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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 27. Oktober 2019 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Im Widerspruch zum Völkerrecht
  2. Deutsche Waffen beim türkischen Militär
  3. Königin der Kriegstreiber, Verkörperung der Korruption und Personifikation der Fäulnis
  4. Ein Haus voller Narren und Esel
  5. Julian Assange darf nicht an die USA ausgeliefert werden
  6. Kriegführung mit Künstlicher Intelligenz
  7. Die soziale Marktwirtschaft war nie sozial
  8. Ökonom über das Bankensystem: „Wir haben Krisensituationen auch jetzt“
  9. Geheimmission Rentenklau
  10. Peter Altmaier: „Die Renten werden nicht ewig so weitersteigen“
  11. Wenn das Licht ausgeht – Knapp 300.000 Stromsperren in Deutschland
  12. Warum 13 Millionen Schweine im Müll landen

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Im Widerspruch zum Völkerrecht
    Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages kommt zu dem Schluss, dass die Türkei beim jüngsten Einmarsch in Nordsyrien im Widerspruch zum Völkerrecht handelt und sich zu Unrecht auf das Selbstverteidigungsrecht beruft. Gleichzeitig kritisieren die Experten in dem Schreiben, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, die “Zurückhaltung der Staatengemeinschaft” in Hinblick auf eine “völkerrechtliche Verurteilung”. (…)
    Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes zieht klare Parallelen zwischen der aktuellen Offensive der Türkei und der Operation “Olivenzweig”, also dem türkischen Angriff auf Afrin im Jahr 2018. Eine Bedrohung der Türkei durch die Kurdenmiliz YPG habe die Türkei weder damals noch heute hinreichend nachweisen können, urteilt das Gutachten. Ein Selbstverteidigungsrecht der Türkei sei “selbst bei großzügiger Auslegung” nicht zu erkennen. Damit entfalle auch die Rechtfertigung dafür, in Nordsyrien eine türkische “Sicherheitszone” einzurichten. Eine mögliche Umsiedlung syrischer Flüchtlinge dorthin, die die Türkei angekündigt hat, stelle einen Bruch der Genfer Konvention dar.
    Befürchtungen, das NATO-Mitglied Türkei könne über die Beistandsverpflichtung von Artikel 5 andere NATO-Staaten, also auch die Bundesrepublik, in den Syrienkonflikt mit hineinziehen, lassen sich laut Gutachten “zumindest aus völkerrechtlicher Hinsicht weitgehend zerstreuen”. Solch ein Szenario sei unwahrscheinlich und stelle – sollte die Türkei sich auf die Beistandspflicht berufen – einen “möglichen Rechtsmissbrauch” dar.
    Quelle: tagesschau.de

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Krieg der Türkei gegen Syrien verletzt krass das Völkerrecht.

    Art. 5 des Nordatlantikvertrages lautet so:

    “Die Parteien vereinbaren, daß ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, daß im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten.

    Vor jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmaßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten.”

    Also: Jede “Partei” kann laut Vertrag selbst über die Maßnahmen entscheiden, die es für angemessen hält oder – so der Vertrag weiter “die sie für erforderlich erachtet”. Das kann, muss aber keine Waffengewalt sein. Die Entsendung z.B. eines Sanitätsfahrzeuges würde auch als “erforderlich” betrachtet werden können.

  2. Deutsche Waffen beim türkischen Militär
    Deutsche Rüstungsexporte in die Türkei befinden auf dem höchsten Stand seit 14 Jahren – so titelt selbst „die Zeit“ Kriegsgerät im Wert von 250 Millionen € erhielt das türkische Militär zwischen Januar und August 2019. Dabei zählte die Türkei bereits schon in den letzten Jahren zu den größten Abnehmern der deutschen Rüstungsindustrie: „Im vergangenen Jahr machten die Lieferungen an die Türkei mit 242,8 Millionen Euro fast ein Drittel aller deutschen Kriegswaffenexporte (770,8 Millionen Euro) aus. Damit war die Türkei klar die Nummer eins unter den Empfängerländern deutscher Rüstungsgüter. “Bei den völkerrechtswidrigen Angriffskriegen der Türkei (euphemistisch bezeichnet als „Operation Olivenzweig“ im Jahr 2018 und nun „Operation Friedensquelle“) verwendet das türkische Militär Kriegsgerät, welches häufig in unserer unmittelbaren Umgebung entwickelt, getestet oder hergestellt wird…

    • Rheinmetall
      Bekannt dürfte die Beteiligung am Leopard 2 Panzer sein, den Rheinmetall mit der 120 mm Glattrohrkanone (120 mm Waffenanlage L44 und der nun verlängerten L55) ausstattet. Im Jahr 2005 erhielt die Türkei von der Bundesregierung 354 Kampfpanzer des Typs Leopard 2 A4 – zuvor erhielt das türkische Militär bereits 397 Panzer des Typs Leopard 1, an dessen Produktion Rheinmetall ebenfalls durch die Glattrohrkanone beteiligt war…
    • Daimler AG
      Wie aus einer Anfrage der kritischen Aktionär*innen bei der Daimler AG hervorgeht, steigerte die Daimler AG den Export von Militärfahrzeugen im Jahr 2016 um fast ein Drittel: 4.571 Militärlastkraftwagen (Vorjahr 3465) wurden an 22 (Vorjahr 16) Staaten ausgeliefert. Mercedes-Militär-Unimogs und Actros-Panzertransporter wurden demnach u.a. nach Algerien, Saudi-Arabien und an die Türkei geliefert. Abgesehen davon produziert Daimler bzw. Mercedes-Benz Türk A.?. seit 1986 selbst LKW im Werk Aksaray/Mittelanatolien…
    • Heckler und Koch
      Das aktuelle Standardgewehr der türkischen Armee beruht auf dem von Heckler & Koch (HK) entwickelte Modell G-3 und wird ebenso wie das Sturmgewehr HK33 vom staatseigenen türkischen Unternehmen MKEK (Makina ve Kimya Endüstrisi Kurumu) in Lizenz gefertigt…
    • VW/Renk und MTU Friedrichshafen
      Das von VW übernommene Rüstungsunternehmen Renk ist bereits mit seinem Fahrzeuggetriebe HSWL 354 in den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg involviert…
    • ThyssenKrupp Marine Systems
      „Seit knapp 50 Jahren ist die türkische Marine Kunde von thyssenkrupp Marine Systems GmbH (TKMS) – ehemals HDW – mit Sitz in Kiel“- so formuliert es die Linke in ihrer Kleinen Anfrage. Zugzeit baut die Türkei in der Gölcük Schiffswerft mit deutscher Herstellungslizenz sechs Jagd-U-Boote des Typs 214 – von HDW entwickelt…
    • SIG Sauer GmbH & Co. KG
      Im Juli 2003 erhielt der Waffenhersteller Sig Sauer mit Sitz in Eckernförde die Genehmigung, Pistolen im Wert von 3.376€ an die Türkei zu liefern. Im Jahr 2017 bestellte die Türkei für die Leibwächter Erdogans Waffen im Wert von 1,2 Millionen $ bei dem Tochterunternehmen Sig Sauer Inc. in den USA…
    • Deutsche Nickel AG
      Im Jahr 2003 erhielt die Deutsche Nickel AG mit Sitz in Schwerte im Ruhrgebiet eine Exportlizenz für die Herstellungsausrüstung Munition im Wert von 1.031.000 €.

    Team Spezialgeräte Vertriebs GmbH…

    Weitere Ausfuhrlizenzen von Rüstungsgütern an die Türkei erhielten in der Vergangenheit folgende Unternehmen: Hensoldt Systemtechnik GmbH, Sundwiger Messingwerke GmbH, Diehl Avionik Systeme GmbH, AMP Technical Services GmbH, MAN Ferrostaal Industrieanlagen GmbH, Eurocopter Deutschland GmbH, Numerics GmbH und die Fritz Werner GmbH…
    Quelle: IMI

    Anmerkung Jens Berger: Eine alte Börsenweisheit lautet „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“. Ein Blick auf den Chart des Rüstungskonzerns Rheinmetall zeigt, wer von der Spannungs- und Kriegspolitik am meisten profitiert.

    Die größten Aktionäre von Rheinmetall sind übrigens – wie bei den meisten großen deutschen Unternehmen – fast ausschließlich große amerikanische und britische Vermögensverwaltungsgesellschaften und Fonds …

  3. Königin der Kriegstreiber, Verkörperung der Korruption und Personifikation der Fäulnis
    Nachdem Hillary Clinton Tulsi Gabbard vorwarf, Instrument der Russen zu sein, revanchiert sich die Präsidentschaftsbewerberin mit Vorwürfen gegen die gescheiterte Kandidatin (…)
    Der Zeitpunkt, zu dem Clinton ihre Vorwürfe gegen Gabbard erhebt, lässt die Möglichkeit zu, dass sie auch noch einen anderen Hintergrund haben könnten. Vielleicht sollen sie auch davon ablenken, dass das amerikanische Außenministerium letzte Woche nach einer dreieinhalb Jahre lang andauernden Untersuchung zum Ergebnis kam, dass es unter Hillary Clintons Führung 588 nachweisbare Verstöße gegen Geheimhaltungsvorschriften gab. 91 dieser Verstöße lassen sich insgesamt 38 Personen zuordnen, die im Bericht des Ministeriums an den Kongress nicht namentlich genannt werden. Gegenüber dem republikanischen Senator Charles Grassley stellte das State Department allerdings “disziplinarische Maßnahmen” gegenüber denjenigen Mitarbeitern in Aussicht, die noch dort tätig sind.
    Obwohl die Untersuchungen zu Hillary Clintons E-Mail-Affäre damals noch nicht abgeschlossen waren hatte der inzwischen entlassene FBI-Chef James Comey im Juli 2016 von der Einleitung eines Strafverfahrens nach § 1924 18 U.S. Code abgesehen, was Donald Trumps Generaljustizinspektor Michael Horowitz später scharf kritisierte.
    Ein anderer Vorwurf gegen das FBI, der noch untersucht wird und im Wahlkampf 2020 eine Rolle spielen könnte, ist der einer heimlichen Hilfe für Clinton durch die Überwachung von Donald Trumps Wahlkampfteam. Das FBI rechtfertigte die Einleitung dieser Überwachung mit geleakten Emails des Democratic National Committee (vgl. Wasserman Schultz tritt nach HillaryLeaks als DNC-Chefin zurück), untersuchte deren Server aber nicht selbst, sondern übergab sie der Firma CrowdStrike. Jener “Cybersecurity”-Firma, nach der sich Donald Trump diesen Sommer telefonisch beim neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selensjij erkundigte (vgl. Der ukrainische Sumpf holt Washington ein – oder umgekehrt).
    Quelle: Telepolis

    dazu: Hillary Clinton warnt vor russischer Unterstützung für Kandidatin bei US-Wahl
    Russland habe eine Politikerin “im Auge, die derzeit an der demokratischen Vorwahl teilnimmt”, sagte Clinton in dem am Donnerstag gesendeten Podcast “Campaign HQ”. “Sie bauen sie auf, um die dritte Kandidatin zu sein.”
    “Sie ist die Favoritin der Russen”, sagte die Ex-US-Außenministerin, die 2016 bei der Präsidentschaftswahl gegen den heutigen Staatschef Donald Trump unterlag. Die verdächtigte Politikerin erhalte im Internet massive Unterstützung. Ziel sei es, dem Kandidaten der Demokraten bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr entscheidende Stimmen abzujagen und so Trump eine zweite Amtszeit zu ermöglichen.
    Einen Namen nannte zwar Clinton nicht, ein Sprecher bestätigte aber später nach Angaben von Politico.com, dass Tulsi Gabbard gemeint war. Ihr werden praktisch keine Chancen auf die demokratische Nominierung eingeräumt, in Umfragen liegt sie auf den hinteren Plätzen. Allerdings war sie bisher in drei TV-Duellen der Demokraten dabei und konnte ihre Bekanntheitswerte so steigern.
    Keine der anderen Frauen, die sich um die demokratische Kandidatur bewerben, wird jedoch so nah mit Moskau in Verbindung gebracht wie Gabbard. US-Medien hatten unter anderem berichtet, dass mit Russland verbundene Seiten im Internet den Wahlkampfbeginn Gabbards gefeiert und ihre Politik verteidigt hatten.
    Die Reaktion von Gabbard ließ nicht lange auf sich warten – und sie ist mehr als deutlich. Bei Twitter bezeichnete sie Clinton als “Verkörperung der Korruption” und als “Kriegstreiberin”. “Nun sind Sie endlich hinter dem Vorhang hervorgekommen. Seit der Verkündung meiner Kandidatur hat es eine gezielte Kampagne gegeben, um meinen Ruf zu zerstören. Wir fragten uns, wer dahintersteckt und was die Ziele sind. Jetzt wissen wir es: Das waren immer Sie.”
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers G.R.: es ist kaum zu glauben: Da wirft eine abgehalfterte Präsidentschaftskandidatin irgendwelche Vorwürfe in den Raum ohne Beweise, und die Medien berichten darüber. Und über die Reaktion der angegriffenen Kandidatin heißt es dann in der Überschrift, sie wird “ruppig”. (…)

    Tulsi Gabbard hat Recht und es wurde Zeit, dass endlich mal jemand Hillary Clinton genau das sagt. Großartig und Danke, Tulsi Gabbard!

    Anmerkung J.K.: Nun, sollten noch irgendwelche Zweifel bestehen, dass Clinton schon immer die Kandidatin der Wall Street und der US -Oligarchie war und ist? So gewinnt man sicher keine Wahl gegen Trump. Der darf sich schon einmal ins Fäustchen lachen. Es ist so wie prophezeit, dem Partei-Establishment der Demokraten ist die Verhinderung einer progressiven Kandidatin wichtiger als die Abwahl Trumps.

  4. Ein Haus voller Narren und Esel
    Der britische „Guardian“ nennt das „House of Commons“ „ein Parlament der Esel, geführt von Fadenwürmern. Und nicht einmal sonderlich intelligenten.“ Die „Daily Mail“ schreibt auf ihrer Titelseite: „Das Haus der Narren“. Diese krasse Kritik übernimmt die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” mit der Überschrift: „Ein Haus voller Narren und Esel“. Wie würde die altehrwürdige FAZ, das Leitorgan des gutsituierten Bürgertums, eine Volksvertretung bezeichnen, die:

    • an einer Rentengesetzgebung festhält, die zu millionenfacher Altersarmut führt und zur Folge hat, dass die Rentner im Durchschnitt 800 Euro im Monat weniger haben als die österreichischen Nachbarn
    • einen Mindestlohn von 9,19 Euro die Stunde billigt, der niedriger ist als in Nachbarländern und zwingend zu Altersarmut führt
    • ein Gesetz verabschiedet hat, das gut ausgebildete Beschäftigte dazu zwingt, jede beliebige schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen
    • keine Vermögenssteuern erhebt, obwohl eine kleine Minderheit immer mehr Vermögen anhäuft, während die Hälfte der Bevölkerung kaum Vermögen bilden kann
    • Soldaten in völkerrechtswidrige Kriege schickt, obwohl die Mehrheit ihrer Wählerinnen und Wähler dagegen ist
    • Waffen an Diktaturen liefert, die Krieg führen, obwohl sie auch dafür keine Zustimmung in der Bevölkerung hat
    • eine Wohnungsbaupolitik macht, die dazu führt, dass Leute mit durchschnittlichen Löhnen nicht mehr in den Zentren der großen Städte wohnen können
    • eine Gesundheitspolitik zu verantworten hat, die dazu führt, dass immer mehr Ältere und Kranke nicht mehr menschenwürdig gepflegt werden
    • es zulässt, dass zweieinhalb Millionen Kinder in Armut leben und
    • in die schwarze Null so verliebt ist, dass die öffentliche Infrastruktur verfällt.

    Die Beispiele ließen sich fortführen.
    Dreimal darf man raten, welches Parlament hier gemeint sein könnte. Aber sicher können wir sein, dass die ehrwürdige FAZ dieses Parlament nicht mit solchen unparlamentarischen Worten an den Pranger stellen würde.
    Quelle: Oskar Lafontaine via facebook

  5. Julian Assange darf nicht an die USA ausgeliefert werden
    „Das gesamte Verfahren gegen WikiLeaks-Gründer Julian Assange in Großbritannien wirft Fragen bezüglich rechtsstaatlicher Standards auf“, erklärt Heike Hänsel, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, nach der Anhörung, die sie heute im Westminster Magistrates‘ Court in London verfolgte. Die Außenpolitikerin weiter:
    „Die Verteidigung von Assange beantragte drei weitere Monate, um das Gerichtsverfahren vorzubereiten, dies wurde von der Richterin nicht gewährt. Assange beklagte, dass er unter den bestehenden restriktiven Haftbedingungen kaum Möglichkeiten habe, sich adäquat auf das Verfahren vorzubereiten. Die Supermacht USA habe zehn Jahre Zeit gehabt, um sich vorzubereiten, während er gerade mal fünf Monate Zeit bekomme, um die Dokumente zu prüfen, so Assange, der erst vergangene Woche die Unterlagen von seinen Anwälten per Post zugestellt bekam. Assange hat in der Haft keinen Zugang zu einem Computer und bisher noch keinen Kontakt zu seinen US-Anwälten aufnehmen können.
    Das Gericht verweigerte zudem eine Überprüfung, ob das Auslieferungsersuchen der USA grundsätzlich zulässig ist. Und dies, obwohl ein bilaterales Auslieferungsabkommen zwischen London und Washington Auslieferungen aus politischen Gründen ausschließt. Die offensichtlichen Absprachen über einen Antrag für eine Verlängerung des Verfahrens zwischen Rechtsvertretern der britischen Regierung und der US-Botschaft am Rande der heutigen Verhandlung lassen vermuten, dass der Zeitplan an den US-Wahlkampf angepasst und instrumentalisiert werden soll.
    Es ist beschämend für Europa, den von der Isolationshaft schwer gezeichneten Journalisten in einem Gerichtssaal in London zu erleben. Heute ist es Julian Assange und morgen könnte es jeder andere Journalist sein, der mit seiner Arbeit US-Interessen berührt. Großbritannien und die EU müssen diese extraterritoriale politische Verfolgung daher umgehend beenden. DIE LINKE wird am 27. November im Deutschen Bundestag eine Anhörung zu diesem Thema organisieren.“
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung Moritz Müller: Dem Statement von Heike Hänsel MdB ist im Moment wohl nicht viel hinzuzufügen, außer dass maßgebliche Personen, die dies möglicherweise lesen sich doch überlegen sollten, ob sie nicht ihre Stimme erheben wollen, bevor es zu spät ist, und sie dann einen sehr mutigen, und im Moment fast hilflosen Menschen mit auf dem Gewissen haben.

    In dem kurzen Clip von Ruptly, der Julian Assange heute beim Abtransport vom Gericht zeigt, macht er zwar gesundheitlich einen nicht ganz so schlechten Eindruck wie aus den Berichten der Zuschauer im Gerichtsaal zu schließen wäre, aber trotzdem drängt die Zeit. Julian Assange gehört sofort freigelassen oder zumindest in ein sicheres Krankenhaus überführt, wo er sich unter anständigen Bedingungen auf sein Auslieferungsverfahren vorbereiten kann. Der momentane Zustand in Belmarsh, wo er 23 Stunden am Tag alleine in seiner Zelle hockt, und permanent vom Willen seiner Wächter abhängig ist, ist vollkommen unangemessen für einen Untersuchungshäftling der vor dem Gesetz als unschuldig gelten muss, bevor das Gegenteil bewiesen ist. Hier könnten die maßgeblichen Personen im Vereinigten Königreich, die sonst gerne die rechtsstaatlichen Errungenschaften hochhalten, einmal innehalten, und ihren Einfluss geltend machen, und damit ihrem Anspruch auf Fairness gerecht werden.

    Wenn Assanges Gegenspieler wirklich so von seiner Schuld überzeugt sind, dann könnten sie auch eine gut ausgerüstete Verteidigung zulassen, und die Gerechtigkeit würde ihren Lauf nehmen.

    Hier sitzt nun mal der Hase im Pfeffer: Geht es um Gerechtigkeit oder Interessen?

    Weiteres zur gestrigen Verhandlung auch hier und hier.

  6. Kriegführung mit Künstlicher Intelligenz
    Ein neues Positionspapier aus dem Amt für Heeresentwicklung der Bundeswehr in Köln skizziert die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) in künftigen Kriegen. Das “Potenzial” der KI für die deutschen Streitkräfte sei “enorm”, urteilt der ehemalige Leiter der Einrichtung, Generalmajor Reinhard Wolski. Experten zufolge wird KI nicht nur für die Optimierung der Aufklärung genutzt werden, sondern auch zum Betreiben von “Chatbots” zur militärischen Propaganda und zur Steuerung autonomer Waffensysteme. Die Relevanz autonomer Waffen sei bereits “mittelfristig … durchaus mit ABC-Massenvernichtungswaffen vergleichbar”, urteilt ein Spezialist des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse und Informationssysteme (IAIS), das in puncto KI mit der Bundeswehr kooperiert. Wie das neue Bundeswehr-Papier belegt, wird KI-gesteuerte Kriegführung ein so hohes Tempo gewinnen, dass menschliche Entscheidung über den Einsatz von Waffen zunehmend auf KI-Entscheidungshilfen angewiesen sein wird. Der Übergang zum reinen Maschinenkrieg, der sich humaner Kontrolle gänzlich entzieht, ist fließend.
    Quelle: German Foreign Policy
  7. Die soziale Marktwirtschaft war nie sozial
    Der Mythos von der “sozialen Marktwirtschaft” verdeckt bis heute außerordentlich geschickt, wie ungerecht es in der Bundesrepublik zuging und zugeht. Statt auf sozialen Ausgleich zu setzen, vertrauten Ludwig Erhard und seine Nachfolger blind dem Markt und verfestigten so die ungleiche Vermögens- und Einkommensverteilung.
    Bis heute sind die allermeisten Deutschen überzeugt, dass sie in einer “sozialen Marktwirtschaft” leben, die von Ludwig Erhard höchst persönlich erfunden wurde. Diese soziale Marktwirtschaft, so geht die Legende, sei einzigartig in Europa, und nur ihr wäre das “Wirtschaftswunder” zu verdanken. Nichts davon stimmt. Deutschland war nie besonders sozial – und eine besondere Wirtschaftsverfassung gab es hier auch nicht. Stattdessen ging es nach dem Zweiten Weltkrieg weiter wie zuvor: In den Großkonzernen dominierten die alten Eliten.
    Der Slogan “soziale Marktwirtschaft” fand sich erstmals 1949 im CDU-Wahlprogramm und sollte angeblich einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus weisen. Das klang nach Ausgleich und nach Mitte und wirkte sympathisch auf ein erschöpftes Volk, das von politischen Extremen genug hatte.
    Ludwig Erhard hielt Sozialpolitik für überflüssig, ja schädlich.
    Den meisten Wählern fiel gar nicht auf, wie missverständlich das Konzept war. Die „soziale Marktwirtschaft“ strebte nämlich mitnichten eine ausgebaute Sozialpolitik an, sondern behauptete im Gegenteil, dass der freie Markt an sich schon sozial sei. Man müsste nur für ungehinderten Wettbewerb sorgen und schon sei der „Wohlstand für alle“ garantiert…
    Wettbewerb sei „der tragende Pfeiler der sozialen Marktwirtschaft“ versprach Erhard immer wieder, der damals als Wirtschaftsminister amtierte. Während er Rede um Rede hielt, geschah jedoch das Gegenteil: Die bundesdeutschen Großkonzerne wuchsen weiter und konsolidierten ihre Macht.
    (…) Großkonzerne kontrollieren 66,7 Prozent des Umsatzes in Deutschland
    Die alten Strukturen in den Großkonzernen waren also längst wieder gefestigt, als 1958 Erhards „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ in Kraft trat…
    Die bundesdeutsche Wirtschaft ist extrem konzentriert, wie sich an einer einzigen trockenen Zahl erkennen lässt, die sich im neuesten Statistischen Jahrbuch findet: Die Großkonzerne machen nur 0,7 Prozent aller Firmen in Deutschland aus – aber sie kontrollieren 66,7 Prozent des Umsatzes.
    (…) Die “soziale Marktwirtschaft” konnte dennoch zur zentralen Legende der Bundesrepublik werden, weil ein enormer Aufschwung einsetzte, der bis heute gern „Wirtschaftswunder“ genannt wird. Die Zahlen sind tatsächlich beeindruckend: Von 1950 bis 1973 legte die bundesdeutsche Wirtschaft pro Kopf um durchschnittlich fünf Prozent zu. Ein Rekord war es dennoch nicht. Italien kam ebenfalls auf fünf Prozent, und Spanien erreichte sogar 5,8 Prozent pro Jahr und Kopf. Fast alle europäischen Staaten erlebten starkes Wachstum.
    Die Vermögensverteilung in Deutschland kann nur als Skandal bezeichnet werden
    Völlig unerheblich war übrigens, ob die Regierungen an die “freie Marktwirtschaft” glaubten oder Schlüsselindustrien verstaatlicht hatten. Der Aufschwung setzte überall ein, ohne dass die jeweilige offizielle Wirtschaftspolitik den Ausschlag gegeben hätte…
    Die “soziale Marktwirtschaft” hat nie existiert und war nicht mehr als ein Slogan, mit dem die CDU ihre Wahlkämpfe bestritt. Trotzdem war diese Legende nicht folgenlos. Denn sie verdeckte außerordentlich geschickt, wie ungerecht es in der Bundesrepublik zuging. Bereits 1955 klagte der Präsident des Statistischen Landesamts von Baden-Württemberg, dass “die Vermögensverteilung in der Bundesrepublik nur als ein Skandal bezeichnet werden” könne…
    Quelle: Ulrike Herrmann auf Gegenblende
  8. Ökonom über das Bankensystem: „Wir haben Krisensituationen auch jetzt“
    Nach dem US-Börsencrash vor 90 Jahren begann die Weltwirtschaftskrise. Die Lehman-Pleite 2008 führte zu einer weltweiten Finanzkrise. Hat die damals eingeleitete Banken-Regulierung die Risiken verkleinert? Der Ökonom Hans-Peter Burghof sieht Gefahren. […]
    Welty: Ein richtiges Dunkelfeld ist der sogenannte Repomarkt, da kooperieren Schattenbanken mit den herkömmlichen Banken, und da kommt es im September zu einem Ausschlag, der die ganze Branche in Unruhe versetzt. Was ist da genau passiert?
    Burghof: Ja, offenbar war plötzlich das Vertrauen weg und man hat sich gegenseitig auf diesem Markt kein Geld mehr geliehen. Das Geld brauchen aber die Banken, weil das ist einfach der kurzfristige Liquiditätspuffer, den man hat, wenn man halt eben woanders mehr Ausgaben gehabt hat. Also für die Stabilität des Bankensystems ist dieser Markt sehr wichtig, und das macht dann erforderlich, dass die Zentralbank ganz schnell eintritt und sehr viel Liquidität zur Verfügung stellt.
    Da sind wir schnell bei zwei-, sogar bei dreistelligen Milliardenbeträgen. Eigentlich rätsele ich auch ein bisschen, was da eigentlich passiert ist, denn uns hat man ja eigentlich erzählt, das amerikanische Banksystem sei besonders toll aus der Krise gekommen, und hohe Gewinne machen die amerikanischen Banken.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  9. Geheimmission Rentenklau
    Initiative »Seniorenaufstand« verlangt Ende des Versteckspiels um Beratungsgremium zur Altersvorsorge. Bundesbank rechnet Bevölkerung alt
    Die Rente ist heute so einiges: kümmerlich, entwürdigend, eine Zumutung. Nur eines ist sie gewiss nicht: »sicher«. Selbst Norbert Blüm (CDU) macht sich keine Illusionen mehr. Für den früheren Sozialminister markiert das »Riestern« einen elementaren Angriff auf die gesetzliche Altersvorsorge. Aber die nächste Attacke ist schon in Vorbereitung. Seit bald 17 Monaten brütet die von der großen Koalition bestellte Rentenkommission »Verlässlicher Generationenvertrag« über der Frage, wie das System »zukunftsfest« zu machen ist. Dass dabei nichts Gutes herumkommen wird, erscheint schon angesichts der Besetzung des zehnköpfigen »Expertenteams« ausgemacht. Aus seiner Mitte ragt mit Axel Börsch-Supan ein profilierter Rentenkürzer heraus.
    Was in dem Zirkel konkret besprochen und verhandelt wird, ist allerdings nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Bis zur geplanten Vorlage der Empfehlungen im März 2020 darf satzungsgemäß nichts nach außen dringen. Dagegen macht seit längerem der Koordinierungskreis »Gewerkschaftliche Seniorenpolitiker – Seniorenaufstand« mobil. Anfang August hatte Hans-Jürgen Nestmann von der IG Metall Elmshorn eine Petition mit der Forderung gestartet, die Geheimhaltungspflicht der Kommission unverzüglich aufzuheben. Am Mittwoch übergab der Initiator in Begleitung von vier Mitstreitern die in zwei Monaten gesammelten 5.300 Unterschriften dem Staatssekretär im Berliner Bundesarbeitsministerium, Ralf Schmachtenberg.
    Quelle: junge Welt
  10. Peter Altmaier: „Die Renten werden nicht ewig so weitersteigen“
    • Wirtschaftsminister Peter Altmaier stellt im RND-Interview die Höhe des Rentenniveaus infrage.
    • Der CDU-Politiker verteidigt die Genehmigungspraxis bei deutschen Rüstungsexporten.
    • Und er verrät, was ihn am Koalitionspartner SPD derzeit am meisten stört. […]

    (..)
    Haben Sie und die CDU nicht immer gesagt, dem Land gehe es gut?
    Was ja auch stimmt! Deutschland hat nach der Agenda 2010 einen unglaublichen Aufschwung erlebt, fast schon ein zweites Wirtschaftswunder. Jetzt drohen wir das Erreichte zu verspielen. Soziale Sicherheit werden wird uns nur leisten können, solange das Wirtschaftswachstum intakt ist. Die große Mehrheit der Bürger weiß genau, dass man Arbeitnehmer und Wirtschaft nicht gegeneinander ausspielen kann. Soziale Wohltaten mit dem Füllhorn zu verteilen, das geht nicht mehr. Wir sind hier an den Grenzen der politischen Gestaltungsspielräume angelangt.
    Welche Wohltaten meinen Sie?
    Nehmen Sie die Grundrente: Sie ist im Grunde eine versicherungsfremde Leistung. Eine Finanzierung aus Mitteln der Beitragszahler wäre eine zusätzliche Belastung der Wirtschaft, die unbedingt vermieden werden muss. Auch in der Rentenkommission setzt sich langsam die Einsicht durch, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Wer heute ein stabiles Rentenniveau für die Zukunft verspricht, muss auch sagen, wie er das bezahlen will.
    Sie halten das Rentenniveau von 48 Prozent langfristig für zu hoch?
    Ich will nicht, dass die Beiträge steigen, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber belasten. Die Sozialabgaben insgesamt sind inzwischen bei 39,9 Prozent angekommen. Mehr als 40 Prozent sind aus meiner Sicht langfristig nicht verkraftbar, weil das Arbeitsplätze kosten würde. Deshalb halte ich einen Deckel für dringend notwendig. Die Arbeitslosenversicherung könnten wir schon im nächsten Jahr um mehrere Zehntelpunkte senken, was eine echte Entlastung wäre. Durch steigende Rentenbeiträge würde die aber direkt wieder aufgefressen.
    Das heißt, die Haltelinie beim Rentenniveau muss weg?
    Wir haben uns auf eine doppelte Haltelinie geeinigt: eine beim Rentenniveau und eine bei den Beiträgen. Voraussetzung für die Einigung war, dass realistische Annahmen getroffen werden. Wenn die nicht eintreten, müssen wir noch einmal reden. Die Renten steigen jetzt seit sechs Jahren oberhalb der Inflationsrate. Das ist ein großes Geschenk. Zur Ehrlichkeit gehört, dass wir nicht versprechen können, dass das auf ewig so weitergeht.
    Quelle: RND

    Anmerkung unseres Lesers S.N.: Die Aussagen von Herrn Altmaier klingen, als ob sie eine PR-Agentur der INSM verfasst hat: Da wird mal wieder die “Lohnnebenkostendebatte” aus den 1990ern aufgewärmt. Fakt ist aber: Hohe Arbeitslosigkeit der Grund für höhere “Lohnnebenkosten” und nicht anders herum. Was die geheiligte internationale Wettbewerbsfähigkeit angeht, so sind, wenn überhaupt, die wechselkursbereinigten Lohnstückkosten relevant. Aber auch das ist fraglich – sonst hätte die Schweiz keinen permanenten Handelsbilanzüberschüsse. Die Obergrenze von 40% für die “Lohnnebenkosten” stammt der BDA-Auftragsarbeit von Prognos “Sozialbeitragsentwicklung und Beschäftigung” vom Juni 2017. Deren These ist, dass hohe Beitragssätze die Binnennachfrage der Arbeitnehmer dämpfen und dass die im Gegenzug entstehende Nachfrage der Leistungsempfänger dies nicht kompensiere. Das würde implizieren, dass die Sparquote z.B. bei Rentnern oder Arbeitslosen höher wäre, als bei der Mehrheit der Arbeitnehmer. Ein ökonomisches Wunder! Und wie es mit der Binnennachfrage aussieht, wenn die Leute ihr Geld in private Vorsorge stecken, verrät die Studie auch nicht. Dieses Geld würde dann nämlich in voller Höhe beim Leistungsempfänger und beim Arbeitnehmer in voller Höhe für die Binnennachfrage ausfallen und sehr viel mehr Arbeitsplätze gefährden. Und wie man genau auf 40% Lohnnebenkosten kommt, wenn doch die Lohnstückkosten relevant sind, verrät die Studie überhaupt nicht.

    Aber es geht weiter: Die Renten würden oberhalb der Inflationsrate wachsen und das sei schlecht: Dazu sei angemerkt, dass die Renten gemäß detaillierter gesetzlicher Vorgaben im SGB VI wachsen und nicht aus irgendwelchen Geschenklaunen der Regierungen heraus. Dazu, dass unsere Löhne seit Jahren langsamer wachsen als der Produktivitätsfortschritt zzgl. der EZB-Zielinflationsrate sagt Herr Altmaier gar nichts, obwohl das doch die vorher gepriesene Binnennachfrage der Arbeitnehmer stützen würde. Auf die Kostenentwicklungen anderer Altersversorgungssysteme wie Beamtenpensionen oder die massiven Probleme von betrieblichen Altersvorsorgeeinrichtungen geht Herr Altmaier überhaupt nicht ein.

    Aber wenn Herr Altmaier meint, dass Finanzierung der Sozialversicherungen über Löhne nicht mehr verkraftbar wäre, dann kann er ja alle Altersversorgungssysteme “zusammenlegen, die Betreuung aus einer Hand gewähren” und auf eine Finanzierung per Wertschöpfungsabgabe umstellen. Laut BVerfG und BSG hat der Eigentumsschutz bei unseren Beiträgen zur Sozialversicherung ohnehin eine “eigene Ausprägung” erfahren. Dann kann man sie auch auf eine Wertschöpfungsabgabe umstellen. Die entlastet nachweislich den Faktor Arbeit. Und die Demographie ist dann auch egal. Alternativ kann man natürlich auch die Erbschaftsteuer für Familienunternehmen erhöhen, eine Vermögensabgabe erheben und daraus einen erhöhten Bundeszuschuss zahlen. Das wäre ganz tolle Generationensolidarität, da die in der Vergangenheit angesammelten Vermögen “der alten” innerhalb der vielgepriesenen jungen Generation verteilt werden. Was bei Renten “alternativlos” ist, kann ja bei Vermögen nicht anders sein.

    dazu: Altmaier und das Regierungsnetzwerk Deutschland
    Alle reden immer davon, dass Andreas Scheuer der Skandalminister dieser Regierung ist und zurücktreten sollte. Über den hanebüchenen Unsinn, den Wirtschaftsminster Peter Altmaier von sich gibt, redet dagegen kaum jemand. Das liegt aber auch daran, dass Journalisten nicht nachhaken und offenbar unfähig sind, die ungeheuerlichen Aussagen zu erkennen und den Minister damit zu konfrontieren. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hat solch ein schlechtes Interview gerade wieder abgeliefert. Es ist wirklich ärgerlich. Man sollte das RND umbenennen in Regierungsnetzwerk Deutschland, denn dieses total unkritische Interview hätte auch der Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus mit seinem Kollegen führen können. (…)
    Wie bestellt darf Altmaier dann von einem unglaublichen Aufschwung fantasieren und eine Warnung aussprechen, dass dieser Gefahr laufe, verspielt zu werden. Dabei hat Deutschland nie einen Boom erlebt. Der Blick auf die Zahlen zeigt, dass die Produktion schon längst wieder das niedrige Niveau früherer Jahre erreicht hat. Die Nachfrage aus dem Inland bewegt sich sogar noch darunter, was wiederum bedeutet, dass sie gerade nicht als Stabilitätsanker bezeichnet werden kann. Die Regierung tut es trotzdem, um eine Diskussion zu unterdrücken, die sich mit aktiver Nachfragepolitik beschäftigt. Konjunkturprogramme stünden aber für eine Politik alten Stils und seien teure Strohfeuer, so der Minister. Die Reporter Repinsiki und Niesmann lassen auch diesen Blödsinn einfach stehen, vermutlich, weil sie ihn schon so oft von Altmaiers Vorgängern gehört haben. (…)
    Infam ist auch die Diskussion um die Sozialpolitik. Altmaier spricht von Wohltaten. Die beiden Journalisten nehmen das auf und lassen es irgendwie gleichgültig an sich vorüberziehen, dass ein auf 48 Prozent brutal zusammengestrichenes Rentenniveau etwas mit Bäumen zu tun hätte, die unaufhaltsam in den Himmel wachsen. Die Rentenerhöhungen seien in den letzten Jahren bereits ein großes Geschenk gewesen, darf Altmaier unwidersprochen behaupten. Dieser Quatsch bleibt ebenfalls so stehen. Den beiden Journalisten fällt nichts mehr dazu ein, zu wachsender Altersarmut vielleicht, mit der man Altmaiers Position leicht widerlegen könnte. Doch diese Entwicklung kennen die beiden offenbar genauso wenig, wie den Zusammenhang zwischen Einkommen, Nachfrage und Konjunktur.
    Dass das RND nun aber ein Regierungsnetzwerk ist, dass dem Wirtschaftsminister von der CDU bloß eine PR-Plattform geboten hat, wird letztlich auch daran deutlich, dass Altmaier die geplante Grundrente als eine versicherungsfremde Leistung geißeln darf. Die Finanzierung aus Mitteln der Beitragszahler wäre eine zusätzliche Belastung der Wirtschaft, die unbedingt vermieden werden müsse, so Altmaier. Warum zum Teufel sprechen die beiden Journalisten den Minister dann nicht auf die Mütterrente an, deren Kosten ausschließlich auf Drängen der Union dem Rentenversicherungssystem aufgebürdet worden sind, obwohl es sich bei dieser Leistung doch um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, die folglich aus Steuermitteln hätte finanziert werden müssen.
    Quelle: TauBlog

  11. Wenn das Licht ausgeht – Knapp 300.000 Stromsperren in Deutschland
    Knapp 300.000 Haushalten in Deutschland wurde 2018 zeitweise der Strom abgestellt – zeigen neue Zahlen, die dem ZDF exklusiv vorliegen. “Ein Armutszeugnis”, schimpfen die Grünen.
    Am Ende kann es ziemlich schnell gehen. Wenn die Rechnungen mal nicht bezahlt wurden – manche Briefe ungeöffnet bleiben. Wenn man plötzlich mehr als hundert Euro im Rückstand ist. Schon vier Wochen nach einer Mahnung mit entsprechender Ankündigung können Grundversorger den Strom eines Haushaltes laut Gesetz abschalten. Im vergangenen Jahr waren von einer solchen “Stromsperre” immerhin 296.370 Haushalte in Deutschland zumindest zeitweise betroffen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage der grünen Bundestagsfraktion hervor, die dem ZDF exklusiv vorliegt.
    Quelle: ZDF heute

    dazu: Grüne und Linke wollen Stromsperren verhindern
    Der Bundestag befasst sich in seiner Sitzung am Freitag, 25. Oktober 2019, erstmalig Anträgen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Stromsperren verhindern – Energieversorgung für alle garantieren“ (19/9958) und einem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Stromsperren gesetzlich verbieten“ (19/14334). Für die Debatte sind 45 Minuten eingeplant. Der Antrag der Linken soll federführend im Wirtschaftsausschuss beraten werden. Ob der Antrag der Grünen im Wirtschaftsausschuss oder im Ausschuss für Arbeit und Soziales federführend beraten wird, ist noch strittig.
    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in ihrem Antrag, die Energieversorgung für alle zu garantieren und Stromsperren grundsätzlich zu verhindern. Energiearmut sei ein zunehmendes Problem für viele Haushalte in Deutschland, die Zahl der Stromsperren habe im Jahr 2017 bei knapp 344.000 gelegen. Für die Betroffenen seien nicht nur die alltäglichen Folgen solcher Sperren eklatant, sie würden dadurch auch in eine Schuldenspirale geraten, die das Risiko, erneut mit einer Energiesperre belegt zu werden, erhöhe, schreibt die Fraktion.
    Die Grünen verlangen deshalb unter anderem eine aus dem Regelsatz der Grundsicherung ausgelagerte Stromkostenpauschale, die sicherstellt, dass die tatsächlichen Kosten auch abgedeckt werden. Außerdem plädieren sie für präventive Beratung und eine bessere Schuldnerberatung für Menschen mit geringem Einkommen.
    Nach dem Willen der Linken soll die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, um für schutzbedürftige Kundinnen und Kunden eine Grundversorgung mit Strom jederzeit zu gewährleisten. Stromsperren durch die Energieversorger aufgrund von Zahlungsunfähigkeit der Verbraucher sollten gesetzlich verboten werden.
    Quelle: Bundestag

  12. Warum 13 Millionen Schweine im Müll landen
    Nottötungen in der Mast
    Jedes fünfte in Deutschland für die Fleischindustrie geborene Schwein erreicht nicht einmal den Schlachthof. Die Haltung macht sie so krank, dass Millionen Tiere notgetötet werden. Ursache sind auch die Billigpreise im Handel.
    Jedes fünfte in Deutschland für die Fleischindustrie geborene Schwein erreicht das Schlachtalter gar nicht, weil es erkrankt oder verletzt wird. In Zahlen bedeutet das: Mehr als 13,5 Millionen sogenannter Falltiere werden vorzeitig “notgetötet”.
    Schon länger gibt es Hinweise darauf, dass kranke oder verletzte Schweine in der Intensivtierhaltung nicht fachgerecht getötet werden. Die aktuellen Aufnahmen zeigen die Grausamkeit: Offensichtlich leidende, kranke Schweine werden mangelhaft betäubt und verenden langsam und qualvoll.
    (…) Der Betrieb in Drebkau gehört zur Spreefa GmbH, die wiederum Teil der LFD Holding ist. Die LFD (Landwirtschaftliche Ferkelzucht Deutschland) führt unter anderem die Betriebe des niederländischen “Schweinebarons” Adrianus Straathof weiter, gegen den seit 2014 in Deutschland ein Tierhalteverbot besteht. Straathof gab seine LFD-Anteile an einen Treuhänder ab und zog sich aus der Geschäftsführung zurück. Die Aufnahmen legen nahe, dass auch fünf Jahre später die Missstände nicht vollständig behoben sind…
    Die aktuellen Videos aus den sogenannten Krankenbuchten belegen Plange zufolge, dass die Betriebe massiv gegen das Tierschutzgesetz verstoßen.
    (…) “Die Tierindustrie ist ein rechtsfreier Raum”
    Juristisch ist die Lage allerdings verzwickt: Das deutsche Tierschutzgesetz stellt klar, dass kein Tier unnötig leiden darf, die EU-Verordnung 1099/2009 präzisiert: “Aus Sicht der Ethik ist es zwingend erforderlich, stark leidende Nutztiere zu töten, wenn es wirtschaftlich nicht tragbar ist, das Leiden der Tiere zu lindern.” Wirtschaftlich ist es bei einem Preis von weit unter zwei Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht so gut wie nie tragbar, kranke Schweine zu behandeln.
    Quelle: SPIEGEL Online


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