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Titel: Erstaunliche Einsichten zur Bevölkerungsentwicklung beim Namensgeber der Rürup-Kommission. Dazu ein lesenswerter Text aus der „Reformlüge“: Denkfehler 5.

Datum: 27. Januar 2020 um 16:03 Uhr
Rubrik: Demografische Entwicklung, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech
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Bert Rürup, früher einmal Vorsitzender der sogenannten Wirtschaftsweisen und dann als Partner der MaschmeyerRürup AG wie auch bei anderen Tätigkeiten ein maßgeblicher Minderer der Leistungsfähigkeit der Gesetzlichen Rente und zugleich Förderer und Nutznießer der privaten Altersvorsorge ist jetzt Chefökonom des Handelsblatts. Während er jahrelang die Dramatisierung des demographischen Wandels auch geschäftlich genutzt hat, betrachtet er heute die Entwicklung erstaunlich gelassen. Von dieser Entwicklung wollte ich unsere Leserinnen und Leser wenigstens unterrichten. Sie finden unten unter A. einen Auszug aus der Verlautbarung des „Chefökonom“ vom 24. Januar und unter B. den Link auf meinen Text, der im August 2004 erschien und rundum aktuell ist. Albrecht Müller.

  1. Bert Rürup im Handelsblatt
    DER CHEFÖKONOM – 24.1.2020
    Deutschland kann erfolgreich altern
    Eine alternde Bevölkerung ist eine Herausforderung, aber keine Bedrohung.

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    Von Professor Bert Rürup

    Entgegen den früheren Prognosen schrumpft die Bevölkerung in Deutschland nicht, sondern sie wächst seit geraumer Zeit. Die Zunahme hatte sich zuletzt zwar auf die niedrigste Zuwachsrate seit 2012 verringert, aber mit 83,2 Millionen Menschen erreichte die Einwohnerzahl im vergangenen Jahr ein neues Allzeithoch. Das meldete am 17. Januar das Statistische Bundesamt.

    Zur Erinnerung: In allen amtlichen Bevölkerungsprojektionen seit den 1990er Jahren wurde bis zum Beginn des vergangenen Jahrzehnts für das Jahr 2019 stets ein Rückgang der deutschen Wohnbevölkerung auf gut 80 Millionen erwartet – und alle Vorausberechnungen lagen damit weit daneben.

    Grund für diesen überraschenden Bevölkerungsanstieg ist die Nettozuwanderung. Ohne solche Wanderungsgewinne wäre die Bevölkerungszahl bereits seit 1972 zurückgegangen, denn seitdem starben jedes Jahr mehr Menschen als geboren wurden. Zudem ist es unstrittig, dass ein nicht unerheblicher Teil des Wirtschaftswachstums im Zuge des zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts Fahrt aufnehmenden und im vergangenen Jahr ausgelaufenen Aufschwungs letztlich auf dieser Bevölkerungszunahme basierte.

    Entgegen einer weit verbreiteten Meinung ist Bevölkerungswachstum aber nicht per se gesamtwirtschaftlich von Vorteil, genauso wenig wie eine schrumpfende Bevölkerung zwingend von Nachteil für eine Gesellschaft sein muss. So kann insbesondere eine schnell steigende Bevölkerung zu Wohnraumknappheit oder wachsender Arbeitslosigkeit und damit zunehmender Perspektivlosigkeit ganzer Bevölkerungsschichten führen. Die Ungleichheit kann zunehmen und soziale Spannungen hervorrufen.

    Aus den genannten Gründen wird in Deutschland der Altenquotient ab Mitte dieses Jahrhunderts zwar nicht zurückgehen, wohl aber sehr viel langsamer ansteigen, als in den kommenden fast drei Jahrzehnten. Von einem demografischen Kollaps kann dennoch keine Rede sein. Ein valider Grund zu einer nicht selten verbreiteten Endzeitstimmung besteht daher nicht.

    Im Gegenteil, anders als es die sattsam bekannten Horrormeldungen über die „auf dem Kopf stehende Alterspyramide“ (Roman Herzog)“, das „Methusalem-Komplott“ (Frank Schirrmacher), das „Schmelzen des produktiven Kerns“ (Gabor Steingart) oder die „Deformierte Gesellschaft“ (Meinhard Miegel) suggerieren wollten ist eine steigende Lebenserwartung – auch bei einer niedrigen Geburtenrate – eine durchaus positive und erfreuliche Entwicklung. 

    handelsblatt.com/politik/konjunktur/research-institute/der-chefoekonom-24-1-2020-2020-01-24-der-chefoekonom-ueber-die-bevoelkerungsentwicklung/25467392.html

  2. Auszug aus Albrecht Müller: Die Reformlüge. Denkfehler 5: „Wir werden immer weniger“
    Seite 104 bis 114

    In diesem 2004 erschienenen und hier verlinkten Text war beschrieben worden, wie von Politikern, von Wissenschaftlern und von Publizisten

    • die sogenannte Überalterung, in besonderer Übertreibung „Vergreisung“ genannt, und
    • die Tatsache, dass möglicherweise 2050 oder wann auch immer hierzulande weniger Menschen leben,

    maßlos dramatisiert wurde. Vom „sterbenden Volk“ war die Rede und vom „Raum ohne Volk“.

    Ich wies darauf hin, dass Prognosen ausgesprochen schwierig sind, dass Prognosen auch bisher schon immer wieder geändert werden mussten, dass früher schon sehr viel weniger Menschen in Deutschland gelebt haben, dass die Bevölkerungsdichte in Deutschland im Vergleich zu anderen vergleichbaren Staaten beachtlich hoch ist, dass Veränderungen der Geburtenrate möglich sind und die Zuwanderungszahl ungewiss ist.

    Alles, was Bert Rürup jetzt entdeckt, konnte man auch anfangs des neuen Jahrhunderts, also vor 20 Jahren wissen. Aber damals haben alle diese vermeintlichen Experten dramatisiert, um die sogenannten wichtigen „Reformen“ durchzusetzen; das hieß konkret, die Gesetzliche Altersvorsorge zusammen zu streichen und damit den Finanzdienstleistern vom Schlage Maschmeyer (RürupMaschmeyer AG) sowie den Banken und Versicherungen neue Geschäftsfelder zu eröffnen und dies propagandistisch vorzubereiten.

    Bert Rürup teilt in seinem Text auch aus: er kritisiert die „Horrormeldungen“ von Roman Herzog, Frank Schirrmacher, Gabor Steingart und Meinhard Miegel. Einen Teil dieser Dramatisierer hatte ich schon in „Die Reformlüge“ und in „Machtwahn“ kritisiert. Rürup hat in seinem Text leider nicht erwähnt, dass Frank Schirrmacher eingesehen hat, dass seine Dramatisierung im Methusalem-Komplott nicht angebracht war. Daraus entstand dann fast so etwas wie eine Freundschaft zwischen ihm und den Machern der NachDenkSeiten. Siehe dazu auch eine Äußerung in seinem Essay „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“ vom 15.11.2011 Quelle: Frankfurter Allgemeine


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