. Von der Krise direkt betroffene Unternehmen haben ihre Weiterbildungsaktivitäten sogar eher zurückgefahren. Das zeigen Ergebnisse der aktuellen Betriebsrätebefragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung, die in der Juni-Ausgabe der WSI Mitteilungen veröffentlicht sind.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung
  20. Eine neue Chance für die FU
    Millionenskandal in New York? Das wahre Problem der Freien Universität Berlin ist ihre frühere Leitung.
    Nicht mehr die selbst verwaltete und demokratisch strukturierte Universität mit einem gesamtgesellschaftlichen Auftrag und entsprechender staatlicher Förderung war das Leitbild, sondern ein Top-Down-Modell, eine unternehmerische Universität, die auf private Spenden und Investoren setzte.
    Zentralisierung und Intransparenz der Entscheidungen aber verstärkt gerade in Zeiten der Exzellenzkonkurrenz die Gefahr von Seilschaften, die mehr oder weniger rücksichtslos auf Ressourcen zugreifen, auf Räume und Personal, auch auf Kosten anderer. Es kommt einem die Vorstellung von „Beutegemeinschaften“ in den Sinn, und tatsächlich bezeichnen sich einige selbst so. Solche Strukturen höhlen eine Institution aus, die seit Humboldt auch immer auf eine intrinsische Motivation und eine Atmosphäre der Kooperation angewiesen ist, ja davon lebt und so erst ihre Güte erweist.
    Nach den Erfahrungen der Rücksichtslosigkeit und der closed-shop-Politik braucht es daher eine Debatte über ethische Minima der Achtung der Schwächeren, eines Klimas der Rücksicht und des gegenseitigen Verständnisses und Austausches zwischen Studierenden und Lehrenden, damit im ökonomisierten Kampf um Drittmittel das Ziel der Bildung nicht vor die Hunde geht. Soll die Kernfunktion der Universität erhalten bleiben, ist eine Verständigung über das jeweilige Gemeinsame solcher Institutionen erforderlich.
    Quelle: Tagesspiegel
  21. Bildungsmilliarden für Hartz-IV-Kinder
    Der Traum von der gemeinsamen Bildungsrepublik ist zunächst geplatzt. Nun will der Bund bedürftige Schüler fördern
    Nachdem sich Bund und Länder am Donnerstag nicht auf gemeinsame Bildungsziele einigen konnten, will die Bundesregierung nun im Alleingang bedürftige Schüler mit Bildungsgutscheinen fördern. Und zwar über die Sozialpolitik, denn dort hat der Bund anders als in der Schulpolitik das Sagen. Eine Sprecherin von Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) bestätigte, dass ein nicht unerheblicher Teil der für Bildung und Forschung geblockten zusätzlichen 12 Milliarden Euro in die Reform der Kinderregelsätze gesteckt werden solle.
    Von der Leyen selbst sagte in der Passauer Neuen Presse vom Freitag: “Die neuen Gelder für Bildung werden nicht über den Regelsatz ausgegeben, sondern in Leistungen vor Ort investiert.” Die Ministerin denke etwa an Gutscheine für Sport und Freizeit, also Aktivitäten, die “bildenden Charakter” hätten, erläuterte ihre Sprecherin.
    Das würde bedeuten, den Sozialhaushalt, aus dem die Bundesregierung zu Wochenbeginn 4,3 Milliarden Euro kürzte, nun mit den zusätzlichen Milliarden aus dem Bildungshaushalt zu sanieren. Damit würde die Bundesregierung zwei Hausaufgaben zugleich erledigen: Zum einem hatte das Bundesverfassungsgericht im Februar verfügt, dass die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder bis zum Jahresende neu berechnet werden müssen. Zum anderen will der Bund die jährlichen Gesamtausgaben für Bildung und Forschung ab 2015 auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen.
    Quelle: taz

    Anmerkung WL: Mal abwarten, was da kommen wird.

  22. Bis jetzt sieht es so aus:

  23. Kinder ohne Perspektive
    Was würden Deutschlands Kinder zu den Sparplänen der Bundesregierung sagen? Die Frage lässt sich der Tendenz nach beantworten, seit vor wenigen Tagen die zweite Studie des Kinderhilfswerks World Vision Deutschland e. V. vorgelegt wurde. Die Studie zeigt, wie gespalten die Kinderwelt in Deutschland ist.
    Quelle: FR
  24. TV-Tipp: Boston Legal
    NachDenkSeiten Leser I.R. meint: “Die Justizserie Boston Legal wird in Deutschland als Klamauk verkauft, ist es aber nicht. Wenn man sich einzelne Elemente ansieht, wird schnell klar, dass der Spaßfaktor nur als Träger für weit ernstere Themen dient.
    In dieser Szene hatte ein Vater gegen einen Talkshow-Sender geklagt, weil er in Folge gezielter Eskalation seine Tochter verlor. Wir sehen ein großartiges Schlussplädoyer gegen die Kommerzialisierung und Verblödung der Medien mit Bezug auf den Klassiker “Network” von 1976, der in der Tat seiner Zeit weit voraus war, aber mittlerweile eingeholt und überholt wurde.”
    Quelle: Selbst aufbereitetes Youtube-Video des NachDenkSeiten-Lesers I.R.

    Anmerkung KR: In der Tat scheint die Serie auf den ersten Blick etwas viel Klamauk zu enthalten, doch selbst das ist meist recht gut gemacht.
    Auf den zweiten Blick merkt man, dass vor allem die Gerichtsverhandlungen dazu genutzt werden, auf politische Missstände aller Art hinzuweisen, so z.B. dass

    • die US-Pharmaindustrie die beiden Parlamente mit 80 Mio $ pro Jahr sponsort – und die entsprechenden Gesetze bekommt
    • niemals mehr Überwachungen von Journalisten angeordnet wurden als in der Regierungszeit von Clinton
    • von den letzten acht Antitrustverfahren vor dem Obersten Bundesgericht alle mit dem Freispruch der Unternehmen endeten
    • und vieles mehr.

    Der Produzent David E. Kelley und sein Team versuchen offenbar, das Medium Fernsehen zur politischen Aufklärung einzusetzen.
    Ab Montag, 22:55 Uhr, werden alle fünf Staffeln auf VOX wiederholt.


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