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Titel: Hinweise des Tages (2)

Datum: 7. Mai 2010 um 16:54 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Unter anderem zu folgenden Themen: Wahlen in Großbritannien; Rettung des Euros; Griechenland-Krise; Rating-Agentur warnt vor Banken-Crash; Einbruch an der Wall Street; Intransparenz der Kredite; Hypo Real Estate; Zahlenmagierin FDP; Arvato gescheitert; Urteil im Schreiber-Prozess; Kunden-Abzocke abgelehnt; magere Stipendien; Regierungssprecher wird Intendant; das Risiko im Golf von Mexiko. (WL)

  1. Big Ben schlägt für zwei Verlierer
  2. Ist der Euro noch zu retten?
  3. Griechenland-Krise
  4. Rating-Riese Moody’s warnt vor Banken-Crash
  5. Einbruch der Wall Street: 1000-Punkte-Verlust alarmiert Aufseher
  6. Teure Intransparenz
  7. Angeschlagene Mittelmeerstaaten schulden der Hypo Real Estate 39 Milliarden Euro
  8. Kapitalistische Mangelwirtschaft
  9. Kauf der Hypo Alpe Adria: BayernLB-Managern drohen Haftstrafen
  10. Freddie Mac als Fass ohne Boden
  11. Zahlenmagierin FDP
  12. Staat fördert Ungleichheit
  13. Arvato-Vorzeigeprojekt spart nicht die erhofften 27 Millionen Euro ein
  14. Großbanken fordern weitere 50 Millionen Euro von Leipzig
  15. Urteil im Schreiber-Prozess: Grandiose Selbsterhöhung
  16. Kunden-Abzocke: Koalition lehnt kostenlose Telefon-Warteschleifen ab
  17. Hartz IV Behinderung gilt nicht als Härtefall
  18. Magere Stipendien
  19. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm zum neuen Intendanten gewählt
  20. Das Risiko im Golf von Mexiko ist schlicht zu hoch

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Big Ben schlägt für zwei Verlierer
    Liberaldemokraten und Labour-Partei haben verloren – und könnten doch die größten Sieger der britischen Wahl werden.
    Wer hat die Wahl eigentlich gewonnen – dies war die Frage, welche die Kommentatoren und die Politiker in einer langen Wahlnacht am meisten verwirrte. Sicher scheint nur, dass Labour unter Premierminister Gordon Brown nach 13 langen Jahren im Amt in diesem Urnengang unterlag.
    (Die Konservativen) werden zwar die größte Fraktion im Unterhaus stellen, von einer eigenständigen Mehrheit freilich, die sie sich erhofft hatten, sind sie aller Voraussicht nach ziemlich weit entfernt.
    (Die Liberaldemokraten) sind die größten Verlierer dieser Wahl – und könnten gleichwohl als ihre größten Sieger aus ihr hervorgehen. Niederschmetternd für die Partei muss sein, dass die Begeisterung, die ihr dynamisch-jugendlicher Führer Nick Clegg ausgelöst hatte, sich nicht niedergeschlagen hat in mehr Sitzen.
    Dennoch könnte ihnen ihr Hauptziel gelingen: den eisernen Griff zu brechen, mit dem das Mehrheitswahlrecht sie auf Dauer von politischer Einflussnahme ausschloss und den beiden Großen ein Macht-Duopol einräumte. Ohne die Hilfe der LibDems kann nun keiner regieren, und Brown und seine Sozialdemokraten zögerten keinen Augenblick mit Avancen.
    So wie es am Morgen nach der Wahl aussah, bringen Labour und LibDems keine Mehrheit zustande, selbst wenn sie von der Grünen Caroline Lucas unterstützt würden, die sensationell den ersten Parlamentssitz überhaupt für ihre Partei gewann …
    Waren die letzten vier Wochen des Wahlkampfes schon spannend, so dürften die kommenden Tage in Westminster noch aufregender werden.
    Quelle: SZ
  2. Ist der Euro noch zu retten?
    1. Euroland auf dem Prüfstand. Ist die Währungsunion noch zu retten?
      Mit Beiträgen von

      • Thomas Fricke
        Nach dem Griechenland-Desaster: Die Währungsunion braucht grundlegende Reformen.
      • Niels Kadritzke
        Griechenland – Einschneidende Reformen wirken nur mit europäischer Solidarität
      • Ricardo Paes Mamede
        Portugal – Austeritätspolitik ohne Erfolgsgarantie
      • Santiago Fernández de Lis und Emilio Ontiveros
        Spanien – Das Wachstum des Baubooms kommt nicht wieder
      • Philipp Fink
        Irland – Im Griff der Wirtschafts- und Finanzkrise: Prinzip Hoffnung
      • Michael Braun
        Italien – Die Angst vor dem Dominoeffekt der Euro-Zone trotz solider Haushaltspolitik

      Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF – 265 KB]

    2. Joseph Stiglitz – Wie der Euro noch zu retten ist
      Die europäischen Defizitländer sollten nicht gezwungen werden, sich zu Tode zu sparen. Es gibt drei weitere Möglichkeiten, das Bestehen der Währungsunion zu sichern…
      Auch das Euro-System führt dazu, dass Deutschlands Wechselkurs gegenüber anderen Euro-Ländern nicht ansteigen kann. Würde er steigen, könnte Deutschland weniger exportieren und der Rest Europas entsprechend mehr. Die Folge dort: ein stärkeres Wachstum und sinkende Arbeitslosenzahlen.
      Wie China hält Deutschland seine hohen Ersparnisse und seine Exportleistung für Tugenden, nicht als Fehler. Doch Überschüsse führen zu einer schwachen globalen Gesamtnachfrage – exportstarke Länder haben einen “negativen externen Effekt” auf ihre Handelspartner. John Maynard Keynes ging deshalb so weit, eine Steuer für Überschussländer vorzuschlagen…
      Ein Lösungsvorschlag für diese Länder ist, das Äquivalent einer Währungsabwertung vorzunehmen – eine einheitliche Lohnsenkung. Das ist meiner Meinung nach unmöglich. Die Folgen für den Einzelnen sind nicht vertretbar, die sozialen Spannungen wären gewaltig. Ein Hirngespinst.
      Die zweite Lösung: der Austritt Deutschlands aus der Euro-Zone oder die Teilung der Euro-Zone in zwei Unterregionen. Der Euro war ein interessantes Experiment, doch fehlt ihm die notwendige institutionelle Unterstützung. Darin ähnelt er seinem Vorgänger, dem fast vergessenen Wechselkursmechanismus. Er brach auseinander, als Spekulanten 1992 das britische Pfund  angriffen.
      Der vielleicht vielversprechendste Ansatz ist der dritte: die Art von institutionellen Reformen, die mit der Einführung des Euros hätten durchgeführt werden sollen. Dazu gehört ein fiskalpolitischer Rahmen.
      Noch hat Europa die Chance, diese Reformen durchzuführen. Die EU würde so den auf Solidarität beruhenden Idealen gerecht, die der Einführung des Euro zugrunde lagen. Ist Europa dazu nicht in der Lage, ist es vielleicht besser, das Scheitern zuzugeben und anders weiterzumachen. Und nicht im Namen eines fehlerhaften Wirtschaftsmodells ein hohes Maß an Arbeitslosigkeit und menschlichem Leid hinzunehmen.
      Quelle: FTD
    3. Suche nach dem Retter der Eurozone
      Der Rat der Europäischen Zentralbank hatte sich einen passenden Ort für sein Treffen gesucht: Lissabon, die Hauptstadt von Portugal, das derzeit von der Griechenland-Krise mitgerissen wird. Dort trat EZB-Direktor Jean-Claude Trichet gestern vor die Kameras – und alle Augen der Finanzwelt waren auf ihn gerichtet. Denn Europa sucht einen Retter, der die Märkte beruhigt und die Euro-Zone schützt. Theoretisch könnte die EZB der Spekulation gegen Europa den Boden entziehen, indem sie griechische Staatsanleihen einfach aufkauft. Das Problem: Sie will es nicht. Noch nicht.
      Quelle: FR
  3. Griechenland-Krise
    1. Brüssel duckt sich
      Die nationalen Kassen sind klamm und die Regierungschefs verlieren die Lust auf Europa. Erstmals scheint der Euro wirklich gefährdet. Am drastischsten aber drückt auf die Stimmung, dass Angela Merkel ihre Rolle als ehrliche Maklerin im Dienste der gemeinsamen Sache aufgegeben hat. Die Zeiten, wo sie in Brüssel als Lichtgestalt gefeiert wurde, weil sie mit ein paar geschickt eingesetzten finanziellen Zugeständnissen polnische Widerstände überwand, liegen lange zurück. Mittlerweile ist sie auf die Schröder’sche Linie eingeschwenkt und macht klar, dass Deutschland nicht länger bereit ist, die Risse in der Union mit Geld zu kitten. Natürlich steht es der Kanzlerin frei, die Stimmung zu Hause und die Ebbe in der eigenen Staatskasse stärker im Blick zu haben als die Zukunft Europas. Doch diese Haltung ist kurzsichtig. Denn kein Land hat mehr von der europäischen Integration profitiert als das wiedervereinigte Deutschland. Für die Attraktion, die eine starke Währung ausübt, sollte gerade Merkel Verständnis haben – auch bei der deutsch-deutschen Währungsunion hat 1990 keiner so genau nachgerechnet und hingeschaut. Es wäre politisch undenkbar gewesen, Ostdeutschland die D-Mark wieder wegzunehmen oder den Umtauschkurs nachträglich zu ändern, als das volle Ausmaß des wirtschaftlichen Desasters der DDR deutlich wurde. Eine derartig klare Botschaft hätte man sich auch in der Griechenlandkrise gewünscht. Stattdessen versteckte sich die Bundesregierung wochenlang hinter dem Satz, Athen habe ja noch gar nicht um Geld gebeten. Der Notfallplan hinkte der Entwicklung an den Kreditmärkten immer ein paar Schritte hinterher und wurde dadurch stetig teurer. Auf ein klares Bekenntnis aus Berlin zur Solidarität innerhalb der Eurozone wartet man bis heute.
      Quelle: taz
    2. Helden der Neuzeit
      Das Horrorbeispiel Griechenland vor Augen verordnen sich viele kleine Länder rigide Sparkurse. Dabei geht die größte Gefahr von den USA aus. Das Congressional Budget Office beziffert das kumulative Defizit von 2011 bis 2020 auf fast 10.000 Mrd. $. Die Staatsverschuldung wird von 40 Prozent des BIPs 2008 auf 90 Prozent 2020 steigen – also beinahe so viel wie die jährliche Leistung der mächtigsten Wirtschaftsnation der Welt. Jacob Funk Kirkegaard vom Peterson Institute for International Economics in Washington hat letztes Jahr ein interessantes Gedankenspiel gemacht: Wie hoch wäre der Einspar- bzw. Steuererhöhungsbedarf, wenn Regierungen ihr Defizit innerhalb eines Jahres auf null runterfahren müssten? Im OECD-Durchschnitt hätten sie die Einnahmen um etwa zwölf Prozent erhöhen oder die Ausgaben entsprechend senken müssen. Für die USA (Staat und Bundesstaaten) sieht es viel dramatischer aus: Sie müssten die Einnahmen um 40 Prozent steigern oder 35,3 Prozent ihrer Ausgaben streichen.
      Nichts aber deutet darauf hin, dass Amerika zur Askese bereit ist. Konjunkturexperten mag freuen, dass der Konsum schon wieder anzieht – es zeigt aber auch, dass jene Verhaltensmuster intakt sind, die eine Ursache der Krise waren.
      Die Amerikaner fühlen sich sicher. Noch reißen sich die Anleger ja um US-Bonds, der Dollar ist immer noch die Weltreservewährung. Im März hat die Ratingagentur Moody’s zum ersten Mal das Triple-A-Rating Amerikas infrage gestellt. Inzwischen notieren CDS, die Kreditausfallversicherungen, bei rund 38 Basispunkten – gut, verglichen mit Griechenland, schlecht, verglichen mit den sieben Basispunkten vor zwei Jahren. Wenn die Anleger realisieren, dass die USA vielleicht doch keine sichere Bank sind, werden sie höhere Risikoprämien verlangen. Damit verteuern sich die Kredite für die US-Regierung, und ihr Defizit steigt weiter. Ein Kreislauf, wie wir ihn aus den griechischen Wochen kennen. Ein unvorstellbares Szenario? Kann sein, es gibt ja für Staaten einen anderen Weg, ihre Schulden loszuwerden: Sie inflationieren sie weg. Selbst schuld, wer US-Anleihen kauft.
      Quelle: FTD
    3. Attac: Griechenland, das Diktat von IWF und EU und die deutsche Verantwortung
      Positionspapier des Wissenschaftlichen Beirates von Attac Deutschland.
      I: Die Krise in Griechenland und in anderen Eurozonen-Staaten ist Ausdruck der Tiefe der weltweiten Krise und eine logische Folge der Konstruktion der Eurozone.
      II: Das Spardiktat von IWF und EU muss die Krise verschärfen. Mit ihm werden diejenigen zur Kasse gebeten, die keinerlei Verantwortung für die Krise haben und die ohnehin die Lasten der kapitalistischen Krise tragen.
      III: Die deutsche Regierung, deutsche Banken und deutsche Konzerne sind zu kritisieren,

      • weil sie eine führende Rolle in der erpresserischen Politik gegenüber der griechischen Bevölkerung und der Regierung in Athen spielen;
      • weil vor allem deutsche Großunternehmen in Griechenland die Politik einer flächendeckenden Bestechung betrieben haben;
      • weil es aufgrund der ungesühnten Verbrechen der deutschen Wehrmacht und der SS in Griechenland zur Zeit der Besatzung 1941-1944 eine besondere Verantwortung Deutschlands für Griechenland gibt.

      IV: Die Kosten der Krise in Griechenland müssen von denen bezahlt werden, die für die Krise verantwortlich sind: die großen, international aktiven Banken, die Superreichen in der Welt – auch in Griechenland – und die internationale Rüstungsindustrie.
      Quelle: Saarländische Online-Zeitung

      Anmerkung: Zur Forderung nach einer Umschuldung schreibt uns unser Leser E.H.:

      Sobald Griechenland den “Hair cut” (wie viel darf es bitte schön sein?) andeuten würde, würden nicht nur die Spekulanten noch aktiver wetten, sondern die Staatspapiere-Investoren würden fluchtartig die Anleihenbühne verlassen, weil sie mit Nachahmungen der anderen Staaten rechnen (müssen). Diese Kettenreaktion würde recht schnell erfolgen und zum Schluss Länder mit AAA-Status nicht verschonen, denn diese sind auch hoch verschuldet. Selbstverständlich hätte dieser Run volkswirtschaftliche Auswirkungen. Eine zeitlich nahe weltweite Depression wäre unausweichlich. Angst frisst Hirn. Warum etwa Rudolf Hickel die menschliche Mentalität nicht mit in seine Überlegungen einbezieht, ist schon enttäuschend.
      Unabhängig davon ist die Rosskur, die von Neolibs durchgedrückt wird, für die Griechen unakzeptabel. Eine weniger drastische Sparanstrengung, die eine nur leichte Rezession zulassen würde, wäre sinnvoller. Denn so sind die jetzt angepeilten Ziele in zwei bis drei Jahren überhaupt nicht zu erreichen. Es wäre besser gewesen, den Griechen noch ein halbes Jahr Zeit zu geben, damit die Politiker eine Steuereintreibungsreform verabschieden könnten; denn was in dieser Zeit häufig vergessen wird:
      Staatshaushalt-Konsolidierungen kann man mit Ausgabenkürzungen, aber auch mit höheren Einnahmen erreichen. Das zweite wäre bei der heutigen Vermögensverteilung im privaten Sektor für die (griechische) Volkswirtschaft überhaupt nicht schädlich.
      Warum man hierüber nichts von den verdammt guten Volkswirten und den verdammt guten Journalisten liest, ist äußerst unbefriedigend.

      Besonders erstaunt muss man auch von Krugmans Vorschlag sein. Ein ansonsten blitzgescheite Nobelpreisträger sollte zu Ende denken. Wenn ein Land die Euro-Zone verlässt, ist auch der Euro kaputt, egal ob Griechenland einen “Hair cut” macht oder nicht (dieses “oder nicht” ist völlig unmöglich). Somit geht es nicht nur um Griechenland. Die Spekulanten würden gnadenlos sein und die Euroländer in ihre Bestandteile zerlegen. Wer’s nicht glaubt, kennt die Spekulanten (mit ihrem Spieltrieb) nicht.

      Mitgefangen, mitgehangen. Griechenland ist Euroland und demnach muss man es retten. Das ist nicht schön, aber das andere wäre jetzt noch nachteiliger und (volkswirtschaftlich zu Ende gerechnet) noch viel teurer. Man sieht ja heute schon, was die ANGST um das liebe eigene Geld anstellt: Goldpreis steigt, Anleihekurse (aller Emittenten, die nicht AAA geratet sind) sinken seit dieser Woche rasant, Aktienkurse spielen verrückt, Investoren suchen im Dollar Deckung … wer weiß, wann ein Run auf Bargeld losgeht … ). Verdammt gute Volkswirte sollten bei ihren Überlegungen immer die ANGST der Menschen und die volkswirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigen.
      In diesem Zusammenhang muss ich doch noch etwas loswerden: Wenn ein Hauseigentümer ständig von seiner Bank auf seinen Schuldenstand aufmerksam gemacht wird, kann das schon nerven, besonders dann, wenn er Zins und Tilgung bedienen kann. Normal ist doch, dass ein Hauseigentümer nicht ständig an seine Schuldenhöhe denkt, sondern an seine GuV-Rechnung. Hier werden doch ganz andere Beträge genannt und das sollte man bei Staatsschulden auch berücksichtigen.
      Im Falle von Griechenland haben wir doch folgende Situation: die bisherige “Bank” ist nicht mehr willig, die fällig werdenden und zusätzliche Kredite zu günstigen Konditionen zu verlängern. Nunmehr sucht sich Griechenland andere Geldgeber, die mit Konditionen von 5 % zufrieden sind. Dumm nur, dass die neuen, neoliberal gefärbten Geldgeber unrealistische Auflagen damit verbinden. Aber damit hat man wenigstens Zeit gewonnen. Diese Phase sollte Griechenland dazu nutzen, neue Einnahmequellen, die volkswirtschaftlich unschädlich sind, anzuzapfen.
      Mal schauen, ob die Politiker hierzu den Mut haben. Wenn nicht, dann “Gute Nacht Europa”. Der letzte knippst das Licht aus – und das ist Deutschland.
      Weltwirtschaftliche Verwerfungen können nur dann ausbleiben, wenn alle
      (westlichen) Staaten weitere Einnahmequellen ausfindig machen und die Ausgabekürzungen so gering wie möglich halten. Die USA oder China werden Europa jedenfalls nicht “auffangen” können, dafür ist Europa eine Nummer zu groß. Deshalb bleibt nur noch ein Satz übrig: Wenn Staaten handlungsunfähig werden, dann “Gute Nacht Weltwirtschaft”.

  4. Rating-Riese Moody’s warnt vor Banken-Crash
    Warnung vor dem Dominoeffekt: Die Rating-Agentur Moody’s fürchtet eine Ausweitung der europäischen Schuldenkrise auf die Bankenbranche. Die Systeme hätten “sehr reale, gemeinsame Risiken”.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Ein Signal für die Spekulanten auch die anderen Staaten vor sich her zu treiben.

  5. Einbruch der Wall Street: 1000-Punkte-Verlust alarmiert Aufseher
    Panik bei den Investoren: Der Dow Jones stürzte zeitweise um mehr als neun Prozent ab und rutschte unter die 10.000-Punkte Marke. Die Aktie von Procter & Gamble fiel um knapp 40 Prozent. Die Börsenaufsicht ermittelt, Trades werden für ungültig erklärt.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Besonders schön die Erklärung in den US-Medien, dass ein Händler bei einer Transaktion versehentlich “billion” statt “million” ein – also Milliarde statt Million tippte. Daraufhin soll der massive Ausverkauf an den US-Börsen begonnen haben. Eine irgendwie sehr sympathische, weil menschliche Erklärung in der Welt des computergestützten Hochfrequenzhandels, der bereits heute 70 Prozent der Börsenumsätze ausmachen soll. Die künstliche Intelligenz Skynet aus den Terminatorfilmen ist dagegen recht primitiv, wieviel subtiler agiert sein aktuelles Pendant.

  6. Teure Intransparenz
    Kaum ein Parlamentarier weiß, worüber er beim Rettungspaket für Griechenland abstimmt, denn das Kleingedruckte im bilateralen Teil der Vereinbarung, die immerhin alleine aus deutschen Steuerkassen 22,4 Milliarden Euro vorsieht, wird der Öffentlichkeit und den Parlamentariern vorenthalten … Insiderberichte … legen jedoch nahe, dass die 80 Milliarden Euro umfassenden bilateralen Kredite des Hilfspakets nur nachrangig behandelt werden. Im Falle einer relativ wahrscheinlichen Umschuldung in spätestens drei Jahren würde dies wahrscheinlich einen Totalausfall dieser Kredite bedeuten.
    Quelle: Spiegelfechter

    Dazu:

    Griechenland-Kredite: Vorzugsbehandlung für den IWF
    Die Euroländer – und damit auch Deutschland – müssten einen Teil der Hilfskredite abschreiben. Wie ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums erklärte, sind nur die Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) vorrangig. Die Darlehen der Europartner sollen denselben Status wie Anleihen genießen.
    Quelle: FR

  7. Angeschlagene Mittelmeerstaaten schulden der Hypo Real Estate 39 Milliarden Euro
    Mehrere in finanzielle Schwierigkeiten geratene Staaten schulden der angeschlagenen deutschen Immobilienbank Hypo Real Estate etwa 39 Milliarden Euro. Es handele sich um die Länder Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien, teilte die HRE in Frankfurt am Main mit. Der größte Teil der direkten Verbindlichkeiten entfalle auf Italien mit knapp 27 Milliarden Euro, gefolgt von Griechenland mit 7,8 Milliarden Euro. Weiter hieß es, die mittlerweile verstaatlichte Hypo Real Estate habe zwischen Januar und März vor Steuern einen Verlust von 324 Millionenen Euro gemacht.
    Quelle: DLF
  8. Kapitalistische Mangelwirtschaft
    Die Regierungen in Europa wollen sparen, um ihre Haushalte zu sanieren und Schulden abzubauen. Jeder eingesparte Euro ist aber ein nicht ausgegebener Euro, jeder nicht ausgegebene Euro ein nicht eingenommener Euro. Sinkendes Wirtschaftswachstum, wegbrechende Steuereinnahmen, steigende Haushaltsdefizite und höhere Schulden sind die Folge. Deswegen ist Europa auf dem Holzweg und muss das Ruder schleunigst herumreißen.
    Gerade hat Griechenland Einsparungen in Milliardenhöhe verabschiedet. Ob die Regierung sie gegenüber der Bevölkerung durchsetzen kann, ist noch offen. Dennoch, viele Menschen halten schon aufgrund der angekündigten und bereits zuvor beschlossenen und umgesetzten Sparmaßnahmen ihr Geld zusammen, geben also weniger aus. Zeitgleich kündigt in Deutschland der Bundesfinanzminister einen „entschlossenen Sparkurs“ an. In den kommenden Jahren müsse es entschiedene Konsolidierungs-Schritte geben, so Schäuble. Und: Alle Aufgabenbereiche und Ausgaben des Staates müssten kritisch hinterfragt werden, um die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse einzuhalten.
    Dieser Sparkurs ist dabei, die gesamte Europäische Union zu erfassen. Schon fordert der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft eine EU-weite Schuldenbremse nach deutschem Vorbild. Weiß er, was er seiner Klientel damit antut?
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
  9. Kauf der Hypo Alpe Adria: BayernLB-Managern drohen Haftstrafen
    Der Skandalkauf der österreichischen Hypo Alpe Adria hat ein Nachspiel für die BayernLB-Führung: Laut “Süddeutscher Zeitung” soll gegen mehrere Manager der Landesbank Haftbefehl ergangen sein. Ihnen wird vorgeworfen, den damaligen Kärntner Regierungschef Jörg Haider bestochen zu haben.
    Quelle: Spiegel Online
  10. Freddie Mac als Fass ohne Boden
    Nach einem weiteren herben Milliardenverlust zu Jahresbeginn bittet der US-Baufinanzierer Freddie Mac erneut um Steuergelder. Der Staat soll dem schwer angeschlagenen Unternehmen noch einmal 10,6 Milliarden Dollar zustecken.
    Gleichzeitig warnte Freddie Mac, wegen der Flaute am Immobilienmarkt in Zukunft weitere Hilfen zu benötigen. Die oppositionellen Republikaner wollen deshalb ein Ende der staatlichen Unterstützung erzwingen.
    Quelle: NZZ
  11. Zahlenmagierin FDP
    Die Freidemokraten beharren trotz der Steuerschätzung auf hohen Entlastungen ab 2012. Die FDP lässt sich nicht davon schrecken, dass Bund, Länder und Gemeinden bis 2013 insgesamt fast 39 Milliarden Euro weniger einnehmen werden als noch vor einem Jahr erwartet. Und das, obwohl bereits in die damalige Steuerschätzung Befürchtungen einflossen, die Wirtschafts- und Finanzkrise werde zu massiven Steuerausfällen führen. Unerwähnt ließ der Generalsekretär ebenso, dass die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse dazu zwingt, bis 2016 pro Jahr rund 10 Milliarden Euro zusätzlich einzusparen. Nur so lässt sich nach heutigem Stand die Vorgabe erfüllen, die Neuverschuldung auf höchstens 0,35 Prozent des Bundeshaushalts zu drücken.
    Quelle: taz
  12. Staat fördert Ungleichheit
    In Deutschland ist die Zahl der Armen in den vergangenen Jahren ungewöhnlich schnell gestiegen. Inzwischen sind rund 15 Prozent der Bürger armutsgefährdet – und damit mehr als in anderen europäischen Ländern, die mit der Bundesrepublik politisch und ökonomisch vergleichbar sind.
    So betrug die Armutsquote 2007 in den Niederlanden nur elf Prozent, in Österreich und Schweden lag sie bei zwölf und in Frankreich bei 13 Prozent, berichtet das Statistische Bundesamt.
    Der Staat “hat die Ungleichheit verschärft”. Durch jüngste Beschlüsse der Bundesregierung werde die Kluft weiter wachsen.
    Weil es immer mehr atypisch Beschäftigte wie Minijobber und Leiharbeiter gibt, die meist sehr wenig verdienen, erläutert Grabka (DIW. Die Politik habe diese Entwicklung gefördert. Mehr noch: Der Staat sorge immer weniger für eine Umverteilung von oben nach unten. Grabka nennt zwei Beispiele: Oben ist der Spitzensatz bei der Einkommenssteuer von 53 auf 45 Prozent (inklusive Reichensteuer) gesunken. Unten sind die Leistungen für Langzeitarbeitslose im Zuge der Hartz-Reformen gekappt worden.
    Auch die Abgeltungsteuer von 25 Prozent auf Kapitalerträge entlaste Besserverdienende, für die früher ein höherer Satz galt. Und vom schwarz-gelben Beschluss, den Kinderfreibetrag zu erhöhen, profitieren Ärzte mehr als Krankenschwestern. Hartz-IV-Empfänger haben dagegen nicht mal was von dem aufgestockten Kindergeld.
    Quelle: FR
  13. Arvato-Vorzeigeprojekt spart nicht die erhofften 27 Millionen Euro ein
    „Würzburg integriert“: Neue Datenautobahn endet als Sackgasse
    Es war das letzte große Projekt der früheren Oberbürgermeisterin Pia Beckmann und sollte ein ganz großes werden: Das Vorhaben „Würzburg integriert“ im Verbund mit dem elektronischen Bürgerbüro. Dafür schloss die Stadt einen Zehnjahresvertrag mit dem Bertelsmann-Dienstleister „Arvato“.
    Dank elektronischer Hilfe einer zentralen Datenautobahn sollten 27 Millionen Euro eingespart werden, für die Bürger Behördengänge per Internet möglich sein.
    Davon ist drei Jahre nach dem Start des bundesweiten Pilotprojektes keine Rede mehr. Es ist gescheitert, auch wenn kein Beteiligter das so direkt bestätigen mag.
    Quelle: Main Post
  14. Großbanken fordern weitere 50 Millionen Euro von Leipzig
    In der Leasing-Affäre der Leipziger Wasserwerke gerät die Stadt immer weiter in finanzielle Bedrängnis. Wie ein Stadtsprecher am Donnerstag sagte, fordern die beiden in die Geschäfte involvierten Schweizer Großbanken die sofortige Rückzahlung von weiteren 50 Millionen Euro. Gemäß einem Stadtratsbeschluss werde man aber dieser Zahlungsaufforderung nicht nachkommen.
    Bereits Mitte März hatten die Banken die Rückzahlung von 84 Millionen Euro gefordert. Der Stadtrat beschloss daraufhin, die Summe nicht zu bezahlen und es stattdessen auf eine juristische Auseinandersetzung ankommen zu lassen.
    Quelle: freiepresse

    Anmerkung WL: Wieder einmal eine teure Privatisierung.

  15. Urteil im Schreiber-Prozess: Grandiose Selbsterhöhung
    Auf den ersten Blick geht es um Steuerbetrug. Auf den zweiten Blick wird klar: Schreiber hat einen weit größeren Schaden angerichtet – für den man ihn nicht belangen kann.
    Quelle: SZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Der Kommentator der SZ schreibt, Schreiber habe “die politische Kultur in Deutschland korrumpiert, er hat dazu beigetragen, dass Politik und Wirtschaft in den Generalverdacht der Bestechlichkeit gerieten. Der Schaden, den er damit angerichtet hat, übersteigt bei weitem den Wert der Steuern, die er dem Fiskus vorenthalten hat, und für diesen Schaden kann ihn, leider, kein Strafgericht haftbar machen.”
    Verkannt wird in dieser Betrachtungsweise, dass Schreiber nur das Schmiermittel in einem Netzwerk war, in dem ganz andere Schwergewichte aus Politik und Wirtschaft die Fäden zogen. Das relativ hohe Strafmaß begründete der vorsitzende Richter Rudolf Weigell u.a. mit dem “System der Verschleierung”, das Schreiber aufgebaut habe, und der “beispiellosen Uneinsichtigkeit” des Angeklagten. Es ist schon fast etwas unheimlich, wenn fast zeitgleich der 80. Geburtstag eines dieser Schwergewichte gefeiert wird, dem Verschleierung und Uneinsichtigkeit genauso vorgehalten werden kann. Noch unheimlicher ist das Auftreten des Biedermanns, Roman Herzog, in der Rolle des Verteidigers von Helmut Kohl. Spitzfindig erklärt der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts und deutsche Bundespräsident zu Kohls Schweigen im Spendenskandal, Kohl sei nicht zu einer Aussage verpflichtet gewesen, weil er nie vor einem Gericht gestanden habe. Künftige Juristengenerationen würden sich eines Tages nur noch daran erinnern, dass Helmut Kohl der Mann gewesen sei, der Teile des Parteiengesetzes einmal nicht beachtet habe, der andererseits auch den Wiedervereinigungsauftrag des Grundgesetzes erfüllt habe – tosender Applaus. Herzog beklagt den „ethischen Rigorismus“ der Deutschen: „Ein großer Maler muss bei uns auch ein edler Mensch sein, sonst bestehen Zweifel an der Qualität seiner Bilder.“ Nur, das Bild, das Roman Herzog hier in ironischer Absicht entwirft, ist grundfalsch. Die Polis, welche die Angelegenheiten der Gemeinschaft in Gänze umfasst, kann nicht verglichen werden mit einem Aspekt des Systems wie der Kunst. Die Politik der gewählten Vertreter der Gemeinschaft bedarf einer rigorosen Überwachung ihrer Praxis. Und Helmut Kohl hat sich dieser in vollem Bewußtsein seines Handelns entzogen. Rückwirkend verdunkelt seine Entscheidung seine gesamte Lebensleistung z.B. als Europapolitiker, dem gerade heute mancher nachtrauern mag. – Es war sicherlich nicht zu erwarten, dass auf der Geburtstagsfeier Kohls Ehrenwort und schwarze Kassen kritisch beleuchtet würden, aber diese Philippika des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts legt Zeugnis ab von der ganzen Abgehobenheit und Verderbtheit unserer politischen Klasse. (Die Ausnahmen mögen mir verzeihen) Über ihre aktuelle Komplizität mit der “beispiellosen Uneinsichtigkeit”, dem “System der Verschleierung” des Exkanzlers müsste gerichtet werden. Der Fall Schreiber, des einfachen Soldaten dieser “ehrenwerten Gesellschaft”, ist ein Nebenschauplatz. Das Ehrenwort des Kanzlers im Stile der “Onorata Società” mag traurige Geschichte sein, der Beifall für die Relativierung bzw. Verteidigung seines Politikstils wirft ein Schlaglicht auf die aktuelle “Korrumpierung der politischen Kultur in Deutschland.”

  16. Kunden-Abzocke: Koalition lehnt kostenlose Telefon-Warteschleifen ab
    Ein Anruf bei einer Service-Hotline kann Kunden viel Geld kosten. Auch derjenige, der in der Warteschleife hängt, muss oft schon zahlen. Ein Unding, finden Verbraucherschützer. Aber Abhilfe wird vorerst nicht geschaffen: Union und FDP haben eine entsprechende Forderung der Grünen abgelehnt.
    Quelle: stern
  17. Hartz IV Behinderung gilt nicht als Härtefall
    Auch die Eltern schwerbehinderter Kinder müssen mit dem niedrigen Regelsatz von Hartz IV auskommen – so das Bundes-Sozialgericht. – Jedenfalls bis Ende des Jahres, wenn die Bundesregierung das Urteil des Bundesverfassungsgericht umgesetzt haben muss.
    Quelle: FR
  18. Magere Stipendien
    1. 300 Euro im Monat für bis zu acht Prozent der Studierenden
      Bis zu acht Prozent der Studierenden an deutschen Hochschulen sollen in Zukunft mit einem Stipendium von 300 Euro im Monat gefördert werden. Das geht aus dem Entwurf der Koalitionsfraktionen für ein ”Gesetz zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms“ (17/1552) hervor, der am Freitagmittag im Bundestag debattiert werden soll.
      Laut Gesetzentwurf sollen die Stipendien je zu einem Viertel von Bund und Land und zur Hälfte aus privaten Mitteln getragen werden. Der private Anteil soll von den Hochschulen ”bei Unternehmen, Stiftungen, Vereinen, Kammern und Privatpersonen, etwa Alumni“, also ehemaligen Absolventen der Universität, eingeworben werden.
      Dem Gesetzentwurf zufolge entstehen Bund und Ländern im Jahr 2010 insgesamt Mehrkosten in Höhe von 20 Millionen Euro, im Jahr 2011 von 65 und im Jahr 2012 von 111 Millionen Euro. Im Jahr 2013 soll die letzte Stufe erreicht sein, in der insgesamt 160.000 Studierende durch ein Stipendium gefördert werden. Dann entstünden Bund und Ländern Kosten von 160 Millionen Euro im Jahr; zusätzlich rechnen die Fraktionen aufgrund der Steuererleichterungen für spendende Unternehmen und Privatpersonen mit Steuerausfällen in Höhe von 100 Millionen Euro im Jahr.
      Gefördert werden sollen ”begabte Studierende“, bei deren Auswahl ”neben Begabung und Leistung auch gesellschaftliches Engagement, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen oder besondere Umstände berücksichtigt werden können, die sich beispielsweise aus der familiären Herkunft oder einem Migrationshintergrund ergeben“. Gruppen, die bislang in der Begabtenförderung unterrepräsentiert sind, wie Studierende an Fachhochschulen, die ”häufiger als Studierende an Universitäten einen bildungsfernen familiären Hintergrund aufweisen“, sollen mit dem Stipendienprogramm verstärkt gefördert werden.
      Das Bewerbungsverfahren für die Stipendien sollen die Hochschulen durchführen. Private Geldgeber können festlegen, dass ihre Unterstützung Studierenden einer bestimmten Fachrichtung zugute kommen soll, sie dürfen aber keinen Einfluss auf die Auswahl der Studierenden nehmen, heißt es in dem Entwurf.
      Quelle: Deutscher Bundestag

      Anmerkung WL: Einmal abgesehen, dass mit diesem „nationalen Stipendienprogramm“ keine Förderung von sozial Benachteiligten angestrebt wird, sondern nur eine weitere Förderung solcher Studierenden, die auch in den „Begabten“-Förderprogrammen unterstützt werden, mit diesem Gesetz macht die Bundesregierung mal wieder die Rechnung ohne den Wirt. Ob die Hochschulen und welche Hochschulen es schaffen werden, ”bei Unternehmen, Stiftungen, Vereinen, Kammern und Privatpersonen, etwa Alumni“ Gelder einzusammeln, ist eine völlig offene Frage. Ein ähnliches Modell läuft seit dem Wintersemester 2009/2010 in NRW. Gerade einmal 1.400 Stipendien sind an rd. 300.000 Studierende vergeben worden, das sind 0,3 Prozent.

    2. Grünen-Fraktion lehnt Nationales Stipendienprogramm ab
      Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht sich in einem Antrag (17/1570) gegen das geplante Nationale Stipendienprogramm aus. Der Plan der Koalitionsfraktionen, bis zu acht Prozent der Studierenden mit einem monatlichen Stipendium von 300 Euro zu fördern (siehe Gesetzentwurf 17/1552), sei „ungeeignet, deutlich mehr junge Menschen für ein Studium zu gewinnen“. Studierende, „die auf eine gesicherte Studienfinanzierung angewiesen sind“, würden von den Stipendien nicht profitieren, so der Vorwurf der Grünen.
      Sie kritisieren, dass private Geldgeber sich nur für einen Zeitraum von zwei Semestern verpflichten müssten, ein Stipendium zu finanzieren. Der „vorgesehene Verlust des Stipendiums nach einem Hochschulwechsel“ sei ”mobilitätsfeindlich“. Außerdem würden bei der Auswahl der Stipendiaten „chancenreiche Akademikerkinder bevorzugt anstatt gezielt die Bildungspotentiale von Nicht-Akademikerkindern zu fördern“.
      Die Grünen erwarten darüber hinaus ein regionales Ungleichgewicht beim Einwerben des privaten Anteils von 50 Prozent für die Stipendien: In wirtschaftsschwachen Regionen werde sich ”die Stipendien-Akquise als schwierig bis aussichtslos erweisen“.
      Deshalb fordern die Grünen, das Stipendienprogramm zurückzuziehen, die dafür vorgesehenen Mehrkosten für eine Aufstockung des Bafög um 5 Prozent zu verwenden und hochschulferne Gruppen mit speziellen Stipendien zu fördern.
      Quelle: RechtsNews
    3. Bafög soll ab Herbst 2010 um zwei Prozent steigen
      Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP wollen die Bedarfssätze bei der Ausbildungsförderung Bafög um zwei Prozent und die Freibeträge um drei Prozent anheben. Das geht aus dem Entwurf für das ”23. Gesetz zur Änderung der Bundesausbildungsförderugsgesetzes“ hervor (17/1551), der am Freitagmittag im Bundestag beraten wird.
      Nach den Änderungen würde der Grundbetrag für Studierende, die nicht bei ihren Eltern wohnen, von 521 auf 597 Euro steigen. Der Grundfreibetrag vom Einkommen verheirateter Elternteile würde von 1.555 Euro auf 1.605 Euro steigen. Die Mehrausgaben für Bafög würden sich laut Entwurf für das Jahr 2010 auf etwa 69 Millionen Euro und für das Jahr 2011 auf etwa 373 Millionen Euro summieren.
      Das Gesetz würde auch weitere Veränderungen mit sich bringen: So sollen beispielsweise die Sozialpauschalen, mit denen die Sozialversicherungskosten berücksichtigt werden, an aktuelle Beitragssätze angepasst werden. Zum Leistungsnachweis sollen zukünftig auch die beim Bachelor-Studium üblichen ECTS-Punkte verwendet werden können.
      Falls man das Studienfach zum ersten Mal ”aus wichtigem Grund“ wechselt, soll man auch danach Bafög für die komplette Regelstudienzeit des neuen Faches beziehen können. Die Wohnpauschale für junge Menschen, die während ihrer Ausbildung nicht bei den Eltern wohnen, steigt laut Entwurf von 146 auf 224 Euro, dafür entfällt der bisherige Wohnzuschlag von 72 Euro, der bei besonders hohen Wohnkosten individuell beantragt werden musste.
      Quelle: Deutscher Bundestag
    4. Linksfraktion fordert Bafög-Erhöhung um zehn Prozent
      Um eine ”soziale Öffnung der Hochschulen zu ermöglichen“, fordert die Fraktion Die Linke in einem Antrag (17/1558) die Erhöhung des Bafög um zehn Prozent. Heute hätten nicht alle Studienberechtigten die Möglichkeit, „unabhängig von ihrer sozialen Herkunft ein Studium aufzunehmen“, kritisiert Die Linke. Die Bundesregierung fördere in diesem Bereich „massiv den Ausbau privater Stipendien, wie etwa das geplante Nationale Stipendiensystem“ (siehe Gesetzentwurf 17/1552). Laut einer Untersuchung des Hochschulinformationssystem stammten aber „zwei Drittel der von den Begabtenförderungswerken geförderten Studierenden aus Akademikerfamilien“. Durch die Einführung des Programms drohe außerdem „neues Chaos an den Hochschulen“, weil für den personellen und organisatorischen Mehraufwand keine zusätzlichen Mittel vorgesehen seien.
      Die Linksfraktion kritisiert auch, dass die Bedarfssätze beim Bafög dieses Jahr nur um zwei Prozent und die Einkommensfreibeträge nur um drei Prozent angehoben werden sollen (siehe Gesetzentwurf (17/1551). Stattdessen fordert die Fraktion eine Erhöhung der Bafög-Bedarfssätze und -Einkommensfreibeträge um jeweils zehn Prozent, einen Verzicht auf das Nationale Stipendienprogramm und ein gebührenfreies Studium in allen Bundesländern. Durch eine „grundlegende Strukturreform der Ausbildungsförderung“ spricht sich die Fraktion außerdem für eine elternunabhängige Förderung aus ”für alle Volljährigen, die sich in Ausbildung befinden“.
      Quelle: Sozialticker
  19. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm zum neuen Intendanten gewählt
    Der BR-Rundfunkrat hat den Sprecher der Bundesregierung, Ulrich Wilhelm, zum Nachfolger von BR-Intendant Dr. Thomas Gruber gewählt. Wilhelm setzte sich mit 40 von 44 Stimmen gegen Landtagskorrespondent Rudolf Erhard durch. Der neue BR-Intendant tritt sein Amt am 1. Februar nächsten Jahres an.
    Quelle: BR-Online

    Anmerkung WL: Ich stelle mir anlässlich dieser Personalentscheidung den Aufschrei vor, der sich erhoben hätte, wenn ich mich als damaliger Sprecher der Landesregierung NRW für den Intendantenposten des WDR beworben hätte. Alle hätten doch behauptet, nun würde der WDR zum „Regierungssender“. Wilhelm mag seine Fähigkeiten haben, aber es ist ein Zeichen der Verlotterung der Sitten, dass einer der engsten Vertrauten der Kanzlerin nunmehr die Geschicke des Bayerischen Rundfunks leiten soll. Die Berlusconisierung der Republik schreitet voran.

    Dazu:

    Der Rundfunk als Beute der Parteien
    Der Mann muss gut sein. Hat sich konsequent hochgearbeitet, seit er 1991 in den Dienst der Bayerischen Staatsregierung eintrat; zwei Jahre darauf war er in der Staatskanzlei, später Sprecher des Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Und weil er das wohl so geschickt gemacht hat, holte Angela Merkel 2005 Ulrich Wilhelm als Chef des Presse- und Informationsamtes nach Berlin. Warum der schwarze Smartie nun zurück nach München will, hat er nicht verraten. Aber dass sein Wunsch erfüllt wird, steht außer Frage: Der 48-Jährige folgt Thomas Gruber als Intendant des Bayerischen Rundfunks. Das ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt und keine Dependance der Regierung. Oder doch? Der Chef-Sessel im Münchener Funkhaus ist nun fest in der Hand der CSU. Schließlich muss die Macht medial abgesichert werden. Da geht es in der deutschen demokratischen Bundesrepublik nicht anders zu als in, sagen wir, Venezuela. Nur geräuschloser. Empörung über diesen Coup ist kaum zu vernehmen. Die Berufung eines Regierungssprechers auf einen so wichtigen Intendantenposten ist ein Novum in diesem Land. Und nicht anders zu nennen als ein Skandal. Man muss gar nicht das Berufsbild des Pressesprechers bemühen, der zunächst seinem Arbeitgeber dient und nicht unbedingt immer der Wahrheit. Dessen Job also zum Teil aus Verschweigen, Abwiegeln, Dementieren, Vertuschen besteht. Wer sich daran erinnert, welche Affären etwa Edmund Stoiber zu bewältigen hatte, wird wissen, welche Herkulesarbeit sein Sprecher da verrichtete. So gut der Mann sein mag: Der Sprung vom Regierungssprecher zum Intendanten ist durch nichts zu rechtfertigen.
    Quelle: FR

  20. Das Risiko im Golf von Mexiko ist schlicht zu hoch
    Der global tätige Rückversicherer Scor unterscheidet bei der Risikobewertung von Tiefseebohrungen in erster Linie zwischen den Standorten. Gebiete in US-Gewässern werden in der Regel höher fakturiert als jene in der Nordesee. Benjamin Gentsch, CEO von Scor in der Schweiz, erklärt weshalb: Das Haftpflicht-Pricing ist primär standortabhängig. Die Nordsee wird anders bewertet als beispielsweise der Golf von Mexiko. Das hängt vor allem mit der Frage zusammen, welche Länder und Gebiete von einer möglichen Ölpest betroffen werden können. Die Gesetzgebung für die Haftpflicht ist in den USA anders als in Norwegen oder in Grossbritannien. Darum lässt sich auch nicht vereinfacht sagen, wie sich der Preis für eine Bohrinsel in den USA oder eine Förderanlage in der Nordsee zusammensetzt. Das Pricing-Geschäft ist hochkomplex.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein recht interessantes, versicherungstechnisches Interview, allerdings hätte man gern etwas mehr über das unterschiedliche Haftpflicht-Pricing n den USA gegenüber Norwegen oder Großbritannien wissen. Läuft der Unterschied darauf hinaus, dass BP in Europa weniger für eine solche Katastrophe haften würde?


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