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Titel: Wie die CIA einen möglichen Frieden in Afghanistan gefährdet

Datum: 29. August 2019 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Militäreinsätze/Kriege
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Während die US-Friedensgespräche mit den Taliban im Gange sind, fragen sich viele Beobachter, ob die Gruppierung sich in Zukunft tatsächlich an jegliche Abmachungen halten wird. Dabei sind die Extremisten bei Weitem nicht die Einzigen, die einen möglichen Frieden in Afghanistan gefährden. Ein neuer Bericht betont nun, dass afghanische CIA-Milizen ebenfalls zur Verantwortung gezogen werden müssen. Die Existenz und Problematik derartiger Milizen ist schon seit langem bekannt. Von Emran Feroz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Wir haben sieben Mitglieder unserer Familie beerdigt. Vier Männer und drei Kinder. Sie wurden ohne jeglichen Grund getötet. Sie waren allesamt unschuldig. Sie hatten niemandem Schaden zugefügt“, sagte mir Abdul Samad, ein Afghane aus dem Dorf Shaheedanu Meena in der Provinz Nangarhar, im vergangenen Oktober. Die Männer, die das Haus seiner Familie überfielen, waren keine Taliban- oder IS-Kämpfer, sondern Milizen der sogenannten 02-Einheit, einer afghanischen Truppe, die von der CIA geschaffen wurde. Zentrum der Einheit sowie ihrer amerikanischen Verbündeten ist der Militärflughafen in der Provinzhauptstadt Jalalabad. Was hier passiert, bleibt meistens geheim. Das Einzige, was die Menschen vor Ort wissen, ist die Tatsache, dass die 02-Einheit äußerst brutal gegen all jene vorgeht, die sie als „Terroristen“ betrachtet. In jener Nacht im Oktober 2018 wurden in Shaheedanu Meena insgesamt vierzehn Zivilisten, darunter mehrere Kinder, getötet.

Auf die Problematik der afghanischen CIA-Milizen macht nun ein neuer Bericht des „Costs of War“-Projektes der Brown University aufmerksam. Unter anderem heißt es darin, dass die Milizen einen möglichen Friedensdeal gefährden würden, da diese gar nicht darin inbegriffen seien. Tatsächlich hört man im Kontext der US-amerikanischen Friedensverhandlungen mit den Taliban in Katar stets von einem Abzug des US-Militärs. Dass die CIA als eigenständiger Arm in dieser Region operiert, ist zwar bekannt, es wird aber ignoriert. Hinzu kommt, dass der CIA-Einfluss in Afghanistan seit der Machtübernahme Donald Trumps in Washington zugenommen hat. Gleichzeitig existiert praktisch keine Transparenz. Es ist nicht bekannt, wie viele CIA-Milizen im Land agieren, allerdings dürften es weit über 10.000 sein. Im Vergleich dazu: Gegenwärtig sind mindestens 14.000 US-Soldaten am Hindukusch stationiert. Was würde also deren vollständiger Abzug bewirken, wenn die Privatarmee der CIA ohnehin bereitsteht?

„Jagen und töten“: Die Unantastbarkeit der Söldner

Seit Beginn des „War on Terror“ rekrutiert die CIA afghanische Milizen, die nur eine einzige Aufgabe haben: Jagen und töten. Seit 2001 wurden zahlreiche namenlose Zivilisten Opfer der Söldner, die in so gut wie allen Fällen unantastbar sind und eigenständig – sprich: außerhalb der Strukturen der afghanischen Nationalarmee – agieren. Der Bericht nennt in diesem Kontext einige der bekannten Verbrechen von CIA-Milizen aus dem Jahr 2018, und die Liste ist nicht kurz. Hier ein Überblick der Aufzählung:

  • Massenhinrichtung von mindestens 20 Männern in der Provinz Kandahar im Januar 2018. Beteiligt waren afghanische CIA-Milizen und das US-Militär.
  • Razzia in einem Haus in der Provinz Khost im März 2018. Zwei Männer und eine Frau wurden erschossen. Ein dreijähriges Mädchen wurde verbrannt. Die Milizen zündeten nach der Razzia das gesamte Haus an, um ihre Spuren zu verwischen.
  • Razzia in einem Haus in der Provinz Nangarhar. Zwei Männer wurden getötet.
  • Weitere Razzia in einem Haus in Nangarhar. Vier Männer wurde hingerichtet.
  • Razzia in mehreren Häusern in Nangarhar mit anschließendem Bombenfeuer. 15 Menschen wurden getötet, darunter fünf Kinder.
  • Razzien in mehreren Häusern in Nangarhar im Oktober 2018, vierzehn Tote. (Hier ist jener Fall aus Shaheedanu Meena gemeint, der anfangs erwähnt wurde. An der Aufdeckung war ich damals beteiligt – weitere Informationen dazu finden sich unter diesem Link)
  • Razzia in einem Haus in der Provinz Paktia im Dezember 2018. Sechs Männer wurden der Reihe nach hingerichtet.

Regierungstreue Truppen töten mehr Zivilisten als die „Terroristen“

Alle Operationen in der Provinz Nangarhar gehen auf das Konto der erwähnten 02-Einheit, während Angriffe in den Provinzen Khost, Paktia und Paktika von der sogenannten Khost Protection Force (KPF), einer weiteren berühmt-berüchtigten CIA-Miliz, ausgeführt werden. In Nangarhar wurden laut Aktivisten und Stammesältesten allein zwischen September und Oktober 2018 über 260 Zivilisten durch CIA-Operationen getötet. All dies deckt sich auch mit den Beobachtungen von anderen Organisationen. Sowohl im Jahr 2018 als auch im ersten Halbjahr 2019 wurden in Afghanistan laut den Vereinten Nationen mehr Zivilisten durch regierungstreue Truppen als durch aufständische und extremistische Gruppierungen wie Taliban und IS getötet. Die Milizen der CIA sind ein wichtiger Bestandteil ebenjener Truppen geworden. 2018 hat sich die Anzahl ihrer Razzien im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht, wie die UN mitteilen.

Im Vergleich zu den Soldaten der afghanischen Armee werden die Milizen erstklassig ausgebildet und ausgerüstet und erhalten hohe Solde. Das beste Beispiel hierfür ist die KPF, die im Vergleich zur 02-Einheit etwas bekannter ist. Sie wird in der CIA-Basis „Camp Chapman“ in der Provinz Khost nahe der pakistanischen Grenze ausgebildet. Gegenwärtig kontrolliert die KPF weite Teile der Region. Zu den Aufgaben der Miliz gehören nicht nur Hausrazzien, die in Blutbädern enden und oftmals auch gemeinsam mit US-Soldaten durchgeführt werden, sondern auch die Koordination von Drohnen-Angriffen sowie die Jagd auf Journalisten und Menschenrechtsaktivisten. Aufgrund der existierenden Gefahren war ich 2017 in Khost praktisch „undercover“ als Journalist unterwegs. Im Laufe meiner Recherchen konnte ich mehrere Verbrechen des US-Militärs sowie der KPF aufdecken, die bis dato von keiner Menschenrechtsorganisation dokumentiert wurden.

CIA-Gruppen als Sicherheitsrisiko

Die große Frage ist, wie man mit derartigen Milizen nach einen Friedensdeal mit den Taliban umgehen soll. Einige Beobachter sind der Meinung, dass ein fertiger Deal letztendlich auch die Präsenz der Milizen behandeln wird. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass die Söldner von heute auf morgen verschwinden werden.

„All diese Männer waren einst Diebe und Plünderer. Nun werden sie von den Amerikanern bezahlt. Sobald das wegfällt, werden sie über uns herfallen“, meinte ein Ladenbesitzer aus Khost zu mir vor zwei Jahren. Seine Einschätzung ist mehr als nur realistisch und wird auch von den Autoren des aktuellen Berichtes geteilt: „Falls die CIA einspart, könnten sie [die Milizen] als private Armee oder ‘Sicherheitsmänner’ wiederauferstehen, und zwar im Dienst von mächtigen Individuen, oder sie operieren autonom, um Zivilisten oder wirtschaftlich lukrative Ziele zu jagen“, heißt es darin. De facto ist also ein Dilemma vorprogrammiert, und es ist – wie schon so oft – das Resultat einer kurzsichtigen US-Außenpolitik, die lediglich die Jagd auf „Terroristen“ im Sinn hatte und sich für anderweitige Entwicklungen und langfristige Folgen nicht interessierte.

Wird die CIA Afghanistan je verlassen?

Im Kontext der afghanischen CIA-Milizen sollte man allerdings auch folgende Tatsache nicht aus dem Auge verlieren: Wer die Geschichte der CIA kennt, weiß, dass es schlichtweg nicht in ihrer Natur liegt, ein Land wie Afghanistan einfach aus ihrem Operationskreis zu verbannen. Der US-Geheimdienst ist seit Jahrzehnten in Afghanistan präsent, zurzeit womöglich präsenter denn je zuvor. Friedensdeal hin oder her – daran wird sich auch in den nächsten Jahren nicht viel ändern.

Titelbild: Shutterstock / g0d4ather


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