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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 8. Juni 2010 um 9:22 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Heute unter anderem zu folgenden Themen: Sparpaket; wenn alle das Gleiche denken; Steuerfahnder-Mobbing geht weiter; Steuersatz 25 Prozent; Obamas Finanzmarktreform zerredet; nur Island ermittelt gegen die Banken; sparen in Irland; Bankensteuern im Aus; Studiengebühren in NRW; bloß nicht sparen; Kalter Krieg wird präsidiabel; Neues aus der Anstalt. (JK)
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung G.K.: Die schwarz-gelbe Bundesregierung sowie neoliberal ausgerichtete Organisationen wie die OECD propagieren nach wie vor den “schlanken Staat”, der jedoch mehr und mehr zu einem magersüchtigen Staat mutiert. Die maßgeblich aus der neoliberalen Wirtschaftsideologie resultierenden Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise werden nun als Hebel für ein erneutes Zurückdrängen des öffentlichen Sektors missbraucht.
So fällt bei den “Sparbeschlüssen” ins Auge, daß Schwarz-Gelb lediglich dazu bereit ist, die Unternehmen und damit teileweise die Realwirtschaft stärker zu belasten. Die hohen Einkommen und die Spitzeneinkommen sowie die großen Vermögen von Privatpersonen bleiben jedoch nahezu vollständig verschont, obwohl es wesentlich sinnvoller wäre, dort den Hebel anzusetzen.
Die Bundesregierung lenkt den Blick ganz gezielt auf die Ausgabenseite des Staatshaushaltes, um auf diesem Wege jegliche Diskussion über eine stärkere steuerliche Belastung von vermögenden Privatpersonen im Keim zu ersticken.
Ein Blick auf die Steuer- und Abgabenbelastung in europäischen Vergleich zeigt folgendes Bild: Deutschland weist eine leicht unterdurchschnittliche Steuer- und Abgabenquote aus. In Prozent vom Bruttoinlandsprodukt betrugen die Steuern und Sozialversicherungsabgaben im Jahre 2007 (Quelle: Eurostat [PDF – 200 KB])
Bemerkenswert ist, dass die ökonomisch sowie sozial- und gesellschaftspolitisch erfolgreichen skandinavischen Staaten eine deutlich höhere Steuer- und Abgabenquote aufweisen:
Würde Deutschland sich an der finnischen Steuer- und Abgabenquote in Höhe von 43,0 Prozent orientieren, dann wären die hiesigen staatlichen Einnahmen im Jahre 2007 um 85 Mrd. Euro höher ausgefallen:
Bei Ansatz der ungewichteten durchschnittlichen Steuer- und Abgabenquote Skandinaviens (45,9%) ergäben sich sogar staatliche Mehreinnahmen in Höhe von 155 Mrd. €.
Statt neuer Sparorgien zu Lasten der sozial Schwachen und der daraus resultierenden negativen Auswirkungen auf den privaten Verbrauch scheint es durchaus vertretbar, die hiesige Steuer- und Abgabenbelastung zumindest ein Stück weit an das Niveau der skandinavischen Staaten heranzuführen. Die Umsetzung einer höheren Steuer- und Abgabenquote ließe sich in Deutschland am sinnvollsten v.a. über einen Anstieg der im internationalen Vergleich äußerst niedrigen Vermögens- und Erbschaftssteuerbelastung sowie über eine Erhöhung des in den vergangenen Jahren drastisch abgesenkten Spitzensteuersatzes realisieren.
Im OECD-Vergleich liegen die staatlichen Einnahmen für diese Steuerarten in Prozent vom Bruttoinlandsprodukt in Deutschland an zweitletzter Position:
(*) Die von der schwarz-roten sowie der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossenen Senkungen der Erbschaftsteuer werden die ohnehin niedrigen staatlichen Einnahmen aus dieser Steuer nochmals nach unten drücken.
Zahlreiche wirtschaftspolitisch erfolgreiche europäische Staaten weisen Spitzensteuersätze deutlich oberhalb des deutschen Niveaus auf:
Hierzulande beträgt der Spitzensteuersatz inkl. Solidarzuschlag 44,3% (einschließlich der sog. “Reichensteuer”, die nur für sehr hohe Einkommen greift und für die es zudem viele Ausnahmen gibt: 47,5%).
Die von den skandinavischen Staaten praktizierte Fiskalpolitik in Gestalt höherer Steuer- und Abgabenquoten geht mit im Vergleich zu Deutschland niedrigeren staatlichen Defizitquoten einher. Im Jahre 2007 betrug die öffentliche Verschuldung in Prozent vom Bruttoinlandsprodukt:
Das Beispiel Skandinaviens zeigt, daß ein ökonomisch sowie sozial- und gesellschaftspolitisch sinnvoller Weg zum Abbau der staatlichen Haushaltsdefizite existiert. Die Erhöhung der Steuerbelastung der Spitzenverdiener sowie der Besitzer großer Vermögen wäre zudem mit nur geringen Belastungen für die Realwirtschaft verbunden, da dieser Personenkreis den Anstieg der Steuerbelastung durch eine Rückführung der sehr hohen Sparquoten kompensieren kann. Ein weiterer positiver Effekt: Dem “internationalen Spielcasino” würden geringere Sparguthaben der Spitzenverdiener zufließen, die Gefahr des Aufbaus neuer Spekulationsblasen würde somit reduziert werden.
Das gegenwärtig angespannte wirtschaftliche Umfeld, welches als Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise nahezu weltweit durch ein starkes Ansteigen der staatlichen Haushaltsdefizite geprägt ist, bietet, auch vor dem Hintergrund der neuen US-Administration, vergleichsweise günstige politische Rahmenbedingungen für eine Politikumkehr hin zu einer stärkeren steuerlichen Belastung der Spitzenverdiener und der Besitzer großer Vermögen. Im Gegensatz zu den in Deutschland noch immer tonangebenden neoliberalen Kräften gibt es in den US-Wirtschaftswissenschaften einflussreiche Vertreter, die einer Umkehrung der in den vergangenen Jahrzehnten betriebenen Umverteilungspolitik zu Gunsten der gesellschaftlichen “Eliten” positiv gegenüberstehen. Dies gilt in besonderem Maße für die US-Professoren und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz sowie Paul Krugman. Für die “sozialdemokratisch” orientierten Kräfte in Europa sowie in Übersee bietet eine den Namen “Steuerreform” verdienende Neuausrichtung der Fiskalpolitik.
Anmerkung J.K.: Quasi als Bestätigung des oben gesagten. Die wirtschaftspolitische Borniertheit des Herren Fuest schlägt wirklich alles. Und dieser Mann ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums? Wer solche Berater hat …
Dazu sollte man noch einmal darauf verweisen: “Rezension: Ulrike Herrmann: Hurra, wir dürfen zahlen”
Sowie auf die Vermögensverteilung in Deutschland. Wie kann man allen ernstes so einen Unsinn verzapfen?
Anmerkung J.K.: Eigentlich nur interessant um zu zeigen wer hier wieder alles im Windschatten der Spardebatte segelt. Herr Kirchhof dreht, sekundiert vom Spiegel, die immer gleiche Gebetsmühle.
Finanzkrise in Island
Crash: Im Herbst 2008 brachte der Kollaps der drei größten isländischen Banken, Kaupthing, Glitnir und Landsbankin, das Land an den Rande des Staatsbankrotts. Seine Schulden betrugen mehr als das Zehnfache des Bruttoinlandsprodukts.
Folgen: Die isländische Krone verlor zeitweise bis zu 80 Prozent ihres Wertes. Viele Isländer hatten in den Boomjahren Kredite in ausländischer Währung aufgenommen, die sie nun kaum zurückzahlen konnten. Die Arbeitslosenquote stieg auf einen Höchststand von fast 10 Prozent.
Aufarbeitung: Ein vom Parlament eingesetzter Untersuchungsausschuss legte im April einen mehr als 2.000 Seiten umfassenden Bericht vor, der vor allem die Verantwortlichen auf politischer Seite benennt. Für die Verfolgung der Straftaten im Bankensektor wurde der Sonderermittler Ólafur Thór Hauksson eingesetzt. Er wird von der Antikorruptionsspezialistin Eva Joly beraten.
Verfahren: Anfang Mai gab es die ersten Verhöre und Festnahmen. Vier Spitzenmanager der Kaupthing-Bank saßen zeitweise in Untersuchungshaft und erwarten nun ihren Prozess.
Quelle: taz
Anmerkung J.K.: Es geht offenbar auch anders als bei uns. Aber wenn schon Herr Ackermann und der Deutschland-Chef von Goldmann-Sachs zu den engsten Ratgebern der Bundeskanzlerin gehören.
Anmerkung J.K.: Bemerkenswert finde ich die Aussage des irischen Ökonomen David McWilliams. Deswegen sollte Frau Merkel endlich aufhören mit dem Finger auf andere zu zeigen.
Anmerkung J.K.: Beachtenswert ist allerdings deren Doppelzüngigkeit. Einerseits den schlanken Staat predigen, andererseits vor Kürzungen im Bildungsbereich warnen.
Anmerkung J.K.: Um dieses Ergebniss zu erahnen musste man wirklich kein Prophet sein.
Anmerkung J.K.: Mal sehen wann die SPD umfällt. Dann wird aber niemand Wahlbetrug schreien, garantiert.
Anmerkung J.K.: Entspricht vom Tenor dem heutigen Beitrag Albrecht Müllers. Aber doppelt hält ja bekanntlich besser.
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