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Titel: CDU-Spendenaffäre: „Es bot sich damals die Gelegenheit, dieses Geld durch Luftbuchungen auf vier Anderkonten ins Ausland zu verschieben“
Datum: 19. Dezember 2019 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, CDU/CSU, Erosion der Demokratie, Interviews
Verantwortlich: Redaktion
Woher stammen die Millionen aus den schwarzen Kassen der CDU? Seit der CDU-Spendenaffäre Ende der 90er Jahre wurde diese Frage unzählige Male gestellt – aber nicht definitiv beantwortet. Karl-Heinz Ebert, dessen, wie er selbst sagt, Vater in den 60er Jahren in dubiose Vorgänge im Zusammenhang mit dem „Adenauer-Fernsehen“ verwickelt war, könnte Licht ins Dunkel bringen. Das sagt er im NachDenkSeiten-Interview. Das Geld stammt demnach aus Bundesmitteln, also vom Steuerzahler. Von Marcus Klöckner.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Kann die Herkunft des „Bimbes“, wie Helmut Kohl das Geld aus den schwarzen Kassen zu nennen pflegte, mit Eberts Wissen geklärt werden? In dem gerade erschienenen Buch „Die Beichte meines Vaters über die Herkunft des Bimbes. Die schwarzen Kassen der CDU“ setzt sich Ebert akribisch mit dem auseinander, was sein Vater ihm erzählt hat.
Ein Interview, das einen Blick zurückwirft in die Frühphase der Bundesrepublik, die Spendenaffäre beleuchtet und eine neue Erzählung zur Herkunft der Millionen bietet.
Herr Ebert, Sie „kennen und sehen einen Zusammenhang, bei dem selbst Der Spiegel im Dunkeln tappte.“ Das schreiben Sie in Ihrem Buch. Um welchen Zusammenhang geht es?
Der Zusammenhang, den ich begriffen habe, betrifft die bis heute ungeklärte Herkunft von über 20 Millionen Mark, über die Helmut Kohl während seiner politischen Karriere verfügen konnte und einer dubiosen Geschichte, die mir mein Vater vor fast 30 Jahren anvertraut hat. Ich lese im Dezember 2017 diesen Bericht des Spiegels. Unter der Überschrift „Das Ehrenwort“ wird detailliert über die „schwarzen Kassen der CDU“ und die versteckten Konten im Ausland berichtet. Noch bevor ich den Artikel zu Ende gelesen habe, wird in meinem Kopf ein Schalter umgelegt, der gleich mehrere große Scheinwerfer einschaltet.
Wie kommt es, dass Sie Licht ins Dunkel bringen können?
Weil mein Vater mir vor circa 30 Jahren, schon im hohen Alter, einen Vorgang aus seinem Berufsleben anvertraut hat, der ihn schwer zu belasten schien. Auch an dem Abend, als er mir von der Geschichte berichtete, war er in einer üblen seelischen Verfassung, in der so mancher Mensch nach dem Sinn des Lebens fragt und dem Warum. Meine Mutter, also seine Frau, war ernsthaft erkrankt und die Diagnose war eindeutig. Außerdem war seine geplante Urlaubsreise, von der er sich Ablenkung erhofft hatte, kurzfristig abgesagt worden.
Zum Verständnis: Wer war Ihr Vater?
Mein Vater war 1904 geboren und wäre heute also 115 Jahre alt. Von Beruf war er Buchhalter und zwar Buchhalter der alten Schule. Korrekt bis mindestens drei Stellen hinter dem Komma und jede Bilanz musste am Jahresende mit Null aufgehen. Ich bezweifle, dass dies ein Beruf war, den er als junger Mann im Sinne einer Berufung gewählt hat. Sein ganzes Leben war immer von einem gewissen Pragmatismus geprägt. Ich denke, so ist er auch zu seinem Beruf gekommen. Zur Zeit der von ihm geschilderten dubiosen Vorgänge arbeitete er bei der Freien Fernsehen GmbH in Eschborn und später beim ZDF in Mainz.
Was hatte er mit den schwarzen Kassen zu tun?
Er ist während seiner beruflichen Tätigkeit in der Aufbauphase unserer noch jungen Bundesrepublik mehr oder weniger zufällig in Vorgänge verstrickt worden, die bis heute nicht an die Öffentlichkeit gekommen sind. Es ging Anfang der 60er Jahre, nach der Schilderung meines Vaters, um fast 24 Millionen Mark. Es bot sich damals die einmalige Gelegenheit, dieses Geld durch Luftbuchungen auf vier Anderkonten ins Ausland zu verschieben.
Lassen Sie uns bitte kurz auf die Spendenaffäre der CDU eingehen. Was ist damals 1999 passiert?
Im Jahr 1999 spitzte sich die Schwarzgeldaffäre um Helmut Kohl immer dramatischer zu. Walter Leisler Kiep, damals Schatzmeister der Bundes- CDU, war im November 1999 von der Staatsanwaltschaft Augsburg wegen Steuerhinterziehung verhaftet worden. Um sich zu retten, musste Kiep mit der Wahrheit herausrücken und bald wusste die Öffentlichkeit, es gab schwarze Kassen der CDU auf verdeckten Konten im Ausland.
Und dann?
Dann kam das, was man das moralische Ende des Helmut Kohl nennen kann. Am 16. Dezember 1999, zur besten Sendezeit, gab er im ZDF sein Interview „Was nun Herr Kohl“. Er berief sich dabei auf vier bis fünf anonyme Spender, denen er sein Ehrenwort gegeben habe. Der Wortlaut im Spiegel: “Das Geld habe man ihm anvertraut unter der Voraussetzung, dass die Spender nicht genannt werden.“ Zerpflückt man diesen Satz, so stellen sich gleich zwei Fragen: Wer ist „man“, also der- oder diejenige, die ihm das Geld anvertraut haben? Wer sind die anonymen Spender, die ja wohl mit dem oder den Übergeber(n) nicht unbedingt identisch sein müssen?
Wie hat sich Kohl verhalten?
Aus damaliger Sicht war das Verhalten Helmut Kohls total unverständlich und inakzeptabel. Stellte er doch sein Ehrenwort über Gesetz und Recht eines Landes, das er einmal als eine der obersten Instanzen repräsentiert hatte. Folgt man der Schilderung meines Vaters über die Herkunft der „schwarzen Kassen“, erscheint das Verhalten Kohls heute in einem ganz anderen Licht und ergibt endlich eine hinreichende Logik, von der ausgehend ich hoffe, dass daraus eine vollständige Aufklärung wird.
Die Aufklärung durch die Justiz gestaltete sich als „schwierig“. Ein besonders engagierter Ermittler, der Augsburger Oberstaatsanwalt Jörg Hillinger, der, wie Sie schreiben, gegen den Willen seiner Behörde aktiv war, verunglückte tödlich bei einem Autounfall. Was geschah dann?
Soweit bekannt, wurden seine Aktennotizen auf Anordnung seines Nachfolgers geschwärzt. Ob schon zu dieser Zeit eine Tür aufgegangen wäre, die Licht ins Dunkel gebracht hätte, wenn der Tod Hillingers nicht dazwischengekommen wäre? Wer weiß.
Wieder zu Ihrem Vater und den 20 Millionen. Sie haben es bereits angeführt: Die Zusammenhänge, die Sie in Ihrem Buch darlegen, gehen weit zurück in die Zeit Adenauers und sind einigermaßen komplex. Konkret geht es um das „Adenauer-Fernsehen“. Können Sie bitte zusammengefasst erklären, wo Sie die Anfänge dieser 20 Millionen verorten.
Das Freie Fernsehen, bei dem mein Vater als Buchhalter arbeitete, wurde durch eine einstweilige Verfügung des Bundesverfassungsgerichts im Dezember 1960 verboten. Kurz danach begann man, noch auf dem Gelände in Eschborn mit den Entlassungen der Mitarbeiter und den Abwicklungsarbeiten der FFG. Mein Vater schildert hierzu: „Unmittelbar nach dem Gerichtsbeschluss wurden nach einem Anruf aus Bonn durch einen Kurierfahrer in mehreren Kisten geänderte Unterlagen nach Eschborn verbracht. Gemäß diesen Unterlagen mussten von der Buchhaltung Rückstellungen in Millionenhöhe angefordert werden, die man auch anstandslos erhielt. Die Bearbeitung der Vorgänge erfolgte nur von den wenigen eingeweihten Mitarbeitern in Eschborn, die später ins Allianzhaus nach Mainz umzogen und dort als Mitarbeiter des ZDF ihre Arbeit zu Ende führten. In einem Bericht des Liquidators Seeger von 1962, der heute im Bundesarchiv in Koblenz liegt, heißt es dazu „einige Leute aus Eschborn, wie zum Beispiel der Herr Ebert von der Personalabteilung und der Herr Seek von der Kasse, arbeiten schon jetzt einige Tage bei ihrer zukünftigen Stelle in Mainz. Ich weiß nicht, ob das mit Ihnen abgesprochen ist.“
Als die letzten Buchungen für das FFG getätigt waren, wurde im Allianzhaus in Mainz alles wieder in Kisten verstaut und von mehreren Personen, die angeblich von der Mainzer Staatskanzlei kamen, zur Aufbewahrung abgeholt. Der Ursprung der „schwarzen Kassen“ ist somit auf die Jahre 1961 und 1962 zu datieren.
Kurz zum Verständnis: Würden Sie bitte unseren Lesern kurz erklären, wie das „Freie Fernsehen“ überhaupt finanziell aufgestellt war?
Das „Freie Fernsehen“ war eine GmbH mit Einlagen von nur DM 20.000,-. Der Bund stellte für den Aufbau des FFG Regierungsbürgschaften in vielfacher Millionenhöhe aus. Aufgrund dieser Bürgschaften stellten Banken mindestens zweimal 20 Millionen Mark an Krediten zur Verfügung. Als das FFG aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes verboten wurde und daraufhin wieder abgewickelt wurde, bestand am Ende der Liquidation ein Fehlbetrag von 35 Millionen Mark, der durch Bundesmittel, sprich Steuergelder, ausgeglichen werden musste.
Gut. Knüpfen wir wieder an die Buchungen an. Wie ging es weiter?
Am Ende sammelten sich durch Luftbuchungen fast 24 Mill. Mark auf dem Konto einer Frankfurter Bank, die auf vier Anderkonten ins Ausland transferiert wurden. Und diese Konten lauteten auf die Namen der vier höchsten CDU-Politiker. Drei Ministerpräsidenten und einer in Bonn.
Was geschah dann?
Man hatte parallel zu den Abwicklungsarbeiten mit den Entlassungen für das FFG in Eschborn im Mainzer Allianzhaus damit begonnen, dieselben Mitarbeiter für das ZDF wiedereinzustellen. Manch ehemaliger Mitarbeiter der FFG hatte den Eindruck, als sei das ZDF nur die Fortführung des FFG unter anderem Namen; denn sie wurden von denselben Sachbearbeitern wiedereingestellt, von denen sie zuvor ihre Entlassungspapiere erhalten hatten.
Wie haben Sie damals darüber gedacht?
Aufgrund der Schilderung meines Vaters aus den Anfängen der 60er Jahre, ohne die Nennung von Namen, sah ich keine Querverbindung zur damals aktuellen Politik von 1989. Das eine war die Ära Adenauer mit ihren Akteuren und damals war Kohl an der Macht mit einer völlig anderen Mannschaft. Mein Vater ging ja anscheinend selbst davon aus, dass die Gelder längst in den Taschen von einigen Wenigen gelandet waren. Deshalb war das Gesagte zwar einprägsam und interessant – aber doch eben nur eine Geschichte aus der Vergangenheit. Auf die Idee, dass der Trog immer noch derselbe sein könnte und nur die Schweine gewechselt hatten, bin ich damals nicht gekommen.
Warum gehen Sie erst jetzt damit an die Öffentlichkeit?
Weil erst der Spiegelartikel im Dezember 2017 die Brücke zu der Geschichte war, die mir mein Vater anvertraut hatte. Danach musste ich feststellen, dass es keine Presse gab, auch nicht den Spiegel, die sich für diese Geschichte zu interessieren schien. Eine andere Zeitung und auch mehrere Verlage haben abgewinkt, wenn ich nur schon das Thema offenlegte.
Was spricht aus Ihrer Sicht denn dafür, dass Ihre Darstellung der Wahrheit entspricht?
Weil meine Darstellung die Sicht auf eine vier- bis fünfspurige Autobahn preisgibt, die von Mainz nach Bonn führt. Mit den ebenfalls im Buch sichtbar werdenden Akteuren, die diese Autobahn befahren haben, ergibt das Buch ein plausibles Bild, das in sich schlüssig ist. So schlüssig, dass ich mit gutem Gewissen an die Öffentlichkeit gehen kann.
Sie haben aber keine Beweise?
In meinem Buch heißt es an einer Stelle: „Da waren Profis am Werk, die hinterlassen keine Spuren.“ Diese Erkenntnis war das Resultat unserer Recherche im Bundesarchiv in Koblenz. Dort liegen unter dem Aktenzeichen B 263 diverse Aktenmappen aus dem Nachlass des Zeitungsverlegers Heinrich G Merkel, Nürnberger Zeitung. Er war von 1957- 1961 Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Freies Fernsehen GmbH. Wir hatten erwartet, hier auch auf Buchungsunterlagen aus dieser Zeit zu treffen, und wurden enttäuscht. Wirklich verwertbare Buchungen findet man dort nicht. Es bleibt also schwierig. Das ist mir bewusst.
Was müsste jetzt getan werden?
Ich hoffe auf mutige Journalisten, die unabhängig recherchieren können und dürfen. Ebenso auf den einen oder anderen Mitwisser und sei es jemand wie mich, der zum Vertrauten seines Vaters wurde.
Wenn man all das zusammennimmt, was Sie in Ihrem Buch im Hinblick auf das Verhalten von hochrangigen Akteuren der CDU darlegen, kann der Eindruck entstehen, dass hier Ähnlichkeiten zu einer Bananenrepublik sichtbar werden. Wie sehen Sie das?
Es wäre eine böswillige Unterstellung, wenn man den Politikern von damals heute vorwerfen würde, den Staat, den wir gegenwärtig haben, schon damals so geplant zu haben. Ich will das Negative, das mein Buch heute offenlegt, nicht beschönigen, aber die Aufbauphase der Bundesrepublik war der Aufbau einer Demokratie ohne Demokraten. Das ganze Land war eine einzige vom Krieg gezeichnete Baustelle.
Die größte Errungenschaft waren über 70 Jahre Frieden in Europa und die zweitgrößte eine recht ordentlich funktionierende soziale Marktwirtschaft. Die sozialen Sicherungssysteme, u.a. die Rentenversicherungen, haben jahrzehntelang vorbildlich funktioniert. Unter Kohl ist die soziale Komponente, besonders nach der Wiedervereinigung total aus dem Ruder gelaufen. Für den Machterhalt wurden soziale und rechtsstaatliche Werte für Bimbes verkauft. Ob wir jetzt schon eine Bananenrepublik sind, möchte ich nicht bewerten. Ob wir weiter in diese Richtung absteigen und irgendwann wirklich auf diesem Niveau landen, hängt von den Politikern ab, die unsere Gegenwart steuern.
Als roten Faden und Vorbild habe ich in meinem Buch unseren Philosophen Immanuel Kant gewählt, der mit seiner Kritik an der reinen Vernunft auch heute noch seine Berechtigung hat: Es geht darum, ob es eine Wahrheit hinter dem gibt, was der Mensch sieht und physikalisch nachweisen und berechnen kann. Ein schönes Beispiel wäre der vor kurzem geführte Prozess um die Berechnung des Existenzminimums in unserem Land und die Frage „um wieviel darf dieses errechnete Existenzminimum noch sanktioniert werden und was muss dem Bezieher auch unter dem berechneten Minimum noch verbleiben, wenn es sanktioniert ist. Tatsächlich hat man auch dieses sanktionierte Existenzminimum berechnen können. Es gab zumindest ein Ergebnis. Das wirkliche Ergebnis dieser Berechnung des Existenzminimums wird nur auf einem anderen Blatt serviert, nämlich bei den nächsten Wahlen.
Wie meinen Sie das?
Wenn das Spektrum der ultrarechten Wähler zugenommen hat; wenn das Spektrum der ultralinken Wähler zugenommen hat; wenn der Anteil der Nichtwähler zugenommen hat, weil sie in ärztlicher Behandlung mit ihrem Leben nicht mehr fertig werden, hat bei der nächsten Landtags- oder Bundestagswahl wieder kein Politiker der großen Volksparteien mit derartigen Auswirkungen auf das Wahlergebnis gerechnet. Das schlechte Abschneiden bei der Wahl kommt wieder mal für alle überraschend. Einen Zusammenhang kann oder will niemand sehen.
Hat sich Ihr persönliches politisches Wirklichkeitsverständnis durch Ihre Einblicke verändert?
Natürlich! Die Welt verändert sich ständig und der Mensch muss diese Veränderungen frühzeitig erkennen und sich positiv anpassen und einbringen. Die Richtung dafür muss aber die Politik vorgeben – nicht die Wirtschaft. Aber nur wenn man erkennt, wo in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden, kann man die Zukunft positiv gestalten. Durch mein Buch habe ich zwei Jahre in der Vergangenheit und davon überwiegend in der Vergangenheit meines Vaters gelebt.
Ich habe im Moment das dringende Bedürfnis, wieder in der Gegenwart aufzutauchen, und vielleicht darf ich erleben, dass sich durch meine Enthüllungen etwas in eine politisch positive Richtung bewegt.
Lesetipp: Ebert, Karl-Heinz: Die Beichte meines Vaters über die Herkunft des Bimbes. Die schwarzen Kassen der CDU. Westend Verlag. Dezember 2019. S. 160. 18 Euro. Hardcover mit Schutzumschlag.
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