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Titel: Wird die E-Zigarette in den Medien dämonisiert?

Datum: 9. Januar 2020 um 13:04 Uhr
Rubrik: Gesundheitspolitik, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft, Medienkritik
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Eine „moralische Bankrotterklärung“ werfen die Hersteller von E-Zigaretten dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor – die Medien würden beim Thema „in eklatanter und inakzeptabler Weise“ die eigenen Standards verletzen. Die Industrie-Lobby ist wegen finanzieller Eigeninteressen in ihrem Urteil einerseits stark befangen – andererseits sind zum Teil unseriöse Tendenzen in der Berichterstattung zur E-Zigarette zu beobachten. Von Tobias Riegel.

Todesfälle „durch E-Zigarette“ in den USA – und Studien, die E-Zigaretten laut Medienberichten indirekt mit Tabak auf eine Stufe stellen: In den vergangenen Wochen häuften sich tendenziell negative Berichte zur E-Zigarette. Der Verband der E-Zigaretten-Hersteller (VdeH) sieht in diesen Berichten unseriöses Medienverhalten und hat in scharfen Worten eine offizielle Beschwerde formuliert. Auch wenn diese Beschwerde hier thematisiert wird, so soll doch eine große Distanz dazu betont werden: Der VdeH ist ein Lobbyverein und kann in dieser Sache natürlich nicht als unabhängige Quelle bezeichnet werden – die Aussagen des VdeH stehen unter dem starken Vorbehalt, dass hier auch massive finanzielle Eigeninteressen der E-Zigaretten-Hersteller im Spiel sind.

Gleichzeitig bedeutet diese Befangenheit des VdeH aber nicht, dass dessen Vorwürfe an die Medien jeder Grundlage entbehren würden. Man konnte in den vergangenen Wochen durchaus den Eindruck gewinnen, dass sich in einigen Artikeln eine Tendenz gegen die E-Zigarette gebildet hatte und dass Aspekte unseriös vermischt wurden. Dazu kommt, dass die Diskussion von den Befürwortern und den Gegnern der E-Zigarette mit viel Leidenschaft geführt wird. Als medizinisch-technischer Laie steht man zum Teil ziemlich ratlos zwischen diesen Positionen.

E-Zigarette – Gefahren und Vorteile

Konsens besteht weitgehend darüber, dass sich E-Zigaretten vor allem an erwachsene Raucher zur Entwöhnung richten sollten – und darüber, dass Werbung, die sich an Nichtraucher richtet, tabu sein sollte. Ganz besonders Jugendliche sollten nicht durch poppiges Design und süße Aromen zum Dampfen verführt werden. Andererseits werden zahlreiche andere Produkte, die nur Erwachsene nutzen sollen, auch nicht prinzipiell dämonisiert: Hier greift normalerweise ein Jugendschutz.

Das gesundheitliche Potenzial der E-Zigarette im Vergleich zur Tabakzigarette liegt (für erwachsene Raucher!) im Wegfall zahlreicher Giftstoffe. Das hat laut dem Dampferforum „Tabakfreier Genuss“ auch Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ ) mit folgenden Zitaten bereits vor geraumer Zeit bestätigt, wie das Forum berichtet:

„[…] gegen die normale Zigarette, die eine solche Giftlast darstellt, stellt eine E-Zigarette ein vergleichsweise harmloses Produkt dar.“

Und:

„Es wird [bei der E-Zigarette] kein Tabak verbrannt. Es ist in dem Dampf von e-Zigaretten weder Teer, Kohlenmonoxid oder auch zahlreiche andere Kanzerogene enthalten, die aus dem Rauch einer herkömmlichen Zigarette ja dieses hochgefährliche Giftgemisch machen.“

Und aktuell erklärt Katrin Schaller vom DKFZ, wie Medien berichten: „Man muss die E-Zigarette differenziert betrachten – auch daher kommt die Verwirrung in der Öffentlichkeit.“ Klar ist: Regulärer Zigarettenrauch enthalte Tausende Substanzen, und an die Hundert davon seien krebserzeugend. „Im Vergleich dazu enthält das Aerosol aus der E-Zigarette deutlich weniger Schadstoffe. Es ist aber bei weitem nicht schadstofffrei.“

Dieses (für erwachsene Raucher!) anscheinend und zumindest teilweise positive Potenzial wird durch tendenziöse Medienberichte aber geschmälert, wie etwa das Portal „Nordbayern“ kritisiert:

„Wenn ein starker Raucher auf eine E-Zigarette umsteigen will und sich durch irreführende Schlagzeilen davon abbringen lässt, ist das kontraproduktiv.“

Neben anscheinenden Vorteilen der E-Zigarette (für erwachsene Raucher) sollen hier aber auch ihre potenziellen Gefahren betont werden – auf den NachDenkSeiten geschieht das etwa in diesem Artikel. Dort legt Klaus-Dieter Kolenda den Fokus nachvollziehbar auf die Gefahren des Nikotins, die auch E-Zigaretten betreffen, soweit sie mit Nikotin konsumiert werden.

Medien und Dampfer – Ist das Vertrauen zerstört?

Damit betroffene Bürger (Raucher, Ex-Raucher, Dampfer, Eltern von Heranwachsenden) eine glaubwürdige Orientierung zu den Vor- und Nachteilen der E-Zigarette erhalten können, wäre eine Berichterstattung wichtig, die als unabhängig wahrgenommen und darum allseits akzeptiert wird. Dafür müsste aber ein Vertrauensverhältnis zwischen potenziellen Konsumenten und Medien bestehen – dieses Verhältnis scheint (zumindest vonseiten großer Teile der Dampfer-Gemeinschaft) im Moment erschüttert. Das ist bedenklich – denn auch potenzielle E-Zigaretten-Nutzer sollten sich nicht in eine Position manövrieren (oder dorthin manövrieren lassen), in der kritische Äußerungen zum Dampfen vorschnell als Propaganda abgetan und ignoriert werden.

Die Gefahr, dass sich manche E-Zigaretten-Nutzer komplett von einer als tendenziös empfundenen Berichterstattung abwenden – und dann auch von seriösen Warnungen zu Gesundheitsgefährdungen nicht mehr erreicht werden können – ist groß. Auch darum soll hier auf die Beschwerde des VdeH hingewiesen werden – trotz der bereits erwähnten, starken Befangenheit des Verbands.

„Moralische Bankrotterklärung“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?

In aktuellen Mitteilungen wirft der VdeH dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine „moralische Bankrotterklärung“ vor – dieser werde dem Anspruch an Objektivität und Glaubwürdigkeit nicht gerecht. Der Lobby-Verband VdeH hat darum nach eigenen Anhaben „formelle Beschwerden bei mehreren Gremien und Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Anstalten“ eingereicht – wegen einer „nicht mehr hinnehmbaren Sorglosigkeit, mit der Meldungen ungeprüft und überspitzt verbreitet werden“ Ein VdeH-Sprecher sagt dazu:

“Insbesondere bei medizinischen Themen und Berichten über Studien sind strenge Maßstäbe an die journalistische Sorgfalt zu stellen. Gegen diese Maßstäbe wurde wiederholt in eklatanter und inakzeptabler Weise verstoßen.“

Anlass für die Beschwerde seien etwa Aussagen wie “E-Zigaretten so gefährlich wie Tabak” oder „E-Zigaretten ähnlich schädlich wie Rauchen“, die im Dezember von diversen Medien verbreitet worden seien und die sich auf Studien der Universität von San Francisco oder auf Untersuchungen der Mainzer Universitätsmedizin gemeinsam mit der Harvard Universität Boston stützen würden. Laut VdeH würden diese Medien-Aussagen aber „jeder wissenschaftlichen Grundlage“ entbehren. Eine abschließende Beurteilung der Seriosität wiederum dieser VdeH-Aussage ist hier nicht möglich.

Konkret fordert der VdeH im Zusammenhang mit den Berichten über die erwähnten Studien, dass „Veröffentlichungen stets auf dem vollständigen Inhalt von Studien basieren müssen und keinesfalls nur auf einer Pressemeldung.“ Zudem müssten Interessenkonflikte benannt werden. Die Beschwerde des Verbands richte sich an die Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD sowie an diverse Rundfunkräte, an den Verwaltungsrat des Deutschlandradios und an die Intendanz der Deutschen Welle. Gleichzeitig betont der Verband aber, dass Medien „nicht mundtot“ gemacht werden sollten.

„E-Zigaretten haben das Potenzial einige dieser Todesfälle zu verhindern“

Diese Beschwerde fällt in eine Zeit, in der wie in den vergangenen Wochen eine verwirrende Vielzahl an Aspekten zur E-Zigarette medial behandelt und zum Teil miteinander vermischt wurden. Denn bereits kurz vor den aktuellen Meldungen zu den erwähnten Studien gab es zahlreiche Berichte aus den USA über „Tod durch E-Zigaretten“. Dass diese Todesfälle mutmaßlich auf illegale und drogenrelevante Straßenprodukte (also nicht auf normale E-Zigaretten) zurückzuführen sind, darauf weist ein Portal der E-Zigaretten-Lobby hin . Parallel dazu geriet aus anderen Gründen der E-Zigaretten-Riese Juul unter Druck. Eine Übersicht über diese diversen (und zu trennenden) Aspekte rund um die E-Zigarette hat etwa die „Zeit“ verfasst. Die Wochenzeitung kommt zudem zu diesem Fazit:

„Am gesündesten ist es, gar nicht zu rauchen. Für Raucherinnen und Raucher, die keine Entwöhnung machen wollen, dürften E-Zigaretten – trotz der Panik in den USA – dennoch weniger schädlich sein. Denn wer verbrannten Tabak inhaliert, führt der Lunge mehr Schadstoffe zu als mit einer E-Zigarette. An den Folgen von Tabakrauch sterben in Deutschland jährlich mehr als 100.000 Menschen. E-Zigaretten haben das Potenzial einige dieser Todesfälle zu verhindern, sofern Menschen von Tabakzigaretten auf sie umsteigen. Gleichzeitig braucht es mehr Forschung zu den Langzeitfolgen von E-Zigaretten.“

Titelbild: Andrey_Popov / Shutterstock


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