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Titel: Propaganda im Film: Die neue Welle antirussischer Meinungsmache
Datum: 11. Juli 2019 um 14:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Kultur und Kulturpolitik, Medienkritik
Verantwortlich: Tobias Riegel
„Kursk“, „Chernobyl“, „Stranger Things“, „Pets 2“: Zahlreiche aktuelle Filmproduktionen verbreiten antirussische Stereotype. Verpackt ist diese Propaganda oft in „historische“ Dramen. Aber auch Fantasy-Stoffe, Komödien und sogar Animationsfilme für Kinder werden für den Aufbau des Feindbilds missbraucht. Von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Der Untergang des russischen U-Boots „Kursk“ im Jahr 2000 wird in einem neuen Kinofilm für die Aufrechterhaltung antirussischer Stereotype genutzt (Kinostart: 11. Juli). Das ist nicht überraschend, aber dennoch sehr bedenklich. Für diese Zwecke nutzt die europäische Großproduktion bewusst historische Ungenauigkeiten, obwohl doch offensichtlich „endlich“ die „wahre“ Geschichte erzählt werden soll.
Mit Drama, Thriller, Fantasy und Kinderfilm die Gräben vertiefen
Als Vorhut dieses „historischen“ U-Boot-Dramas mit europäischer Starbesetzung wurden in den letzten Wochen zahlreiche internationale Filmproduktionen veröffentlicht, die mutmaßlich die bereits erzeugten Gräben zwischen westlichen Ländern einerseits und Russland andererseits aufrechterhalten sollen. Darunter sind auch „unverfängliche“ Formate wie Komödien und sogar – besonders verwerflich – Animationsfilme für Kinder. Darauf wird später im Text eingegangen.
Zunächst zum an diesem Donnerstag startenden Kinofilm „Kursk“, der (nur scheinbar) die „ganze“ Geschichte des im Jahr 2000 in der Barentssee gesunkenen U-Boots erzählt. Damals kamen alle 118 Mann der Besatzung ums Leben. „Scheinbar“, weil der Film die „wahre“ Geschichte mit fiktiven Elementen anreichert, wie ganz offen zugegeben wird. Der Film wird in der Kritik teils wohlwollend aufgenommen, etwa in der FAZ, die schreibt: „Selten hat ein so düsterer Film so hell gestrahlt.“ Teils werden immerhin die historischen „Freiheiten“ (zu zaghaft und teils aus falschen Gründen) kritisiert. Und selbst die „Welt“ lässt in ihrer positiven Besprechung so etwas wie Kritik aufscheinen:
„Es ist historisch umstritten, ob die Männer hätten gerettet werden können, wenn man früher die Angebote internationaler (sprich: Nato-)Hilfe angenommen hätte. (…) Der Film, der keinen dokumentarischen Anspruch hat, sondern mit den Fakten frei verfährt, hat eine klare Position: Hier ist es die Ignoranz der russischen Führung, ihre Angst vor Gesichtsverlust und Nato-Spionage, die eine Rettung so lange verzögert, bis es zu spät ist.“
Fragwürdige Entscheidungen von russischen Verantwortlichen
Die damaligen, teils fragwürdigen Entscheidungen von russischen Verantwortlichen angesichts des gesunkenen U-Boots „Kursk“ sollen hier nicht blind verteidigt werden. Manche Vorgänge während und nach dem Drama können noch heute für Kopfschütteln sorgen. Aber es drängen sich Fragen auf: Ist das europäische Ausland in der moralisch herausragenden Position, um hier moralisch einzuordnen? Ist es angemessen, dass sich das europäische Ausland bei dem Thema als Ermittler, Richter und Vollstrecker in einer Person aufspielt? Ist es angemessen, dass eine ausländische Großproduktion sich nicht nur anmaßt, diese Tragödie zu beschreiben, sondern sie zudem noch deutet, uminterpretiert und mit Fantasie-Elementen anreichert?
Und: Steht diese historische Ungenauigkeit nicht in starkem Widerspruch zum eigenen Anspruch, „endlich“ die „wahre“ Version der Geschichte zu erzählen? Wahrscheinlich sind die Macher aber so besoffen vom (angeblichen) eigenen moralischen Vorsprung, dass sie sich trotz der Ungenauigkeiten und Verfremdungen noch als „Anwälte“ der Opfer und Hinterbliebenen sehen, die von der russischen Geschichtsschreibung im Stich gelassen würden. Der ganze Vorgang erscheint nicht nur politisch, historisch und künstlerisch fragwürdig. Er ist auch in Hinblick auf die mit der Episode verknüpften echten Menschen pietätlos. Denn die werden ungefragt für eine eigene Agenda eingespannt.
Mischung aus Dichtung und Wahrheit als Freibrief für Propaganda
Ein anderer problematischer Aspekt bei der Vermischung von „Wahrheit“ und Fiktion ist, dass die Macher sich bei Anschuldigungen wegen Propaganda durch Verfälschung immer auf diesen offen zugegebenen fiktiven Anteil berufen können. Künstlerische Freiheit wird dann plötzlich eingefordert, während man ansonsten mit der „realen“ Historie wirbt. Die Ausflüchte lauten dann etwa: Man habe ja keine trockene Chronik machen wollen, sondern ein erst durch die „künstlerischen Freiheiten“ sozusagen „abgerundetes“ Werk von Bedeutung, das über die historische Anekdote hinausgehe. Oder etwa: Man wollte bewusst kein politisches Drama machen, sondern die menschliche Dimension des Vorfalls ausloten. Dass gerade mit dieser „menschlichen Dimension“ sehr wohl politisch wirksame Propaganda gemacht wird, ist offensichtlich. In dieser Richtung verteidigt sich nun auch der Regisseur Thomas Vinterberg, wie DPA beschreibt:
„Es ist eine Geschichte der Wut und Ohnmacht, der Empörung und Verzweiflung, die Thomas Vinterberg erzählt, der bewusst darauf verzichtet hat, aus ‚Kursk‘ ein politisches Drama zu machen. Der dänische Regisseur hatte etwas Elementareres im Sinn – ‚eine Geschichte über Leben und Tod‘, wie er in einem Interview erzählte.“
Gute Propaganda muss gut gemacht sein
Natürlich treten in „Kursk“ auch positiv besetzte Russen auf, nämlich die damaligen Opfer. Das muss sein, um die damals Verantwortlichen in ein umso schlechteres Licht zu tauchen. Und natürlich hat der Film „Kursk“ auch berührende Momente. Zudem ist es bis zu einem gewissen Punkt reizvoll, gute Schauspieler in einer üppig ausgestatteten Großproduktion zu sehen. Hier hat die europäische Meinungsmache offensichtlich von der US-Propaganda gelernt. Diese hat es gut verstanden, die politisch-militärische Holzhammer-Botschaft in teils schillernde und sehr unterhaltsame Kinoproduktionen zu verpacken – das machte sie jahrzehntelang so erfolgreich. Laut dem Portal „Filmstarts“ wurde der Film „Kursk“ auch an einen russischen Verleih verkauft, der bisher allerdings keinen Starttermin bekanntgegeben habe.
Interessant ist, dass Kritiker, die historische Ungenauigkeiten in westlichen Großproduktionen anmerken, gerne als „Spielverderber“ gesehen werden, die (ob nun im Auftrag Moskaus oder einfach aus Mangel an Empathie) ein gutes menschliches Drama nicht zu schätzen wissen. Man könnte auch – im Gegenteil – sagen, dass diese Kritiker genau jene Authentizität einfordern, die von den Filmemachern versprochen, aber nicht eingehalten wird.
Mit Großproduktionen die Geschichtsschreibung „korrigieren“
U-Boot-Filme können als Klassiker des Kalten Kriegs und der antirussischen Propaganda bezeichnet werden: Die unheimlichen Szenarien der Enge im Boot verbinden sich mit der unsichtbaren und lautlosen „russischen“ Gefahr, die sich bis vor die heimische Küste schleichen kann. Bekanntes (und unterhaltsames) Beispiel ist „Jagd auf Roter Oktober“, jüngeren Datums (2018) ist etwa die Produktion „Hunter Killer“.
Opfer von U-Boot-Propaganda wurden nicht nur die Russen. Auch die Briten mussten sich im Jahr 2000 gegen Verfälschungen zur Wehr setzen, als der US-U-Boot-Film „U-571“ die Erbeutung der „Enigma“ von den Nazis für US-Soldaten reklamierte. Der Film wurde damals sogar im britischen Parlament thematisiert und von Premierminister Tony Blair als „Affront“ bezeichnet.
Ziel der Kulturpropaganda ist nicht nur die Wirkung auf die Gegenwart, also die Vertiefung der Gräben zu einer konkurrierenden Nation auf Basis von politischen und teils geradezu rassistischen Stereotypen. Oft genug zielen Propagandafilme in die Vergangenheit: Durch exzessiv beworbene Großproduktionen kann die Geschichtsschreibung teils geradezu „korrigiert“ werden.
Eine ähnliche Diskussion drängt sich angesichts der neuen TV-Serie „Chernobyl“ auf: Auch hier wird indirekt die „endlich“ erzählte „Wahrheit“ versprochen. Diese wird dann aber mit viel „Freiheit“ interpretiert. Die Serie wird zu Recht kritisiert, wie „RT“ hier beschreibt. Von anderen Kanälen wird die Produktion dagegen hymnisch verteidigt.
Thriller, Fantasy und Komödie als Vehikel für Meinungsmache
Wer U-Boot-Filme im Kino sieht, weiß, welche Art von Propaganda-Vehikeln dann in der Regel auf ihn zukommen (eine Ausnahme ist etwa „Das Boot“ von Wolfgang Petersen). Das gilt in abgeschwächter Form auch mittlerweile für US-Thriller, die aktuell kaum ohne russische Mafiosi auskommen, aktuelles Beispiel unter vielen: die (in ihrer Radikalität ansonsten unterhaltsame) Reihe „John Wick“.
Diese Möglichkeit, sich auf die zu erwartende Meinungsmache einzustellen, hatten auch die Zuschauer der TV-Serie „Stranger Things 3“, die etwa vom „Neuen Deutschland“ unter dem Titel „Sowjetmenschen und andere Monster“ rezensiert wurde. Auch grobe „Russen“-Komödien wie aktuell „Kaviar“ aus Österreich sind bereits am Titel zu identifizieren.
Selbst Kinder werden dem russischen Superschurken „Sergej“ ausgesetzt
Bei dem aktuellen Animationsfilm „Pets 2“ gibt es diese Warnsignale im Vorfeld aber nicht. Vielleicht ist die Produktion darum in diesem Text das perfideste Beispiel der Propaganda. Dazu kommt, dass hier bereits kleine Kinder einer groben Meinungsmache ausgesetzt sind. Denn in dem Film taucht, nachdem die Handlung lange unverfänglich vor sich hinplätschert, der russische Superschurke „Sergej“ auf. Diese Figur vereinigt nicht nur (angebliche) „russische“ Eigenschaften wie Sadismus, Verschlagenheit und das rollende „R“. Mit seiner großen Krummnase in der finsteren Mimik erscheint er zudem wie eine historische antisemitische Karikatur. Doch es findet sich kaum eine Kritik, die die Eltern vor dieser plötzlichen und unerwarteten Indoktrination warnt.
Warum denn keine russischen Bösewichter?
Man könnte einwenden: Schließlich existieren auch im realen Leben „böse“ Russen – wie in jeder anderen Nation auch: Warum also keine russischen Bösewichter im Film besetzen? Dem wäre rundum zuzustimmen, wenn das Stilmittel des russischen Bösewichts nicht schon quantitativ in exzessivem und nicht mehr zu rechtfertigendem Maße eingesetzt würde. Zu dieser schieren Masse an problematischen Filmfiguren kommt, dass diese sich verbinden mit der antirussischen Propaganda jenseits des Kultursektors, wie sie etwa von den großen deutschen Medien betrieben wird. Durch diese Verbindung und den massenhaften Einsatz verliert die Wahl des Filmbösewichts als russisch weitgehend ihre Unschuld.
Es gibt sicherlich zahlreiche Beispiele für ähnlich verzerrende russische Propagandafilme. Denen ist das hiesige Publikum aber nicht annähernd in dem Maße ausgesetzt wie der US-Propaganda, die in westeuropäischen Kinos seit dem Zweiten Weltkrieg dominierend war, seit 1990 auch in vielen Teilen Osteuropas. Darum wird die russische Filmpropaganda – auch aus Unkenntnis konkreter Beispiele – hier nicht thematisiert.
Titelbild: iurii / Shutterstock
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