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Titel: “Sie sind ein Verschwörungstheoretiker!”
Datum: 18. Mai 2005 um 15:01 Uhr
Rubrik: INSM, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Albrecht Müller
Wenn Neoliberale nicht mehr weiter wissen, wenn man ihnen nachweist, dass ihre Theorie versagt hat und sie unser Land mit ihren Reformen ruinieren, aber sie trotzdem die öffentliche Meinung beherrschen, weil sie mit viel Geld und in bestens geschmierten Netzwerken Meinung machen, dann kommt regelmäßig der Vorwurf: „Sie sind ein Verschwörungstheoretiker!“ So erging es mir wieder einmal in der Phoenix-Runde vom 10.5.05. Dem Historiker Paul Nolte fiel nur noch dieser Notnagel ein. Mit dem Vorwurf „Verschwörungstheoretiker“ sollen diejenigen, die auf ideologische Zusammenhänge, auf die systematische und geplante Zusammenarbeit und Propaganda neoliberaler Kräfte oder gezielte und koordinierte Strategien zur Durchsetzung ihrer Ideologie hinweisen, als unseriös oder gar als obskur verunglimpft werden.
Glücklicherweise gibt es immer mehr und neue Belege dafür, wie systematisch die Ausbreitung der neoliberalen Ideologie und Politik betrieben wird. Ein aufmerksamer Nutzer der NachDenkSeiten hat uns auf ein weiteres gutes Beispiel aufmerksam gemacht, auf den radikal neoliberalen Vorposten der USA in Europa: die Slowakei.
Der Eindruck unseres Lesers:
Nun, es ist schon schlimm – aber das Drehbuch wird Punkt für Punkt abgearbeitet, hier gibt es keine Zufälle…. Und zu dem Drehbuch gehört die Mehrwertsteuer-Erhöhung “einfach” dazu….
Mir fiel dazu noch ein, dass ich mich wunderte, wie gezielt der amerikanische Präsident Bush im Februar die Slowakei besucht und ausgezeichnet hat. Die Slowakei ist eine Art Vorzeigemodell der Neoliberalen. Sie ist – wie Irland – klein genug, um durch Abziehen von Kapital aus anderen Ländern Eindruck schinden zu können. Im Newsletter der Weltbank wird mit Berufung auf den amerikanische Geschäftsmann Steve Forbes einiges zu den Hintergründen berichtet:
The American businessman Steve Forbes, owner of the influential Forbes magazine, believes Slovakia could be “the domino that pushes the rest of the EU, particularly ‘Old Europe’ nations Germany and France, toward a more free-enterprise, entrepreneurial era.
Zur Abrundung aus der FAZ vom 23.2.2005 ein paar Schlagzeilen und Kernsätze:
„Bush in der Slowakei – Treuer Partner – Kapitalismus pur.
Ein guter Ort für Bush, um ein Bekenntnis zur Freiheit abzugeben, ist Pressburg allemal. Die Radikalität der slowakischen Wirtschaftsreformen hat längst auch das Interesse amerikanischer Investoren geweckt.”
Mein Fazit angesichts dieses massiven Feldzugs: Es ist wichtig, die “Verschwörungen”, d.h. die Mechanismen und Strategien der Durchsetzung von Interessen und ihrer Ideologien sichtbar zu machen.
Und noch ein Fazit: Jürgen Habermas, von dem heute ein Plädoyer für die Annahme der Europäischen Verfassung durch die Franzosen in der Frankfurter Rundschau abgedruckt ist, übersieht die „Verschwörung“, deren Werkzeug die Slowakei z.B. ist.
“Verschwörung” zu vermuten, das entspringt nicht unkontrollierter Phantasie und unterstellt auch nicht Geheimbündelei. Das entspricht vielmehr der bitteren Erfahrung vieler Menschen und Völker. Nur wenn die Hintergründe und ihre Hintermänner offen gelegt werden, gibt es eine Chance, die so mächtigen und vielfältigen Propagandaimpulse der neoliberalen Maschinerie für die Betroffenen erkennbar zu machen und eine demokratische Gegenmacht aufzubauen.
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