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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages (2)
Datum: 7. Mai 2010 um 16:54 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Unter anderem zu folgenden Themen: Wahlen in Großbritannien; Rettung des Euros; Griechenland-Krise; Rating-Agentur warnt vor Banken-Crash; Einbruch an der Wall Street; Intransparenz der Kredite; Hypo Real Estate; Zahlenmagierin FDP; Arvato gescheitert; Urteil im Schreiber-Prozess; Kunden-Abzocke abgelehnt; magere Stipendien; Regierungssprecher wird Intendant; das Risiko im Golf von Mexiko. (WL)
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
IV: Die Kosten der Krise in Griechenland müssen von denen bezahlt werden, die für die Krise verantwortlich sind: die großen, international aktiven Banken, die Superreichen in der Welt – auch in Griechenland – und die internationale Rüstungsindustrie.
Quelle: Saarländische Online-Zeitung
Anmerkung: Zur Forderung nach einer Umschuldung schreibt uns unser Leser E.H.:
Sobald Griechenland den “Hair cut” (wie viel darf es bitte schön sein?) andeuten würde, würden nicht nur die Spekulanten noch aktiver wetten, sondern die Staatspapiere-Investoren würden fluchtartig die Anleihenbühne verlassen, weil sie mit Nachahmungen der anderen Staaten rechnen (müssen). Diese Kettenreaktion würde recht schnell erfolgen und zum Schluss Länder mit AAA-Status nicht verschonen, denn diese sind auch hoch verschuldet. Selbstverständlich hätte dieser Run volkswirtschaftliche Auswirkungen. Eine zeitlich nahe weltweite Depression wäre unausweichlich. Angst frisst Hirn. Warum etwa Rudolf Hickel die menschliche Mentalität nicht mit in seine Überlegungen einbezieht, ist schon enttäuschend.
Unabhängig davon ist die Rosskur, die von Neolibs durchgedrückt wird, für die Griechen unakzeptabel. Eine weniger drastische Sparanstrengung, die eine nur leichte Rezession zulassen würde, wäre sinnvoller. Denn so sind die jetzt angepeilten Ziele in zwei bis drei Jahren überhaupt nicht zu erreichen. Es wäre besser gewesen, den Griechen noch ein halbes Jahr Zeit zu geben, damit die Politiker eine Steuereintreibungsreform verabschieden könnten; denn was in dieser Zeit häufig vergessen wird:
Staatshaushalt-Konsolidierungen kann man mit Ausgabenkürzungen, aber auch mit höheren Einnahmen erreichen. Das zweite wäre bei der heutigen Vermögensverteilung im privaten Sektor für die (griechische) Volkswirtschaft überhaupt nicht schädlich.
Warum man hierüber nichts von den verdammt guten Volkswirten und den verdammt guten Journalisten liest, ist äußerst unbefriedigend.Besonders erstaunt muss man auch von Krugmans Vorschlag sein. Ein ansonsten blitzgescheite Nobelpreisträger sollte zu Ende denken. Wenn ein Land die Euro-Zone verlässt, ist auch der Euro kaputt, egal ob Griechenland einen “Hair cut” macht oder nicht (dieses “oder nicht” ist völlig unmöglich). Somit geht es nicht nur um Griechenland. Die Spekulanten würden gnadenlos sein und die Euroländer in ihre Bestandteile zerlegen. Wer’s nicht glaubt, kennt die Spekulanten (mit ihrem Spieltrieb) nicht.
Mitgefangen, mitgehangen. Griechenland ist Euroland und demnach muss man es retten. Das ist nicht schön, aber das andere wäre jetzt noch nachteiliger und (volkswirtschaftlich zu Ende gerechnet) noch viel teurer. Man sieht ja heute schon, was die ANGST um das liebe eigene Geld anstellt: Goldpreis steigt, Anleihekurse (aller Emittenten, die nicht AAA geratet sind) sinken seit dieser Woche rasant, Aktienkurse spielen verrückt, Investoren suchen im Dollar Deckung … wer weiß, wann ein Run auf Bargeld losgeht … ). Verdammt gute Volkswirte sollten bei ihren Überlegungen immer die ANGST der Menschen und die volkswirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang muss ich doch noch etwas loswerden: Wenn ein Hauseigentümer ständig von seiner Bank auf seinen Schuldenstand aufmerksam gemacht wird, kann das schon nerven, besonders dann, wenn er Zins und Tilgung bedienen kann. Normal ist doch, dass ein Hauseigentümer nicht ständig an seine Schuldenhöhe denkt, sondern an seine GuV-Rechnung. Hier werden doch ganz andere Beträge genannt und das sollte man bei Staatsschulden auch berücksichtigen.
Im Falle von Griechenland haben wir doch folgende Situation: die bisherige “Bank” ist nicht mehr willig, die fällig werdenden und zusätzliche Kredite zu günstigen Konditionen zu verlängern. Nunmehr sucht sich Griechenland andere Geldgeber, die mit Konditionen von 5 % zufrieden sind. Dumm nur, dass die neuen, neoliberal gefärbten Geldgeber unrealistische Auflagen damit verbinden. Aber damit hat man wenigstens Zeit gewonnen. Diese Phase sollte Griechenland dazu nutzen, neue Einnahmequellen, die volkswirtschaftlich unschädlich sind, anzuzapfen.
Mal schauen, ob die Politiker hierzu den Mut haben. Wenn nicht, dann “Gute Nacht Europa”. Der letzte knippst das Licht aus – und das ist Deutschland.
Weltwirtschaftliche Verwerfungen können nur dann ausbleiben, wenn alle
(westlichen) Staaten weitere Einnahmequellen ausfindig machen und die Ausgabekürzungen so gering wie möglich halten. Die USA oder China werden Europa jedenfalls nicht “auffangen” können, dafür ist Europa eine Nummer zu groß. Deshalb bleibt nur noch ein Satz übrig: Wenn Staaten handlungsunfähig werden, dann “Gute Nacht Weltwirtschaft”.
Anmerkung WL: Ein Signal für die Spekulanten auch die anderen Staaten vor sich her zu treiben.
Anmerkung Orlando Pascheit: Besonders schön die Erklärung in den US-Medien, dass ein Händler bei einer Transaktion versehentlich “billion” statt “million” ein – also Milliarde statt Million tippte. Daraufhin soll der massive Ausverkauf an den US-Börsen begonnen haben. Eine irgendwie sehr sympathische, weil menschliche Erklärung in der Welt des computergestützten Hochfrequenzhandels, der bereits heute 70 Prozent der Börsenumsätze ausmachen soll. Die künstliche Intelligenz Skynet aus den Terminatorfilmen ist dagegen recht primitiv, wieviel subtiler agiert sein aktuelles Pendant.
Dazu:
Griechenland-Kredite: Vorzugsbehandlung für den IWF
Die Euroländer – und damit auch Deutschland – müssten einen Teil der Hilfskredite abschreiben. Wie ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums erklärte, sind nur die Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) vorrangig. Die Darlehen der Europartner sollen denselben Status wie Anleihen genießen.
Quelle: FR
Anmerkung WL: Wieder einmal eine teure Privatisierung.
Anmerkung Orlando Pascheit: Der Kommentator der SZ schreibt, Schreiber habe “die politische Kultur in Deutschland korrumpiert, er hat dazu beigetragen, dass Politik und Wirtschaft in den Generalverdacht der Bestechlichkeit gerieten. Der Schaden, den er damit angerichtet hat, übersteigt bei weitem den Wert der Steuern, die er dem Fiskus vorenthalten hat, und für diesen Schaden kann ihn, leider, kein Strafgericht haftbar machen.”
Verkannt wird in dieser Betrachtungsweise, dass Schreiber nur das Schmiermittel in einem Netzwerk war, in dem ganz andere Schwergewichte aus Politik und Wirtschaft die Fäden zogen. Das relativ hohe Strafmaß begründete der vorsitzende Richter Rudolf Weigell u.a. mit dem “System der Verschleierung”, das Schreiber aufgebaut habe, und der “beispiellosen Uneinsichtigkeit” des Angeklagten. Es ist schon fast etwas unheimlich, wenn fast zeitgleich der 80. Geburtstag eines dieser Schwergewichte gefeiert wird, dem Verschleierung und Uneinsichtigkeit genauso vorgehalten werden kann. Noch unheimlicher ist das Auftreten des Biedermanns, Roman Herzog, in der Rolle des Verteidigers von Helmut Kohl. Spitzfindig erklärt der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts und deutsche Bundespräsident zu Kohls Schweigen im Spendenskandal, Kohl sei nicht zu einer Aussage verpflichtet gewesen, weil er nie vor einem Gericht gestanden habe. Künftige Juristengenerationen würden sich eines Tages nur noch daran erinnern, dass Helmut Kohl der Mann gewesen sei, der Teile des Parteiengesetzes einmal nicht beachtet habe, der andererseits auch den Wiedervereinigungsauftrag des Grundgesetzes erfüllt habe – tosender Applaus. Herzog beklagt den „ethischen Rigorismus“ der Deutschen: „Ein großer Maler muss bei uns auch ein edler Mensch sein, sonst bestehen Zweifel an der Qualität seiner Bilder.“ Nur, das Bild, das Roman Herzog hier in ironischer Absicht entwirft, ist grundfalsch. Die Polis, welche die Angelegenheiten der Gemeinschaft in Gänze umfasst, kann nicht verglichen werden mit einem Aspekt des Systems wie der Kunst. Die Politik der gewählten Vertreter der Gemeinschaft bedarf einer rigorosen Überwachung ihrer Praxis. Und Helmut Kohl hat sich dieser in vollem Bewußtsein seines Handelns entzogen. Rückwirkend verdunkelt seine Entscheidung seine gesamte Lebensleistung z.B. als Europapolitiker, dem gerade heute mancher nachtrauern mag. – Es war sicherlich nicht zu erwarten, dass auf der Geburtstagsfeier Kohls Ehrenwort und schwarze Kassen kritisch beleuchtet würden, aber diese Philippika des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts legt Zeugnis ab von der ganzen Abgehobenheit und Verderbtheit unserer politischen Klasse. (Die Ausnahmen mögen mir verzeihen) Über ihre aktuelle Komplizität mit der “beispiellosen Uneinsichtigkeit”, dem “System der Verschleierung” des Exkanzlers müsste gerichtet werden. Der Fall Schreiber, des einfachen Soldaten dieser “ehrenwerten Gesellschaft”, ist ein Nebenschauplatz. Das Ehrenwort des Kanzlers im Stile der “Onorata Società” mag traurige Geschichte sein, der Beifall für die Relativierung bzw. Verteidigung seines Politikstils wirft ein Schlaglicht auf die aktuelle “Korrumpierung der politischen Kultur in Deutschland.”
Anmerkung WL: Einmal abgesehen, dass mit diesem „nationalen Stipendienprogramm“ keine Förderung von sozial Benachteiligten angestrebt wird, sondern nur eine weitere Förderung solcher Studierenden, die auch in den „Begabten“-Förderprogrammen unterstützt werden, mit diesem Gesetz macht die Bundesregierung mal wieder die Rechnung ohne den Wirt. Ob die Hochschulen und welche Hochschulen es schaffen werden, ”bei Unternehmen, Stiftungen, Vereinen, Kammern und Privatpersonen, etwa Alumni“ Gelder einzusammeln, ist eine völlig offene Frage. Ein ähnliches Modell läuft seit dem Wintersemester 2009/2010 in NRW. Gerade einmal 1.400 Stipendien sind an rd. 300.000 Studierende vergeben worden, das sind 0,3 Prozent.
Anmerkung WL: Ich stelle mir anlässlich dieser Personalentscheidung den Aufschrei vor, der sich erhoben hätte, wenn ich mich als damaliger Sprecher der Landesregierung NRW für den Intendantenposten des WDR beworben hätte. Alle hätten doch behauptet, nun würde der WDR zum „Regierungssender“. Wilhelm mag seine Fähigkeiten haben, aber es ist ein Zeichen der Verlotterung der Sitten, dass einer der engsten Vertrauten der Kanzlerin nunmehr die Geschicke des Bayerischen Rundfunks leiten soll. Die Berlusconisierung der Republik schreitet voran.
Dazu:
Der Rundfunk als Beute der Parteien
Der Mann muss gut sein. Hat sich konsequent hochgearbeitet, seit er 1991 in den Dienst der Bayerischen Staatsregierung eintrat; zwei Jahre darauf war er in der Staatskanzlei, später Sprecher des Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Und weil er das wohl so geschickt gemacht hat, holte Angela Merkel 2005 Ulrich Wilhelm als Chef des Presse- und Informationsamtes nach Berlin. Warum der schwarze Smartie nun zurück nach München will, hat er nicht verraten. Aber dass sein Wunsch erfüllt wird, steht außer Frage: Der 48-Jährige folgt Thomas Gruber als Intendant des Bayerischen Rundfunks. Das ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt und keine Dependance der Regierung. Oder doch? Der Chef-Sessel im Münchener Funkhaus ist nun fest in der Hand der CSU. Schließlich muss die Macht medial abgesichert werden. Da geht es in der deutschen demokratischen Bundesrepublik nicht anders zu als in, sagen wir, Venezuela. Nur geräuschloser. Empörung über diesen Coup ist kaum zu vernehmen. Die Berufung eines Regierungssprechers auf einen so wichtigen Intendantenposten ist ein Novum in diesem Land. Und nicht anders zu nennen als ein Skandal. Man muss gar nicht das Berufsbild des Pressesprechers bemühen, der zunächst seinem Arbeitgeber dient und nicht unbedingt immer der Wahrheit. Dessen Job also zum Teil aus Verschweigen, Abwiegeln, Dementieren, Vertuschen besteht. Wer sich daran erinnert, welche Affären etwa Edmund Stoiber zu bewältigen hatte, wird wissen, welche Herkulesarbeit sein Sprecher da verrichtete. So gut der Mann sein mag: Der Sprung vom Regierungssprecher zum Intendanten ist durch nichts zu rechtfertigen.
Quelle: FR
Anmerkung Orlando Pascheit: Ein recht interessantes, versicherungstechnisches Interview, allerdings hätte man gern etwas mehr über das unterschiedliche Haftpflicht-Pricing n den USA gegenüber Norwegen oder Großbritannien wissen. Läuft der Unterschied darauf hinaus, dass BP in Europa weniger für eine solche Katastrophe haften würde?
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