Heute unter anderem zu folgenden Themen: Stunde der Abrechnung in Island, Banken schamlos wie immer; Streit um Bankenaufsicht; Krokodilstränen im US-Kongress; Ex-Siemens-Manager dealen mit dem Staatsanwalt; Steuersenkungen auf Kosten unserer Kinder; WHO will aus Schweingrippe lernen; Eiszeiten der Erziehung; Wirtschaft und Schule; Freiheit der Afghanen; Rechtsextremisten feiern Erfolge; Wilfried Schmickler – die Montagsfrage. (WL)
- Stunde der Abrechnung in Island
In Island ist die Stunde der Abrechnung nach der Finanzkrise gekommen. Die vom Parlament eingesetzte Untersuchungskommission (SIC) legte am Montag ihren seit langem erwarteten Rapport vor, der auf mehr als 2000 Seiten klarzulegen versucht, was schief lief, als Islands Bankensektor im Oktober 2008 zusammenbrach, und wer die Schuld trug, dass dadurch die ganze Nation tief in die Krise schlitterte…
Quelle: FR
- Mario Müller: Schamlos wie immer
Eine Studie des Think Tanks Deutsche Bank Research macht sich Gedanken über die Frage, was gegen künftige Finanzkrisen zu unternehmen ist und sie verdient besondere Beachtung : Die Bankenabgabe bringt nur eine Milliarde und müsse vom Staat augestockt werden. Der Staat müsse schon deshalb einspringen, weil die Stabilität der Finanzmärkte ein öffentliches Gut sei , so heißt es doch allen Ernstes in der Studie. Unverfroren !
Quelle: FR
- Bankenaufsicht: Bundesbank und Politik streiten um Kompetenzen
– bei der Bankenaufsicht und Knackpunkt ist die “Unabhängigkeit” der Bundesbank.
Quelle: FR
Anmerkung WL: Das wäre doch der Idealzustand für die Banker, wenn sie selbst über Steuergelder an konkursbedrohte Banken entscheiden könnten.
- Verhör im US-Kongress: Kabarett der Krokodilstränen
Sie reden sich heraus, rechtfertigen sich, streiten jede persönliche Schuld ab: Die Auftritte früherer Wall-Street-Bosse vor der US-Finanzkrisenkommission sind ein tristes Trauerspiel. Längst ist der Ausschuss ein zahnloser Tiger – während an der Börse alles wieder seinen alten Gang geht.
Quelle: Spiegel Online
- Lucas Zeise – Staatspleiten voraus
Die Griechenlandkrise der letzten Monate erinnert die Berufsoptimisten unter den Volkswirten daran, dass die seit Sommer 2007 wütende Finanz- und Wirtschaftskrise keineswegs vorbei ist, sondern sich seit Herbst 2009 in erster Linie als Krise der Staatsfinanzen äußert.
Was wird denn wirklich passieren, wenn die Staaten zahlungsunfähig werden oder, lax ausgedrückt, pleitegehen? Es gibt ja zahlreiche Vorbilder für solche Ereignisse. Und es gibt zahlreiche, ganz unterschiedliche Formen der Staatspleite. Weit definiert besteht sie aus der Unfähigkeit oder der politischen Entscheidung einer Regierung, die Schulden des Staates oder einen Teil davon nicht mehr ordnungsgemäß zu bedienen. Es liegt auf der Hand, dass dies sehr unterschiedlich ablaufen und sehr unterschiedliche Folgen haben kann. Es war eine Form der Staatspleite, als die US-Regierung unter Richard Nixon 1971 entschied, entgegen den internationalen Verträgen für 35 $ keine Unze Gold mehr herauszurücken. Die Folgen waren für die Weltwirtschaft erheblich.
Ähnliche Verwerfungen blühen uns wieder. Einigkeit herrscht unter den Ökonomen einschließlich der Berufsoptimisten, dass die Staaten zurzeit auf den Zustand der Zahlungsunfähigkeit zutreiben. Wenn nichts Sensationelles geschieht, wird der Internationale Währungsfonds arg beschäftigt bleiben. Seine Mittel werden erhöht werden müssen. Die Fastpleiten kleinerer und machtloserer Staaten à la Lettland, Island und Griechenland werden sich häufen. Interessanter werden dann Fälle wie Großbritannien, und richtig interessant wird es, wenn die eigentlichen Kernregionen, die Euro-Zone, Japan und die USA, dran sind. Eines der Probleme der Krise besteht ja gerade darin, dass sie alle Kernregionen betrifft, sodass sich keine der drei Regionen durch eine Abwertung auf Kosten der anderen sanieren kann.
Zu Beginn der Krise war die Meinung weitverbreitet, dass die Staaten, allen voran die USA, das Verschuldungsproblem durch höhere Inflation entschärfen würden. Das Argument wurde in zwei Formen vorgetragen. Zum einen würde die massive Geldvermehrung der Zentralbanken quasiautomatisch Inflation erzeugen. Bisher ist davon nichts zu erkennen. Zwar sind die Rohstoffpreise auch wegen des aufgeblähten Geldkapitals kräftig gestiegen. Nichts sonst aber deutet auf stärker steigende Preise hin.
Zweitens wurde vermutet, speziell die US-Regierung werde aktiv die Inflation anzuheizen versuchen. Das Argument wird nicht dadurch entkräftet, dass weder die US-Zentralbank Fed noch die Regierung eine entsprechende Absicht bekundet haben. Doch man muss konstatieren: Wenn Ben Bernanke, Timothy Geithner und Barack Obama die Absicht hätten, die Inflation zu fördern, besonders erfolgreich sind sie bisher nicht damit.
Noch beschleunigt sich der Verschuldungsprozess der Staaten. Kann sein, dass sich das Problem ganz unverhofft durch einen Konjunkturaufschwung in Luft auflöst. Schön wäre es, aber wenig wahrscheinlich. Am Ende wird nichts anderes übrig bleiben, als einen Währungsschnitt zu veranstalten oder etwas, das die Juden des Alten Testaments die Jubeljahre nannten, die Streichung aller Schulden. Man merkt, ich werde religiös.
Quelle: FTD
- Ex-Siemens-Manager dealen mit dem Staatsanwalt
Jahrelang haben sie systematisch bestochen und bestechen lassen. Nun müssen zwei frühere Siemens-Vorstände mit einer Freiheitsstrafe rechnen. Einsitzen müssen die beiden Ex-Manager trotzdem nicht.
Quelle: Focus Online
- Gerhard Bosch: Wir leben auf Kosten unserer Kinder
Ursache der Misere: Die Steuersenkungen der letzten Jahre wurden über Kürzungen von Investitionen und mit Schulden finanziert. Allein das letzte Steuergeschenk, das „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“, bescherte den Kommunen 1,6 Milliarden Euro Steuerverluste. Wir können nicht weiter auf Kosten unserer Kinder über unsere Verhältnisse leben. Zur Stärkung der Vorsorge muss die Finanzkraft der öffentlichen Haushalte und insbesondere der notleidenden Kommunen gestärkt werden. Dazu gibt es vernünftige Vorschläge. Ein Entschuldungsfonds kann stark verschuldeten Kommunen durch Zinshilfen Luft zum Atmen geben. Da Kommunen die Folgen des Strukturwandels und der hohen Arbeitslosigkeit nicht allein meistern können, muss sich der Bund stärker an höheren Kosten für Sozialausgaben wie dem Miet- und Heizungskosten für Hartz-IV-Empfänger beteiligen. Und man sollte die kommunale Steuerbasis verbreitern, etwa Freiberufler in die Gewerbesteuer einbeziehen.
Weitere Steuersenkungen zu versprechen, wäre wirtschaftspolitisch unverantwortlich. Die Lebensbedingungen in reichen und armen Kommunen würden immer unterschiedlicher.
Quelle: Der Westen
- »Ein Kind ist nicht vier Fünftel eines Erwachsenen«
Arbeitslose Gewerkschafter setzen sich dafür ein, daß Hartz IV für Kinder dem konkreten Bedarf angepaßt wird. Ein Gespräch mit Horst Schmitthenner. Horst Schmitthenner ist Beauftragter des IG-Metall-Vorstandes für das Verbindungsbüro soziale Bewegungen und Vorstandsvorsitzender der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen.
Quelle: Junge Welt
- WHO will von der Schweinegrippe-Pandemie lernen
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will den Umgang mit der Schweinegrippe analysieren und Schlüsse für künftige Pandemien daraus ziehen. WHO-Generaldirektorin Margaret Chan sagte am Montag in Genf bei der Eröffnung einer dreitägigen Expertentagung: «Wir wollen wissen, was gut lief. Wir wollen wissen, was schief lief und – idealerweise – warum.» Der Umgang der Weltorganisation mit der im Frühjahr 2009 ausgebrochenen Pandemie war auf Kritik gestoßen. So hieß es, die WHO habe überzogen reagiert, da das Ausmaß weitaus geringer war als zunächst angenommen.
Quelle: Krankenkassen-Newsticker
- Brisante Studie: Das Biosprit-Ziel muss weg
Wenn Autos in Europa bis 2020 tatsächlich zu zehn Prozent mit erneuerbaren Energien angetrieben werden müssen, drohen massive Schäden für Umwelt und arme Bevölkerungsgruppen weltweit. Hält Energiekommissar Günther Oettinger solche Ergebnisse unter Verschluss, liegt folgender Verdacht nahe: Die Vorgabe der EU dient nicht in erster Linie dem Umweltschutz, sondern den Einzelinteressen der Agrarindustrie. Schon seit Jahren gibt es massive Zweifel an den Segnungen des Biosprits, dessen Einsatz im großen Stil notwendig wäre, um das Ziel zu erreichen. Dass Energiepflanzen wie Raps den Anbau von Nahrungsmittelpflanzen verdrängen und zu Knappheiten bei Lebensmitteln beitragen können, ist dabei nur ein Problem. Auch die Klimabilanz von Biosprit ist durchwachsen: Der Anbau der Nutzpflanzen ist in vielen Fällen so energieintensiv, dass unterm Strich mehr CO2 ausgestoßen als eingespart wird. Abgesehen davon, dass Regenwaldflächen gerodet werden, um Anbauflächen für Energiepflanzen zu gewinnen. Es ist also kein Wunder, dass sich Umweltorganisationen vom ursprünglichen Hoffnungsträger Biodiesel distanziert haben.
Quelle: FTD
- Migranten über Islamkonferenz ahnungslos
Die Ergebnisse sind für die Bundesregierung frustrierend. Mit Projekten wie der Islamkonferenz wollte sie deutsche Migranten erreichen. Doch eine repräsentative Umfrage ergab: Die meisten Zuwanderer sind ahnungslos. Als “besonders bedenklich” wertet das Forschergremium diese Wissenslücke bei den in Deutschland geborenen Muslimen. Die Migranten der zweiten oder dritten Generation kennen die Islamkonferenz noch deutlich seltener als selbst eingewanderte Muslime. Auch das Gleichbehandlungsgesetz, das unter anderem Benachteiligung aufgrund von ethnischer Herkunft oder Religion verbietet, ist Zuwanderern weniger bekannt als Einheimischen. Ausgerechnet die häufiger über Diskriminierung klagenden muslimischen Migranten sind laut der Umfrage am schlechtesten über dieses Gesetz informiert.
Quelle: Spiegel Online
- Wolfgang Schaupensteiner: Die Rückkehr des Jägers
Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner ging 2007 zur Deutschen Bahn, um bei dem Staatskonzern die Korruption zu bekämpfen. Ein Jahr später fand er sich mitten in einem ständig ausufernden Spitzel-Skandal wieder. Jetzt hat sich Schaupensteiner selbständig gemacht.
Quelle: Handelsblatt
- Gewalt gegen Kinder – Eiszeiten der Erziehung
Die Gesellschaft ächtet die Methoden der prügelnden Erzieher von gestern – und vergisst die Missstände von heute. Körperliche Misshandlung: Vielleicht wird man in einigen Jahrzehnten mit der Empörung, mit der man heute darüber spricht, über die Missstände von 2010 reden: davon etwa, dass nicht wenige deutsche Schulen so heruntergekommen waren, als handele es sich um ein Kindergefängnis in Manila. Im Übrigen: Ist der Leistungsdruck, der heute vielen Kindern von ihren Eltern aus der verunsicherten Mittelschicht eingepflanzt wird, nicht auch gewalttätig? An vielen Jugendlichen kann man heute die typischen Managerkrankheiten beobachten. Ist dies die neue Form von Gewalt, die man Kindern antut? Die aktuelle Empörung über die alte, die körperliche Gewalt dient auch der moralischen Stabilisierung und Selbstvergewisserung der Gesellschaft – nicht zuletzt angesichts der Wiederkehr der altbekannt dummen Sätze, wonach “ein paar Ohrfeigen noch niemandem geschadet haben”.
Quelle: SZ
- Der Stellvertreter lässt sich vertreten
Der Papst, so erklärte im fernen Chile vor ein paar Tagen der Kardinalsstaatssekretär Tarcisio Bertone, habe “wegen dieser Priester, die ihrer Berufung und Mission untreu geworden sind, sehr gelitten”. Man kann sich nicht aussuchen, woran man leidet. Man kann es als aufrichtig bewundern, dass einer der engsten Mitarbeiter des Papstes nicht etwa sagt, der Papst leide mit den Opfern, er überlege, was die Kirche tun könnte, um denen zu helfen, und was vor allem sie tun könnte, um Kindesmissbrauch in kirchlichen Einrichtungen schwieriger zu machen.
Der Papst, hätte Kardinalsstaatssekretär Bertone ja auch sagen können, fürchte, es handele sich bei dem bisher bekannt Gewordenen nur um die Spitze eines Eisberges. Er könne sich – er sei schließlich ein vernünftiger, welterfahrener Mann – nicht vorstellen, dass es dergleichen nicht geben soll in den Tausenden katholischen Kinderheimen zum Beispiel in Afrika und Asien.
Nein, das alles hat der Kardinalsstaatssekretär nicht gesagt. Er hat versucht, unser Mitleid für den Papst zu wecken, für den armen Hirten, der sich nicht um die Opfer der Schandtaten seiner Schäfchen sorgt, sondern exquisit um diese.
Quelle: FR
Anmerkung unseres Lesers G.K.: Jene in den vergangenen Wochen und Tagen bekannt gewordenen Vertuschungsfälle, die eng mit dem Namen Ratzinger verbunden sind, wecken erhebliche Zweifel an dessen Befähigung für das Amt des Papstes. Der in den “Blättern für deutsche und internationale Politik” veröffentlichte Beitrag “Papst Benedikt oder Die große Täuschung” verstärkt diesen Eindruck:
“Papst Benedikt selbst trägt an dieser augenblicklichen Schwemme an Pädophiliefällen, verjährten und noch nicht verjährten, in besonderem Maße die Schuld und Verantwortung – und zwar nicht erst, seit er vor fünf Jahren, am 19. April 2005, in das Amt des Papstes erhoben wurde.
Die Rede ist von den zwei lateinischen Geheimschreiben, die heute noch verschlossen im Tresor jedes Bischofs liegen. Das erste, aus dem Jahr 1962, stammt von Kardinal Ottaviani und trägt den Titel „Crimen sollicitationis“ (Verführung zu sexuellen Handlungen). Das zweite ist aus dem Jahr 2001; es stammt von Kardinal Ratzinger, dem damaligen Chef der Glaubenskongregation (früher die „heilige Inquisition“ genannt), persönlich und heißt „De delictis gravioribus“ (Von den schwersten Verbrechen). In diesen beiden Geheimschreiben wird die „ausschließliche Kompetenz des Vatikans“ betont, was die Ahndung von Pädophiliefällen anbelangt; gleichzeitig werden sämtliche Bischöfe unter Strafe der Exkommunikation aufgefordert, alle Pädophiliefälle ausschließlich und nur an den Vatikan zu melden. Nachdem also Kardinal Ratzinger seit 1981 allen Bischöfen das Geheimschreiben Kardinal Ottavianis von 1962 eingeschärft hatte, verpflichtete er sie 20 Jahre später auf sein eigenes Geheimschreiben. Beides mit demselben Ziel: nichts aus den Gemäuern der katholischen Kirche nach außen dringen zu lassen.
Das führte zu einer totalen Justizbehinderung gegenüber den staatlichen Gerichten, zu einer ständigen Versetzung der pädophilen Priester, die über Jahrzehnte hinweg an jedem Ort, an den sie von ihrem Bischof – nach einer so genannten Therapie – versetzt wurden, ihr Unwesen weitertreiben konnten und immer weitertreiben werden.”
- Neues von Wirtschaft und Schule
- WIE? Wirtschaft erleben
Die vier Werkbücher der Reihe “Wie? Wirtschaft erleben” sind speziell für den Unterricht in der Sekundarstufe 1 konzipiert. Dabei ist jedes Werkbuch einem Schwerpunktthema gewidmet. In Band 1 sind dies die privaten Haushalte, in Band 2 die Unternehmen, in Band 3 die Soziale Marktwirtschaft und in Band 4 schließlich die Globalisierung.
Quelle 1: Wirtschaft und Schule (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft)
Quelle 2: Schulbank.de
Anmerkung: Schulbank.de ist ein Projekt des Bundesverbandes deutscher Banken e.V.
Quelle 3: Schulbank.de
Anmerkung für unsere neuen Leser/innen: „Wirtschaft und Schule“ ist ein Projekt der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, einer PR-Organisatoren, die vom Arbeitgeberverband Metall und Elektro finanziert wird. „Wirtschaft und Schule“ produziert mit verschiedenen Partnern von Verbänden und Medien Unterrichtsmaterialen für Schulen.
Quelle 1: Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
Quelle 2: Wirtschaft und Schule (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft)
- Die Integration Jugendlicher in Ausbildung und Beschäftigung – Probleme, Programme und Reformpotenziale
Die neue Publikation “Die Integration Jugendlicher in Ausbildung und Beschäftigung – Probleme, Programme und Reformpotenziale” aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln beschäftigt sich mit den volkswirtschaftlichen Potenzialen am Übergang von der Schule in die Arbeitswelt.
Quelle: Wirtschaft und Schule (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft)
- Die Freiheit der Afghanen
Die Rede von unserer “Verantwortung” am Hindukusch ist Betrug. Nach dem Abzug der Nato muss es dort keineswegs zum Bürgerkrieg kommen
Eine klare Mehrheit der deutschen Bevölkerung, also des Souveräns, lehnt den Nato-Krieg in Afghanistan ab. Damit steht sie im Gegensatz zur Mehrheit seiner parlamentarischen Vertreter. Doch dies spielte in der Bundestagsdebatte über die Verlängerung des Kriegsmandats nur eine marginale Rolle. Eine Grundsatzdebatte über den Krieg der Nato in Afghanistan fand und findet nicht statt. Jeder ernsthafte Anlauf dazu wird mit Totschlagparolen ausgebremst, die sich auf genau zwei Fragen konzentrieren: Welche Alternativen gibt es zum Krieg? Und was geschieht nach dem Truppenrückzug?
Quelle: taz
- Ungarn nach der Wahl: Gefahren in der Mehrheit
Mitteleuropa ist wieder Teil des ganzen Europas. Aber seine politischen Strukturen sind längst nicht so stabil, dass es sicher gegenüber jedem politischen Beben ist. Und Ungarn ist dabei, den Aufbruch in die selbstbestimmte Freiheit auf eine gefährliche Probe zu stellen.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung Orlando Pascheit: Eigentlich sollten wir osteuropäische Affären wie die Wahlen in Ungarn mit etwas mehr Gelassenheit betrachten. Wir sind ja nicht mehr in einer Zeit, in der sowohl westeuropäische wie auch osteuropäische Politiker regelrechte Reklamefeldzüge starteten, um ihren jeweiligen Staatsvölkern die Osterweiterung schmackhaft zu machen, wie z.B. der damalige Kommissionspräsident Romano Prodi: „Die politische Stabilität in den mittel- und osteuropäischen Bewerberländern ist gegründet auf gemeinsame europäische Werte – Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und Schutz der Minderheiten – und kann gerade deshalb als dauerhaft angesehen werden. Daraus ergibt sich unmittelbar eine deutliche Verbesserung der Sicherheitslage in Europa und die Öffnung eines riesigen Potentials für die wirtschaftliche Entwicklung.“
Selbst interessierten Kreisen des expansionsfreudigen, westeuropäische Kapitals dürfte in Wirklichkeit klar gewesen sein, dass die osteuropäischen Beitrittskandidaten seit der Wende wirtschaftlich, politisch und soziokulturell vor einem Transformationsprozess standen, der mindestens zwei bis drei Generationen in Anspruch nehmen würde. Weiterhin war klar, dass die mit dem Beitritt erhofften Erwartungen auf einen relativ schnellen Wohlstand in Osteuropa nicht eintreten würden. Auch war abzusehen, dass in diesen z.T. hochkorrupten Ländern zumindest die Eliten diesen Wohlstand auf ihre Weise zu realisieren versuchen würden. Vor dem Hintergrund mündete Wahlen regelmäßig in einer Abwahl einer korrupten Politelite und der Wahl einer die Korruption anprangernden Opposition, die sich dann als ebenso korrupt erwies. Gewiss ist diese Beschreibung etwas vereinfachend, sie mag in einzelnen Ländern und bei einzelnen Personen differieren, aber der Gesamteindruck bleibt – in Ungarn geradezu klassisch.
In obigem Artikel wird von einer “Quittung für die seit acht Jahren regierenden Sozialisten” gesprochen. Die NZZ schreibt gar: „Die Sozialisten, die in den letzten acht Jahren regiert haben, erleiden eine Schlappe. Sie haben die Quittung für Misswirtschaft und Korruption erhalten.“ Quittungen waren Abwahlen in Ungarn immer. Der Witz ist doch der, dass Fidesz-Chef Viktor Orban, von 1998 bis 2002 schon einmal im Amt des Ministerpräsidenten, damals auch wegen Korruption und Klientelpolitik aus dem Amt vertrieben wurde. – Wir sollten etwas gelassener sein. Wer glaubt denn im Ernst, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und Schutz der Minderheiten in zwei Jahrzehnten, etabliert werden könnten, in Ländern die diese Werte zuvor kaum gelebt hatten. Wir sollten Contenance bewahren, vielleicht auch etwas lächeln zum Beispiel über den Politiker Orban, der heute so betont auf ungarisch macht und im Jahr 2000 noch ausführte: „Unser erster König, Stephan der Heilige, erkannte, dass die ungarische Nation nur erhalten bleibe, wenn sie in das damalige Europa integriert werde. Vor Tausend Jahren hat König Stephan einen weisen Entschluss gefasst … Als er die bayerische Prinzessin Gisela heiratete, schuf er eine Allianz zwischen ihm und seinen Nachbarn.“
- Ungarn ist kein Einzelfall: Rechtspopulisten und Rechtsextremisten feiern in Europa Erfolge
Der Wahlerfolg der Rechtsextremisten in Ungarn ist ein Schock für das demokratische Europa, doch keineswegs ein singuläres Ereignis. Die 16,7 Prozent für Jobbik (Die Besseren) sind Teil eines schon lange währenden Trends zu ultrarechten Parteien, die allerdings neben ideologischen Gemeinsamkeiten auch beträchtliche Unterschiede aufweisen. Der gemeinsame Nenner von Jobbik, der niederländischen Partij voor de Vrijheid (Partei für die Freiheit), der Lega Nord in Italien, der Perussuomalaiset (Wahre Finnen) und weiteren Formationen dieser Art ist die Forderung nach rabiater Abgrenzung gegenüber ethnischen Minderheiten. Die Feindbilder haben allerdings teilweise andere Konturen. Jobbik und weitere osteuropäische Pendants konzentrieren ihre Hetze vor allem auf Roma und oft auch auf Juden, in Westeuropa agitieren Rechtspopulisten und Rechtsextremisten primär gegen Ausländer und den Islam. Und der Zuspruch der Wähler kann stark schwanken. …
Quelle: Tagesspiegel
- Moskau: Richter erschossen
Der Täter wartet vor der Haustür: Ein Unbekannter eröffnet am Montagmorgen das Feuer auf Eduard Tschuwaschow und trifft ihn tödlich. Der Moskauer Richter ist bekannt für seinen Einsatz gegen Rechtsradikale und ein Urteil gegen “Weiße Wölfe”
Quelle: FR-online
Anmerkung Orlando Pascheit: Wir sind, was die Berichterstattung über fremde Länder betrifft, in hohem Maße auf die Presse, das Fernsehen oder, wenn wir die Zeit finden, auf Bücher angewiesen. Dabei können sich auch Vorurteile bilden, vor allem wenn die Berichterstattung relativ einheitlich ausfällt. Das Überraschende an dieser Meldung ist für mich nicht der Mord, sondern die für mich neue Tatsache, dass es in Rußland offensichtlich Richter gibt, die nicht nur zufällig, sondern “häufig” gegen Rechtsradikale und Ultranationalisten vorgehen. Zumindest bei mir, vielleicht lese ich aber auch die falschen Zeitungen, hat sich die Meinung verfestigt, dass der russische Staat kaum etwas gegen rechtsradikale Nationalisten unternimmt. Das ist eine Mahnung, gerade Länderberichte und Kommentare mehr gegen den Strich zu lesen.
- Doch niemand jubelte
Obwohl seit Februar 2010 Regeln für Mindesthonorare in Kraft sind, werden freie Journalisten weiter mit Mini-Zeilengeldern und Schummel-Vorteilen abgespeist.
Quelle: taz
Anmerkungen WL: Das erklärt viel über die Qualität des Journalismus.
- Zu guter Letzt: Wilfried Schmickler – die Montagsfrage
Denkzettel – Anmerkungen zum NRW-Landtagswahlkampf
Quelle: WDR Audio-Podcast [MP3 – 1,3MB]