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Titel: Vierteilung Deutschlands: Armut in vielen Regionen im Osten und Westen Deutschlands ein großes Problem
Datum: 21. Dezember 2019 um 11:45 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Interviews, Soziale Gerechtigkeit, Ungleichheit, Armut, Reichtum
Verantwortlich: Redaktion
„In gut einem Viertel aller Regionen ist die Armut in den vergangenen zehn Jahren gleich um mehr als 20 Prozent gestiegen“, sagt Jonas Pieper, Referent beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Das zeigt der aktuelle Armutsbericht des Paritätischen. Demnach ist Deutschland viergeteilt, wie die Armutsquote zeigt. In Anbetracht der Entwicklungen fordert der Verband einen „Masterplan zur Armutsvermeidung“. Dieser soll, so Pieper, unter anderem eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze auf 528 Euro beinhalten, außerdem eine Erhöhung des Mindestlohns auf 13 Euro. Von Marcus Klöckner.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Herr Pieper, Medienvertreter sagen immer wieder: „Uns geht es gut“. Im Zuge der Veröffentlichung des aktuellen Armutsberichts spricht der Paritätische von einem „regional und sozial tief zerklüftetem Land“. Wie passt das zusammen?
„Uns geht es gut“ bezieht sich zumeist auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, also den Anstieg des Bruttoinlandsprodukts, oder aber auf die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen. In beiden Bereichen gab es seit der Wirtschaftskrise 2009 auch tatsächlich eine positive Entwicklung. Das Bruttoinlandsprodukt ist seitdem real um 21 Prozent gewachsen, die Zahl der Arbeitslosen fast kontinuierlich gesunken.
Zugleich sehen wir aber im gleichen Zeitraum eine Zunahme der Armut insgesamt und eine regionale Zerklüftung. In gut einem Viertel aller Regionen ist die Armut in den vergangenen zehn Jahren gleich um mehr als 20 Prozent gestiegen. Vor diesem längerfristigen Trend verblasst leider auch die an sich positive Erkenntnis, dass die Armut im Jahr 2018 zurückgegangen ist. Wie die gute wirtschaftliche Entwicklung mit dem Anstieg der Armut zusammenpasst? Offensichtlich finden Wohlstandsgewinne, wie sie am BIP abzulesen sind, nicht den Weg zu den Armen. Die Verteilungsstrukturen sind also höchst ungerecht und verstärken im langfristigen Trend die Armut.
Ihr Verband spricht nun von einer „Vierteilung Deutschlands“. Was ist damit gemeint?
Viele Jahre sind wir von einer Zweiteilung Deutschlands ausgegangen, in den armen Osten einerseits und den wohlhabenderen Westen andererseits. Dieses Bild ist angesichts der aktuellen Zahlen endgültig nicht mehr zu halten. Im Osten hat es in vielen Gegenden eine positive Entwicklung der Armut gegeben. Brandenburg beispielsweise ist nach Bayern und Baden-Württemberg inzwischen das Bundesland mit der drittniedrigsten Armutsquote. Im Westen dagegen gibt es zunehmend viele Regionen, in denen die Armut auf einem besorgniserregend hohen Niveau ist.
Der Paritätische Armutsbericht 2019 stellt deshalb fest, dass wir von einer Vierteilung Deutschlands sprechen können. Es ist der wohlhabende Süden mit einer Armutsquote von 11,8 Prozent. Es ist Ostdeutschland mit 17,5 Prozent. Es ist Nordrhein-Westfalen mit seinen 18 Millionen Einwohnern und einer Armutsquote von 18,1 Prozent. Und es sind die übrigen Regionen Westdeutschlands, der Nord-West-Gürtel, mit einer gemeinsamen Quote von 15,9 Prozent.
Was haben Sie bei der Erstellung Ihres Armutsberichts noch herausgefunden?
Beim Blick auf Personengruppen möchte ich zweierlei hervorheben. Bei den Gruppen, die ein besonderes Armutsrisiko haben, sticht die Gruppe der Rentner hervor. Bei keiner anderen Gruppe hat die Armut in den vergangenen zehn Jahren so stark zugenommen. Wir haben bereits heute ein erhebliches Problem mit Altersarmut in diesem Land und es ist zu befürchten, dass sich die negative Tendenz in den nächsten Jahren fortsetzt. Zweitens müssen wir feststellen, dass die Gruppe der Armen nicht hauptsächlich aus Erwerbslosen, Alleinerziehenden und Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit besteht, wie es manchmal fälschlicherweise heißt. 32 Prozent der erwachsenen Armen sind erwerbstätig, 29 Prozent in Rente oder Pension.
Armut ist in Deutschland seit langem ein Problem. Warum tut sich die Politik so schwer damit, grundlegend der Armut den Kampf anzusagen?
In der Großen Koalition werden ja durchaus die richtigen Themen angesprochen und tatsächlich wurde auch eine ganze Reihe kleinerer Reformen umgesetzt. Der Umfang dieser Reformen ist allerdings bei Weitem nicht ausreichend, um dem mittelfristigen Aufwärtstrend der Armutsquote entgegenzuwirken. Die Regierungsparteien scheinen in der aktuellen Koalition für ambitioniertere Vorhaben nicht handlungsfähig zu sein.
Was fordern Sie? Was muss die Politik unternehmen?
Wir fordern einen Masterplan zur Armutsvermeidung. Dieser muss die Bereiche Arbeit, Wohnen, Alterssicherung, Pflege, Gesundheit, Familie, Bildung und Teilhabe umfassen. Voraussetzung für diesen Masterplan ist politischer Mut für eine andere Steuerpolitik. Als sofortige Maßnahmen braucht es einen armutsfesten Mindestlohn von 13 Euro, die Erhöhung der Regelsätze in Hartz IV auf 528 Euro, eine Reform der Altersgrundsicherung und die Einführung einer Kindergrundsicherung.
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