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Titel: Videohinweise Spezial – Nobelpreis für Peter Handke
Datum: 23. Oktober 2019 um 10:00 Uhr
Rubrik: Videohinweise
Verantwortlich: Redaktion
In dem Artikel “Nobelpreis für Peter Handke: Die zweite Rache der Meinungsmacher” hatte sich Tobias Riegel bereits eingehend mit den Diffamierungen gegen den Preisträger Handke beschäftigt, einige Leserbriefe sind hierzu ebenfalls erschienen. Auch in TV und Hörfunk gab es anfangs recht wenige Beiträge, die sich dem Thema neutral oder zumindest differenziert genähert hätten. Weite Teile der Berichterstattung nutzten Diffamierungen gegen den Autor Handke oder verkürzten dessen prämiertes Lebenswerk auf einen konkreten politischen Punkt. Hier eine kleine Auswahl von Sendungen – darunter auch einige positive, weil differenzierte Beispiele. (CG)
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Beiträge einverstanden sind. Sie können uns bei der Zusammenstellung der Videohinweise unterstützen, indem Sie interessante Fundstücke an die Adresse [email protected] schicken. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung CG: Einerseits sehenswert, aber gleichzeitig exemplarisch ist die Diskussion, wie sie beim “Literarischen Quartett” auf der Frankfurter Buchmesse geführt wurde. Gleich zu Beginn (Minute 2:30 bis 10) wurde hier von Volker Weidemann (Der Spiegel), die Frage gestellt, ob Handke den Literaturnobelpreis verdient habe und lobte die Kritik Stanišićs. Dieser Kritik schlossen sich die beiden anderen Gäste an, bekannten allerdings hierzu ehrlicherweise weitgehend Unkenntnis. Thea Dorn, die sagte, Handke bekomme den Literaturpreis aus ihrer Sicht völlig zu recht, bewies hingegen Sachkenntnis und Gespür. Sie setzte sich damit auseinander, welche Art von Literatur auf dem Spiel(feld) stehe und versuchte sowohl das Werk Handkes, als auch das seines Angreifers Stanišić inhaltlich, nach geistiger Herkunft, nach Beweggründen und Motiven zu erklären. Dorn meinte, sie würde den Zugang wie Stanišić ihn habe, nicht diffamieren, aber sie persönlich brauche auch jene Litaratur, die sich mit Erlösung und metaphysischen Themen und der prinzipiellen Fremdheit des Menschen auseinandersetzt, jenseits allem Politischen. Sie verstehe nicht, warum man diesen Skandal so hochkoche, als dürfe es nur noch eine Art von Literatur geben. Sie sagte: “Wenn ein Autor […] sich mit seinem poetischen Programm ins politische Feld versteigt, kommt dabei zum Teil krachender Unsinn raus, dem würde ich völlig Recht geben, aber deshalb zu sagen, dieser Mann darf keinen Nobelpreis kriegen, das ist der Schritt, den ich nicht mehr mitgehe.” – Welch begrüßenswert differenzierte Sichtweise von Thea Dorn in diesen Zeiten voller Verwirrung und Stimmungsmache.
Anmerkung CG: Das Team von ttt hatte Handke kurz zuvor, als die Preisverleihung noch nicht bekannt war, zufällig interviewt, und es wird journalistisch vorbildlich sein Lebenswerk erst einmal neutral beleuchtet. Bei der aktuellen Nachvertonung bezeichnen sie dann zwar realistisch die Verleihung als „umstritten“, sagen das aber im O-Ton nicht über die Person Handke. In der textlichen Beschreibung zum Video findet dies dann doch statt.
Anmerkung CG: Hier wird zivilisiert kontrovers diskutiert und kritisch beleuchtet, ohne die Person zu beschimpfen oder abzuwerten – hörenswert.
Anmerkungen CG: Zumindest am 10.10. noch wurde beispielsweise von AFP, euronews und OE24 neutral über den Preis für das Lebenswerk berichtet.
Fast schon singulär konnte man am 10.10.2019 beim ORF lesen über die Freude des Salzburger Literaturwissenschafters Hans Höllers und des Verlegers Jochen Jung – ohne, dass gegen die Person oder sein Werk „geschossen“ wurde: “Große Freude über Nobelpreis für Handke“.
Im ORF hieß es in der Folge immer wieder, Handke sei „umstritten“, der albanische Außenminister wird zitiert mit „Genozidleugner“-Vorwürfen, der ganze Schmutz wurde wieder hochgewirbelt und Begriffe wie „ideologisches Monster“ und „verblendeter Elfenbeinturmbewohner“. Es ist schlimm, wie mit dem Nobelpreisträger umgegangen wird, einige Beispiele sind hier und hier zu finden. Mit Pseudo-Neutralität werden auch viele schmutzige Zitate über Handke zusammengetragen: “Peter Handke und das Jugoslawien-Trauma“. Unter der Überschrift „Wie verdient ist die Wahl?“ schlagen sich Kritiker und Verteidiger unter den ORF-Zuschauern verbal, teilweise waren deftige Beschimpfungen unter den inzwischen 1700 Kommentaren.
Ganz anders als Handke wurde der mit dem Preis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in Frankfurt ausgezeichnete, 1978 im einst jugoslawischen und heute in der Teilrepublik Republica Srpska in Bosnien und Herzegowina liegenden Višegrad geborene Saša Stanišić, von vielen Medien geradezu hofiert. Stanišić, dem sein Preis zu gönnen ist, hatte sich bei seiner öffentlichen Dankesrede erdreistet, dieses Forum zu nutzen, den Literaturnobelpreisträger Handke direkt anzugreifen, der Lüge zu bezichtigen und dessen prämiertes Lebenswerk zu verkürzen auf einen konkreten politischen Punkt. Das war vom DLF erst nahezu unhinterfragt gesendet worden, hier und hier. Inzwischen gibt es auch im DLF eine differenziertere Darstellung wie in der folgenden Sendung „Lesart“ vom 22.10. mit Helmut Böttiger.
Anmerkungen CG: Hier wird gezeigt, wie sich Handke gegen Journalisten zu wehren versucht. Er wirkt völlig verzweifelt und von Journalisten in die Enge getrieben. Das Einzige, was der Nachrichtensprecher dazu zu sagen hat ist, ein Interview sei „aus dem Ruder gelaufen“, Handke reagiere mit „Medienbeschimpfung“. Danach sagte der Sprecher, statt Mediation, wieviele Seiten Handke in seinem Leben „vollgeschrieben“ habe.
Was leider allen oben genannten Betrachtungen fehlt, was es aber neben serbischen Kriegsverbrechen durchaus ergänzend zu berücksichtigen und zu beleuchten gelten würde, ist zum einen die Rolle der NATO in Ex-Jugoslawien und zum anderen die Erkenntnisse aus der 2001 ausgestrahlten Doku des WDR (von Mathias Werth und Jo Angerer): „Deutschlands Weg in den Kosovo-Krieg – Es begann mit einer Lüge (WDR)“, ferner die PANORAMA Sendung vom 18.05.2000 „Enthüllungen eines Insiders – Scharpings Propaganda im Kosovo-Krieg“. Weiterhin weitgehend unbekannt, dürften die detaillierten Erkenntnisse zu dem 2615 Seiten umfassenden Urteil des Den Haager Kriegsverbrechertribunals (Internationaler Strafgerichtshof) vom 24.3.2016 sein, die von Dirk Eckert auf Telepolis 2016 differenziert bezüglich Milošević, dem sog. “Schlächter des Balkans”, zusammengefasst worden waren, hier zu finden. Man sollte allerdings nicht nur die Überschrift lesen, sondern den ganzen Artikel.
Abschließend sei noch eine Wiedergabeliste erwähnt, mit Videos über und Lesungen von Peter Handke (Zeitraum 2012-2018) vom Suhrkamp Verlag: “Peter Handke | Nobelpreis für Literatur 2019“. Raimund Fellinger, der Cheflektor des Suhrkamp Verlags, berichtet unter anderem von der ersten Begegnung mit Handke, der Besonderheit seiner Manuskripte und der Arbeit mit dem Autor.
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