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Titel: Die Finanzwirtschaft hat grotesk falsche Vorstellungen von ihrer Wertschöpfung und davon abgeleitet von ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung (Finanzkrise XXXVII)
Datum: 16. April 2010 um 14:27 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Finanzkrise, Steuerhinterziehung/Steueroasen/Steuerflucht
Verantwortlich: Albrecht Müller
Deutsche Bank Research verbreitete am 19. März 2007 unter der Überschrift „Bruttowertschöpfung im Finanzsektor“ [PDF – 88 KB], die Finanzbranche zähle „in modernen Volkswirtschaften zu den wichtigsten Sektoren überhaupt.“ In Deutschland habe sie 2005, gemessen an der Wertschöpfung, mit 5 % Anteil noch vor dem Maschinenbau und der Elektroindustrie auf Rang drei gelegen. – Hier wird das Ergebnis der Plünderung und Ausbeutung des Restes der Volkswirtschaft durch die Finanzwirtschaft als Wertschöpfung betrachtet. Das ist eine Fehleinschätzung. Albrecht Müller
Zunächst noch kurz zum Text der „Forschungsabteilung der Deutschen Bank“:
Dort findet sich die folgende Grafik:
Im Text wird mit neidvollem Blick, darauf verwiesen, dass – Datenbasis 2005 – die Schweizer Finanzwirtschaft zum Beispiel über 10 % Anteil an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung, die der USA über 7,5% und die Finanzwirtschaft in Großbritannien fast 9 % erreicht habe. Und noch neidvoller wird registriert, dass in den angelsächsischen Ländern und in der Schweiz der Anteil der Finanzbranche an der Bruttowertschöpfung zwischen 1995 und 2005 in besonderer Weise angestiegen ist. Und dann wird den Deutschen Mut gemacht, weil Deutschland weltweit Vorreiter bei Zertifikaten sei und diese Innovationsintensität die Basis einer aussichtsreichen Position für die Zukunft sei.
Diese Veröffentlichung stammt von 2007 und sie zeigt, dass unsere Welt Kopf steht:
Die im Casinobetrieb erreichte Aneignung eines größeren Teils des gemeinsam geschaffenen Bruttoinlandsprodukts wird Wertschöpfung genannt. Der Diebstahl wird so zu einem Erfolg einer Branche und unseres Landes umstilisiert.
Um einen falschen Zungenschlag zu vermeiden, muss man schon an dieser Stelle zur Relativierung der Zumutung der Deutschen Bank Research anmerken, dass diese so genannte Forschungsabteilung bei weitem nicht alleine so urteilt. Die Politik, z.B. in Person des früheren Bundesfinanzministers Steinbrück hat das ähnlich gesehen. Steinbrück schaute mit glänzenden Augen auf den Finanzplatz London und NewYork und hat kräftig daran gearbeitet, Ähnliches hierzulande zu installieren. Er und sein Vorgänger Eichel haben, um den Finanzplatz Deutschland zu fördern, besondere Privilegien geschaffen. Sie haben dereguliert, sie haben Hedgefonds zugelassen, sie haben die Besteuerung der Gewinne beim Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen gestrichen und die in diesem Milieu tätigen Banker auch persönlich hofiert. Die große Koalition hatte die Fortsetzung dieser Finanzplatzförderungspolitik zu einem Schwerpunkt ihrer Politik gemacht.
Wo liegt der Denkfehler? Volkswirtschaftlich unnütze Tätigkeiten werden als Wertschöpfung betrachtet
Auch in der Finanzwirtschaft arbeiten ehrenwerte Leute. Sie beschäftigen sich mit volkswirtschaftlich sinnvollen Aufgaben. Einige regeln den Zahlungsverkehr, andere vermitteln zwischen solchen Personen und Institutionen, die Teile ihres Einkommens sparen, und solchen, die investieren. Dabei gleichen sie die unterschiedlichen Vorstellungen über die Fristen und Risiken von Sparen einerseits und Krediten für Investitionen andererseits aus. Würden sich die Banken auf diese Kredittransformation, auf den Zahlungsverkehr und vielleicht noch auf ein notwendiges Minimum von Risikoausgleich beschränken, dann könnten wir damit leben. Was die Mitarbeiterinnen/er der Banken, die in diesen Bereichen des Kapitalmarktes arbeiten, leisten, ist aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll. Ich schätze ihre Wertschöpfung für unsere Volkswirtschaft auf ungefähr 2 % des Bruttoinlandsprodukts.
Aber die Spitzen der Finanzwirtschaft, die Investmentbanker, Broker, Börsen und Agenten haben entdeckt, dass sie mit dem Betrieb von Casinos, mit Spekulationen, mit Wetten und allerlei sonstigen neu erfundenen Finanzprodukten sehr viel mehr verdienen. Sie haben weiter entdeckt, dass sie mit ständigen Transaktionen von Vermögenswerten, von Aktienpaketen und ganzen Unternehmen auf leichte Weise um Potenzen mehr verdienen als mit der traditionellen Aufgabe des Kapitalmarktes, der Vermittlung zwischen Sparern und investierenden Unternehmen.
Also haben sie ihre Energie auf den Casinobetrieb konzentriert und dabei Milliarden beiseite geschafft.
Auf welche volkswirtschaftlich höchst unproduktive Tätigkeiten sich dieser dominante und höchstbezahlte Teil der Finanzwirtschaft konzentriert, lässt sich an ein paar Beispielen stichwortartig zeigen:
Auf die skizzierte vielfältige Weise ist es der Finanzindustrie gelungen, sich ein größeres Stück vom Kuchen – vom gemeinsamen Bruttoinlandsprodukt – herauszuschneiden. Aber das ist volkswirtschaftlich kein Gewinn, sondern eine Vergeudung von Ressourcen.
Die skizzierten Beispiele zeigen zusätzlich, dass die hoch dotierten Tätigkeiten der Finanzindustrie zerstörerische Nebenwirkungen haben. Das Ergebnis „Wertschöpfung“ zu nennen und die Vergrößerung des geraubten Stücks auch noch zu feiern ist dreist. Wir haben es nämlich bei dem gefeierten Teil der Finanzwirtschaft mit Dieben und Plünderern zu tun.
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