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Titel: Syrien – Die unendliche (Lügen-)Geschichte

Datum: 20. Februar 2020 um 10:30 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik, Militäreinsätze/Kriege, Strategien der Meinungsmache
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Der Medien-Mythos von der „demokratischen Revolution“ und den gerechten “Rebellen“ in Syrien ist längst kollabiert. Trotzdem wird die falsche Erzählung von vielen Medien weiterhin massiv gestützt, etwa in den letzten Tagen: Der „Bürgerkrieg“ erscheint hier wie eine Naturgewalt, die ohne Zutun und Vorgeschichte „ausgebrochen“ ist. Um die eigene Mitverantwortung am Konflikt zu vertuschen, wird auch Kinderleid missbraucht und noch immer dubioses Material genutzt – etwa von den „Weißhelmen“. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Medien-Mythos’ von der „demokratischen Revolution“ in Syrien ist längst kollabiert. Aus diesem Grund könnte man verlangen, dass als Reaktion viele große Medien Abstand von ihrer verkürzten Erzählung zu Syrien nehmen würden. Und dass vielleicht sogar ein Prozess der Aufarbeitung des Versagens von weiten Teilen der deutschen Medienlandschaft beim Thema Syrien und Regime-Change eingeleitet würde. Doch beides bleibt aus. Mutmaßlich auch, weil die westlich-mediale Mitverantwortung am islamistischen Terror gegen Syrien dann offensichtlich würde. Und so wird die falsche (und längst als falsch bewiesene) mediale Darstellung von den „oppositionellen Aktivisten“ weitergeführt. Und so wird auch weiterhin ein medialer Schutzwall um diese „Rebellen“ gelegt, deren Charakter und Unterstützer nicht angemessen hinterfragt werden – und von denen nicht verlangt wird, dass sie endlich ihre Waffen niederlegen.

Um diesen Mythos von den wohl gutmeinenden „Rebellen“ aufrecht zu erhalten, konnten in den letzten Tagen viele Mittel der Verzerrung beobachtet werden: Von instrumentalisiertem Kinderleid, über stur wiederholte Phrasen vom „Assad-Regime“ bis hin zu noch immer genutztem Material von enttarnten Propagandisten wie den „Weißhelmen“.

Der „Bürgerkrieg in Syrien“ – eine “ausgebrochene“ Naturgewalt

Die Geschichte des „Bürgerkriegs in Syrien“ erscheint in der Darstellung vieler großer westlicher Medien nicht nur unendlich – sie hat nach dieser Darstellung auch keinen Anfang. Permanent bewegt man sich medial seit 2011 in einer leidvollen Gegenwart, die wie eine Naturgewalt „ausgebrochen“ ist. Kein Wort von der Vorgeschichte und von der Verantwortung des Westens – statt dessen die falsche Darstellung von einer angeblichen „Komplexität des Konflikts“ und von der westlichen Untätigkeit („Und die Welt schaut zu“): Wären der Westen und seine Verbündeten in Syrien seit 2011 doch bloß untätig geblieben. Hier folgt zunächst eine kleine und unvollständige Auswahl an skandalösen Medienbeiträgen zu Syrien aus den letzten Tagen:

Das Heute Journal vom Mittwoch im ZDF setzte auf die Ausbeutung von Kinderbildern: Lagerszenen und dubiose Trümmerbilder illustrieren den Bericht. „Die Truppen Assads“ schnüren laut Bericht das „unübersichtliche Herrschaftsgebiet unterschiedlicher Milizen“ ab. „Nach Idlib hatten sich Hunderttausende geflüchtet.“ Wer ist geflüchtet, welche Handlungen sind dieser Flucht vorausgegangen, warum werden die Waffen von den „Rebellen“ nicht niedergelegt? Was verbirgt sich hinter der Floskel vom „unübersichtlichen Herrschaftsgebiet“ – wer herrscht dort?

Solche Fragen möchten auch die die Tagesthemen vom Mittwoch in der ARD nicht genau beantworten. Sie sprechen von der „Rebellenhochburg“ Idlib. Ein dort interviewter Familienvater ist geflohen – „vor den Soldaten des syrischen Regimes“. „Oppositionelle“ laden den Reporter in „ihr Gebiet“ ein. Dort zeigen Weißhelme (laut ARD eine „Zivilschutzorganisation“) ein von „Assad-Soldaten“ zerstörtes Krankenhaus. Auch die ARD-„Tagesschau“ berichtet dramatisch, aber mit wenig Hintergrund von „Bomben, Kälte, Hunger – Katastrophe in Idlib“. Zur genaueren Betrachtung der Berichterstattung der „Tagesschau” zu Syrien der letzten Tage sei hier ein offener Brief auf dem Blog „Peds Ansichten“ empfohlen.

„Syriens Zombie-Regime“: „Wird Assad sie alle umbringen lassen?“

Einig ist man sich in zahlreichen Medien, dass sich die „bislang schlimmste Flüchtlingskrise“ in Syrien anbahnen würde, wie es etwa wenig differenziert im ZDF, in der „Rheinischen Post“, im „Stern“ oder bei n-TV heißt.

Einen nochmals verschärften Ton schlägt der „Focus“ an, der von „Syriens Zombie-Regime“ schreibt und in einem weiteren Artikel zum „syrischen Bürgerkrieg“ prophezeit:

„Wenn das Assad-Regime kommt, bedeutet das ein Massaker“

Da will die „Zeit“ nicht zurückstehen und lässt in diesem Artikel eine Interview-Partnerin fragen:

„Wird Assad sie alle umbringen lassen?“

Die Einleitung des „Zeit“-Artikels reduziert den Konflikt in bekannter Manier auf die Gegenwart, die Verbrecher sind auch hier die Truppen der syrischen Regierung:

„In der letzten von Rebellen kontrollierten Provinz im Nordwesten Syriens sind mehr als 900.000 Menschen auf der Flucht, vor allem Frauen und Kinder. In den Ortschaften nahe der türkischen Grenze suchen sie Schutz vor den Bomben und den vorrückenden Soldaten und Milizen des syrischen Regimes von Baschar al-Assad und seiner russischen und iranischen Unterstützer.“

„Irgendwann mischten islamistische Kräfte mit“

Auf welchem erbärmlichen Niveau sich viele radikal verkürzte Berichte zu Syrien bewegen und welches Niveau sie also bei ihren Lesern voraussetzen, das belegt auch etwa dieses Zitat aus „Der Westen“, der fragt, worum es beim Syrienkrieg „eigentlich geht“, und antwortet:

„Angefangen hatte 2011 alles mit einem Hauch von Hoffnung. Damals hatten im Zuge des arabischen Frühlings Tausende gegen den syrischen Diktator Baschar Al-Assad friedlich demonstriert. Das Ziel: mehr Demokratie. Davon ist nichts mehr übrig. Irgendwann mischten islamistische Kräfte mit, der IS überrollte das Land mit seinem Terror, Russland und die USA warfen Bomben ab.“

Das Fazit ist ein Offenbarungseid für Journalisten:

„Kaum mehr zu überblicken, worum es in diesem Krieg eigentlich geht.“

„Das syrische Regime verfolgt in Idlib eine Strategie der verbrannten Erde“

Laut „Bild“-Zeitung plündern „Assad-Schergen Häuser der Vertriebenen“ und „Aktivisten“ erklären dort „die Raubzüge der syrischen Soldaten“. Und auch die „Deutsche Welle“ kennt nur die syrisch-russisch-iranische Gewalt der Gegenwart:

„Das syrische Regime, unterstützt durch russische Flugzeuge und pro-iranische Milizen, verfolgt in Idlib eine Strategie der verbrannten Erde. Hubschrauber werfen Fassbomben auf Krankenhäuser und Schulen, Märkte und Wohnhäuser. Große Siedlungen sind entvölkert und wurden zu Geisterstädten. Die unmissverständliche Botschaft lautet: Hier soll es künftig kein Leben mehr geben! Wie eine Walze treibt die syrische Kriegsmaschine Hunderttausende wehrlose Menschen vor sich her.“

Darf sich der syrische Staat militärisch verteidigen?

Angesichts dieser Berichte fragt man sich, wie es eigentlich geschehen konnte, dass islamistische Kämpfer ab 2011 plötzlich zu den Guten erklärt wurden – und das nach 10 Jahren „Krieg gegen den Terror“ mit der entsprechenden anti-islamischen Propaganda.

Um die Situation in Syrien und das Verhalten vieler großer Medien bei dem Thema richtig beurteilen zu können, ist ein grober und zugespitzter Vergleich hilfreich – mit den folgenden Fragen spricht man die syrische Regierung nicht von berechtigter Kritik frei: Wie würden die gleichen großen Medien wohl berichten, wenn islamistische Kämpfer Vororte Berlins besetzt hätten: Würden sie die in ausländischem Sold stehenden Kämpfer als „oppositionelle Aktivisten“ bezeichnen? Würden sie ein militärisches Vorgehen gegen die Islamisten als „Terror“ und „Strategie der verbrannten Erde“ bezeichnen? Würden sie Bundeswehr und Bundesregierung für die entstehenden Flüchtlingsströme verantwortlich machen? Würden sie fordern, dass „Schutzzonen“ für die vom „Vorrücken“ des „Merkel-Regimes“ bedrohten „oppositionellen Aktivisten“ eingerichtet werden?

Oder würden sie nicht vielmehr dem deutschen Staat das Recht auf Selbstverteidigung einräumen? Würden sie nicht nachvollziehbar darauf pochen, dass endlich der Vorkriegszustand wiederhergestellt wird und alle nichtstaatlichen Kämpfer bedingungslos die Waffen niederlegen? Und würden sie darauf hinweisen, dass dieser Krieg nun (von syrischer Seite) gewonnen und darum durchgefochten werden muss, um das Leid nicht noch jahrelang auszudehnen? Und darauf, dass bei dieser (verteidigenden) Kriegsführung unausweichlich Leid entstehen muss – dass aber die Seite moralisch in der Pflicht ist (etwa wenn Krankenhäuser getroffen werden), die den Krieg begonnen hat, und nicht die (syrische) Seite, die ihn in den Vorkriegsgrenzen beenden will.


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Titelbild: prapass / Shutterstock


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