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Titel: „Die Dienstwagenbesteuerung müsste, so wie in anderen EU-Staaten, eine ökologische Komponente beinhalten“
Datum: 15. August 2019 um 13:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Interviews, Schadstoffe, Steuern und Abgaben, Umweltpolitik, Verkehrspolitik
Verantwortlich: Redaktion
Seit geraumer Zeit fordern Politiker eine Besteuerung von CO2. Gerade aber erst ist der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu der Auffassung gelangt, eine Steuer auf Kohlendioxidemissionen verstoße gegen das Grundgesetz. Unabhängig von der rechtlichen Situation wollten die NachDenkSeiten wissen, wie es mit dem CO2-Ausstoß von jenen Fahrzeugen aussieht, die Spitzenpolitiker nutzen. Im NachDenkSeiten-Interview klärt Dorothee Saar auf. Die Bereichsleiterin Verkehr & Luftreinhaltung bei der Deutschen Umwelthilfe verdeutlicht, dass Top-Politiker in der Sache alles andere als vorbildlich agieren. Von Marcus Klöckner.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Frau Saar, derzeit wird viel über CO2 geredet. Politiker denken darüber nach, CO2 zu besteuern. Wie sieht es eigentlich mit dem CO2-Ausstoß der Dienstwagen von Politikern aus?
Der CO2-Ausstoß der Dienstwagen von Spitzenpolitikern ist noch immer viel zu hoch und lässt nicht wirklich eine Vorbildfunktion der Politiker erkennen. Im letzten Jahr hielt kein einziger Dienstwagen den EU-Flottengrenzwert für Pkw auf der Straße ein. Auch in diesem Jahr sieht es nicht viel besser aus, Genaueres hierzu folgt in den kommenden Monaten mit der Veröffentlichung der diesjährigen Dienstwagenumfrage der Politiker.
Haben Sie genauere Daten?
Auf Basis des Umweltinformationsrechtes erfragen wir von den jeweiligen Ministerien die relevanten Angaben der jeweiligen Fahrzeuge. Unter Berücksichtigung der realen Verbrauchswerte hielt im Jahr 2018 kein einziger der 236 befragten Politiker den CO2-Grenzwert der EU von 130 g CO2/km ein. Die Werte schwankten zwischen 154 g CO2/km und reichten bis zu 408 g CO2/km (Weitere Informationen sind hier zu finden).
Die Probleme, die mit einem hohen CO2-Ausstoß verbunden sind, sind schon lange bekannt. Warum nutzen Politiker diese Art von Dienstwagen noch immer?
Das Bewusstsein, aktiv zum Klimaschutz beizutragen und dies auch in der Auswahl der Dienstfahrzeuge zu berücksichtigen, ist offenbar noch nicht überall angekommen. Hinzu kommt, dass deutsche Hersteller ein großes Interesse daran haben, wenn ihre Premiummodelle medienwirksam als Dienstwagen hochrangiger Politikvertreter zum Einsatz kommen. Und diese Hersteller bieten nach wie vor keine Modelle an, die den Anforderungen an die Nutzung genügen, dennoch effizient sind und den Flottengrenzwerten auf der Straße entsprechen. Unsere Analyse macht deutlich, dass auch Plug-In-Fahrzeuge, die als besonders CO2-arm angepriesen werden, in der Realität das Klima mit viel zu hohen Emissionen belasten.
Was denken Sie, wenn Sie Politiker von einer CO2-Steuer reden hören, aber diese Politiker selbst Dienstwagen nutzen, die für die Umwelt ein Problem sind?
Wir begrüßen die Debatte um die Einführung einer CO2-Bepreisung, die für effektiven Klimaschutz unentbehrlich ist und die sozialverträglich ausgestaltet werden muss. Aber Politiker müssen mit gutem Beispiel vorangehen und dies ist bei der Wahl ihrer Dienstwagen leider selten der Fall. Die bei einer höheren Besteuerung von Kraftstoff anfallenden Mehrkosten beim Tanken zahlt im Falle der Dienstwagen von Politikern natürlich nicht der Nutzer, sondern der Steuerzahler.
Die Deutsche Umwelthilfe macht seit vielen Jahren einen „Dienstwagen-Check“. Was ist das? Und: Wie gehen Sie dabei vor?
Die Deutsche Umwelthilfe untersucht und bewertet in den „Dienstwagen-Checks“ die Dienstwagen von Personen mit Vorbildfunktion. Hierzu zählen wir Spitzenpolitiker in Bund und Ländern, Vorstandsvorsitzende großer Unternehmen sowie Kirchenoberhäupter. Diese werden nach den Umweltdaten ihrer aktuellen Dienstwagen befragt, wobei wir uns bei den Politikern auf die Umweltinformationsgesetze des Bundes und der jeweiligen Länder stützen.
Unsere Bewertung stützen wir auf den durchschnittlichen CO2-Ausstoß in Gramm pro Kilometer der Fahrzeuge bzw. Fahrzeugflotten, wobei seit 2018 die realen CO2-Werte der Fahrzeuge zur Bewertung herangezogen werden. Grundlage unserer Bewertungsmethode stellen Daten des unabhängigen Forschungsinstituts International Council on Clean Transportation (ICCT) dar, die den Mehrverbrauch auch herstellerspezifisch ermittelt haben, welcher im Durchschnitt bei 39 Prozent liegt, bei Dienstwagen sogar noch darüber.
Was sind die neuesten Ergebnisse?
Die Veröffentlichung der Ergebnisse zum diesjährigen „Dienstwagen-Check“ der Politiker erfolgt in der zweiten Jahreshälfte 2019. Was wir heute schon sagen können: Der Trend zu Plug-In-Hybriden als vermeintlich klimafreundliche Alternative steigt weiter. Ebenso werden wir die Auswirkungen der Umstellung des Verbrauchsmessverfahrens in der Typzulassung thematisieren: Hier wurde auf ein verändertes Testverfahren umgestellt, um realitätsnähere Verbrauchsangaben zu erhalten.
Also selbst die Kirchen unterhalten Dienstfahrzeuge mit einem hohen CO2-Ausstoß?
Unter Berücksichtigung des realen durchschnittlichen CO2-Ausstoßes der Fahrzeuge zeigt sich, dass auch die untersuchten Pkw der Kirchenvertreter im Schnitt deutlich über dem EU-Flottengrenzwert von 130 g CO2/km liegen. Lediglich drei Fahrzeuge hielten diesen Wert ein (Weitere Informationen sind hier zu finden).
Sie fordern eine Dienstwagen-Steuerreform. Warum? Wo liegt das Problem?
Die steuerliche Regelung der betrieblichen und privaten Nutzung von Dienstwagen sieht momentan so aus, dass übermotorisierte Fahrzeuge mit hohem Spritverbrauch erheblich stärker subventioniert werden als sparsame Autos. Unternehmen können derzeit unabhängig von Verbrauch und Klimagasemissionen sowohl Anschaffungs- als auch Betriebskosten in unbeschränkter Höhe steuerlich absetzen. Erlaubt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zudem, den Dienstwagen auch privat zu nutzen, muss dieser lediglich monatlich im Rahmen der Einkommenssteuer 1 Prozent des Listenpreises als geldwerten Vorteil versteuern. Dadurch machen Dienst- und Firmenwagen ungefähr zwei Drittel der Neuzulassungen aus und allein durch die private Nutzung von Dienstwagen entgehen dem Staat jährlich ungefähr drei Milliarden Euro. Weil die Dienstwagen nach ein bis zwei Jahren als Gebrauchtfahrzeuge auf den Markt kommen, dominieren diese den Trend der Nutzung übermotorisierter Fahrzeuge.
Was müsste getan werden?
Die Dienstwagenbesteuerung müsste, so wie in anderen EU-Staaten, eine ökologische Komponente beinhalten. Die Anschaffungskosten sollten nicht ohne Prüfung der Notwendigkeit subventioniert werden. Darüber hinaus sollte die Dienstwagenbesteuerung an den CO2-Ausstoß gekoppelt werden. Fahrzeuge mit hohen CO2-Emissionen sollten weder in der Anschaffung noch im Unterhalt steuerlich abzugsfähig sein. In Großbritannien und den Niederlanden etwa haben entsprechende Anpassungen schon zu Veränderungen geführt (FÖS 2018). Wir fordern weiterhin, dass die Betriebskosten auf einen Pauschalbetrag begrenzt werden und der geldwerte Vorteil für die Nutzung des Fahrzeugs sich ebenfalls an den CO2-Emissionen orientiert. Für die Automobilkonzerne müssen Anreize geschaffen werden, die sie dazu bewegen, in den für Dienstwagen relevanten Fahrzeugklassen emissionsarme PKW anzubieten.
Darüber hinaus brauchen wir endlich ein Verfahren, dass die CO2-Emissionen in der Typzulassung anhand von Straßenmessungen ermittelt, so wie es bei Schadstoffen heute der Fall ist. Mit unrealistischen Verbrauchsangaben ist dem Klimaschutz nicht gedient.
Titelbild: maradon 333/shutterstock.com
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