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Titel: Die AfD, die Medien und die Steilvorlagen
Datum: 18. September 2019 um 11:00 Uhr
Rubrik: AfD, Audio-Podcast, Medienkritik, Rechte Gefahr
Verantwortlich: Tobias Riegel
Das gescheiterte ZDF-Interview mit dem AfD-Politiker Björn Höcke zeigt: Gerade, wer die AfD entzaubern möchte, muss auf einen penibel-seriösen Medienumgang mit der Partei achten. Nur dann kann man die AfD auch inhaltlich stellen, was überfällig ist. Von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Der Vorgang um das von dem AfD-Politiker abgebrochene ZDF-Interview mit Björn Höcke wirft auf keinen der Beteiligten ein gutes Licht. Das Problem: Höcke ist – im Gegensatz zum ZDF – auf ein solches „gutes Licht“ nicht angewiesen. So könnte man in der Interview-Episode je nach Standpunkt und politischer Präferenz zwar einen moralischen Vorteil für den öffentlich-rechtlichen Sender ausmachen. Auch könnte man das Verhalten Höckes beim Interview zu Recht als manipulativ bezeichnen. Dieser anscheinende „Vorteil“ aufseiten des ZDF ist jedoch irrelevant, da er sich nicht in Sympathien für den Sender oder in einer Dekonstruktion der AfD niederschlägt.
Im Schatten der Hitler-Zitate – der schwächste Punkt der AfD wird nicht attackiert: die Inhalte
Der Vorgang um das ZDF-Interview erinnert erneut daran: Weite Teile der Berichterstattung auch anderer großer Medien greifen die AfD nicht am schwächsten Punkt an (nämlich bei den Inhalten), sondern lassen sich immer wieder auf ein philosophisch-ideologisches Glatteis führen: Dort geht es dann nicht um konkrete Politik und soziale Belange, sondern um (teils extremistische) Wortklaubereien. So schockierend einige Äußerungen Höckes auch sind: Der Umgang des ZDF damit ist nicht geeignet, diesen Schock in eine wirksame politische Währung zu übertragen. Die Form, die das ZDF für das Interview mit Höcke gewählt hat, ist darum ein weiteres Beispiel für eine längst gescheiterte Medientaktik, die die AfD mutmaßlich stützt.
Dass mit diesem Text weder die AfD noch ihr Funktionär Björn Höcke verteidigt werden sollen, ist selbstverständlich. Wegen dieser Selbstverständlichkeit und der Eindeutigkeit des Urteils soll hier auch nicht erneut das sehr fragwürdige Verhalten Höckes während des ZDF-Interviews skandalisiert werden. In diesem Text soll die AfD dadurch aber keineswegs in Schutz genommen werden – statt dessen soll gefragt werden, warum viele Journalisten der Partei ein ums andere Mal eindeutige Steilvorlagen liefern und sie so indirekt selber in Schutz nehmen. Und warum im Schatten dieser emotionalen Steilvorlagen die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD – etwa zu den sozialen Themen – praktisch eingestellt wurde.
Aber trifft es mit Björn Höcke denn nicht „den Richtigen“?
Die destruktive Funktion der medialen Steilvorlagen ist bekannt. Dennoch lassen sich im Zusammenhang mit der AfD immer wieder Medien zu unseriösem Verhalten hinreißen, und sei es aus (grob missverstandenem) gutem politischen Willen. Etwa der jüngste ZDF-Fragenkatalog zu Adolf Hitler erscheint fast so, als würde man Zitate Bodo Ramelows von der LINKEN mit jenen Josef Stalins vergleichen. Das macht man nicht – und das nicht nur, weil es anrüchig und unseriös ist. Denn auch jenen, die sagen: „Hier trifft es doch den Richtigen“, sei gesagt: „Nein, es trifft ihn eben nicht.“ Die AfD saugt unseriöse Angriffe auf und kann sie sofort in politisches Kapital umsetzen. Zudem ist eine unseriöse mediale Haltung langfristig auch für „linkes“ Personal gefährlich: Wer einen fragwürdigen Medienumgang mit der AfD zulässt, eröffnet interessierten Journalisten dadurch auch die Möglichkeit, ähnliche Taktiken gegen LINKEN-Politiker zu nutzen.
Zudem sollte endlich klar sein: Der Vorwurf des Rechtsextremismus schadet dem AfD-Personal nicht wirklich. Viel wirksamer wäre es, wenn die AfD-Politiker immer wieder vor der Kamera erklären müssten, welche katastrophalen Folgen ihre „sozialen“ Vorhaben für den „kleinen Mann“ hätten. Doch diese Situation wird ihnen meist erspart bzw. es wird ihnen oft jener Notausgang der Skandalisierung eröffnet, wie nun gerade Höcke durch das ZDF.
Zusätzlich aufreizend ist eine zur Schau getragene Arroganz einiger Journalisten gegenüber rechtem Personal: Denn zum einen sind auch neoliberale Medienkampagnen und ausgebliebene Kritik an der Regierung Ursachen des Rechtsrucks: Viele Journalisten sind hier also mitverantwortlich an den aktuellen Spaltungen. Zum anderen haben zahlreiche Medien und Journalisten durch eigene Verfehlungen die eigene Stellung als moralischer Wegweiser vorerst gründlich eingebüßt.
Mediale Mittel gegen die AfD: penible Seriosität und unnachgiebige Sachdiskussionen
Es sollten im medialen Umgang mit der AfD zwei Dinge verfolgt werden: Einerseits eine strenge, fast „langweilige“ Seriosität, dazu Höflichkeit und sachliche Beschlagenheit. Andererseits aber eine Unnachgiebigkeit bei der Diskussion von Sachfragen – und überhaupt die konsequente Thematisierung von Sachfragen. Man hätte die AfD in den letzten Jahren sehr einfach als die innenpolitisch neoliberale sowie außenpolitisch dubiose Partei zeichnen können, die sie ist. Doch es wird der AfD gestattet, ihr problematisches, unausgegorenes und für den „kleinen Mann“ enttäuschendes Programm hinter der Fremdenfeindlichkeit zu verstecken. Diese beiden Faktoren (Seriosität und eine Betonung auf konkreten politischen Inhalt) spricht auch etwa ein aktueller Kommentar zum Thema auf Facebook an:
„Diese Art des entlarvenden Verhörs ist eines Journalisten nicht würdig, und wenn dann noch etwas anderes mit Höcke vereinbart war, finde ich das noch umso unanständiger und erbärmlicher. Da waren andere schon viel weiter, z.B. Thomas Walde beim letztjährigen Sommerinterview mit Alexander Gauland. Der AfD-Chef wurde behandelt wie ein ganz normaler Politiker – und sah gerade deswegen ziemlich alt aus, weil er nicht zu den klassischen AfD-Themen befragt wurde. Wenn die Presse sich so verhält, kippt sie nur ordentlich Wasser auf die Mühlen der AfD.“
Medien können ihre „moralischen Siege“ nicht auskosten
Dass die seit Jahren großflächig angewandte Medientaktik „gegen“ die AfD keine oder sogar eine destruktive Wirkung zeigt, ist mittlerweile sattsam bekannt. Das ZDF hätte also vor dem Interview diverse Vorbedingungen wissen müssen: Dass die Strategie des Lächerlichmachens im Falle AfD nicht mehr verfängt, sondern das Gegenteil auslöst. Dass AfD-Politiker es lieben, Interviews abzubrechen und die daraus folgende Aufregung für sich und den Opferstatus zu nutzen und dass man also keine Steilvorlagen für diese Abbrüche liefern darf. Hier wird kein journalistischer Opportunismus gefordert, sondern Gleichbehandlung mit den „normalen“ Parteien und der Verzicht auf anrüchige Medienstrategien. Zu guter Letzt hätte der Sender im Vorfeld wissen müssen, dass er einen eventuellen „moralischen Sieg“ (wenn man die Interview-Episode wirklich so werten möchte) nicht in die gewünschte Wirkung bei der relevanten Zuschauergruppe umsetzen kann.
Zum konkreten Interview ist zu sagen, dass hier eine der in diesem Text beschriebenen Steilvorlagen par excellence geliefert wurde: Die Fragen zu den Hitler-Zitaten müssen auch AfD-Gegnern unappetitlich erscheinen. Jans Berger hat den Vorgang bereits treffend kommentiert:
„Man kann und soll die AfD und insbesondere Björn Höcke und seinen völkischen ‚Flügel’ natürlich in aller Schärfte kritisieren; das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass Journalisten, die ihn interviewen, jede Dumm- und Frechheit erlaubt ist. Wenn man ein Interview, das sich eigentlich im Vorfeld der Wahlen in Thüringen inhaltliche Themen thematisieren sollte und sich dann doch wieder nur über mehrere Minuten an einen Höcke-Hitler-Vergleich abarbeitet, ist dies – Höcke hin, Höcke her – ganz einfach journalistischer Kindergarten. Wenn Journalisten nicht einmal versuchen, AfD-Politiker inhaltlich zu stellen, müssen Interviews mit ihnen in der Tat scheitern.“
Muss es so sein, dass die AfD immer gewinnt?
Man sollte die ZDF-Höcke-Episode also als Lehrbeispiel für kontraproduktives Medienverhalten im „Kampf gegen Rechts“ markieren und nutzen. Denn, wie auch die „taz“ schreibt: Wenn man die Medientaktik nicht ändert, wird sich auch dieser Befund nicht ändern:
„Die AfD gewinnt immer.“
Titelbild: 360b / Shutterstock
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