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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 30. August 2019 um 8:10 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Wenn es still wird um „la bestia“
  2. Paritätisches Jahresgutachten: Verband konstatiert wachsende soziale Ungleichheit und fordert neue soziale Sicherungspolitik
  3. Grundlegender Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik ist notwendig
  4. Bundeswirtschaftsminister: Peter Altmaier legt Mittelstandstrategie vor
  5. Für dumm verkauft: Privatisierungsprogramm der Ära Roland Koch kommt hessische Landesregierung teuer zu stehen
  6. Geschäftsmodell Krieg
  7. Donald Trump ist nach einer Umfrage der Verlierer
  8. Zwischen Hammer und Amboss: USA bestrafen Ukraine für Deals mit China
  9. Mathew D. Rose – Germany: Liberal Democracy is Rotting from its Core
  10. Vivantes setzt Ex-Betriebsrat unter Druck
  11. FDP-Chef: Lindner will Staatsüberschuss an Bürger ausschütten
  12. Kolonialismus: Chancen und Grenzen eines postkolonialen Denkens
  13. Plastik als Risiko: Kunststoff verschmutzt die Böden – mit Folgen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Wenn es still wird um „la bestia“
    Der italienische Innenminister Matteo Salvini ist vorerst Geschichte. Der Mann, der den Kampf gegen das Mittelmeer und die Migration zu seinem Markenzeichen werden ließ, scheiterte am Ende an eigener Hybris. Sie gilt als politische Todsünde, besonders in Italien
    Weißer Rauch stieg über dem italienischen Parlament auf, nachdem Staatspräsident Mattarella heute den Ministerpräsidenten Giuseppe Conte mit der Regierungsbildung beauftragt hat – zwischen den Fünfsternen und der Demokratischen Partei. Ein Bündnis, das vor weniger als einem Monat noch so unwahrscheinlich war, wie ein Tattoo auf dem Oberarm von Angela Merkel.
    Während in den italienischen Tageszeitungen um die Ministerposten gewürfelt wird, lästert Beppe Grillo, legendärer Gründervater der Fünfsterne, über die Poltronofilia, was mit „am-Sessel-kleben“ nur unzureichend übersetzt ist. Er fordert, die Ministerposten nicht mit Politikern, sondern mit Menschen zu besetzen, die sich durch Fachkompetenz auszeichnen. Es wäre eine Revolution in Italien.
    Medien, die der Demokratischen Partei nahestehen
    Der größte Verdienst dieser italienischen Regierungskrise liegt bereits darin, nicht mehr mit Salvini bombardiert zu werden: mit seinen Tweets, seinen Facebook-Posts, seinen Videos – im Minutentakt fabriziert von seiner Kommunikationsabteilung, die den geschmackvollen Namen „la bestia“ trägt.
    Richtig aufgeblasen wurde Salvini nicht nur von la bestia und seinen Partnern in crime, der ultrarechten Partei Fratelli D’Italia und der vor sich hinbröselnden Berlusconi-Partei Forza Italia, sondern auch und vor allem von den Medien, die der Demokratischen Partei nahestehen – weil die Demokraten Matteo Salvini als Vogelscheuche brauchten. Wie man an Salvinis Wahlerfolgen bei den Europawahlen sah, ging das allerdings nach hinten los: Mehr Werbung hätte er nicht wünschen können. […]
    Auch bei den Wahlen 2013 wären die Fünfsterne bereit gewesen, mit der demokratischen Partei zu regieren, falls diese für Stefano Rodotà als Staatspräsidenten gestimmt hätten. Rodotà war ein unabhängiger Jurist, der sich damit bewährt hatte, die linksdemokratische Partei nach dem Fall der Mauer und dem Zusammenbruch des italienischen Parteiensystems Anfang der 1990er Jahre aus den noch rauchenden Trümmern der kommunistischen Partei überhaupt erst entstehen zu lassen.
    Weil die Fünfsterne damals aber als Aussätzige galten, ungeachtet ihres Wahlerfolgs von über 25 Prozent, wurde der Altpräsident Napolitano wieder in seinem Amt bestätigt. Dafür gab es im italienischen Parlament standing ovations. Alle feierten, außer den Fünfsternen. Berlusconi so glücklich zu sehen, war für viele Italiener übrigens ein Gefühl, als würde jeder Zehennagel einzeln herausgezogen werden. Das größte Problem haben jetzt die Medien, die sowohl in Italien, als auch in Deutschland die Fünfsterne immer wieder als eine Art Beulenpest beschrieben haben. Die müssen jetzt etwas rudern. Aber sie sind ja wendig.
    Quelle: Petra Reski im Cicero

    dazu: Salvinis Flop
    Es klang wie ein Seufzer der Erleichterung. Mit Conte, das weiß man in Brüssel, kann die EU konstruktiv zusammenarbeiten. Mit dem bisherigen Innenminister und Lega-Führer Matteo Salvini konnte man es nicht. Vor allem in der Flüchtlings- und in der Finanzpolitik war Salvini für die EU ein rotes Tuch. Der Rechtspolitiker sperrte italienische Häfen für Rettungsboote und drohte, sich über die strikten EU-Haushaltsregeln hinwegzusetzen.
    Allerdings werden die Probleme auch mit Conte nicht über Nacht verschwinden. Er hat zwar eine humanere Migrationspolitik angekündigt und dürfte, so hofft man in Brüssel, keine neuen Flüchtlingsdramen provozieren. Doch an der katastrophalen Lage in Libyen – von wo aus die meisten Boote gen Italien ablegen – ändert sich ebenso wenig wie am Streit um die Seenotrettung. Wie es weiter geht, soll ein EU-Krisentreffen am 19. September auf Malta klären.
    Auch am italienischen Schuldenberg wird sich nichts ändern. Er ist auch in den Jahren weiter gewachsen, in denen sich Rom an die strikten EU-Vorgaben hielt. Schuld sind die Schuldenregeln, die prozyklisch wirken. Und dann ist da noch die Unzufriedenheit der Italiener. Salvini hat sie populistisch ausgebeutet – doch auch sie verschwindet nicht über Nacht. Im Gegenteil: Eine neue Regierung ohne Wahl könnte den Frust noch verstärken.
    Quelle: Lost in Europe

    Anmerkung André Tautenhahn: Es liegt also an Brüssel und auch an Berlin, ob aus dem neuen Regierungsbündnis in Italien, das ja allenthalben begrüßt wird, auch etwas werden kann. Im Norden muss dafür aber eingesehen werden, dass die belehrenden Töne Richtung Rom, insbesondere was die Haushaltspolitik anbelangt, aufhören müssen. Geschieht das nicht, könnte einer wie Salvini sehr schnell wiederkommen. Lesen Sie dazu auch: Italien wagt den Aufstand gegen den Fiskalpakt.

    „Aus volkswirtschaftlicher Sicht hat Italien ein Wachstumsproblem. Aus Sicht der Brüsseler Austeritätsideologie hat Italien jedoch ein Schuldenproblem, das durch das Kürzen von Staatsausgaben behoben werden soll. Doch dieser Ansatz hat in der Realität noch nie funktioniert. Aus einer fortdauernden Wirtschaftskrise kann sich eine Volkswirtschaft nicht „heraussparen“. Der Staat müsste vielmehr Geld in die Hand nehmen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.“

  2. Paritätisches Jahresgutachten: Verband konstatiert wachsende soziale Ungleichheit und fordert neue soziale Sicherungspolitik
    Angesichts wachsender sozialer Ungleichheit warnt der Paritätische Wohlfahrtsverband in seinem aktuellen Jahresgutachten vor einer fortschreitenden Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Der Verband fordert den Ausbau der sozialen gemeinnützigen Infrastruktur in der Fläche, eine Stärkung individueller sozialer Rechte und Reformen der sozialen Sicherungssysteme. In seinen Jahresgutachten untersucht der Paritätische regelmäßig anhand von amtlichen Daten und der Bundesgesetzgebung, wie es um soziale Lage und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland steht. Das aktuelle Jahresgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass schwerwiegende und ungelöste soziale Probleme das Bild einer insgesamt guten gesamtwirtschaftlichen Lage trüben: „Die Einkommenszuwächse in Deutschland sind höchst ungleich verteilt, die Vermögenskonzentration und damit die Spreizung nehmen zu. Die immer tiefer werdende Kluft zwischen Arm und Reich gefährdet den sozialen Zusammenhalt massiv“, so Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands. Die gute Beschäftigungsentwicklung könne nicht über die tiefen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt hinwegtäuschen. Zudem gebe es massive Defizite in der Infrastruktur, wobei sich extreme regionale Disparitäten zeigen: „Von einer ‚Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse‘, wie sie das Grundgesetz fordert, sind wir sternenweit entfernt.
    Quelle: Paritätischer

    dazu auch: 6,48 Millionen Menschen leben von Arbeitslosengeld oder Hartz-IV-Leistungen
    Knapp 2,22 Millionen Arbeitslose gab es im Juni 2019. Doch mit über 6,48 Millionen lebten fast dreimal so viele Menschen in Deutschland von Arbeitslosengeld oder Hartz-IV-Leistungen, darunter 1,94 Millionen Kinder und Jugendliche. Denn nur ein Teil derer, die staatliche Unterstützung benötigen, gilt auch als arbeitslos im Sinne der Statistik.
    Im Juni (teilweise aktuellste verfügbare Werte durch Wartezeiten in der Statistik) gab es knapp 2,22 Millionen Arbeitslose gemäß der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA). Gleichzeitig lebten aber rund 6,48 Millionen Menschen von Arbeitslosengeld und/oder Hartz-IV-Leistungen. Rund 767.000 Menschen bezogen Arbeitslosengeld und knapp 5,79 Millionen Menschen lebten in einem Hartz-IV-Haushalt, einer so genannten Bedarfsgemeinschaft, darunter über 1,94 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren (Mai 2019). 71.000 (gerundeter Wert aus April, aktuelle Zahlen sind nur mit Wartezeit verfügbar) von ihnen waren Doppelbezieher von Arbeitslosengeld und Hartz-IV-Leistungen.
    Quelle: O-Ton Arbeitsmarkt

  3. Grundlegender Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik ist notwendig
    „Noch immer arbeitet rund jeder fünfte Beschäftigte zu einem Niedriglohn. Eine Million Menschen müssen ihr Arbeitseinkommen mit ergänzenden Hartz-IV-Leistungen aufstocken und immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen mehreren Jobs nach. Fast ein Drittel der Erwerbslosen ist langzeiterwerbslos. Seit Amtsantritt der Bundesregierung hat sich nichts an der Schieflage am Arbeitsmarkt geändert. Wir brauchen einen grundlegenden Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik“, erklärt Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zum aktuellen Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit. Zimmermann weiter:
    „Von Arbeit muss man leben können. Dazu muss unter anderem der Mindestlohn auf zwölf Euro in der Stunde erhöht werden. Die Tarifbindung ist zu stärken und Minijobs sind in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu überführen. Wir brauchen einen starken öffentlich geförderten Beschäftigungssektor mit ausreichend existenzsichernden Stellen. Die soziale Absicherung bei Erwerbslosigkeit muss dringend verbessert werden. Mehr Menschen müssen Zugang zur Arbeitslosenversicherung bekommen. Hartz IV muss durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzt werden, die wirklich vor Armut schützt und Teilhabe ermöglicht.“
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag

    dazu: Was die offizielle Arbeitslosenzahl verschweigt: 3,18 Millionen Menschen ohne Arbeit
    Im August meldet die Bundesagentur für Arbeit knapp 2,32 Millionen Arbeitslose. Das gesamte Ausmaß der Menschen ohne Arbeit bildet die offizielle Zahl jedoch nicht ab. Denn knapp 863.000 De-facto-Arbeitslose sind nicht in der Arbeitslosen-, sondern in der separaten Unterbeschäftigungsstatistik enthalten. Im August 2019 gab es offiziell knapp 2,32 Millionen Arbeitslose. Das sind rund 103.000 Personen mehr als im Vormonat. Nicht in der offiziellen Arbeitslosenzahl enthalten sind allerdings knapp 863.000 ebenfalls faktisch Arbeitslose, darunter

    • knapp 627.000 Menschen, die an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnahmen,
    • knapp 65.000 am Tag der Erfassung Krankgeschriebene und
    • rund 171.000 über 58-Jährige, die innerhalb der letzten 12 Monate kein Jobangebot erhielten.

    Quelle: O-Ton Arbeitsmarkt

  4. Bundeswirtschaftsminister: Peter Altmaier legt Mittelstandstrategie vor
    Weniger Bürokratie, weniger Steuern, mehr Digitalisierung: Wirtschaftsminister Peter Altmaier will mit seiner Mittelstandstrategie besonders kleine Unternehmen entlasten.
    Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat die Eckpunkte der angekündigten Mittelstandstrategie vorgestellt. Mithilfe der Strategie soll die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittelständiger Unternehmen gestärkt werden. Unter anderem plane er eine umfassende Unternehmenssteuerreform, Bürokratieabbau und Investitionen in Digitalisierung. Der Mittelstand sei weit mehr als nur ein Wirtschaftsfaktor, sondern ein “zentraler Faktor des gesellschaftlichen Zusammenhalts” in Deutschland, sagte Altmaier.
    Gelingen soll dies durch einen Dreiklang aus “Wertschätzung, Stärkung und Entlastung”. Kernstück von Altmaiers Strategie, soll dabei die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sein. “Wir müssen die steuerlichen Belastungen des Mittelstands reduzieren, indem wir den Soli schrittweise vollständig abschaffen”, sagte Altmaier. Zudem sprach er sich für einen “Steuerdeckel” aus, der die Steuerbelastung von Personenunternehmen auf maximal 45 Prozent festschreibt.
    Die Sozialabgaben sollen langfristig unter 40 Prozent gehalten und die hohen Rücklagen in der Arbeitslosenversicherung für eine Beitragssenkung genutzt werden. Außerdem sollen kleine und mittlere Betriebe durch zusätzlichen Bürokratieabbau um mehr als eine Milliarde Euro entlastet werden.
    Auch Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und Unterstützung für den Mittelstand bei der Digitalisierung sind in den Eckpunkten vorgesehen. Aus Sicht des CDU-Politikers reicht das Fachkräfteeinwanderungsgesetz allein nicht aus. Er fordert, dass Deutschland aktiver als bisher auf ausländische Fachkräfte zugeht. Gemeinsam mit der Wirtschaft plane er Projekte zur gezielten Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die angebliche “Mittelstandstrategie” besteht aus dem angebotsorientierten Sammelsurium, mit dem Altmaier seit Jahren die Öffentlichkeit quält: Unternehmensteuern senken, Sozialbeiträge und -ausgaben kürzen, “Bürokratieabbau” (z. B. durch Verzicht auf den Zwang zur Erfassung von Arbeitszeiten). Mit anderen Worten alles Dinge, die entweder dem Staat (Steuersenkungen) oder den Arbeitnehmern (Sozialabbau) und auch der Konjunktur in der aktuellen Rezession maximal schaden. Wichtig ist Altmaier natürlich, die Löhne möglichst niedrig zu halten (“Wettbewerbsfähigkeit”). Besonders gelungen auch die Idee, “die hohen Rücklagen in der Arbeitslosenversicherung für eine Beitragssenkung [zu nutzen]” – einen Artikel weiter wird eine Erhöhung der Arbeitslosigkeit gemeldet, und die Rezession hat gerade erst angefangen. Der völlige Irrsinn. Von sinnvollen Konjunkturhilfen, insbesondere Investitionen in die verlotternde Infrastruktur, besseren Sozialleistungen und der Forderung nach deutlichen Lohnerhöhungen, die alle die Konjunktur anschieben würden, ist nichts zu lesen; Altmaier ist ein neoliberaler Totalausfall.

  5. Für dumm verkauft: Privatisierungsprogramm der Ära Roland Koch kommt hessische Landesregierung teuer zu stehen
    Zwischen 2004 und 2006 hatte die CDU-Alleinregierung landesweit mehr als 50 öffentliche Einrichtungen – Polizeipräsidien, Finanzämter und Behördenzentren – an Privatinvestoren verkauft, um sie anschließend für die Dauer von bis zu 30 Jahren zurückzumieten. In der Immobilienstrategie mit dem Namen »Leo« sehen Kritiker ein dickes Minusgeschäft für die Steuerzahler, weshalb es in der Vergangenheit wiederholt Diskussionen über Sinn und Unsinn der Geschäfte gegeben hatte.
    Für dumm verkauft wurden vor allem die Bürger. Schon damals wussten alle beteiligten Akteure, dass die kurzfristigen Verkaufserlöse nur zum Preis eines langfristigen Minusgeschäfts zu haben sind. Nach Regierungsangaben hat das Land knapp 2,1 Milliarden Euro durch die Deals eingenommen. Dem stehen jedoch Mietausgaben von 1,5 Milliarden Euro nur bis 2018 gegenüber. Rechnet man die für das laufende Jahr veranschlagten 133 Millionen Euro bis ins Jahr 2034 hoch, könnte sich die Gesamtlast allein durch die Mieten auf weit über drei Milliarden Euro belaufen. Dazu kommen noch immense Kosten für Sanierungen. Tatsächlich hatte sich das Land seinerzeit dazu verpflichtet, notwendige Maßnahmen zur Instandhaltung und Modernisierung aus eigener Kasse zu begleichen – bei laufenden Mietzahlungen.
    Quelle: junge Welt
  6. Geschäftsmodell Krieg
    Zum Antikriegstag am 1. September haben antimilitaristische Initiativen energischen Widerstand gegen die Geschäftspolitik des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall angekündigt. Geplant ist unter anderem ein Protestcamp im niedersächsischen Unterlüß, wo das Unternehmen Fertigungsstätten für Kampfpanzer und ein “Erprobungszentrum” für Waffen und Munition unterhält. Die Kritik entzündet sich vor allem an der Rheinmetall-Kooperation mit der Türkei, deren Armee extrem gewalttätig gegen die Bewohner der kurdischen Nordprovinzen Syriens vorgeht. Angegriffen wird zudem, dass der Konzern Überwachungstechnik zur Abschottung der EU-Außengrenzen bereitstellt – mit fatalen Folgen für Migranten. Darüber hinaus richten sich die Proteste gegen den Umgang des Unternehmens mit seiner NS-Geschichte, die neben der Kriegsproduktion die mörderische Ausbeutung von Zwangsarbeitern beinhaltete. Rheinmetall vermeldet unterdessen Rekordumsätze: Der “Trend zu weltweit steigenden Verteidigungsbudgets” sei “ungebrochen”, heißt es.
    Quelle: German Foreign Policy
  7. Donald Trump ist nach einer Umfrage der Verlierer
    Nach einer Umfrage von Quinnipiac University Poll erzielt er weniger Stimmen als seine demokratischen Konkurrenten. Für Joe Biden, dem Trump Anzeichen von Senilität nachsagt, würden 54 Prozent stimmen, für Trump nur 36 Prozent. (…)
    Biden ist noch der Hauptkonkurrent. Das ist vermutlich auch der Grund, warum Rudolph W. Giuliani, Ex-Bürgermeister von New York, der jetzt als Anwalt für Trump tätig ist, die neue ukrainische Regierung von Präsident Volodymyr Zelensky bedrängt, Ermittlungen in zwei Fällen aufzunehmen. Beide bringen Zelensky vor eine schwierige Entscheidung, denn wenn er Biden durch Ermittlungen schadet, könnten die Demokraten, zumal wenn ein Kandidat die Wahl gewinnt, die Ukraine hängen lassen, wenn er Trumps Ansinnen abweist, könnte ebenfalls die Unterstützung zurückgefahren werden. (…)
    Aber selbst wenn das Ansehen von Biden durch Giuliani, der angeblich privat ermittelt, beschädigt werden sollte, liegt Trump weiter hinter anderen Top-Kandidaten her: Bernie Sanders würde bei einer Entscheidung zwischen beiden mit 53 Prozent vor Trump mit 39 Prozent stehen, Elizabeth Warren mit 52 vs. 40 Prozent und Kamala Harris mit 51 vs. 40 Prozent. Auch Pete Buttigieg führt mit 49 vs. 40 Prozent. Die geringen Werte für Trump werden auf die Abwendung der weißen Frauen von Trump zurückgeführt, die ihn 2016 noch gewählt hatten. Jetzt würden jeweils zweistellig für den demokratischen Kandidaten stimmen.
    Mehr als 40 Prozent konnte Trump in der hypothetischen Stichwahl mit demokratischen Kandidaten in der Umfrage nicht erzielen. (…)
    Allerdings geht es in den USA nicht um die Mehrheit aller Wähler, die bestimmt, wer nächster Präsident wird. Letztlich entscheiden darüber die Wähler einiger Bundesstaaten. In den Swing States steht in dem Zwei-Parteien-Wahlsystem die Mehrheit auf der Kippe, nur wenige Stimmen können hier reichen, um entweder den Republikanern oder den Demokraten zum Sieg zu verhelfen. Auch bei der Präsidentschaftswahl 2016 wurde Trump nicht von der Mehrheit gewählt, sondern gewann aufgrund der Entscheidung in den Swing States, in denen er intensiv Wahlkampf führte.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung Christian Reimann: Wichtiger als dieses Umfrageergebnis dürften die kurzen Ausführungen über das Verhältnis der USA – hier insbesondere das der Demokraten – zur Ukraine sein. Angesichts dessen ist es doch irritierend, dass Joe Biden offensichtlich immer noch hohes Ansehen genießt.

  8. Zwischen Hammer und Amboss: USA bestrafen Ukraine für Deals mit China
    Der Sicherheitsberater des US-Präsidenten Donald Trump, John Bolton, ist nach Kiew gereist, um die ukrainische Regierung vom Verkauf der Hälfte der Anteile am Flugzeugtriebwerk-Produzenten Motor Sitsch an chinesische Investoren abzubringen. Als zusätzlicher Druckhebel ließ Trump bereits die Militärhilfen für die Ukraine einfrieren.
    Wie Journalisten des „Wall Street Journal“ (WSJ) unter Berufung auf Quellen in der Trump-Administration berichteten, besteht das Ziel des Besuchs Boltons vor allem darin, Kiew den Deal mit den chinesischen Firmen Skyrizon und Xinwei Group auszureden. (…)
    Natürlich will Kiew jede Möglichkeit nutzen, um ausländische Investitionen in die wichtigsten Wirtschaftsbranchen zu locken. Weil aber die Schwächung Chinas einer der Eckpfeiler der Außenpolitik Trumps ist, könnten die Versuche der Ukraine, ihre bereits lange anhaltende Wirtschaftskrise mithilfe Pekings zu überwinden, zu harten politischen Erpressungen seitens des Westens führen.
    Bolton traf am 27. August in Kiew ein – einige Tage vor dem Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenski und Trump am 1. September in Warschau am Rande der Gedenkveranstaltungen anlässlich des Beginns des Zweiten Weltkrieges. Der Zeitpunkt wurde nicht zufällig gewählt – sollte Bolton mit leeren Händen aus Kiew zurückkehren, wird Selenski schon am Sonntag erfahren, wie Washington mit ungehorsamen Partnern umgeht. (…)
    Der offensichtlichste Weg, um Kiew unter Druck zu setzen, ist der Internationale Währungsfonds (IWF). Die ukrainischen Staatsschulden belaufen sich auf 114,7 Milliarden Dollar – rund 70 Prozent des BIP. Die maximalen Auszahlungen in Höhe von 17 Milliarden Dollar entfallen gerade auf 2019-2020.
    Kiew muss neue Kredite aufnehmen, darunter vom IWF. Bis zum nächsten Frühjahr läuft das Stand-by-Programm, das drei Tranchen in Höhe von insgesamt 3,9 Milliarden Dollar vorsieht. Die erste Tranche (1,4 Milliarden) wurde im Dezember überwiesen, die zweite soll im Herbst kommen. Doch wenn der IWF auf Empfehlung Washingtons die Hilfszahlungen wegen Kiews Techtelmechtel mit Peking vorzeitig einstellt, schlittert die Ukraine in die Zahlungsunfähigkeit.
    Quelle: Sputnik
  9. Mathew D. Rose – Germany: Liberal Democracy is Rotting from its Core
    Most German establishment political parties have turned away from striving for a better society. In recent decades they have become profit-oriented service companies in a billion euro industry: selling laws, permits, public contracts, even protection, as we are seeing in the case of Volkswagen’s diesel defeat device, to the highest bidder. These parties have sold their autonomy and become a consolidated committee to manage the affairs of corporations and the wealthy.
    In the middle of August the powerful lobby organisation, the Federal Association of the German Energy and Water Industries (BDEW), whose most potent members are German coal and nuclear power companies, for the first time nominated a leading Green politician, Kerstin Andreae, as its CEO. Previously this position had been given to industry-friendly politicians from the Christian Union, Social Democrats, and Liberal Party. Ms Andreae will be resigning her mandate in the Bundestag to take up the better-paid job.
    One might wonder why, after the recent electoral successes of the Greens and their current record position in opinion polls, a Green politician would change sides? The answer is simple: for the money. Not that members of the Bundestag are poorly paid: 10,000 euros per month plus a couple of thousand more in perks. Lobbyists, however, tend to earn much more.
    Quelle: Brave New Europe
  10. Vivantes setzt Ex-Betriebsrat unter Druck
    Als der ehemalige Vivantes-Betriebsrat Volker Gernhardt den Pflegenotstand kritisiert, will er damit eigentlich Gutes tun: für Patienten wie Pflegekräfte. Jetzt wirft Vivantes ihm Geheimnisverrat vor und droht mit Klage.
    Volker Gernhardt hat als Betriebsrat die Arbeitsbedingungen in der Pflege beim landeseigenen Klinikkonzern Vivantes jahrelang aus nächster Nähe erlebt. Überlastung, Stress, zu wenig Zeit für die Patienten, solche Klagen hört er auch noch, seit er vor einem Jahr in den Ruhestand gegangen ist. Im Frühjahr wollte er wissen, ob die neuen Betreuungsschlüssel, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit Jahresbeginn in einigen Stationen eingeführt hatte, diesen Notstand verbessern – und rechnete nach.
    Seine Erkenntnis: Was bei Vivantes bisher Standard war, wird sich auch mit den neuen Personalvorgaben des Gesundheitsministers kaum ändern. Auch dann wären auf den betreffenden Stationen immer noch etwa doppelt so viele Pflegekräfte pro Schicht nötig, um die von Vivantes selbst gesteckten Maßstäbe zu erfüllen. Der rbb hatte über Gernhardts Schlussfolgerungen berichtet.
    Quelle: rbb 24

    dazu: Daten zum Pflegenotstand veröffentlicht: Vivantes setzt Whistleblower unter Druck
    Was zum guten Ton in der Außendarstellung gehört, das weiß man beim landeseigenen Klinikkonzern Vivantes. Die Unternehmensführung betone einen respektvollen Umgang miteinander, heißt es auf der Homepage des Unternehmens. „Zentrales Thema ist dabei: eine transparente Führung des Gesundheitsunternehmens.“ Allerdings beansprucht der Vorstand offenbar ein Transparenz-Monopol – also darauf, Transparenz entweder herzustellen, oder sie zu verhindern, wenn sie zu unbequem wird. Einen Whistleblower und langjährigen Betriebsrat setzt Vivantes jedenfalls juristisch unter Druck.
    Der Berliner Zeitung liegt ein von allen drei Geschäftsführern unterzeichnetes Schreiben vor, in dem der Konzern seinem früheren Mitarbeiter Volker Gernhardt mit rechtlichen Schritten droht. Er hatte Daten an die Öffentlichkeit gebracht, die das Ausmaß des Personalnotstands in der Krankenhauspflege verdeutlichen.
    Quelle: Berliner Zeitung

  11. FDP-Chef: Lindner will Staatsüberschuss an Bürger ausschütten
    Mehr Geld für alle: Geht es nach FDP-Chef Lindner, soll der Staat seinen Gewinn an die Bürger ausbezahlen. Das soll die Konjunktur ankurbeln.
    FDP-Chef Christian Lindner fordert, den Staatsüberschuss an die Bürger ausbezahlen oder zum Schuldenabbau einzusetzen. “Der Staat hat den Menschen Geld abgenommen, für das keine Leistung erbracht wurde – das gibt man im Geschäftsleben zurück”, sagte Lindner der “Bild”. “Ich fordere, mit dem Überschuss entweder Schulden zu tilgen oder das Geld als Einmalzahlung an die Bürger zu überweisen.”
    Für eine vierköpfige Familie kämen laut Lindners Berechnungen 600 Euro zusammen. Angesichts der Wirtschaftslage könne das “eine wichtige Konjunkturhilfe” sein. Denn durch das zusätzliche Geld könnte die Nachfrage in Schwung gebracht werden.
    Der deutsche Staat hat im ersten Halbjahr 2019 nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes einen Milliardenüberschuss erzielt. Trotz der Konjunkturflaute nahmen Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen unter dem Strich rund 45,3 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Es macht misstrauisch, dass Lindner tatsächlich mal NICHT das ganze Geld nur den Reichsten der Reichen zukommen lassen will (Abschaffung des Soli für alle, Abschaffung der Gewerbesteuer…) und, noch erstaunlicher, mit dieser Art “Helikoptergeld” die Nachfrage (!!) (woher kennt Lindner das Wort?) anregen will. Schaut man näher hin, dann geht es um 150 Euro pro Person bzw. satte 12,5 Milliarden Euro. Anscheinend verfolgt Lindner weiter das Ziel, den Staat auszuhungern und zu privatisieren; die Message ist immer dieselbe: “der Staat plündert den Bürger aus”, als würde der Staat nicht u. a. die Daseinsvorsorge bereitstellen. Statt der bescheidenen 12 Euro pro Person und Monat wäre das Geld z. B. in einem Ausbau des Internets oder der Bahn oder in mehr Pflegekräften viel besser angelegt.

  12. Kolonialismus: Chancen und Grenzen eines postkolonialen Denkens
    Der Kolonialismus scheint Geschichte. Doch selbst im wissenschaftlichen Denken, das doch universell sein soll, herrschen nach wie vor eurozentristische Maßstäbe vor – verbreitet von Kolonisatoren, aber auch Aufklärern. Nicht nur im Globalen Süden kämpfen Forscher für eine postkoloniale Denkweise. […]
    Die Idee der Aufklärung und die des Rassismus sind für Charles Mills nicht voneinander zu trennen, weil die Aufklärer zumindest unterbewusst von Rassismus durchdrungen gewesen seien. Das habe sie nicht zwangsläufig zu schlechten Philosophen gemacht.
    Aber weil sie von ihrem Zeitgeist geprägt waren, hätten sie ein Wissenschaftssystem begründet, sagt Charles Mills, in dem „white supremacy“ herrsche, also der Glaube an eine Überlegenheit der Weißen.
    „Wenn unsere gesamte Erkenntnistheorie mit der Vorstellung von weißer Überlegenheit beginnt, dann können wir unsere Forschungen soweit treiben, wie wir wollen, wir stecken wir immer in rassistischen Stereotypen fest. So wird sich der Wunsch nach umfassendem Wissen, von dem die Aufklärung doch ausging, niemals erfüllen.“
    Die Kolonien der europäischen und nordamerikanischen Großmächte sind fast alle längst unabhängig geworden. Doch Forscher aus diesen Ländern erleben bis heute, dass das wissenschaftliche Denken noch immer von Europa und Nordamerika bestimmt wird. Dieses Denken wollen sie überwinden. Doch eine weltweit anerkannte Erkenntnistheorie lässt sich nicht so einfach beiseiteschieben.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung JK: Bei der Ablehnung des Mietendeckels in Berlin ist der DLF an vorderster Front mit dabei. Hier gibt man sich dann wieder progressiv. Da sollte es doch langsam klingeln, dass die linksliberale Rhetorik ein reines Ablenkungsmanöver ist, um von den realen, existierenden Macht- und Herrschaftsverhältnissen abzulenken.

  13. Plastik als Risiko: Kunststoff verschmutzt die Böden – mit Folgen
    Plastik gelangt nicht nur ins Wasser, sondern auch in Böden. Was das bedeutet, wird seit kurzem erforscht. Während hohe Dosen kleinster Kunststoffpartikel einigen Pflanzen im Labor nicht bekommen, könnte Plastik das Fossil der Zukunft sein.
    Was man hier gerade hört sind Regenwürmer, die durch den Boden kriechen. Saša Spačal: „Alles, was lebt, geht aus dem Boden hervor. Und alles, was stirbt, wird im Boden wieder zersetzt. Und deshalb brauchen wir gesunde Böden, mit all den Bakterien und kleinen Wesen, die ihn in echte und lebende Materie verwandeln.“ Die meisten von uns beachten sie nur selten: Diese dünne braune Schicht Boden, die uns alle ernährt. Dabei ist ihre Gesundheit – und die ihrer Bewohner – so wichtig für uns alle.
    „Regenwürmer sind diese kleinen, besonderen Tiere, die in der Lage sind, durch alle Schichten des Bodens bis runter zum Gestein zu graben. Sie können Plastik deshalb sehr weit (hinunter) transportieren.“
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur


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