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Titel: Leserbriefe zur Beraterrepublik, zu Boris Johnson und zur Treuhand

Datum: 26. Juli 2019 um 15:15 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Leserbriefe, Privatisierung
Verantwortlich:

Die Beiträge “Beraterrepublik Deutschland“, “Boris Johnson” und “Treuhand: Ein Raubzug wird auf „Fehler“ reduziert” stießen bei den Nachdenkseiten-Lesern auf reges Interesse und nachfolgend finden Sie einige Leserbriefe zu diesen, schillernden Themen. Vielleicht bräuchte Boris Johnson jetzt auch bessere Berater, oder die Treuhand hätte auch andere Berater nötig gehabt, bzw. schon damals, auf die nicht auf das Gemeinwohl achtenden Berater verzichten können. Zusammengestellt von Moritz Müller.

„Beraterrepublik“:

1. Leserbrief

Mit Recht wird die jetzige Vergabepraxis der Regierungen und ihrer Ministerien von Ihnen moniert. Diese Vorgehensweise ist jedoch kein Zufall in Verbindung mit ahnungslosen Politikern. Nein, sie ist vielmehr das Ergebnis einer sog. neoliberalen Elite, die den Staat systematisch abschaffen will. Dies wird vollzogen im Rahmen unserer repräsentativen Demokratie. Diese Demokratie ist nur noch ein Feigenblatt für eine neoliberale Kapitalmacht, die Politiker korrumpiert und zielgerichtet berät im Hinblick auf willfährige Gesetze, Privatisierungsanstrengungen, Unterlassen von Erhaltungsmaßnahmen, Postenbesetzungen, Beeinflussung des Bildungswesens etc. etc. Die Medien sind parallel dazu in privater, neoliberaler Hand und gleichgeschaltet. Die Beantwortung der aufgeworfenen Frage, wieviel Beamte man für 1 Mio. € Beraterkosten unterhalten könnte erübrigt sich insofern, als dies von den neoliberalen Entscheidern gar nicht gewollt ist. Die entscheidende Frage ist, welcher Weg beschritten werden muss, um diese Totengräber der Demokratie zu eliminieren.

MfG
HANS-GÜNTER KIRCHES


BORIS JOHNSON:

2. Leserbrief

Hallo Nachdenkseiten-Macher,
 
Zitat:

 
Anmerkung Marco Wenzel: Natürlich wird Boris einen großartigen Job machen. So großartig, dass allen noch die Spucke wegbleiben wird. Den Segen des größten Präsidenten aller Zeiten hat er ja schon.”

 

Es ist ist doch irgendwie beruhigend, zu lesen, dass sich die Nachdenkseiten wenigstens in diesem Punkt mit den Mainstreammedien einig sind und ganz auf deren Linie mitschwimmen – und wie man sieht, sogar mit vergleichbarem Duktus. Auch hier lautet der spin:

“Der Brexit ist blöd, die Befürworter sind manipuliert worden (wohingegen die Remainer nur mit der reinen Wahrheit und echten Glaskugelprophezeihungen gefüttert wurden); was ist schon eine knappe Mehrheit beim Referendum, wenn WIR das Ergebnis für falsch halten; und Johnson ist noch blöder – das ist schon allein dadurch “bewiesen”, dass er von Trump gelobt wird.”

Im Ernst: schon traurig, dass auch die Nachdenkseiten hier ins gleiche Horn stoßen und einfach eine demokratische Entscheidung, so knapp sie auch ausgefallen sein mag, nicht akzeptieren können. Ich hingegen habe angefangen nachzudenken, als ich den Umgang der Medien und EU-Politiker mit den Briten und deren Verhandlungsführer nach dem Referendum beobachtete. Keine Frage, dass die Briten sich nicht gerade geschickt anstellen und sich mehrheitlich auf keine Option einigen können, aber das Land ist zerrissen genug, da können sie auf kontinentale Häme gut verzichten, und eine Abstandnahme vom Brexit würde das Land js nicht einigen, sondern dann wäre wohl erst recht der Teufel los.

Oder könnte es sein, dass man in der EU nun doch langsam das Flattern kriegt, da Johnson die Umsetzung des Brexit vielleicht doch ein wenig mehr “committed” angeht, als die ehemalige Remainerin May?

Ich war ja ganz baff, dass ich plötzlich im DLF hören musste (und heute auch schon wieder erneut), dass sich nun sogar die EU bewegen müsse, während man uns doch noch bis gestern ständig erzählte, dass alles ausverhandelt sei und es keinerlei Änderungen geben werde. Ich jedenfalls würde nicht darauf wetten, dass Johnson ein schlechterer Pokerspieler ist als May, die sich allzuleicht hat über den Tisch – an dem man sie fotowirksam allein sitzen ließ – ziehen lassen.
 
Viele Grüße,
Euer Leser
Hartmut Braun
Raunheim
 
Replik Jens Berger: Lieber Herr Braun,

bei diesem Thema vertritt unsere Redaktion in der Tat eine andere Position.

Ich kann Ihnen da nur zwei Artikel ans Herz legen: Ein halbwegs aktueller von Albrecht Müller und ein zwei Jahre alter Artikel aus dem Guardian.

Vielleicht verstehen Sie ja dann besser, warum wir da anderer Meinung sind.

beste Grüße
Jens Berger


3. Leserbrief

Lieber Jens Berger,

als treuer Nachdenkseiten-Leser der ersten Stunde war ich gerade etwas verdutzt beim Lesen des Kommentars unter dem Artikel über Boris Johnson:

“Anmerkung Jens Berger: Sehen wir es positiv. Ein englischer Freund von mir sagte kürzlich, Boris Johnson sei die einzige Garantie dafür, dass Jeremy Corbyn die nächsten Wahlen mit einem satten Vorsprung gewinnt. Dem ist wohl erst einmal nichts hinzuzufügen und es ist von Tag zu Tag unwahrscheinlicher, dass die Tories mit ihrem Juniorpartner DUP die volle Legislaturperiode durchhalten.”

Die Aussage des englischen Freundes spiegelt die typisch linke Naivität unserer Tage wider. Auch Trump war ja schließlich Garant für den Sieg Hillary Clintons. Ich glaube die links-gutmenschliche Blase schottet einen mehr und mehr von der Wirklichkeit des Großteils der Bevölkerung ab. Dass Jeremy Corbyn verlautbart im Zweifel gegen einen No-Deal für ein Remain zu kämpfen, das werte ich als mittlere Katastrophe und signalisiert den Leuten erneut, dass sich die heutigen Linken einen Dreck um ihre Meinung (und um das Ergebnis des Referendums) scheren.

Man möge sich wieder über die Tölpelhaftigkeit, die wirren Aussagen, die Tweets eines Boris Johnson im linksliberalen Lager amüsieren, genauso wie man es schon bei Trump oder Salvini tat bzw. immer noch tut. Aber das hält die Leute nicht davon ab eben solche Politiker zu wählen. Und diese Wahl scheint nicht ganz unbegründet, wenn man sieht was beispielsweise ein Salvini an der Regierung vorantreibt. Neben vielen Nebelkerzen die geworfen werden und viel Tammtamm wird nämlich wirklich versucht gegen enorme mediale Widerstände das umzusetzen, was man den Leuten im Wahlkampf kämpferisch angekündigt hat. Die Leute haben einfach das Gefühl, dass ihre Stimme ja doch irgendwas bewegen kann. Und die Rechte hat im Gegensatz zum linken Lager (nicht überall, aber sicherlich in IT & USA) ein glasklares Konzept, Strategien und macht brilliante Öffentlichkeitsarbeit an den traditionellen Medien (von denen Linke immer noch denken, das diese die unangefochte Deutungshoheit in der Öffentlichkeit haben) vorbei.

Ich sehe absolut nicht, wie und mit wem die Linke in der westlichen Welt diesen Rückstand in naher Zukunft aufholen soll. Ein radikaler Bruch mit dem “liberalen” akadademischen Milleau und der damit zusammenhängenden Rosarote-Brille-Welt wäre meiner Meinung nach die Grundvoraussetzung für einen Neustart. Dieses akademische Palaver, die belanglose Schreiberei in solchen Medien wie der taz oder eben dem Guardian, das sorgt immer wieder für neue irrelevante Debatten und sorgt in jedem Fall dafür, dass sich auch die politische Linke nie mit den Sorgen und Nöten der einfachen Leute abgeben muss. Meine Frustration dahingegend steigt seit Jahren. Insbesondere in letzter Zeit, in der klar wurde, dass auch das hoffnunsvolle Projekt aufstehen wieder völlig in der Belanglosikeit verschwindet.

Mit besten Grüßen aus Sachsen (und wirklich besten Dank für das Anschreiben gegen den Unsinn der uns umgibt)

Sascha Keil


TREUHAND:

4. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Riegel,

zu Ihrem heutigen Artikel “Treuhand: Ein Raubzug wird auf “Fehler” reduziert” möchte ich Sie auf den Aufsatz “Bananenrepublik in Sichtweite” des Richters Norbert Schlepp aufmerksam machen. Ich denke, er spricht zu dem Thema Bände.

Mit freundlichen Grüßen
Hans Dietrich


5. Leserbrief

Liebe NachDenkSeiten!

Herzlichen Dank für den Artikel von Tobias Riegel!

Zu den schon zu oft heruntergeleierten Platidüden von Frau Breuel möchte ich noch zweierlei anmerken:

I.)    hat NICHT „ganz Deutschland“ sich für „den Weg [der auf diese Weise gestalteten Einheit nach Art.23]“ entschieden. Ja: Die Mehrheiten in der Volkskammer nach dem 18.03.90, im Deutschen Bundestag und im ersten gesamtdeutschen Bundestag waren so. Aber es gab eben auch signifikante Minderheiten im Osten und im Westen, die die kommenden Verwerfungen genau so voraussagten und entsprechend skeptisch eingestellt waren. Dazu gehörte damals Bündnis90 im Osten ebenso wie die (damals noch namhafte) SPD im Westen!

II)    sind die Ost-Märkte durch die Einführung der D-Mark nicht einfach aufgrund der Weltmarktlage bzw. der Konkurrenzfähigkeit „zusammengebrochen“, sondern die DDR wurde nahezu komplett aus den Produktions- und Lieferstrukturen des RGW herausgebrochen. Dazu trug nicht nur die Umstellung von Valuta-Mark auf D-Mark bei, sondern insbesondere das überall sofort eingeführte neue Management, die überhaupt nicht in die entsprechenden Strukturen eingebunden waren. Gerade die Schlauberger, die häufig den Vergleich mit den Volkswirtschaften der heutigen Visegrad-Länder bemühen, sollten das berücksichtigen! Daher vollzog sich die Transformation in Ostdeutschland vollkommen anders. Zunächst sicher durch westliche Sozialtransfers (insbesondere im Rentenbereich) abgefedert, wurde die Entwicklung einer eigenständig tragfähigen Wertschöpfungsbasis regelrecht verhindert.

Nun, wir werden zum 30. Nachwende-Jahr noch mehr von den Ergüssen der Marke Breuel zu hören und zu lesen bekommen.

Man sollte dabei auch bedenken, daß die damals im Mittelpunkt stehende Integration Westeuropas, verbunden mit den Namen Kohl und Mitterand, von den Epigonen der Ära Blair, Sarkozy, Schröder, Merkel, Hollande und Macron vollkommen in den Dutten geritten wurde.

Herzlichst,
Ihr
M.J.


6. Leserbrief

Sehr geehrtes Team,

1. Die NDS sind für mich als Quelle unverzichtbar!

2. Treuhand: hier ist etwas sehr faul. Akte Rohwedder muß aufgeklärt werden. Einschließlich der Personen und Organisationen, die eine Aufklärung verhindern.
 
Mit freundlichem Gruß
H. Polster


7. Leserbrief

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Buch „Anschließen angleichen abwickeln – Die westdeutschen Planungen zur Übernahme der DDR 1952 – 1990“ von edition berolina wird auf Basis von freigegebenen bzw. einsehbaren Dokumenten aufgezeigt, dass genau diese harte Vorgehensweise geplant war. Andere Szenarien wurden abgelehnt, damit die Einbindung des DDR-Staatsgebietes unumkehrbar wird. Das Buch ist sicherlich keine wissenschaftliche Forschungsarbeit, enthält aber zahlreiche Quellenhinweise.

Beste Grüße,
Roy Kühnast


8. Leserbrief

Hallo liebe Nachdenkseiten,

Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber und Ekkehard Sieker haben in ihrem Buch “Das RAF-Phantom” die Ermordung von‎ Herrn Rohwedder in einen sehr interessanten Kontext gestellt.

Genau wie bei der Ermordung von Herrn Herrhausen ging es um eine Übernahme des Ostens. Sowohl Deutsche Bank als auch deutsche Wirtschaft verloren nach den Ermordungen der beiden den Einfluss auf die Weiterführung auf Ostbetriebe und auf Investitionen im Ostblock. Über Frau Breuer steht da sehr interessante Sachen (aus der Erinnerung).

Heinsohn/Steiger haben sich in ihrem Werk “Eigentum, Zins und Geld” ebenfalls mit dem Versagen der Wirtschaftswissenschaften bei der Umwandlung einer Kollektivwirtschaft in eine Privatwirtschaft beschäftigt. Die Aussagen der beiden sind m.E. die Blaupause für S‎chäubles permanente Forderung ggü Griechenland gewesen, ein Katasteramt einzuführen, sonst gäbe es kein Geld. Herr Schäuble hat Heinsohn/Steiger wohl aufmerksam gelesen gehabt.

Liebe Grüße, 
G.D.

Kleiner Tipp: Der ehem. Krimpo-Beamte und heutige Journalist/Filmemacher und Mitglied der Grünen, Bernhard ‎Luther, hat sich damit ebenfalls intensiver beschäftigt.

bild-und-film.de/bilderrahmen-bernhard-luther-in-norderstedt-531


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