Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- War das nötig, Herr Steinmeier?
- Wer die AfD-Wähler sind und was sie umtreibt
- Sahra Wagenknecht zu den Wahlergebnissen
- US-Justizministerium sucht mit allen Mitteln, Assange wegen Spionage anzuklagen
- Jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte arbeitet für Niedriglohn
- Antisozialer Patriotismus: Die Rentenpläne der AfD
- Jede zweite Neueinstellung ist befristet
- IMMER DIESELben
- Verzweifelte deutsche Eltern der “Verschwundenen” beim G7
- Nimm das, Rezo!
- Antikriegstag
Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- War das nötig, Herr Steinmeier?
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in Polen vor allem die USA hofiert. Aus welchem Anlass?
Sehr geehrter Herr Bundespräsident
Ihr persönlicher Auftritt in Wieluń und Warschau vor zwei Tagen war zwar nicht so eindrücklich wie der spontane Kniefall von Willy Brandt am 7. Dezember 1970 in Warschau. Es ehrt Sie aber sehr, dass Sie anlässlich der Erinnerungsfeiern an den Angriff Nazi-Deutschlands auf Polen vor 80 Jahren Klartext gesprochen und die große Schuld Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ungeschminkt eingestanden haben…
Sie, sehr geehrter Herr Bundespräsident, haben mit der stillschweigenden Akzeptanz, dass zu diesem Anlass, an dem gemäss Ihrer eigenen Ansprache Staatsvertreter aus 40 Ländern (!) anwesend waren, ausgerechnet Russland aber nicht eingeladen war, allerdings keinen Beitrag zu einem «Wunder der Versöhnung» geleistet.
Wörtlich haben Sie gesagt: «Unsere Verantwortung, sie gilt auch der transatlantischen Partnerschaft. Wir alle blicken an diesem Jahrestag mit Dankbarkeit auf Amerika. Die Macht seiner Armeen hat – gemeinsam mit den Verbündeten im Westen und im Osten – den Nationalsozialismus niedergerungen. Und die Macht von Amerikas Ideen und Werten, seine Weitsicht, seine Großzügigkeit haben diesem Kontinent eine andere, eine bessere Zukunft eröffnet.»
Und weiter: «Herr Vizepräsident, das ist die Größe Amerikas, die wir Europäer bewundern und der wir verbunden sind. Dieses Amerika hat der Welt die Augen geöffnet für die unbändige Kraft der Freiheit und der Demokratie – gerade auch uns Deutschen. Diesem Amerika war das vereinte Europa immer ein Anliegen. Dieses Amerika wollte echte Partnerschaft und Freundschaft in gegenseitigem Respekt.»
Und dann: «Vieles davon scheint heute nicht mehr selbstverständlich. Deshalb: Lasst uns nicht vergessen, was uns stark gemacht hat – diesseits und jenseits des Atlantiks! Lasst uns das Gemeinsame bewahren in dieser Welt voller Veränderung und schwindender Gewissheiten!»
Und schliesslich: «Wir wissen wohl: Europa muss stärker und selbstbewusster werden. Aber wir wissen auch: Europa soll nicht stark sein ohne Amerika – oder gar gegen Amerika. Sondern Europa braucht Partner. Und ich bin sicher, auch Amerika braucht Partner in dieser Welt. Also lasst uns diese Partnerschaft pflegen! Lasst uns den Anspruch bewahren, dass der ‹Westen› mehr ist als eine Himmelsrichtung!»
(…) War Ihre Lobesrede an die Adressen der USA und der NATO ausgerechnet bei diesem Anlass, wo Sie «das Wunder der Versöhnung» thematisieren wollten, wirklich nötig?
Eine Antwort würde mich freuen.
Hochachtungsvoll
Christian Müller
Quelle: infosperber
Anmerkung Albrecht Müller: Steinmeiers und Merkels Auftritt in Polen zeigt, dass der deutsche Bundespräsident und die deutsche Bundeskanzlerin nicht für uns sondern zuallererst für die USA und die NATO arbeiten. Sie befeuern die von den USA, von der NATO und leider auch von Polen und anderen Staaten Osteuropas betriebene neue Konfrontation mit Russland. Das kann nicht in unserem Interesse liegen. Was hier am 1. September geschehen ist, führt in Russland selbst zu einer weiteren Verhärtung der Fronten. Es ist das Gegenteil von Vertrauensbildung. Vertrauensbildung war einer der wichtigen Grundlagen der Entspannungs- und Friedenspolitik von Brandt bis Kohl. Insofern stellen Auftritt und Reden unserer Repräsentanten in Polen auch den Bruch einer erfolgreichen Außens- und Sicherheitspolitik dar. Weiteres zur kläglichen Rolle Steinmeiers und Merkels bei nächster Gelegenheit. Der offene Brief von Christian Müller an Steinmeier ist jedenfalls ausgesprochen gut und lesenswert.
Lesen Sie dazu auch: Albrecht Müller – “Zur Diskussion gestellt: Arbeitet das Spitzenpersonal Steinmeier und Merkel für uns oder für fremde Interessen?“.
- Wer die AfD-Wähler sind und was sie umtreibt
[…] Die AfD fuhr vor allem in Brandenburg neben ihrem üblichen national-sozialen Kurs eine Kampagne, die stark auf die DDR- und Wende-Erfahrung der Wähler zugeschnitten war. Slogans wie „Vollende die Wende“, „Wende 2.0“ oder „Friedliche Revolution mit dem Stimmzettel“ sollten suggerieren, die Wende 89 sei nicht geglückt, es brauche wieder eine Revolution – und die Verhältnisse in Deutschland seien heute vergleichbar mit denen in der DDR. Immer wieder schmeichelte etwa AfD-Chef Alexander Gauland den Menschen damit, sie hätten als Ostdeutsche auf Grund ihrer Vergangenheit einen Erkenntnisvorsprung. „Sie wissen wie eine Diktatur sich anfühlt, Sie hören das autoritäre Gras wachsen, wenn auf allen Kanälen die Opposition verteufelt wird.“ Und er appellierte an das Gefühl, benachteiligt zu sein: „Westdeutsche haben Sie zur Bürgern zweiter Klasse gemacht“, sagte Gauland bei mehreren Gelegenheiten.
Dass die AfD mit dieser Kampagne einen Nerv traf, zeigt sich auch in den Umfragen. In Sachsen und Brandenburg sagten laut Infratest dimap knapp 78 Prozent der AfD-Wähler, Ostdeutsche seien Bürger zweiter Klasse. Auch stimmten in Brandenburg 51 Prozent der Wähler der Aussage zu, die Unterschiede zwischen Ost und West seien wieder größer. Sabine Kropp, Politikprofessorin an der FU Berlin, sagt: „Die AfD kopiert die Politik des Kümmerns vor Ort, mit der früher die PDS im Osten recht erfolgreich war.“ […]
Laut der Soziologin Bettina Kohlrausch von der Universität Paderborn spielen für die politische Unzufriedenheit im Osten nicht nur abstrakte Gefühle „mangelnder Anerkennung“ oder das Thema Migration eine Rolle, sondern sehr stark auch „konkrete ökonomische Unsicherheitserfahrungen“. Diese reichten deutlich weiter als im Westen.
Während sich dort vor allem Un- und Angelernte Sorgen um ihre berufliche und soziale Zukunft machten und überdurchschnittlich häufig rechte Parteien wählten, treffe das in den neuen Bundesländern auch auch Beschäftigte mittlerer Qualifikation wie Facharbeiter zu. Das Gefühl, nicht für die kommende Transformation in der Arbeitswelt gerüstet zu sein – gemeint ist etwa die Digitalisierung – beeinflusse offenbar die Wahlentscheidung. Dieser Befund passt zur Erhebung von Infratest dimap, wonach in Brandenburg und Sachsen jeweils 44 beziehungsweise 41 Prozent der AfD-Wähler Arbeiter waren und damit die größte Gruppe stellten.
Die Angst vor Umbrüchen lässt sich auch auch in Braunkohleregionen beobachten: Dort hat der Beschluss der Bundesregierung zum Kohleausstieg der AfD neue Wähler zugetrieben. So ist laut Infratest dimap der Anteil derer, die den Ausstieg bis 2038 als zu schnell empfinden, in Brandenburg mit 42 Prozent bei den AfD-Anhängern deutlich höher als in anderen Parteien.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung Albrecht Müller: Das ist eine ausgesprochen gute Analyse, übrigens einschließlich der kritischen Haltung zu den Analysen von Wählerwanderungen.
- Sahra Wagenknecht zu den Wahlergebnissen
Nicht nur erneut eine Klatsche für die Große Koalition, sondern auch eine dramatische Niederlage für DIE LINKE. Das machen bereits die ersten Hochrechnungen aus Sachsen und Brandenburg deutlich. Offensichtlich wird DIE LINKE von vielen ihrer früheren Wähler nicht mehr als Kraft wahrgenommen, die ihre Interessen ernst nimmt und ihr Leben zum Besseren verändern will. Ich finde das schlimm und das muss sich ändern. DIE LINKE muss wieder zu einer Alternative für all diejenigen werden, die von der herrschenden Politik seit Jahren im Stich gelassen werden. Für diejenigen, die zu Niedriglöhnen schuften, die unter fehlender sozialer Infrastruktur leiden und die Angst vor Altersarmut haben. Wenn wir von diesen Menschen als grünliberale Lifestyle-Partei statt als ihre Stimme wahrgenommen werden, wenn sie das Gefühl bekommen, dass wir auf sie herabsehen, weil sie nicht den hippen Großstadt-Code beherrschen, dann ist es nur normal, dass sie sich von uns abwenden. Das dürfen wir nicht länger zulassen!
Quelle: Sahra Wagenknecht via FaceBook
dazu: Wagenknecht exklusiv: Die Gründe für den AfD-Erfolg
Die Linke müsse sich entscheiden, für wen sie künftig Politik machen wolle, sagt Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. Sie gibt ihrer Partei die Mitschuld am Erstarken der AfD und warnt sie vor einem gefährlichen Trend…
„Wir waren über viele Jahre die Stimme der Unzufriedenen“, sagte Wagenknecht dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Indem wir uns von unseren früheren Wählern entfremdet haben, haben wir es der AfD leicht gemacht. Insofern sind wir für ihren Erfolg mitverantwortlich“, so die Linken-Politikerin.
Wagenknecht sagte, viele frühere Linke-Wähler hätten schon länger das Gefühl, dass die Linkspartei nicht mehr ihre Sprache sprechen würde. „Die wachsende Distanz zu dieser Lebenswelt zeigt sich auch in unserem Umgang mit AfD-Wählern, die gern pauschal als Rassisten beschimpft werden, obwohl viele von ihnen früher links gewählt haben“, so Wagenknecht weiter. „Wenn wir wieder mehr Zuspruch haben möchten, müssen wir uns ändern.“
(…) Die Linke müsse klären, für wen sie in erster Linie Politik machen wolle. „Für die gut ausgebildete, gehobene Mittelschicht in den Metropolen oder für diejenigen, die um ihr bisschen Wohlstand immer härter kämpfen müssen? Wenn wir Menschen jenseits des hippen Großstadtmilieus erreichen wollen, müssen wir ihre Sicht der Dinge ernst nehmen, statt sie zu belehren, wie sie zu reden und zu denken haben“, sagte Wagenknecht dem RND.
Wagenknecht fordert Augenmaß beim Klimaschutz
Als Beispiele nannte sie Debatten über den Heimat-Begriff oder Sicherheit. „Für die meisten Menschen ist Heimat etwas sehr wichtiges, sie legen Wert auf soziale Bindungen, Familie und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Beim Thema Sicherheit geht es um soziale Sicherheit, aber auch um den Schutz vor Kriminalität.“ Wagenknecht mahnte auch beim Klimaschutz Augenmaß bei ihrer Partei an. „Wenn Teile der Linken die CO2-Steuer befürworten, die Pendler und die Mittelschicht außerhalb der Großstädte hart treffen würde, müssen wir uns nicht wundern, dass sich viele abwenden.“
Quelle: Leipziger Volkszeitung
Anmerkung Marco Wenzel: Siehe dazu auch: “Kipping und Riexinger sollten gehen. An ihre Stelle müssen Personen treten, die die Breite der Linkspartei vertreten. Ohne Streit.“
Sowie: “LINKE hört (endlich) die Signale: Die Wahlschlappen müssen Folgen haben“.
- US-Justizministerium sucht mit allen Mitteln, Assange wegen Spionage anzuklagen
Während Manning weiter erpresst wird und jetzt pro Tag 1000 US-Dollar Strafe zahlen soll, die sie in Beugehaft verbringt, scheint die Staatsanwaltschaft nun zu glauben, dass sie ihren Willen nicht brechen kann, unter dem Druck Belastendes gegen Assange zu sagen oder zu erfinden. Daher wurde nun wahrscheinlich auch der Stratfor-Hacker Jeremy Hammond zur Vernehmung vor einer Grand Jury in Virginia gegen seinen Willen nach Virginia verlegt. Es dürfte dieselbe Grand Jury sein, die auch Mannings Widerstand zu brechen sucht.
Stratfor Global Intelligence ist eine Newssite über Geopolitik und Geheimdienste. Hammond war Mitglied der Gruppe LulzSec und wurde wegen eines Hackerangriffs auf Stratfor 2011 im Jahr 2013 zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte, was er zugab, gehackte Emails an WikiLeaks weitergegeben und 60.000 Kredikarteninfos geklaut, mit denen er als eine Art Robin Hood Geld an Stiftungen und Hilfsorganisationen überwies. Geholfen hatte ihm bei dem Hack ein “Hackerkollege”, der auch FBI-Informant war, also ein V-Mann. Er wurde also vermutlich zu der Tat angestiftet.
Hammond sitzt weiter seine Gefängnisstrafe ab, ein gutes Opfer, um mit ihm einen Deal zu machen. Eigentlich hätte er gute Chancen gehabt, schon Ende des Jahres freizukommen, aber genau das dürfte nun zum Druckmittel werden. Er wurde bereits nach Virginia verlegt, um dort vor der Grand Jury vernommen zu werden. Natürlich wieder geheim, was der Grund ist, warum Manning sich weigert, dort auszusagen.
Das US-Justizministerium kann sich ziemlich sicher sein, dass das eng verbündete Großbritannien, auch ein Five-Eyes-Mitglied, aus politischen Gründen, die mit dem Brexit noch stärker wurden, Assange ausliefern werden – es sei denn, dass die Brexit-Gegner eine Kehrtwende einleiten.
Quelle: Telepolis
- Jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte arbeitet für Niedriglohn
Bundesweit verdienten 4,14 Millionen Menschen – 19,3 Prozent der Vollzeitbeschäftigten – weniger als 2203 Euro brutto im Monat, wie aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linke-Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl hervorgeht. Das Papier liegt der Deutschen Presse-Agentur vor, zuvor hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) darüber berichtet. 2203 Euro im Monat sind die sogenannte Niedriglohnschwelle.
“Die Bundesregierung lässt die Menschen in ihrer Not allein und hält an ihrer verfehlten Arbeitsmarktpolitik fest”, sagte Ferschl dem RND. Hartz IV habe Dumpinglöhne hervorgerufen, Millionen Menschen könnten von ihrer Arbeit nicht leben. “Das kann sich eine Demokratie auf Dauer nicht leisten.”
Zwischen West- und Ostdeutschland klafft den Angaben zufolge eine große Lücke: Lag in Westdeutschland der Anteil der Niedriglöhner bei 16,5 Prozent, waren es in Ostdeutschland 32,1 Prozent. 26,5 Prozent der vollzeitbeschäftigten Frauen arbeiteten für einen Niedriglohn, bei den Männern waren es 19,3 Prozent. Ziemlich hoch ist der Anteil der jungen Niedriglöhner: In der Altersgruppe unter 25 Jahren waren es 40,6 Prozent.
Quelle: Merkur
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Für Gesamtdeutschland eine grauenhafte Situation, aber für Ostdeutschland noch einmal viel schlimmer: da arbeitet jeder Dritte für einen Niedriglohn. Und dann tut man ganz verwundert, warum die Ostdeutschen mit ihrer Lage nicht zufrieden sind. Daß die Klatsche für CDU und SPD bei den Landtagswahlen nicht noch krasser ausgefallen ist, ist reines Glück – es gibt keine Garantie, daß die labile Gerade-noch-so-Mehrheit von Dauer sein wird. Ferschl sagt zu Recht, daß sich eine Demokratie eine solche Arbeitsmarktpolitik auf Dauer nicht leisten kann – nicht nur die AfD, auch die anderen Parteien sind Undemokraten, wenn man unter “Demokratie” die Herrschaft der Mehrheit versteht, gegen deren Interessen sie regieren.
- Antisozialer Patriotismus: Die Rentenpläne der AfD
Vor den anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im September beziehungsweise Oktober inszeniert sich die ostdeutsche AfD als Fürsprecherin der Benachteiligten – und all jener, die sich benachteiligt fühlen. Allerdings zeigt sich die vermeintliche „Kümmererpartei“ gerade hinsichtlich ihres Rentenkonzepts nicht nur zutiefst gespalten, sondern auch hochgradig unsozial. Dort, wo vielen Menschen aufgrund längerer Arbeitslosigkeit und/oder schlecht bezahlter (Leih-)Arbeit künftig Altersarmut droht, plädiert der völkisch-nationalistische und in weiten Teilen rechtsextreme Parteiflügel um Björn Höcke, dem Landes- und Fraktionsvorsitzenden der thüringischen AfD, für einen „solidarischen Patriotismus“, der all jenen zugutekommen soll, die eine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Dagegen setzt der national- bzw. wirtschaftsliberale Flügel um Bundessprecher Jörg Meuthen und die Bundestagsfraktionsvorsitzende Alice Weidel weniger auf staatliche Interventionen als auf den (Finanz-)Markt, das Prinzip Eigenverantwortung und individuelle Selbstvorsorge. ….
Auch sechseinhalb Jahre nach ihrer Gründung hat die AfD immer noch kein Rentenkonzept verabschiedet. Die Vielzahl unausgegorener Papiere der verschiedenen Parteigruppierungen sollte eigentlich im September dieses Jahres auf einem Sonderparteitag zur Sozialpolitik in einen Beschluss münden. Doch da die AfD in der Rentenpolitik nach wie vor heillos zerstritten ist, verschob ihr Bundesvorstand den Parteitag kurzerhand auf das kommende Jahr. Bis dahin kann jede Strömung ihr eigenes Konzept als mehrheitsfähig präsentieren – und damit auf Wählerfang gehen. …
Auf Drängen von Björn Höcke beschloss der neunte AfD-Bundesparteitag im Sommer 2018, den inzwischen verschobenen Sonderparteitag abzuhalten, um das Grundsatzprogramm im Bereich der Sozialpolitik zu ergänzen. In seinem damaligen Vorstandsbericht warf Jörg Meuthen dem Höcke-Flügel vor, „eine letztlich sozialistische Lösung nach dem Modell der Bürgerversicherung“ zu favorisieren, und plädierte stattdessen für einen „Systemwechsel weg vom zwangsfinanzierten Umlagesystem“, ohne jedoch mehr als vage Andeutungen zu machen, wie die Altersvorsorge künftig organisiert werden soll.
Erst drei Monate später legte der Parteivorsitzende ein 26 Seiten umfassendes Rentenkonzept für die AfD vor. In seinem Papier mit dem dramatisch klingenden Titel „Ansätze zur Entschärfung einer tickenden Zeitbombe“ behauptete Meuthen, dem auf einem „Generationenvertrag“ beruhende Rentensystem drohe aufgrund des demographischen Wandels der Zusammenbruch, wenn nicht energisch gegengesteuert werde. …
Quelle: Christoph Butterwegge in den Blätter für deutsche und internationale Politik
Anmerkung JK: Beachtlich ist, dass man in der AfD offenbar auf neoliberalen „Rentenkonzepten“ der Bertelsmann Stiftung und der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft baut.
- Jede zweite Neueinstellung ist befristet
Rasanter Anstieg bei Befristungen ohne Sachgrund
Über 3 Millionen Menschen in Deutschland hatten 2018 einen befristeten Arbeitsvertrag. Das sind doppelt so viele wie 1996. Besonders betroffen sind Frauen und junge Menschen sowie Beschäftigte in Teilzeit oder ohne deutschen Pass. Ein Ende des Trends ist nicht in Sicht.
(…) Dieses Wachstum wird größtenteils vom rasanten Anstieg der sachgrundlosen Befristungen angetrieben. Während Befristungen mit Sachgrund seit 2001 anteilig auf mehr oder weniger demselben Niveau der Gesamtbeschäftigung bleiben, hat sich der Anteil derer ohne Grund verdreifacht…
Qualifikation kein Schutz vor Unsicherheit
Gravierend ist vor allem, dass eine berufliche Qualifikation oder ein Studium nicht einmal in Zeiten von verstärktem Fachkräftemangel vor befristeten Verträgen und Unsicherheit schützen. Der Anteil der Befristungen bei Neueinstellungen ist bei Hochqualifizierten am größten und absolut gesehen sind die meisten befristet Neueingestellten ausgebildete Fachkräfte (knapp zwei Millionen)…
Regierung muss handeln
Die Regierungsparteien haben im Koalitionsvertrag vereinbart den Missbrauch von jahrelangen Kettenbefristungen und von Befristungen ohne Sachgrund abzuschaffen. Dem müssen jetzt endlich auch Taten folgen.
Der DGB fordert:
- die Abschaffung von sachgrundlosen Befristungen
- die Einschränkung von Befristungsgründen
- eine Maximaldauer von Kettenbefristungen mit einer Maximalanzahl von Vertragsverlängerungen.
Quelle: DGB
- IMMER DIESELben
[…] Passend dazu schickte mir mein klimaskeptischer Freund S. dann auch das Link zu einem Artikel mit dem Titel “Gerichtsurteil stürzt CO2-Papst vom Thron” zu und merkte dazu an: “Deine “Fakten” zum Klima sind nicht einmal gerichtsfest!”
In dem Artikel wird behauptet, ein kanadisches Gericht hätte die Daten des berühmten Hockeyschläger-Diagramms zur Erderwärmung des Klimatologen Michael Mann überprüft und verworfen. Tatsächlich ging es bei diesem Verfahren gar nicht um die Daten, sondern um eine Beleidigungsklage, die Dr.Mann vor acht Jahren gegen den emeritierten Geographieprofessor Dr.Ball angestrengt hatte, weil dieser ihm in einem Interview Betrug unterstellt hatte. Jetzt hatte Ball beim Gericht ein Gnadenersuch eingereicht – aus Gründen seines hohen Alters (80), schlechter Gesundheit (Herzinfarkt) sowie wegen der ohnehin geringen Glaubwürdigkeit, die seine Äußerungen in der wissenschaftlichen Community hätten. Diesem Ersuchen hat das Gericht stattgegeben, eine schriftliche Begründung liegt noch nicht vor. Sicher aber ist, dass es bei diesem Rechtsstreit gar nicht um den “Hockeyschläger” geht, denn die zugrunde liegenden Daten (die seit langer Zeit öffentlich vorliegen) hat das Gericht gar nicht untersucht. […]
etzteres trifft auf jeden Fall zu, denn die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit dieses Dr. Timothy Ball ist mehr als bescheiden, in einem Gerichtsverfahren 2018, das der Klimaforscher Andrew Weaver gegen seine Behauptungen angestrengt hatte, befand das Gericht, dass der “Skeptiker” Dr.Ball trotz seines Doktortitels nicht ernst zu nehmen sei . Ball zählt zu den sogenannten Kreationisten, die die Evolutionstheorie ablehnen und saß im Vorstand des pseudo-wissenschaftlichen Think Tanks “Friends of Science”, der…oops… von der Öl-Industrie gesponsort wurde. Dass es IMMER DIESELben sind – Big Oil – die hinter der “Klimaskepsis” auftauchen, ist kein Wunder, sie fördern die Verbreitung der “Skepsis” von Beginn an. Obwohl (bzw.: weil) eine Studie von Exxon Mobile schon 1983 dieselbe Erderwärmung prognostizierte, wie sie 15 Jahre später das Hockey-Stick-Diagramm von Mann et.al. ermittelte und wie sie seitdem dutzendfach bestätigt wurde.
Das jetzige Gerichtsurteil stürzt also keineswegs einen “CO-2 Papst vom Thron”, der Angeklagte Tim Ball hat das Verfahren weder “gewonnen”, noch wurde der “Hockey-Schläger” vom Gericht für falsch oder ungültig erklärt, denn das Gericht hat sich mit dieser Frage überhaupt nicht befasst. Auch die Behauptung, dass Michael Mann nun die Anwaltskosten von Ball bezahlen muss, ist falsch. Dass zu diesem Urteil nun ein linker Ex-Stasi-Mann wie Rainer Rupp auf KenFM dieselben triumphalistischen Fake News verbreitet wie die rechte “Achse des Guten” und diese merkwürdige Querfront einen wissenschaftlichen Quacksalber als großen Sieger feiert, wirft ein bezeichnendes Licht darauf, wie stark die Debatte um die Erderwärmung aus dem Ruder gelaufen gelaufen und zu einem Glaubenskrieg geworden ist.
Quelle: Mathias Broeckers
Anmerkung Jens Berger: Skepsis ist immer wichtig – auch und vor allem dann, wenn sie sich gegen die Aussagen der sogenannten „Klimawandel-Skeptiker“ richtet. Es ist erstaunlich, wie gleichförmig sich die Fake News zu diesem Fall auch in zahlreichen (meist AfD-nahen) alternativen Medien in Deutschland verbreiten. Der Eine schreibt vom Anderen ab und niemand überprüft den Wahrheitsgehalt. Und da ja „Alle das Gleiche schreiben“, muss es auch stimmen. Oder auch nicht. Dieses Schema unterscheidet sich vom Kampagnenjournalismus der “Großen” nur marginal.
dazu: Why would Michael Mann, who invented the “hockey stick” model, refuse to release his cherry-picked research data in a court of law?
There are so much nonsense floating around regarding this silly court case, where do I even start?
The link attached here refers to a conspiracy denier blog and the creationist Tim Ball, who again, had to use the insanity defense to weasel himself out of a court trial. As he has done several times in the past.
Takeaways:
The BC Court never made any finding that Mann failed to produce any data.
Judge found written attack on Michael Mann too ludicrous to be libel
Ball requested that the lawsuit be terminated.
Thus Michael Mann didnt lose the case.
The hockey Stick is not broken, its stronger han ever.
No science will ever be challenged by creationists from fossil fuel funded astroturf anti-science think tanks.(Friends of science).
This is just another attack on science and scientists from corporate polluters and their Denial for profit machine..
Quelle: Roger Fjellstad Olsen
- Verzweifelte deutsche Eltern der “Verschwundenen” beim G7
Auf dem Weg ins baskische Lekeitio wurden drei junge Menschen aus Nürnberg in Frankreich inhaftiert – Die Eltern haben auch zwei Wochen später noch keinen Kontakt zu ihnen
Telepolis hatte von den drei Jugendlichen aus Nürnberg, die unter sonderbaren Umständen vor dem G7-Gipfel im französisch-baskischen Biarritz in eine Polizeikontrolle gerieten und inhaftiert wurden, kürzlich berichtet. Aus Zufall hatte der in zwei Fällen illegal abgeschobene freie Mitarbeiter von Radio Dreyeckland (RDL) in Freiburg im kleinen Gefängnis von Hendaye Kontakt zu den jungen Leuten zwischen 18 und 22 Jahren und konnte nach der Abschiebung über ihr Schicksal berichten.
Nun liegt Telepolis ein Offener Brief der Eltern vor. Sie sind völlig verzweifelt und wenden sich deshalb an die Öffentlichkeit. Sie machen deutlich, dass auch die minimalsten Rechte der Gefangenen wie z.B., sich mit ihren Eltern in Verbindung zu setzen, in Frankreich ausgehebelt werden. Dort hat man während des G7-Gipfels in Biarritz eine Art “nicht erklärten Ausnahmezustand” hergestellt, der offensichtlich weiter andauert. “Wir wenden uns in unserer Verzweiflung an Sie, da unsere Kinder unter rechtsstaatlich fragwürdigen Umständen in Frankreich verschwunden sind”, schreiben die Eltern.
Sie bestätigen die Darstellung, wonach sich die drei Nürnberger auf den Weg ins spanisch-baskische Lekeitio befanden, das im Sommer immer wieder von Nürnbergern besucht wird. Aus der Reisegruppe von 10 Personen fehlten dann die drei jungen Männer, die nicht zum verabredeten Campingurlaub eingetroffen waren. Denn sie waren an einer Kontrolle abgefangen und im Schnellverfahren zu 2 und 3 Monaten Haft verurteilt worden, wie an dieser Stelle berichtet wurde. Wie in anderen Städten wurde auch in Lekeitio gegen die Inhaftierung protestiert.
Quelle: Telepolis
- Nimm das, Rezo!
150 000 Aufrufe und 30 000 Dislikes: Wie die CSU sich auf Youtube lächerlich macht.
Die CSU hätte gerne – wer hätte das nicht? – ein moderneres Image. Sie möchte erfolgreicher sein, sprich: grüner, sozialer, achtsamer, hipper und jünger. Daher sah man zuletzt Bilder, auf denen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder Bäume umarmt. Und aus demselben Grund baut die Partei gerade ihre Kommunikationsabteilung komplett um. Das alte Schlachtross Bayernkurier etwa schickt man in den wohlverdienten Ruhestand. Und Social Media soll künftig – na klar – eine größere Rolle spielen. Im Herbst wird die neue Strategie vorgestellt. Und nun? Prescht die Berliner Landesgruppe wieder vor und droht, die schicke neue Medienkompetenz zu unterminieren.
“Armin” heißt die mediale Waffe, die Landesgruppenchef Alexander Dobrindt auf Youtube ins Rennen schickt. Am Samstag ging Armin Petschner, der im analogen Leben Social-Media-Verantwortlicher der CSU-Landesgruppe ist und im Netz ohne Nachnamen auskommt, mit einem Fünfminuten-Video online. […]
Bisher sieht es nicht so aus, als hätte sich die CSU mit der Reihe einen Gefallen getan. Die Machart des Videos wirkt, als sei man einem Bauplan für jugendliche Youtube-Beiträge gefolgt, hektische Umschnitte, hyperironischer Tonfall, Sprechblasen- und genretypische “Fail”-Einblendungen als Bewertungsgadget inklusive. Die Zuschauer scheinen das in etwa so glaubwürdig zu finden wie die Facebook-Party, zu der einst Horst Seehofer in die Münchener Edeldisco P 1 lud und für die Dobrindt damals als CSU-Generalsekretär verantwortlich zeichnete. Schon auf die ersten 150 000 Aufrufe kamen rund 30 000 Dislikes.
Die Kommentare fielen angesichts der Anbiederei verheerend aus.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Anmerkung Jens Berger: Dieses Video zeigt vor allem, wie ernst die CSU junge Wähler nimmt … nämlich überhaupt nicht.
- Antikriegstag
Nie wieder Krieg! Das war die Lehre, die die Deutschen aus dem Zweiten Weltkrieg gezogen hatten. Folgerichtig setzte unsere Außenpolitik auf gute Nachbarschaft, auf Abrüstung, gemeinsame Sicherheit, auf Frieden und Entspannung. Bundeskanzler Willy Brandt erhielt dafür den Friedensnobelpreis.
Heute haben die meisten Politiker die Lehren des Zweiten Weltkriegs vergessen. Merkel, Kramp-Karrenbauer, Scholz, Maas, Habeck, Lindner und auch Gauland setzen – wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten – auf Aufrüstung und Kriegsbeteiligung. Auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts soll der Militärhaushalt steigen, wenn es nach Merkel und Kramp-Karrenbauer geht. Deutschland würde dann mehr Geld für Rüstung und Krieg ausgeben als Russland.
An den Sanktionen, die von der „kriegerischsten Nation der Weltgeschichte“ USA (Jimmy Carter) betrieben werden, beteiligt sich die Bundesregierung und ist damit mitverantwortlich für den Tod vieler Menschen. Allein in Venezuela kamen in einem Jahr 40.000 Menschen ums Leben, weil laut den US-Ökonomen Jeffrey Sachs und Mark Weisbrot die notwendigen Medikamente fehlten – die selbstverständlich auch Deutschland liefern könnte.
Deutsche Truppen stehen wieder an der russischen Grenze, die Bundeswehr beteiligt sich an völkerrechtswidrigen Kriegen von Jugoslawien bis Syrien und deutsche Politiker faseln von Kriegsschiffen an der Straße von Hormus. Als ich Kramp-Karrenbauer nach ihrer Amtseinführung als Kriegsministerin bezeichnete, waren einige hellauf empört. Es scheint, wir beteiligen uns an völkerrechtswidrigen Kriegen und wissen es noch nicht einmal. Selbst die Grünen sind meist dabei. So, als seien Waffenlieferungen und Kriege Beiträge zum Umwelt- und Klimaschutz.
Als ich in den 80er Jahren mit einem Germanistik-Professor durch Sofia spazierte, blieb er vor dem „Verteidigungsministerium“ stehen und sagte: „Siehst Du, hier beginnt die Lüge. Früher stand da oben: ‘Kriegsministerium’. Solange der US-Kriegshaushalt von über 700 Milliarden Dollar „Verteidigungshaushalt“ heißt, wird die Welt belogen. Die „westliche Wertegemeinschaft“, die unter Führung der USA für viele blutige Kriege verantwortlich ist – ich erinnere nur an den vergessenen Krieg im Jemen – und ihre Propaganda-Medien orientieren sich immer noch an Churchill: „Im Krieg ist die Wahrheit so kostbar, dass sie immer von einer Leibwache von Lügen umgeben sein sollte.“
Siehe dazu auch den engagierten Artikel von Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten.
Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook