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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Landwirtschaft – Fragwürdige Verflechtungen
- Eine Studie des Instituts Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen weist nach, wie eine kleine Gruppe von Akteuren aus Politik, Bauernverband und Agrarwirtschaft Schlüsselpositionen besetzt.
- Demnach ist die Landwirtschaftspolitik in Brüssel und Berlin durchsetzt von Abgeordneten, die auch Lobbyisten sind.
- Das sei ein wesentlicher Grund dafür, weshalb Umwelt und Natur, Tierwohl, Gewässer- und Klimaschutz bei politischen Entscheidungen häufig auf der Strecke bleiben, lautet ein Fazit der Studie.
Als Politiker war der Landwirtschaftsmeister aus Röckersbühl in der Oberpfalz stets eine unauffällige Erscheinung. Albert Deß saß von 1990 bis 2004 für die CSU im Deutschen Bundestag, seither ist er Abgeordneter im Europäischen Parlament. Deß war nie Regisseur oder Hauptdarsteller auf parlamentarischer Bühne, aber auch viel mehr als ein Statist. Seit Jahrzehnten gehört der heute 72-Jährige zum engen Zirkel von politischen Lobbyisten im landwirtschaftlichen Bereich, die so diskret wie wirkungsvoll über Milliarden entscheiden – und die Zukunft des Agrarsektors. Nur, für wen erhebt Deß da eigentlich seine Stimme?
Es ist ein dichtes Geflecht aus Politikern, Agrarkonzern-Managern, Bankern und Verbandsfunktionären, das in Brüssel und Berlin maßgeblich mitbestimmt, wie Landwirte arbeiten und was bei Verbrauchern auf dem Teller landet. Das weist eine bislang unveröffentlichte Studie des Instituts Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Universität Bremen nach, die der Süddeutschen Zeitung und dem SWR vorliegt. Ihre Autoren zeigen exakt auf, wie eine überschaubare Gruppe von Akteuren aus Politik, Bauernverband und Agrarwirtschaft Schlüsselpositionen besetzt.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Anmerkung Albrecht Müller: es ist alles noch viel schlimmer, als man sich das in schlechten Träumen vorstellen könnte.
- Andrej Konstantin Hunko über sein Treffen mit Venezuelas Präsident Maduro
Habe gestern den Präsidenten der boliviarischen Republik Venezuela, Nicolas Maduro, getroffen und die Solidarität mit dem venezolanischen Volk gegenüber Wirtschaftssanktionen und Kriegsdrohungen zum Ausdruck gebracht.
Wir hatten einen langen Austausch über die internationale Lage und insbesondere über die Erosion des Völkerrechts. Maduro betonte die Unrechtmäßigkeit der Sanktionen und der Beschlagnahmungen venezolanischen Vermögens durch internationale Banken auf Druck der USA, die die Lage im Land verschlimmert.
Ich habe meinen Wunsch verdeutlicht, dass Venezuela keine NO-Go-Area werden darf und dass ich deshalb erwarte, dass viele Abgeordnete, Journalisten und interessierte Menschen das Land in dieser schwierigen Zeit besuchen würden und sich ein umfassendes Bild der Lage machen. Maduro sagte, alle seien willkommen.
Im Vorfeld hatte ich den Parlamentspräsidenten Juan Gaidó und weitere hochrangige Vertreter der Opposition getroffen. Habe dort meine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass eine Lösung der Krise nur friedlich und dialogisch sein kann. Guaidó stellte mir verschiedene Gewerkschaftsführer vor, die in Opposition zur Regierung stehen. Im Anschluss nahm ich als Beobachter an einer Parlamentssitzung teil.
Was die Chancen auf Dialog angeht, gab es gemischte Signale: Maduro sagte, dass er immer für Dialog sei, auch mit dem Teufel, dass er noch im November und Dezember mit vier hochrangigen Oppositionsvertretern verhandelt habe, dass solche Gespräche aber sinnlos seien, wenn sie, wie zuletzt, auf Druck der USA abgebrochen würden. Einige Vertreter der Opposition sahen in Verhandlungen nur einen Zeitgewinn für die Regierung.
Unabhängig von der Beurteilung der schwierigen, komplexen, teilweise auch erschütternden politischen und wirtschaftlichen Lage im Lande, halte ich es für wichtig international für ein Ende der Sanktionen und Drohungen einzutreten. Eine Lösung der Krise kann nicht gewaltsam von außen herbei geführt werden.
Quelle: Andrej Konstantin Hunko via Facebook
Dazu: Linken-Abgeordneter sorgt mit Besuch bei Maduro für Empörung
Das Treffen des Linken-Abgeordneten Andrej Hunko mit Venezuelas Staatschef Maduro sorgt für Ärger: Parlamentarier kritisieren, der Kollege mache sich zum Handlanger eines Herrschers, der Land und Volk ruiniere.
Ist es opportun, derzeit als Bundestagsabgeordneter nach Venezuela zu reisen und sich dort mit Staatschef Nicolás Maduro zu treffen? Andrej Hunko, Parlamentarier der Linkspartei und europapolitischer Sprecher der Partei, ist gerade für elf Tage dort und traf bei dem Besuch auch mit dem Präsidenten zusammen, der von vielen westlichen Ländern als illegitim erachtet wird.
Große Empörung löste Hunko damit bei seinen Bundestagskollegen von CDU, SPD und Grünen aus. Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Johann Wadephul nannte die Begegnung in Caracas “skandalös”. Mit der Visite bei Maduro schlage Hunko “der unterdrückten Bevölkerung Venezuelas ins Gesicht und mache sich zum politischen Handlanger”.
Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid bezeichnete den Besuch als “peinlich”. Es sei “beschämend, dass die Linkspartei immer noch einen Herrscher unterstützt, der die Demokratie in Venezuela zerstört und sein Land ins wirtschaftliche Verderben gestürzt hat”.
Auch der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour warf dem Linken-Abgeordneten vor, sich von Maduro “propagandistisch instrumentalisieren” zu lassen. “Maduro ist kein linker Präsident, sondern ein schlimmer Kleptokrat, der sein Land und sein Volk ruiniert”, sagte er. (…)
Das Treffen mit Maduro fand bereits am Mittwoch in der Hauptstadt Caracas statt. Hunko schrieb dazu auf Facebook, er habe bei dem “langen Austausch” über die internationale Lage “die Solidarität mit dem venezolanischen Volk gegenüber Wirtschaftssanktionen und Kriegsdrohungen zum Ausdruck gebracht”. Zu seinen Gesprächspartnern in Caracas zählten aber auch Guaidó und andere Oppositionsvertreter. “Habe dort meine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass eine Lösung der Krise nur friedlich und dialogisch sein kann”, schrieb Hunko.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung unseres Lesers A.B.: Schon die Frage, ob denn der Besuch von Hunko bei Präsident Maduro opportun sei, lässt tief blicken. Skandalös ist doch nicht die Reise eines Abgeordneten in ein vor allem durch Sanktionen und offen angedrohter militärischer Intervention in die Krise geratenen Staates, sondern die fragwürdige Anerkennung des selbsternannten “Interimspräsidenten” Guaido u. a. durch die EU und die deutsche Regierung.
Aus zwei Gründen halte ich Andrej Hunkos Reise nach Südamerika für richtig und wichtig:
Er spricht nicht vom Dialog sondern er führt ihn. Und (noch wichtiger) er sendet den Venezolanern ein Signal der Solidarität. Klar, dass das den eingefleischten Transatlantikern in Politik und Medien so gar nicht in den Kram passt.
- Edward Snowden’s Lawyer Wolfgang Kaleck on the Global Fight for Human Rights
WOLFGANG KALECK: There are a lot of stories that have to be told about Edward Snowden. Obviously, he was the one who confirmed all the warnings of many, many experts in the field about mass surveillance. So, you know, since his revelations, we lost somehow our innocence, not only about the mass surveillance carried out by the secret services all over the world, not only by the NSA—we have to remind that—but also the collection and processing of data by the powerful corporations, such as Facebook and all the others. And so, that’s the one thing. And I think it will be—at some point, it will be remembered as a really historical watershed, summer 2013, before and after.
So, the second thing is, in a time, you know, when many people are frustrated about what’s going on in the world—you know, the rise of the far right, the economic crisis everywhere—he sets an example for courage and, you know, that you can achieve something when you risk something, whereas many of us are sitting there in our offices, in cafes and restaurants, and debating and not really risking something. What did he risk? Basically, the first moment when he revealed not only the facts, but also identified himself, he risked basically his life and his existence. And he had to flee the U.S., went to Hong Kong, and then the only country which was willing to host him was Russia. By the time he looked for other places to go and to stay—in Europe, in Latin America—but nobody was really willing to give him a safe stay.
And this is how we then come in. He’s represented in the U.S. by the ACLU. Ben Wizner is the leading lawyer. But in Europe, there was a lot of interest in his revelations, so he participated in an inquiry commission at the European Parliament and at the Council of Europe. And we thought that the Europeans, who consider themselves the champions of human rights and democracy, at some point really, really acknowledge what he did and also declare his prosecution in the U.S. as against all standards of criminal law and human rights, because what he’s facing in the U.S. is a life-long sentence. He can get a 30-year prison term for each file he copied and made public. And he could be forced to serve the sentence in a maximum-security prison in total isolation, under this, you know, special statute, special administration measure, SAM. And that is obviously against any standard.
And so, it’s a very big disappointment that the European governments acted once again in complete bigotry. It’s, you know, the whistleblower of my enemy is my friend, but my own whistleblower is my enemy. And that is, you know, criminalizing whistleblowers in the way they do it. It’s, from many points of view, very, very stupid. And that’s something we try to—we tried and are still trying to challenge, because this is a man who deserves all our solidarity.
Quelle: Democracy Now!
Anmerkung Christian Reimann: Die NachDenkSeiten haben sich mehrfach mit Edward Snowden und seinem Schicksal befasst – u.a. hier: Snowden-Anwalt übt Kritik an NSA-Untersuchungsausschuss.
- UN privacy expert says Julian Assange’s right to privacy ‘may have been breached’ in Ecuador embassy
UN’s Special Rapporteur for Privacy Joe Cannataci has met with Wikileaks founder Julian Assange in a London jail and concluded there are strong indications the Australian’s privacy may have been breached while he was living in the Ecuadorian embassy.
Julian Assange complained to the UN in late March that his privacy had been violated by the Ecuadorians and the UN’s Special Rapporteur for Privacy, was scheduled to meet Assange at the embassy.
Instead the two hour-long meeting had to take place at the high-security Belmarsh Prison in south-east London on Thursday morning local time. Assange has been placed behind bars since April 11 after his asylum was revoked by Ecuadorian authorities and he was subsequently arrested by the British police.
“All I can say is that he was in fairly good shape and certainly very cogent in replying to our questions,” Professor Cannataci told reporters outside the prison.
Professor Cannataci did not go into details of the alleged privacy infringements but described them as wide-ranging and said he would now seek to corroborate the Australian’s claims.
Quelle: Daily Times
Übersetzung unserer Leserin M.H.: UN-Datenschutzexperte sagt, dass Julian Assange’s Recht auf Privatsphäre in der Botschaft von Ecuador “verletzt worden sein könnte”.
Der UN-Sonderberichterstatter für Datenschutz und Privatsphäre, Joe Cannataci, hat sich mit dem Gründer von Wikileaks, Julian Assange, in einem Londoner Gefängnis getroffen und kam zu dem Schluss, dass es starke Hinweise darauf gibt, dass die Privatsphäre des Australiers verletzt worden sein könnte, als er in der ecuadorianischen Botschaft lebte.
Julian Assange beschwerte sich Ende März bei den Vereinten Nationen, dass seine Privatsphäre von den Ecuadorianern verletzt wurde. Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Datenschutz sollte Assange [ursprünglich am 25.04.2019 – Anm. d. Übersetzerin] in der Botschaft treffen.
Stattdessen musste das zweistündige Treffen am Donnerstagmorgen im Hochsicherheits-Gefängnis Belmarsh, im Südosten Londons stattfinden. Assange wurde am 11. April hinter Gitter gebracht, nachdem sein Asyl von den ecuadorianischen Behörden widerrufen wurde und er anschließend von der britischen Polizei verhaftet wurde.
“Alles, was ich sagen kann, ist, dass er in ziemlich guter Verfassung und sicherlich sehr überzeugend bei der Beantwortung unserer Fragen war”, sagte Professor Cannataci Reportern außerhalb des Gefängnisses.
Professor Cannataci ging bezüglich der mutmaßlichen Verletzungen von Assange`s Privatsphäre-Bereich / Datenschutzverletzungen nicht ins Detail, sondern bezeichnete sie als weitreichend und sagte, er werde nun versuchen, die Behauptungen des Australiers zu bestätigen.
- USA ziehen sich aus UNO-Abkommen zurück
Die USA wollen sich aus dem internationalen Waffenhandelsvertrag ATT zurückziehen. Das kündigte Präsident Trump bei einer Veranstaltung der Waffenlobby NRA in Indianapolis an. Trump sagte, die Vereinigten Staaten würden ihre Unterschrift zurücknehmen.
Er werde den Senat auffordern, den Vertrag nicht zu ratifizieren. Trump betonte, Amerikaner lebten nach amerikanischen Gesetzen und nicht nach denen anderer Länder. Die NRA hatte sich vehement gegen das Abkommen gestellt.
Handel mit konventionellen Waffen
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hatte das Abkommen 2013 mit großer Mehrheit verabschiedet. Auch die Vereinigten Staaten unter dem damaligen Präsidenten Obama stimmten zu.
Quelle: Deutschlandfunk
- Ausbeutung durch Crowdworking, Plattformökonomie und Startups
Die Tagelöhner von heute erhalten ihre Aufträge per Computer oder Smartphone: Essenslieferdienste wie Deliveroo, der Fahrdienst Uber oder „Amazon Mechanical Turk“ – sie alle setzen auf Gig Economy, Plattformökonomie und Crowdworking. Errungenschaften des Arbeitsrechts interessieren da kaum mehr.
Ausbeutung, Scheinselbstständigkeit und permanente Überwachung sind Alltag von „Crowdworkern“, die ihre Dienste über das Internet anbieten. Die klassischen Gewerkschaften haben diese neue Arbeitswelt und ihre Arbeiter kaum auf dem Schirm.
Campus & Karriere fragt: Wie sind die Arbeitsbedingungen in der Plattform-Ökonomie? Werden prekäre und halblegale Beschäftigungsmodelle durch die Plattform-Jobs befördert? Warum lassen sich so viele Menschen in diesen Jobs ausbeuten? Wer verdient vor allem daran? Und: Welche (positive) Rolle könnte Crowdworking noch in Zukunft spielen?
Quelle: Deutschlandfunk
- Fernzüge halten wieder am Frankfurter Flughafen
Wegen eines nicht besetzten Stellwerks haben zahlreiche Fernzüge der Deutschen Bahn seit Sonntagmorgen den Frankfurter Flughafen und den Mainzer Hauptbahnhof nicht angefahren. Fahrgäste wurden gebeten, unter anderem auf die S-Bahn umzusteigen, sagte ein Bahnsprecher. Grund sei eine kurzfristige Krankmeldung eines Mitarbeiters, die trotz aller Anstrengungen nicht habe kompensiert werden können.
Betroffen waren ICE- und IC-Züge, die die Strecke Frankfurt-Mainz passieren. Der Fernverkehr zwischen Frankfurt und Koblenz wurde umgeleitet. „Wir entschuldigen uns bei unseren Kunden für alle Unannehmlichkeiten“, sagte der Sprecher. Inzwischen wurde die Störungsmeldung von der Website der Deutschen Bahn entfernt, der App zufolge fahren ICEs Richtung Köln den Flughafen wieder an.
In Stellwerken wird der Zugverkehr auf einem Gleisabschnitt geregelt. Dabei wirken mehrere Stellwerke zusammen. Fällt eines aus, kann es zu Einschränkungen kommen. Darum gibt es immer wieder Fälle, bei denen eine einzelne Krankmeldung zu diversen Zugausfällen oder Behinderungen führt. Ende Februar erst hatte die kurzfristige Krankmeldung eines Mitarbeiters, für den man keinen Ersatz finden konnte, Ausfälle und Verspätungen im Frankfurter S-Bahn-Verkehr bewirkt. Auch der Personalmangel der Deutschen Bahn begünstigt die Behinderungen, wie FAZ.NET berichtete.
Quelle: Frankfurter Allgemeine
Anmerkung unseres Lesers J.A.: So so. Der Ausfall eines einzelnen (!) Mitarbeiters kann nicht kompensiert werden, so daß wichtige Bahnhöfe nicht angefahren werden können? Vielleicht sollte mehr Personal vorgehalten werden und die Personalsituation nicht auf Kante genäht sein? Das Problem ist nun wahrlich nicht neu; so gab es z. B. im Mainzer Hauptbahnhof im August 2013 massive und wochenlange Ausfälle wegen Personalmangels. Was tut die Bahn, außer den Sparkurs fortzusetzen, den Personalmangel zu pflegen und die Löhne systematisch zu niedrig zu halten?
- 3,4 Millionen verdienen in Vollzeit unter 2000 Euro brutto
3,38 Millionen Arbeitnehmer haben trotz Vollzeitjob einen Verdienst von weniger als 2000 Euro brutto im Monat.
Das legte jetzt eine Statistik des Sozialministeriums offen.
Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern.
Rund 3,38 Millionen Vollzeitbeschäftigte in Deutschland haben im Monat zuletzt weniger als 2000 Euro brutto verdient. Nach den jüngsten offiziellen Daten Ende 2017 waren das 16 Prozent, wie eine Antwort des Bundessozialministeriums auf eine Anfrage der Linken zeigt. Die Abgeordnete Sabine Zimmermann hatte anlässlich des Tages der Arbeit am 1. Mai danach gefragt.
In Westdeutschland kamen 2,32 Millionen Vollzeitbeschäftigte (13,5 Prozent) auf weniger als 2000 Euro brutto, in Ostdeutschland 1,06 Millionen (27,5 Prozent). Die höchsten Anteile hatten mit 32,6 Prozent Mecklenburg-Vorpommern und mit 30,2 Prozent Thüringen – die niedrigsten mit 11,4 Prozent Baden-Württemberg und mit 11,5 Prozent Hamburg.
Quelle: welt.de
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ganz schlimm – aber im tollsten Deutschland aller Zeiten gilt ja Arbeit, egal wie schlecht bezahlt, immer noch als besser als keine Arbeit. Dabei sind bei den 3,4 Millionen nur Vollzeitbeschäftigte gelistet und die vielen Millionen anderweitig prekär (in Zeitarbeit, Teilzeit, KapoVaz, Scheinselbständigkeit…) zum großen Teil noch schlechter Gestellten nicht einmal berücksichtigt.
- Treuhandaufarbeitung ist eine Frage des Respekts!
Betrachtet die Bundesregierung den Auftrag und die Ausrichtung der Arbeit der Treuhandanstalt als einen politischen Fehler der Nachwendezeit? Diese Frage habe ich der Regierung kürzlich gestellt. Folgende Antwort erhielt ich aus dem Finanzministerium, das seinerzeit die Rechts- und Fachaufsicht über die Treuhand hatte: „Im Ergebnis ihrer Tätigkeit hat die Treuhandanstalt die Grundlage für die marktwirtschaftliche Entwicklung auf der Basis privater Unternehmen in den ostdeutschen Bundesländern geschaffen. Die Bundesregierung sieht hierin rückblickend einen wesentlichen Baustein des Transformationsprozesses.“
Ich sehe in dieser Antwort einen Schlag ins Gesicht vieler Ostdeutscher. Besonders wenn man bedenkt, was der gesetzliche Auftrag der Treuhandanstalt war. Ja, sie sollte privatisieren, aber dabei die „Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herstellen und somit Arbeitsplätze sichern und neue schaffen.“ Hat die Treuhand diesen Auftrag erfüllt? War sie ein Baustein einer guten Entwicklung? Sicherlich nicht.
Quelle: Dietmar Bartsch via Facebook
Anmerkung Albrecht Müller: Vieles und wichtiges zur Arbeit der Treuhand und ihrer Abwicklung ist nicht aufgearbeitet. Siehe auch frühere Artikel in den NachDenkSeiten, zum Beispiel hier „Beutezug Ost – Die Treuhand und die Abwicklung der DDR“ vom 14. September 2010 und hier vom17. September 2010 Nachtrag zu „Beutezug Ost“ – Dass Kohls Versprechen für „Blühende Lanschaften“ eine kalkulierte Lüge war, wussten die Verantwortlichen.
Vieles bleibt im Dunkeln, so auch die Rolle von Hans-Olaf Henkel und Klaus von Dohnanyi bei der Abwicklung der Treuhand.
- „Der EU-Handel mit Brasilien fördert den Klimawandel und verletzt die Menschenrechte“
Mehr als 600 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus jedem Land der EU sowie 300 brasilianische indigene Gruppierungen haben sich zusammengetan, um auf die Zerstörung der Umwelt und die Verletzung von Menschenrechten hinzuweisen, die durch den Handel mit Brasilien gefördert werden. 17 Forscherinnen und Forscher der Universität Göttingen haben sich dem Aufruf zu nachhaltigem Handeln angeschlossen. Er ist in der Fachzeitschrift Science erschienen.
Die Transformation des brasilianischen Regenwalds hat schon seit einiger Zeit zu gewaltsamen Konflikten mit der dort lebenden Bevölkerung geführt. Die Gewalt habe in letzter Zeit aber dramatische Ausmaße angenommen, so die Autorinnen und Autoren, und mindestens neun Personen seien seit Beginn diesen Monats durch diese Konflikte zu Tode gekommen. Zudem würden gewaltige Mengen Kohlendioxid freigesetzt und zahlreiche Arten aussterben, so die Kritik.
„Die EU ist Weltmarktführer beim Import von Gütern, die infolge dieser Entwaldung entstanden sind“, sagt Prof. Dr. Teja Tscharntke, Leiter der Abteilung Agrarökologie der Universität Göttingen und Mitunterzeichner. „Der EU-Handel mit Brasilien fördert den Klimawandel und verletzt die Menschenrechte.“ Allein die Importe zwischen 1990 und 2008 entsprächen einem Waldverlust in Größe der Landfläche Portugals. Die EU habe 2017 Tiernahrung im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro importiert – ohne zu wissen oder sich darum zu kümmern, ob die Produktionsfläche aus zerstörtem Regenwald oder durch Konflikte mit indigenen Gruppierungen entstanden ist, kritisieren die Autoren. Brasilianischer Regenwald in der Größe von mehr als einem Fußballfeld sei jede Stunde im Zeitraum zwischen 2005 und 2013 verschwunden.
Brasilien ist der zweitgrößte Handelspartner der EU, und die EU sollte Verantwortung für einen nachhaltigen Handel zeigen und ihre Ziele im Bereich Menschenrechte, Umweltschutz und Klimaschutz ernsthafter verfolgen, fordern die Autoren. Es sei wichtig, dass die EU Kriterien für nachhaltigen Handel definiere – in Zusammenarbeit mit den wichtigsten Interessensvertretern, darunter vor allem den indigenen Gruppierungen in Brasilien. Sônia Guajajara, Sprecherin von mehr als 300 brasilianischen indigenen Gruppen, sagt: „Europa und andere Märkte in der Welt müssen lernen, ihre Macht als Verbraucher einzusetzen.“ „Wir wollen verhindern, dass die EU durch ihre Importe Entwaldung unterstützt und sie stattdessen Weltmarktführer beim nachhaltigen Handel wird“, sagt die Erstautorin Dr. Laura Kehoe, Postdoktorandin an der Universität Oxford. „Wir schützen Wälder und Menschenrechte bei uns zuhause, warum folgen wir anderen Regeln, wenn es um den Import geht?”
Quelle: Georg-August-Universität Göttingen
- Caritas-St. Bernward Ambulante Pflege muss Angebot und Stellen reduzieren
„Wir müssen unser Angebot aus wirtschaftlichen Gründen reduzieren“, erklärt Geschäftsführer Dr. John G. Coughlan. Besonders stark betroffen davon seien die hauswirtschaftlichen Leistungen. „Einige Bereiche können wir aber auch mit der Pflege nicht mehr bedienen“, sagt Coughlan. Die Gesellschaft hat im letzten Jahr ein Minus von 265.000 Euro eingefahren, für das laufende Jahr würde es sogar noch größer ausfallen.
Ursache ist eine mangelnde Refinanzierung durch die Pflegekassen. Die tarifliche Vergütung sowie die tatsächlichen Kosten für Wege oder pflegerische Leistungen spielen für die Kassen dabei keine Rolle. „Wir haben in Gesprächen und Verhandlungen alles versucht, aber unsere Kalkulationen wurden nicht berücksichtigt“, betont der Geschäftsführer. Die seitens der Pflegekassen angebotenen Erhöhungen in den Schiedsgesprächen beträfen zudem nur rund ein Drittel der angebotenen Leistungen. „Selbst diese Erhöhungen decken noch nicht mal die tatsächlichen Kosten“, erläutert Coughlan.
Damit die Pflege nicht komplett eingestellt werden muss, zieht die Gesellschaft nun die Reißleine und versucht durch die Reduzierung eine Insolvenz zu vermeiden und wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen. Leidtragende dieser Entwicklung sind die Patienten, die auf die Hilfe angewiesen sind. Betroffen sind 118 Patienten, die überwiegend keine hauswirtschaftlichen Leistungen mehr bekommen. 15 Patienten werden künftig auch keine Pflege mehr erhalten.
Noch stärker sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen, die häufig über ihre Pflicht hinaus zum Wohle der betreuten Patienten tätig sind. Insgesamt 31 erhalten eine Kündigung zum 30. Juni 2019. Die Kündigung betrifft Fachkräfte, Pflegehelferinnen, Hauswirtschaftskräfte sowie die Verwaltung. „Wir hätten die Arbeit für sie, aber wir können sie nicht bezahlen“, sagt Coughlan. Sowohl Patienten als auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden voraussichtlich bei anderen Pflegediensten unterkommen – doch vor allem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeute das wohl eine schlechtere Bezahlung, befürchtet er.
Quelle: Caritas Hildesheim
Anmerkung unseres Lesers T.T.: Es fällt auch das Wort vom Fachkräftemangel, wobei von der Nachfrage her genug zu tun wäre. Die Caritas beruft sich darauf, dass sie ihre Angestellten nach Tarif zahlt, und dass infolgedessen die Kosten die Erlöse übersteigen. Sie wird Pflegekräfte entlassen und geht davon aus, dass diese bei der Konkurrenz eingestellt werden, aber dort unter Tarif bezahlt werden. Ein sehr deutliches Beispiel dafür, dass der Fachkräftemangel auf mangelnder Entlohnung beruht. Wenn dies anders sein soll, muss aber der Anteil der Pflegeausgaben am Bruttoinlandsprodukt deutlich höher sein als bis jetzt. Das muss erst mal vermittelt werden, und dass damit niemandem etwas genommen wird, wenn dafür die großen Einkommen und Vermögen herangezogen werden.
- Heil prescht in Debatte um Paketdienste vor
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will gegen die Ausbeutung von Paketzustellern vorgehen und treibt seine Pläne trotz des Widerstandes von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) voran. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ vom Samstag legt Heil jetzt einen Gesetzentwurf vor, der die großen Paketdienste verpflichten soll, Sozialabgaben für ihre Subunternehmer nachzuzahlen, wenn diese beim Mindestlohn betrügen. So soll der eigentliche Auftraggeber für korrekte Arbeitsbedingungen bei seinen Boten verantwortlich werden.
Heil riskiert damit Streit in der großen Koalition: Altmaier lehnt diese sogenannte Nachunternehmerhaftung ab. „Es ist jetzt nicht die Zeit für neue Belastungen der Wirtschaft“, sagte er am Samstag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze müsse Vorrang haben vor dem Aufbau neuer Bürokratie. Er halte es für falsch, Betriebe für ihre Subunternehmer haftbar zu machen, er setze dagegen auf mehr Kontrollen, hatte Altmaier zuvor schon erklärt.
Heil verteidigte seine Pläne dagegen. „Es geht um Recht und Ordnung am Arbeitsmarkt“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Wir wollen Generalauftragnehmer verpflichten, im Zweifelsfall, wenn die Sozialversicherungsbeiträge bei den Subunternehmern nicht einzutreiben sind, auch in Haftung genommen zu werden.“ Dass in der Branche nicht gut bezahlt werde, sei bekannt, und auch daran müsse sich etwas ändern. „Aber dass auch noch der soziale Schutz ausgehebelt wird, ist für mich völlig inakzeptabel.“
Quelle: Frankfurter Allgemeine
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Altmaier geriert sich weiterhin als Schutzengel einer Ausbeutungswirtschaft sondergleichen. „Es ist jetzt nicht die Zeit für neue Belastungen der Wirtschaft“ – wenn Löhne von über 6 Euro pro Stunde eine “Belastung” darstellen, dann brauchen wir diese “Wirtschaft” nicht. Anscheinend regelt der Markt bei Altmaier alles – und Kontrollen, für die aber bekanntermaßen viel zu wenig Personal vom Staat bezahlt wird. Davon abgesehen, hat Altmaier kein einziges Argument gegen die Nachunternehmerhaftung, außer dem typischen wirtschaftsliberalen Mantra, der Warnung “vor dem Aufbau neuer Bürokratie”. Die die Paketunternehmen ganz leicht vermeiden können, indem sie die Arbeitnehmer der Subunternehmen (wofür gibt es die überhaupt? Doch ausschließlich zum Lohndrücken) selber einstellen. Dann müssen sie nämlich sowieso Stundenzettel führen und die korrekte Abführung von Löhnen, Steuern und Sozialversicherungsbeträgen sicherstellen.
Anmerkung Christian Reimann: Die NachDenkSeiten haben das Thema mehrfach aufgegriffen – siehe u.a. hier (jeweils mit Anmerkung):
- Die Paketbranche boomt – die Löhne der Zusteller sinken
- Bsirske kritisiert “mafiöse Strukturen”
- Neue Seidenstraße verdeutlicht fehlende Strategie Deutschlands und der EU
„Chinas Mega-Projekt ‚Neue Seidenstraße‘ ist Teil einer klaren wirtschaftspolitischen Strategie, die China mit seinem staatlich gelenkten Kapitalismus über große Infrastrukturinvestitionen derzeit in die Realität umsetzt. In Berlin und Brüssel wird vor allem viel geredet, Deutschland und die EU drohen ins Hintertreffen zu geraten. Die europäisch verordnete Austeritätspolitik unter maßgeblicher deutscher Beteiligung erweist sich nun als Bumerang. Jahrelang wurde viel zu wenig öffentlich und privat investiert. Außerdem fehlt eine zukunftsweisende wirtschafts- und industriepolitische Strategie. Hier müssen Deutschland und Europa dringend umsteuern“, mahnt Klaus Ernst, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie und wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, mit Blick auf den „Seidenstraßen-Gipfel“ in Peking. Ernst weiter:
„Deutsche und Europäer müssen sich außerdem darüber klar werden, welche Infrastruktur sie brauchen und welche sie unter eigener Kontrolle behalten wollen. Sie sind gut beraten, bei Beibehaltung europäischer Werte ihren eigenen Weg zu gehen – und nicht den des autoritären chinesischen Systems oder den von Trumps ‚America first‘-Politik. Gute Arbeitsplätze, starke Arbeitnehmerrechte, ein hoher Umwelt- und Verbraucherschutz müssen wesentliche Elemente einer fairen Globalisierung sein. Ziel der europäischen Zusammenarbeit mit China muss sein, dass für europäische und chinesische Investoren gleiche Bedingungen gelten.“
Quelle: Die Linke. im Bundestag
Anmerkung Christian Reimann: Das sagt der Gewerkschafter Ernst und unterscheidet sich kaum vom Bundeswirtschaftsminister: Gipfel in Peking: “Faire Bedingungen auf beiden Seiten der Seidenstraße”. So richtig seine Erkenntnis ist, dass eine deutsche und europäische Strategie fehlt: Herr Ernst liefert selbst auch keine – nicht einmal ansatzweise.
- Generalprobe für einen neuen alten Streit
1521 besiegten die Spanier das Aztekenreich. Schon vor dem 500. Jahrestag wärmt Mexiko die «schwarze Legende» wieder auf.
Anfang März schickte Andrés Manuel López Obrador einen Brief an den Papst und an den spanischen König Felipe VI. In dem Schreiben fordert der mexikanische Präsident Spanien wie auch den Vatikan auf, sich für die Verbrechen zu entschuldigen, die von Hernán Cortés und seinen Leuten bei der Eroberung von Mexiko begangen worden seien. Die Conquista, so López Obrador, sei ein furchtbarer Übergriff gewesen, ein «schrecklich gewalttätiges und schmerzhaftes Ereignis».
Der spanische Staat müsse seine historische Verantwortung für diese Vergehen einräumen und die gebührenden Entschuldigungen oder politischen Entschädigungen anbieten. Wörtlich: «Mexico desea que el Estado español admita su responsabilidad histórica por esas ofensas y ofrezca las disculpas o resarcimientos politicos que convengan.» (El País International)
Der Brief schlug in Spanien ein wie eine Bombe. Die spanische Regierung wies das Ansinnen des mexikanischen Präsidenten schroff zurück und stellte klar, ein Ereignis, das vor 500 Jahren stattgefunden habe, könne nicht mit heutigen Massstäben beurteilt werden. «Unsere beiden Völker wussten ihre gemeinsame Vergangenheit stets ohne Zorn und mit einer konstruktiven Perspektive zu lesen.»
Quelle: Infosperber
- Weber will Migrationspolitik zur Chefsache machen
Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europawahlkampf, Manfred Weber, will als möglicher EU-Kommissionspräsident auf gemeinsame Lösungen in der Flüchtlingspolitik drängen. Die Migrationsfrage sei die offene politische Wunde des Kontinents, sagte Weber im Interview der Woche des Dlf. (…)
Detjen: Wenn ich da noch mal nachfragen darf. Diese Gasrichtlinie zeigt ja, da ist ein Kompromiss gefunden worden, mit Blick auf dieses umstrittene Projekt Nordstream. Und die Frage ist: Können Sie, wollen Sie diesen Kompromiss jetzt dann noch mal aufschneiden, aufschnüren, wenn Sie Kommissionspräsident werden. Können Sie das überhaupt?
Weber: Also, die Rechtsgrundlage ist klar. Und ich werde genau das Gleiche machen, was also auch schon Jean-Claude Juncker macht, nämlich die bestehende Rechtslage dann anwenden in der Europäischen Union. Und Sie wissen, dass jetzt auch die bestehende EU-Kommission schon sehr, sehr kritisch mit Nordstream umgegangen ist. Man muss einfach mal, schon einmal sagen dürfen, dass unsere, alle unsere Nachbarn da ihre Sorgen haben – die Polen, die Litauer, die Letten, die Finnen, die Dänen, Schweden. Alle, die in der Ostsee beteiligt sind, haben Sorge. Und deswegen ist ja, die Grundsatzfrage ist, ist die Pipeline notwendig, ja oder nein, die kann man ja diskutieren, gerade aus deutscher Sicht, weil wir viel Gas brauchen, nach dem Ausstieg aus Kohle und Nuklearenergie.
Detjen: Aber die Befürworter sagen, auch aus russischer Sicht, dass ist eine gegenseitige Abhängigkeit.
Weber: Und auf der anderen Seite haben wir aber auch Interessen der Finnen, der Litauer, der Polen, die wir auch berücksichtigen müssen. Ich habe eine Aufgabe, nämlich für Europa Wahlkampf zu machen. Und ich bleibe dabei, die Grundüberlegung ist, es tut auch Deutschland gut am Ende der Tage, wenn wir unsere Interessen, die wir haben, unsere legitimen, deutschen Interessen, die vorhanden sind, europäisch einbetten und mit den Nachbarn besprechen. Dafür stehe ich. Das ist auch meine Aufgabe als Europa-Politiker, den europäischen Blick zu bekommen.
Quelle: Deutschlandfunk
Anmerkung unseres Lesers M.J.: Das obige Dlf-„Interview der Woche“ mit CSU-Weber, (…) eine blanke Wahlkampfplattform ohne Kennzeichnung (soviel zur Qualität des ÖRR und seinem in Staatsverträgen verankerten Neutralitätsgebot!), schlägt mal wieder dem Faß die Krone ins Gesicht.
Da hetzt dieser Kandidat gegen die Standpunkte seiner eigenen Bundesregierung, was NorthStream 2 angeht. Er begründet das mit der Europa-Perspektive, aus der heraus er als Wahlkämpfer eben nicht bundesdeutsche Interessen vertrete, sondern erst einmal die der Balten und der Polen.
Na gut. Aber es möge die ketzerische und politisch unkorrekte Frage erlaubt sein, ob sich Balten und Polen denn AUCH an „europäischen Interessen“ orientieren – etwa in der Flüchtlingspolitik!
Keine Gemeinschaft kann bestehen, wenn Manche immer nur nehmen und fordern und Andere immer geben und zurückstellen sollen!
Zumal Weber gleich im nächsten Absatz über „Flüchtlingspolitik“ schwadroniert – natürlich aus CSU-Sicht, die wiederum der der Balten und Polen viel näher steht. Was auch für die Energiewende gilt: Die CSU und das Bundesland Bayern sind bis heute die größten Förderer von Atomstrom und die größten Verhinderer von WKA und Netzausbau. Bloß den Atommüll wollen sie nicht um München herum lagern.
Soll wirklich so jemandem, der nahezu blind ist für die Widersprüche in der eigenen Argumentation innerhalb von 2 Sätzen, die Leitung der europäischen Kommission anvertraut werden? Juncker war ja schon ‘ne Strafe, aber was uns künftig blüht, wage ich mir noch nicht auszumalen … (…)
Nach all dem Unsinn „Die CSU ist keine rechte rassistische Kraft, sondern die christliche Partei der Mitte“, die vor allem auf Grenzschutz, Menschenabwehr und türkische Flüchtlingscamps für die Jugend – die Zukunft – der Levante setzt, kommt Herr Detjen jetzt noch mit der offiziellen Dlf-Sicht auf den Gang der Welt. Ich zitiere: Der Mueller-Report hat jetzt ein für allemal klar und eindeutig bewiesen, daß „mehr als 100 Millionen US-Bürger […] durch Aktionen aus Russland gesteuert“ wurden! Hört, hört, hört!
Wie lange müssen wir als Bürgerinnen und Bürger uns diesen Lügenmüll eigentlich noch gefallen lassen? Diese unerträgliche Hetze, diese tagtägliche unmenschliche Lügenpropaganda?
Warum gibt es (bis auf die paar wenigen alternativen Medien) keine Kraft in diesem Land und in Europa, die uns davon zu befreien verspricht? Seien es Parteien, zivilgesellschaftliche Kräfte oder (am besten) Staatsanwälte?
In dem ganzen Interview gibt es einen einzigen Satz von Weber, dem man wohl voll und ganz zustimmen kann: Die EVP ist schuld daran, „dass Europa heute so aussieht wie es aussieht“ (nämlich neoliberal entsolidarisiert, auf der größten Zeitbombe der Weltgeschichte namens Nullzinsdeflation bzw. Währungsproblem, mit geretteten Banken und irrsinnig wachenden Privatvermögen – und Massen an entwurzelten „freien“ Arbeitsmigranten bzw. Proletariern ohne Alterssicherung, ohne Heimat, ohne soziale Rechte und ohne Perspektive). Und daß es morgen so aussehen wird, wie es aussehen wird.
Hätte bloß einer von den Zentrums- und DNVP-Leuten diesen Satz mal 1929 oder 1931 gesagt…
- So sehen US-Strategen die NATO – und verdrehen die Geschichte
US-Strategen plädieren für eine Auflösung der NATO: Ihre Forderung ist sinnvoll, ihre Argumentation dazu ist allerdings falsch.
«Die ‹North Atlantic Treaty Organization› NATO wurde letzte Woche siebzig Jahre alt, und Washington feiert die Geburt des Bündnisses. Doch bei allem Gerede über ‹das erfolgreichste Militärbündnis, das die Welt je gesehen hat› ist die NATO mehr als nur ein wenig über ihre Blütezeit hinaus. Die Streitkräfte der europäischen Mitgliedsstaaten sind nicht nur unterfinanziert und mehr und mehr irrelevant; das Bündnis selbst ist ein stetes Hindernis für die tatsächliche nationale Sicherheit Amerikas und Europas. Mit siebzig Jahren ist es an der Zeit, dass die NATO in den Ruhestand geht.
Quelle: Infosperber
- Olafs Fischbrötchen
Schwarz-Rot-Bunt: Wie ein Linken-Politiker den Finanzminister veralberte (…)
Es war der Linken-Abgeordnete Fabio De Masi, der im Parlament ein Fischmarkt-Dramolett vortrug, um seine Kritik an den deutschen Exportüberschüssen zu illustrieren. De Masi, Diplom-Volkswirt und in Finanzfragen sehr beschlagen, hatte in der Vergangenheit schon öfter moniert, dass Deutschland dauerhaft „vom Konsum der Anderen“ lebe. Es könnten nun mal nicht alle gleichzeitig mehr exportieren – „außer auf den Mars“, lautet sein Credo. Außerdem kämen die Löhne wegen der Agenda 2010 „nicht hinreichend vom Fleck“.
Im Bundestag wandte sich der Hamburger De Masi an den anderen Hamburger und entwarf – den Finanzminister fest im Blick – folgendes Szenario: „Stellen Sie sich vor, Herr Scholz, Sie würden Fischbrötchen an der Elbe verkaufen – für einen anständigen Lohn. Und ich würde zum Mindestlohn von 8,84 Euro auf der Reeperbahn Astra zapfen. Mein Bier wäre spottbillig. Deswegen würden Sie immer bei mir tanken. Aber ich könnte mir Olafs Fischbrötchen nicht leisten – kein Umsatz für Sie. Irgendwann wären Sie pleite und müssten bei mir anschreiben. Hätte ich einen anständigen Lohn, könnte ich bei Ihnen Fischbrötchen kaufen, und Sie könnten bei mir trinken bis zum Umfallen. Davon hätten wir beide etwas.“
Das Protokoll vermeldet „Beifall bei den Linken“. Eine Reaktion von Scholz war nicht auszumachen. Doch De Masi war noch nicht fertig. Er legte nach und spielte auf den Politthriller „House of Cards“ an, als er auf den Investmentbanker und neuen Staatssekretär Jörg Kukies zu sprechen kam, der bislang bei der „Heuschrecke“ Goldman-Sachs gearbeitet hatte. De Masi: „Wie wäre es mit einer neuen Serie ,House of Banks’ aus dem Bundesfinanzministerium mit Staatssekretär Jörg Kukies in der Hauptrolle? Es wäre zum Lachen, wenn es nicht zum Weinen wäre.“
Scholz blickte stumm in die Runde, während SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles wütete: „Das ist unter Niveau!“ Das könnte eine richtig nette Wahlperiode werden.
Quelle: Die Rheinpfalz
Anmerkung Christian Reimann: Insbesondere das Spitzenduo der SPD ist sich offensichtlich der Wirkung ihrer arbeitgeber-nahen Finanz- und Wirtschaftspolitik seit der Schröder-Regierungszeit nicht bewußt. Und leider sehen sie wohl auch nicht den Zusammenhang zu den schlechten Umfrage- und Wahlergebnissen …
- Scheuer und wie er die Welt sieht
Andreas Scheuer (CSU) soll ja auch Bundesverkehrsminister sein. Vor allem aber ist der Niederbayer bekannt als Gaudibursch. Sein Credo, dass Klimaschutz Spaß machen soll, und dass das nicht der Fall sei, wenn man sich in masochistischen Fahrverbots- und Grenzwerte-Debatten bewege, haben wir bereits dokumentiert. Spaß macht zum Beispiel, ohne Tempolimit autozufahren. Sich den Pelz zu waschen und dabei nass zu werden, macht keinen Spaß. Gar keinen Spaß.
Sehr viel Spaß dürfte Scheuer gemacht haben, dass im Januar ein Lungenfacharzt namens Dieter Köhler eine von rund hundert Kollegen unterschriebene Stellungnahme lancierte, in der stand, dass die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide viel zu streng und wissenschaftlich nicht begründbar seien. Diese Initiative sei, so Scheuer, ein überfälliger Schritt, “Sachlichkeit und Fakten” in die Diesel-Debatte zu bringen. Als die taz kurz darauf enthüllte, dass sich Köhler bei seinen Berechnungen um den Faktor 1000 verrechnet hatte, wird Scheuer dies so unspaßig gefunden haben, dass er darüber kein Wort mehr verlor.
Um die Gefährlichkeit von Stickoxiden und Feinstaub und die Sinnhaftigkeit bestehender Grenzwerte wissenschaftlich zu klären, hatte die Bundesregierung schon kurz vor der dieser Enthüllung die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina beauftragt. Diese stellte nun am 8. April ihre “Ad-hoc-Stellungnahme” vor, für die sie den aktuellen Forschungsstand ausgewertet hat (hier zum Download). Die Ergebnisse: Die Grenzwerte sind alle wissenschaftlich wohlbegründet und nicht zu streng. Im Gegenteil, bei Feinstaub müssten sie sogar noch viel strenger sein, denn der ist weit gefährlicher als Stickoxide, die Empfehlungen der Weltgesundheitsbehörde WHO gingen hierzu auch viel weiter als die Grenzwerte der EU. Und überhaupt müssten die Probleme Luftreinhaltung und Klimaschutz viel großflächiger, mit einer bundesweiten Strategie angegangen werden, eine nachhaltige Verkehrswende müsse her, “isolierte Fahrverbote” gehörten dabei zu den “wenig sinnvollen Maßnahmen”.
Quelle: Kontext: Wochenzeitung
Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut Umwelt- und Verkehrspolitik mit Stammtischparolen.