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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 14. April 2010 um 9:15 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Finanzkrise; Lebensversicherung – Rendite fast halbiert; Attac-Bankentribunal; Ende einer liberalen Lebenslüge; Sigmar-Gabriel-Interview; die Reformer der Arbeitsagentur; Leiharbeit; der Vatikan und die Pädophilie. (MB)

  1. Von wegen Subvention
  2. Porträt: Jörg Asmussen – Der Brandbekämpfer
  3. Rrrrummms – Peer Steinbrück rechnet ab
  4. Lebensversicherung – Rendite hat sich fast halbiert
  5. Attac Bankentribunal in Berlin
  6. Euroland wird Jagdrevier
  7. Chinas größte Geldhäuser brauchen 70 Mrd. Dollar
  8. Ende einer liberalen Lebenslüge
  9. Interview mit SPD-Chef Gabriel: “Begriffe nicht aus Feigheit verwischen”
  10. Hans Leyendecker: Warum viele lernten, die Bombe zu lieben
  11. Wenn sich Trauerschleier über die Realität legen: Eine Medienkolummne über den Abschied von den gefallenen Bundeswehrsoldaten
  12. Schweinegrippe: Der Experte, der 30.000 Deutsche sterben sah
  13. Birgit Homburgers kleiner Bären-Shop
  14. Der Reformer von der Arbeitsagentur
  15. Der geliehene Angestellte
  16. Die «Lügen-Kämpfer» Kroatiens
  17. Vatikan: Pädophilie hat mit Homosexualität zu tun
  18. Zu guter Letzt: Pelzig unterhält sich mit Uwe Dolata

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Von wegen Subvention
    Die Deutschen zahlen die Zeche für die Griechen? Das kann nur behaupten, wer ein Panikniveau für eine Referenzgröße hält. – Im Gegenteil: Mindestens 300 Millionen Euro striche der deutsche Staat pro Jahr ein, sollte Griechenland die Hilfskredite vollständig in Anspruch nehmen. Deutschland kann sich nämlich zu sehr viel günstigeren Konditionen das Geld besorgen. Der Kredit an Hellas ist in Wirklichkeit ein lohnendes Geschäft.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlano Pascheit: Eine feine Argumentation von Robert von Heusinger. Dann können wir uns ja nur freuen auf die nächsten glänzenden Kreditgeschäfte mit Portugal, Irland, Spanien oder dem Nicht-Euroland Großbritannien, die eventuell in Kürze vor ähnlichen Problemen stehen können wie Griechenland. Aber im Ernst, die Schöpfer der No-Bail-Out-Regel hatten sicherlich nicht diesen Fall im Sinn, sondern eine Situation, in der sich diese Kredite letztlich als Transferakte erweisen würden. In der Sprache dieser Leute sollte die No-Bail-Out-Regel dafür sorgen, dass die Währungsunion nicht zur Transferunion verkommen konnte. Persönlich hätte ich in den Vereinigten Staaten von Europa mit einer einheitlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik nichts gegen stärkere zwischenstaatliche Transfers. Nur, dass wir heute Griechenland in dieser Form beistehen müssen, hat viel damit zu tun, dass wir die Politische Union nicht in gleicher Weise vorangetrieben haben wie die Währungsunion.

  2. Porträt: Jörg Asmussen – Der Brandbekämpfer
    Jörg Asmussen hat vergangene Woche wieder einmal zwei Tage in Brüssel verbringen dürfen. Wieder einmal ging es darum, Schlimmeres an den Finanzmärkten zu verhindern. Seit Wochen schauen alle auf das hochverschuldete Griechenland. Mit seinen Kollegen aus den anderen Euro-Ländern hat der Finanzstaatssekretär die Konferenz der Minister vorbereitet, auf der die technischen Details der Hilfen festgezurrt werden sollten. Schon am Sonntag haben diese bis zu 30 Milliarden Euro in einem Jahr an Krediten zugesagt, falls sich das Land am Markt nicht mehr finanzieren kann. Ein Sprecher von Bundeskanzlerin Merkel beschrieb die Lage bildhaft: „Dass ein Feuerlöscher an der Wand hängt, sagt überhaupt nichts darüber aus, ob er gebraucht wird.“
    Quelle: Frankfurter Allgemeine

    Anmerkung MB: Unfassbar. Der Pyromane wird zum Held der Feuerwehr hochgeschrieben. S. zu Hintergrundinformationen die Nachdenkseiten vom 06.04.2008

  3. Rrrrummms – Peer Steinbrück rechnet ab
    Ex-Finanzminister Peer Steinbrück mit Hasskappe: Er kanzelt die Finanzelite ab – mit Fachbeistand aus prominentem Hause.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung MB: Steinbrück hätte als Minister die Gelegenheit und Pflicht gehabt, das Schlimmste zu verhindern. Jetzt schreibt er ein Buch (einen potentiellen Bestseller), spielt Schach mit Helmut Schmidt und darf sich bei Plaudertasche Beckmann als schärfster Kritiker präsentieren.

  4. Lebensversicherung – Rendite hat sich fast halbiert
    Wer finanziell vorsorgt, muss sich im Alter dennoch auf klaffende Lücken einstellen. Das gilt auch für die Lebensversicherung. Der Scheck an die Kunden zum Laufzeitende fällt erneut kleiner aus. Nach einer Studie haben sich die Renditen vereinzelt sogar halbiert. Sollen die Unternehmen am Kapitalmarkt jetzt mehr riskieren?
    Quelle: Manager-Magazin
  5. Attac Bankentribunal in Berlin
    Fünf Richter, jeweils vier Ankläger und Verteidiger sowie 21 geladene Zeugen kamen zum Bankentribunal in Berlin zusammen. Nicht erschienden waren die Angeklagten, zu denen neben Angela Merkel auch der Vorsitzende der Deutschen Bank Josef Akcermann gehörte. Davon unbeirrt eröffnete das globalisierungskritische Netzwerk Attac den Prozess gegen die Verantwortlichen der Finanzkrise
    Quelle: YouTube
  6. Euroland wird Jagdrevier
    Eitel Freude auf allen Seiten. Griechenland geht nicht bankrott, die Eurozone bleibt heil, der Euro legt kräftig zu gegenüber dem Dollar und anderen Weltwährungen.
    Quelle: Der Freitag
  7. Chinas größte Geldhäuser brauchen 70 Mrd. Dollar
    Unvorstellbare Mengen an Krediten treiben das chinesische Wirtschaftswunder an. Viele davon sind faul. Der Chef von Chinas größter Bank ICBC (Industrial & Commercial Bank of China) nennt nun die Summe, die die Geldhäuser an frischem Eigenkapital bräuchten. Er will deshalb Praktiken anwenden, die die Finanzkrise ausgelöst haben. Yang deutete an, es könne schwierig werden, das frische Geld ausschließlich an den Märkten aufzunehmen. Einige Beobachter erwarten, dass der Staat Mittel zuschießen wird. Um den Banken den Zugang zu Liquidität zu erleichtern, forderte ICBC-Präsident Yang Kaisheng die Aufseher zudem auf, den Verkauf von Darlehen an Dritte zu erlauben sowie Wertpapiere zuzulassen, die mit Krediten besichert sind – Praktiken und Produkte, die als Mitursachen der Krise gelten. ICBC ist die gemessen am Marktwert größte Bank der Welt.
    Quelle: Financial Times Deutschland
  8. Ende einer liberalen Lebenslüge
    Das abgespeckte Steuerkonzept der FDP markiert einen Wendepunkt. Nicht, weil die Partei einen Teil ihrer vollmundigen Steuersenkungsversprechen wieder einsammelt. Auch nicht, weil es so lang gedauert hat, bis sie es tut. Sondern weil das neue Konzept zeigt, dass nun auch die FDP auf bestem Weg ist, sich von der liebsten Lebenslüge liberal-konservativer Politiker zu verabschieden: von der Mär, Steuersenkungen und Haushaltskonsolidierung ließen sich miteinander vereinbaren. Allerdings geht die FDP noch nicht weit genug. Angesichts der neuen Einsicht, dass der deutsche Staat sich im Moment keine große Steuerreform ohne Gegenfinanzierung leisten kann, muss man das gesamte Konzept der Steuersenkung in Frage stellen.
    Quelle: Financial Times Deutschland
  9. Interview mit SPD-Chef Gabriel: “Begriffe nicht aus Feigheit verwischen”
    Wer von Krieg in Afghanistan rede, müsse im Bundestag über den Einsatz neu abstimmen, sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel im FR-Interview. Die Abstimmung würde dann anders verlaufen. Zur Landtagswahl in NRW erklärt er, dass wer die Linke wählt, Rüttgers helfe.
    Quelle: FR
  10. Hans Leyendecker: Warum viele lernten, die Bombe zu lieben
    Die Angst vor Nuklearwaffen in den Händen von Extremisten ist groß, dabei gibt es kaum waffenfähiges Spaltmaterial – die Gefahr lauert anderswo.
    Quelle: Süddeutsche
  11. Walter van Rossum: Wenn sich Trauerschleier über die Realität legen: Eine Medienkolummne über den Abschied von den gefallenen Bundeswehrsoldaten
    Vielfach haben die Medien die Rede zitiert, die Angela Merkel bei der Trauerfeier für die Gefallenen von Kundus gehalten hat: dass sie, die Bundeskanzlerin, sich hinter die Soldaten im Afghanistan-Einsatz stelle, dass die Bundeswehr dort für die Sicherheit Deutschlands kämpfe. Aber müsste kritische Berichterstattung nicht spätestens hier einhaken? Und nachfragen, inwiefern ein paar Tausend Taliban eine Gefahr für Deutschland sein können? Wieso Terroristen ausgerechnt auf Rückzugsgebiete in Afghanistan angewiesen sein sollen? Doch die allgemeine Ergriffenheit lässt solche Fragen nicht zu. Sie sorgt dafür, dass die Realitäten des Krieges hinter einem Trauerschleier.
    Quelle 1: WDR [PDF – 72KB]
    Quelle 2: WDR [Audio-Podcast]
  12. Schweinegrippe: Der Experte, der 30.000 Deutsche sterben sah
    An der Schweinegrippe sind weltweit 16.813 Menschen gestorben – viel weniger als befürchtet. Haben die Behörden also überreagiert? Ulli Kulke sprach mit Adolf Windorfer, Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover. Der Experte hatte allein für Deutschland bis zu 30.000 Tote vorhergesagt.
    Quelle: Welt
  13. Birgit Homburgers kleiner Bären-Shop
    Die Berliner Politik ist manchmal bizarr: Die FDP-Fraktionsvorsitzende Homburger sammelt Bären, SPD-Mann Friedrich verschmäht Kleingeld und Linkenpolitiker Maurer sinniert über Rationalität. Warum?
    Als kläglich gescheitert muss dagegen eine Sponsoring-Aktion der “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” (INSM) bezeichnet werden. Die INSM ist neuerdings statt wie bisher in Köln nun in Berlin aktiv. Weil die Soziale Marktwirtschaft jetzt an der Spree “starke Freunde” brauche, ist sie in ein Büro in der Hauptstadt umgezogen. Zur Einladung verschickte sie einen Brief mit dem politischen Slogan “Im Jahr 2010 muss sich einiges ändern.” Die Jahreszahl bestand aus einer echten 20-Cent- und einer echten 10-Cent-Münze. Beim SPD-Bundestagsabgeordneten Peter Friedrich lag INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr allerdings mit seiner 30-Cent-Sponsering-Aktion politisch arg daneben. Der schickte ihm nämlich die Einladung samt den 30 Cent Bargeld zurück. Und schrieb dazu: “Herkunft und Höhe ihrer Finanzquellen lassen Sie ja gern im Verborgenen. Ihre Vorschläge zur Politik verkehren häufig den Begriff ‘sozial’, den Sie im Namen führen, ins Gegenteil. Dass Ihre Finanzen aber so üppig sind, dass sie jetzt auch noch Geld verschicken, überrascht mich dann doch.” Er finde schon die Initiativen und Ratschläge der INSM, die von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie finanziert wird, unannehmbar, schrieb Friedrich weiter. “Die Annahme von Bargeld geht noch darüber hinaus.” Um nicht auch noch Geld fürs Rückporto ausgeben zu müssen, trug der SPD-Mann den Brief persönlich zum INSM-Briefkasten. Nein, Friedrich, der auch als Generalsekretär der baden-württembergischen SPD amtiert, ist kein waschechter Schwabe, wie man daraus schließen könnte. Er ist in Karlsruhe geboren.
    Quelle: Stern
  14. Der Reformer von der Arbeitsagentur
    Die Bundeswehr soll effizienter werden. Organisieren will das Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit, als Kopf einer Experten-Kommission – im Nebenjob.
    Quelle: Zeit

    Anmerkung eines Nachdenkseiten-Lesers und Arbeitsagentur-Kunden: Etwas Wichtiges, Entscheidendes wurde in der Aufzählung vergessen – das Arbeitsamt wurde in Arbeitsagentur umbenannt. Und nicht zu vergessen, das Logo wurde von einem roten „A“ auf weißem Grund auf ein weißes „A“ auf rotem Grund umgestellt. Mal sehen, ob so eine Vorgehensweise bei der Bundeswehr auch zum Ziel führt. Dass sich Herr Weise nach einem „Nebenjob“ – vielleicht als Auftakt für eine neue Stelle – umsieht, ist nachvollziehbar. Würde ich vielleicht auch so machen. Wenn ich könnte. Vor allem, wenn sich abzeichnet, das einem die derzeitige Arbeit ausgeht. Nicht wegen der Arbeitslosen, sondern wegen dem gnadenlosen Zurückfahren der Leistungen, welchen diesen Apparat eigentlich auch wirtschaftlich in Frage stellen.
    Ich war gestern wieder einmal auf der Arbeitsagentur meinen Kunden“pflichten“ nachkommend. Mein Eindruck ist zunehmend, dass die „Kundenorientierung“ sich über die Jahre dahingehend gewandelt hat, dass nun selbst der gutwilligste Arbeits“vermittler“ sich nicht mehr für einen „Kunden“ aus dem Fenster lehnt. Meine persönliche Erfahrung ist, dass die Arbeitsagentur eigentlich nur noch das gesetzlich vorgeschriebene ALG I nach vorheriger Prüfung von möglichen Abzügen „verteilt“. Willkommen sind auf alle Fälle alle möglichen Kürzungsgründe. Gut sind auch Krankschreibungen, wonach man auch bei einem vorübergehenden, vom Arzt attestierten Unwohlsein im Magen des Kunden sofort die Aktivitäten hinsichtlich des Kopfes des Arbeitslosen einstellen kann. Im länger andauernden Fall sogar kranheitsbedingt aus der Arbeitslosigkeit entlassen werden. Das ist auf alle Fälle für die Statistik gut. Mein Einwand, dass eine Krankheit im Einzelfall für Leute, die sich – soweit sie Arbeit haben – sogar krank zur Arbeit schleppen – kein Hinterungsgrund ist, eine Bewerbung zu schreiben, ja im günstigsten Fall Wochen später – nach der Genesung – ein Vorstellungsgespräch führen zu dürfen, galt schon reichlich aufmüpfig. Vorrangig ist die Entbindung des Amtes von der Verpflichtung, eh nicht vorhandene Arbeitsangebote dem Delinquenten unterbreiten zu müssen. Und natürlich die Statistik aufzuwerten.
    Glaubt man den Verlautbarungen unserer verantwortlich zeichnenden Politiker, so ist die unzureichende, nichtpassgerechte Qualifizierung der Arbeitslosen ein wesentliches vermittlungshemmendes Übel. Presse Funk und Fernsehen bringen das täglich den „Noch-Arbeitsplatz—Besetzenden“ (besitzend trifft ja wohl nicht zu) zur Beruhigung rüber. Die Arbeitsagentur macht euch wieder fit. Qualifizierung schon während der Kurzarbeit und so. Und dann, wenn man nun arbeitslos ist? Nicht nur um meinen „Defiziten“ abzuhelfen sondern auch aus meinem Verständnis von Beruf bemühe ich mich um eine Qualifizierung über das Arbeitsamt. So richtig interessant ist, wenn man weiß, was man will. Also, was man braucht. Gilt alles nicht. Ich versuche nun schon wieder über mehrere Termine mit meinem Vermittler Nägel mit Köpfen zu machen, aussichtslos. Ich glaube mittlerweile, daß dies Leute selber Angst haben und das Regime so eng geführt wird, dass zum Schluss nichts mehr rauskommt. Ich denke, dass bei diesen verbliebenen gutwilligen Leuten Angst vor dem Regime im eigenen Haus eine wesentliche Rolle spielt. Ich glaube mittlerweile auch, dass es – auf alle Fälle in den Köpfen – eine Deadline gibt, welche über das Alter jenseits der 50 eine Qualifizierung verhindert.
    Damit ist von vornherein die Perspektive, nämlich das chancenlose Aufschlagen in Armut am Ende der beruflichen Laufbahn, vorprogrammiert. Ich habe das schon öfters gehört, eine Förderung der Qualifizierung sei nur möglich, wenn der neue Arbeitgeber bekannt ist. Was soll das??? Führt Herr Weise mit so einem Background bei der Bundeswehr nun ein, diese nur ins Ausland zu schicken, wenn der Erfolg, also zumindest „befristet“- (z.B. über ein Jahr, siehe Arbeitsverträge) absehbar ist???? Das käme ja einer Revolution gleich. Wäre aber eine echte Chance sich weitere Tote in diesem sich in einem „kriegsähnlichen“ Zustand befindlichem Land nun wirklich zu sparen. Dieser Einsparung oder „Reform“ würde ich sofort zustimmen…

  15. Der geliehene Angestellte
    Ich wollte die persönlichen und ökonomischen Auswirkungen der Billiglohnpolitik am eigenen Leib erfahren. Die Idee kam mir bereits während einer vor-herigen Recher-che zur desast­rösen Situation in Altenheimen (»Abgezockt und totge-pflegt«). Denn auch dort konnte ich beobachten, dass die Arbeitgeber statt auf festangestellte Altenpfleger eher auf Leiharbeitskräfte setzen. Die Erzählungen der damali­gen Leiharbeitskollegen festigten in mir das Bild eines modernen Wanderarbeiters. Doch wie ist das Leben eines Leiharbeiters tatsächlich – und verdrängt die Leiharbeit die Festbeschäftigung?
    Quelle: Markus Breitscheidel
  16. Die «Lügen-Kämpfer» Kroatiens
    Wundersame Vermehrung der Kriegsveteranen in Kroatien. Nach dem Bürgerkrieg (1991-1995) registrierte der Staat unter grosszügigster Auslegung der Gesetze 330’000 Kriegsteilnehmer. Heute sind es 501’000. Jetzt ist selbst Veteranenminister Tomislav Ivic in die Schusslinie geraten. Er soll seine eigene Frontzeit fälschlich um 298 Tage verlängert haben, um zusätzliche Vergünstigungen zu erschleichen. Die geschockten Kommentare in den Zeitungen lauteten im Kern: Wie ist es möglich, dass ein Land mit nur 4,4 Millionen Einwohnern mehr Kämpfer an die Front geschickt hat «als die Grande Armee von Napoleon Bonaparte», die ihren besten Zeiten gut 400’000 Soldaten zählte? Dass sich Zehntausende von «Lügen-Kämpfern» in die Reihen der Kriegsteilnehmer gemogelt haben, hat einen handfesten Grund. Die Veteranen, die in nicht weniger als 200 Verbänden organisiert sind, erhalten bis zu 13 Privilegien. Ihre Renten sind dreimal höher als die der «Zivilisten», sie können umsonst den Nahverkehr nutzen, zollfrei Autos einführen und erhalten schneller Wohnungen. Ausserdem besitzen sie Aktien in einem ihnen gewidmeten Staatsfonds. Tapferkeitsorden ohne Fronteinsatz.
    Quelle 1: Neue Zürcher Zeitung

    Anmerkung OP: Man stelle sich dieses Kroatien als Mitglied in der Eurozone vor, was nach dem Beitritt in die EU sicher geplant ist. – Im Grunde ist das Ganze Stoff für eine Komödie, wenn man davon absieht, dass diese “Veteranen” wie auch die kroatische Regierung die Kriegsverbrechen kroatischer Militärs zwischen 1991 und 1995 weitgehend ignoriert
    Quelle 2: Der Standard

  17. Vatikan: Pädophilie hat mit Homosexualität zu tun
    Steile These vom Außenminister des Papstes: Der Missbrauchsskandal in der Kirche hat laut Kardinal Bertone nichts mit dem Zölibat zu tun – sondern mit gleichgeschlechtlichem Sex.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Der Vatikan gebärdet sich völlig lernunfähig, dreist und rückwärtsgewandt. Der Vertraute des Papstes, Kurienkardinal Bertone, verfährt nach dem Motto “Angriff ist die beste Verteidigung” und möchte die ganz maßgeblich vom Vatikan vertuschten Pädophilie-Skandale (siehe den Tagesspiegel-Beitrag “Die Verliese des Vatikan”) der Homosexulalität in die Schuhe schieben. Ohne Zweifel wird es dem Vatikan gelingen, der Öffentlichkeit dem Vatikan gewogene “Experten” in Gestalt von Psychologen und Psychiatern zu präsentieren, die dessen Homophobie tatkräftig unterstützen.
    Kardinal Lehmann ist keineswegs “progressiv” (in gesellschaftlichen Fragen eher gemäßigt konservativ). Zu Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik ließ Lehmann sich in der Vergangenheit für die Arbeitgeberlobby INSM einspannen. Im Beitrag “Die INSM, die Kirchen und der Vatikan” des INSM-Watchblog heißt es:

    “Die INSM hat die Kirchen auf Linie gebracht. Hans Tietmeyer, Kuratoriumsvorsitzender der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) und ehemals Präsident der Bundesbank, war im Oktober 2001 Hauptredner bei der Tagung des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU) zum Thema Soziale Marktwirtschaft. Im Dezember 2001 veröffentlichte Tietmeyer bei der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle die Broschüre “Besinnung auf die Soziale Marktwirtschaft”. Beide Male wandte sich Tietmeyer gegen die einseitige Interpretation des Sozialen als Verteilungsgerechtigkeit und plädierte für mehr “Eigenverantwortung”. Umgekehrt wurde Kardinal Lehmann im Juni 2002 als erster Redner zu den Ludwig Erhard-Lectures eingeladen, die die INSM neu ins Leben gerufen hatte. Lehmann berief Hans Tietmeyer zusammen mit Paul Kirchhof (damals noch INSM-Botschafter) in den neunköpfigen Beraterkreis für ein neues Papier der katholischen Kirche zum Sozialstaat. Der Impulstext “Das Soziale neu denken” der katholischen Bischöfe wurde im Dezember 2003 veröffentlicht und präsentierte über weite Strecken eine neoliberal geprägte Analyse eines Reformstaus und die Kritik an einem unüberschaubaren Dickicht von Transferleistungen. Dies bedeutete einen deutlichen Richtungswechsel der Kirchen beim Thema soziale Gerechtigkeit – befördert durch die INSM.”

    Passend dazu:

    Anleitung gegen Missbräuche
    Der Vatikan hat am Montag die 2003 verfassten Richtlinien gegen sexuellen Missbrauch von Minderjährigen veröffentlicht. Darin heisst es, die staatlichen Gesetzesvorschriften bezüglich der Anzeige von Delikten müssten immer befolgt werden. Der Hinweis richtete sich offenkundig gegen den in letzter Zeit immer wieder erhobenen Vorwurf, dass das Kirchenrecht eine Anzeige verhindern und der Vertuschung Vorschub leisten könnte. Allerdings sind Bischöfe noch längst nicht in allen Ländern vom Gesetz her zur Denunzierung von Missbräuchen bei den staatlichen Justizbehörden verpflichtet. Die Deutsche Bischofskonferenz, die im Vatikan als vorbildlich gilt, hatte bereits 2002 festgelegt, dass in erwiesenen Fällen von Missbrauch den Tätern zur Selbstanzeige geraten oder die Staatsanwaltschaft direkt informiert werden soll.
    Quelle 1: Neue Zürcher Zeigung

    Anmerkung OP: Jeder möge sich selbst über diese “vorbildliche” Leitlinie hier ein Bild machen.

    Quelle 2: Deutsche Bischofskonferenz

    Die zitierte Stelle lautet:

    “In erwiesenen Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger wird dem Verdächtigten – falls nicht bereits eine Anzeige vorliegt oder Verjährung eingetreten ist – zur Selbstanzeige geraten und je nach Sachlage die Staatsanwaltschaft informiert.”

    Beim besten Willen ich kann daraus keine rechtlich eindeutige Verpflichtung entnehmen, Fälle sexuellen Missbrauchs staatlichen Behörden anzuzeigen.

  18. Zu guter Letzt: Pelzig unterhält sich mit Uwe Dolata
    Moralisches um Mitternacht: Über mafiöse Verhältnisse in Deutschland sprach Frank-Markus Barwasser in der ARD-Talksendung „Pelzig unterhält sich mit dem Würzburger Wirtschaftsermittler Uwe Dolata.
    Quelle: YouTube

    Anmerkung MB: Und Kommissar Dolata kann ja aus ermittlungstaktischen Gründen nur einen Bruchteil von dem sagen, was er weiß.


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