Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Will Merkel deutsche Panzer zur „Friedensarbeit“ in die Ukraine schicken?
Datum: 23. Mai 2019 um 9:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik
Verantwortlich: Redaktion
ARD-Korrespondentin Ina Ruck warnte nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in einer Live-Schaltung mit ernstem Gesicht direkt aus Kiew, Wolodymyr Selenski sei völlig „unerfahren“ und werde von Wladimir Putin „zum Frühstück verspeist“. Angela Merkel sieht das offenbar genauso. Noch wenige Tage vor der Stichwahl in der Ukraine empfing sie den in der ersten Runde der ukrainischen Präsidentschaftswahlen mit 15 Prozent der Stimmen kläglich abgeschmierten Amtsinhaber Petro Poroschenko in Berlin. Von Ulrich Heyden.
Die Ukrainer hatten ihrem Präsidenten, der im Osten des Landes seit fünf Jahren gegen das eigene Volk Krieg führt, den Laufpass gegeben. Doch Berlin scheint das nicht zu interessieren. Es gibt höhere Interessen. Am Montag, dem Tag der Vereidigung von Wolodymyr Selenski im ukrainischen Parlament, fuhr Merkel demonstrativ nicht nach Kiew, sondern besuchte die in Munster stationierte und von Deutschland, den Niederlanden und Norwegen geführte Schnelle Eingreiftruppe der Nato, genannt auch „Speerspitze“.
Panzer röhrten, Kampfhubschrauber donnerten in Formation über den Platz, Soldaten mit schwarz bemalten Gesichtern ballerten auf einen unsichtbaren Feind. Merkel – in Nato-blauer Jacke – machte ihre Raute und erklärte, „das, was hier getan wird, ist Friedensarbeit im wirklichen Sinne des Wortes”. Umgeben von ernst blickenden Militärs erklärte die Kanzlerin dann, was deutsche Panzer mit „Friedensarbeit“ zu tun haben. „Die Ukraine hat uns gezeigt, wie schnell territoriale Integrität heute auch in der Nähe unseres Bündnisgebiets verletzt werden kann – deshalb ist das hier keine Theorieübung”.
Die Ukraine gehört nicht zum Nato-Gebiet, aber das ist für Merkel nur eine Lappalie. „Unser Leitprinzip ist es, dass die territoriale Integrität auch für die Ukraine wieder realisiert werden kann.“. Der Truppenübungsplatz Munster hat schon einige Katastrophen und militaristische Exzesse erlebt. Werden an diesem unseligen Ort nun neue Exzesse im Osten geübt?
Warum unseliger Ort? Ende des 19. Jahrhunderts wurden auf dem Übungsplatz Munster Truppen für die Bekämpfung des Boxeraufstands in China und für die deutschen Kolonien in Afrika ausgebildet. Am 24. Oktober 1919 explodierten in Munster 40 Kesselwagen mit Kampfgas. Die Kampfstoffgranaten wurden kilometerweit durch die Gegend geschleudert. Mehrere Menschen starben. Das Wort „Friedensarbeit“ kannte man damals noch nicht, aber schon damals ging es um „deutsche Interessen“ außerhalb der deutschen Grenzen.
Die Gegend um Munster warnt uns, nicht noch einmal gen Ost zu marschieren. Nicht weit vom Truppenübungsplatz Munster liegen in Massengräbern 50.000 sowjetische Soldaten, die während des Zweiten Weltkrieges in den Kriegsgefangenenlagern Oerbke, Wietzendorf, Sandbostel und Bergen-Belsen wie Vieh unter freiem Himmel gefangengehalten wurden und an Hunger und Krankheiten starben.
Zurück zu den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine. Deutschland war bei der Vereidigung von Präsident Wolodymyr Selenski im ukrainischen Parlament nur mit dem gescheiterten Bundespräsidenten a.D. Christian Wulff vertreten. Jemanden wie Selenski, den „Putin zum Frühstück verspeist“, möchte das nach neuer Größe strebende Deutschland nicht unnötig aufwerten.
Titelbild: Screenshot Bundesregierung.de
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=51947